Kleine Warnung der Autorin: Ich habe dies hier nur zu meinem eigenen Vergnügen geschrieben und teile es, weil vielleicht noch jemand es gerne lesen könnte. Es wird hier keine grosse Action geben, und auch keinen schlimmen Herzschmerz, und ich verstehe jeden, der dieses Werk als "laaaangweilig" wegklickt. Es ist zudem nicht beta-gelesen.

Das Universum ist canon, wenn man nur die Bücher berücksichtigt, aber nicht mehr ganz, wenn man verschiedene Aussagen von JKR hinzunimmt.
Die Charaktere gehören Joanne K. Rowling, ich verdiene kein Geld damit.

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Während Hermine auf ihren Koffer wartet, verflucht sie einmal mehr ihren Übereifer. Natürlich ist sie immer schon ihre Projekte mit großem Tatendrang angegangen. Jedes davon.

Aber noch selten eines war so schlecht durchdacht.

Dafür gibt es wohl nur die Erklärung, dass ihr die vielen Albträume mehr zugesetzt haben, als sie gedacht hat. Dabei ist sie doch gerade deswegen zu einer der unzähligen Psychotherapeutinnen gegangen, die Amerika auch für magische Menschen zu bieten hat.

„Sie sollten sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Wie lange waren Sie schon nicht mehr in England?"

Sechs Jahre.

Sechs Jahre, in denen sie Abstand gewinnen wollte, vergessen wollte, neu anfangen wollte. Und fast sechs Jahre war das gut gegangen, während sie in Salem mit Studieren und Arbeiten beschäftigt war. Aber nach einem unerwartet abrupten Ende ihres letzten Jobs fand sie sich plötzlich mit zu viel freier Zeit wieder. Und dann zeigte sich, dass sie nur verdrängt hatte. Nicht vergessen. Es fühlte sich an, als ob ihr Leben plötzlich komplett unter ihr wegbrechen würde.

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Hermine seufzt. Jeden Aufsatz hat sie früher besser geplant als ihr Leben in den letzten beiden Wochen. Auf dem Flug hat sie genug Zeit gehabt zum Grübeln, und so vermutet sie, dass sie sich nur deswegen mit Feuereifer ins Packen und Zelte-Abbrechen gestürzt hat, weil es sie vom Nachdenken abgehalten hat.

Der Höhepunkt dieser Orgie von Unbedachtheiten ist freilich der Brief, den sie einen Tag vor Abflug geschrieben hat. An Ron.

Getreu dem Motto: wenn schon konfrontieren, dann doch gleich mit ihrem Ex-Freund beginnen.

Nein, halbe Sachen hat sie noch nie gemacht. Vielleicht sollte sie damit mal anfangen. Vor allem, wenn eine Idee im fernen Amerika soviel besser aussieht als hier in London Heathrow.

Es war kein großartiger Brief. Eigentlich nur vier Zeilen, einem spontanen Gedanken entsprungen.

Hallo Ron,

Ich fliege morgen zurück nach London, mein Flug geht um 7 Uhr ab New York.

Wir können uns ja die nächsten Tage mal treffen.

Gruß, Hermine"

Hermine fragt sich immer noch, wo ihr Hirn in dem Moment spazieren gegangen war.

Rons Antwort hat sie – gerade noch so – am Flughafen in New York erreicht, hastig auf die Rückseite ihres Pergaments gekritzelt:

Hey, super! Ich hol dich ab!"

Als ob der Flug auch ohne Gedankenkarussell nicht schon unbequem gewesen wäre. Aber Apparieren über Ozeane ist ihr zu gefährlich, sowieso mit den aufgewühlten Gedanken. Und Portschlüssel über solche Distanzen sind auch nicht eben billig. Flohpulver ist sogar verboten, weil kein Mensch das lange Herumwirbeln über die kaminlosen Strecken erträgt. Das funktioniert nur für Briefe, die von den amerikanischen Eulen bis zum Postamt gebracht, von dort über den Kamin nach England gefloht und wieder von Eulen weiterverteilt werden. Deswegen hat Rons Antwort sie noch erreicht.

Und deswegen grübelt sie immer wieder, ob er wirklich wartet. Das würde ja bedeuten, dass er wüsste, wie lange so ein Muggelflugzeug von New York nach London unterwegs ist, und wo er sich am Flughafen einfinden muss. Klingt unwahrscheinlich.

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Endlich kommt ihr Koffer auf dem Laufband angerattert. Sie greift ihn und blickt für einen Moment in die verblüfften Augen eines jungen Burschen, als sie das Riesending mit einer Hand locker hochhebt und schwungvoll wieder absetzt. Sie grinst ihn an und macht, dass sie mit ihrem verzauberten Gepäckstück davonkommt.

Ihr Blick bleibt an dem – für Muggel unsichtbaren – Schild hängen, das den Weg zum nächsten flughafeninternen Apparierpunkt weist. So geheim die Zauberer ihre Welt auch halten, sie unterwandern diejenige der Muggel sehr gekonnt.

Es wäre einfach, dem Schild zu folgen und in die Nähe des Hotels zu apparieren, das sie für diese Nacht gebucht hat. Ihr schießt der Gedanke durch den Kopf, dass sie ihr unbedachtes Projekt mit all seinen Verrücktheiten wirklich gut organisiert hat. Organisation erfordert schließlich Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit verdrängt Erinnerungen.

Aber Ron wartet vielleicht wirklich, und es wäre unfair, ihn stehen zu lassen, wenn er sich tatsächlich durch die Muggeligkeit des Flughafens gekämpft haben sollte. Sie könnte so tun, als ob sie seinen Brief nicht mehr bekommen hat. Aber das ist nicht ihre Art. Und vermutlich wartet er gar nicht, dann kann sie genauso gut den normalen Weg nehmen und außerhalb des Flughafens apparieren.

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Hermine folgt den anderen Passagieren durch den Zoll und lässt den Blick über die Wartenden schweifen.

Da, ein Rotschopf! Sie haben Bill geschickt, stellt Hermine fest, zugleich erleichtert und enttäuscht. Hat Ron Dienst? Oder wie sie Angst vor der eigenen Courage bekommen?

Sie fließt mit den Menschen aus dem Durchgang hinaus und winkt Bill zu, der schon auf sie zugeschlendert kommt. Kurz bevor er sie erreicht, zieht er die Hände aus den Hosentaschen, und auf einmal findet sie sich in einer kräftigen Umarmung wieder, wird durch die Luft gewirbelt, und in ihrem Ohr erklingt die begeisterte Begrüßung:

„Mine! Mensch, ich hab schon gedacht, du hast es dir anders überlegt!"

Es ist doch Ron.

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Als sie endlich wieder festen Boden unter den Füssen hat und er sie zu Atem kommen lässt, kann sie sich die Verwechslung erklären: Rons schlaksiger Körper ist breiter geworden, muskulöser, und er trägt sein Haar lang, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er könnte wirklich fast als Bills Zwillingsbruder durchgehen.

Dann strahlt er sie an und grinst wie ein Honigkuchenpferd, und es ist so sehr Ron, der Freund ihrer Kindheit, dass ein Großteil der Anspannung von ihr abfällt. Sie kann nicht anders: ein Lachen steigt in ihr auf, und dann lachen sie gemeinsam, einfach nur, weil sie anders ihre Wiedersehensfreude nicht ausdrücken können.

Ron drückt sie nochmal an sich, und sie quetscht zurück, und dann nimmt er ihr den Koffer ab und führt sie aus dem Flughafen, als ob er schon immer hier ein- und ausgegangen wäre.

Zum ersten Mal, seit sie mit ihrem Koffer ins Taxi zum New Yorker Flughafen gestiegen ist, glaubt sie, dass es vielleicht doch keine so dumme Idee war zurückzukommen.