Beitrag zum WAISENHAUS Projekt (daswaisenhaus . livejournal . com)
[#_0560] Weißt du was Träume sind? Oder träumst du gar nicht mehr? Ohne Angst und ohne einen Plan zu haben, einfach drauf los. Die Weisheit reduziert den Schaden. Keiner kann und keiner will, alles steht und alles still
„Weißt du was Träume sind?" Fleur schaute die Frau vor ihr mit einem durchdringenden, melancholischen Blick an. „Oder träumst du gar nicht mehr?"
Der Mundwinkel der Frau vor ihr zuckte ein kleines Stück nach oben, dann schüttelte sie den Kopf und schaute weg von Fleur, weg von ihren strahlenden blauen Augen in die Ferne, die so ungewiss war und so unzufrieden schmeckte. Sie sah dort ein paar Bäume und in deren Mitte ein großes Haus, das so zusammengestückelt und alt aussah, als würde nur noch Magie es zusammen halten.
„Lass es uns einfach tun!", rief Fleur mit Verzweiflung über die Lethargie der Frau ihr gegenüber. Es machte sie kaputt sie so zu sehen. So... grau.
„Ohne Angst und ohne einen Plan zu haben, einfach drauf los!" Fleur versuchte ihren Blick zu fangen und fasste sie an den Händen. Sie wollte sie schütteln, wachrütteln, damit sie nur endlich wieder so schaute, wie Fleur es liebte und damit sie wieder bunt wurde, farbenfroh und nicht mehr so leblos.
„Fleur, seien wir doch klug, Weisheit reduziert den Schaden. Du weißt es besser. Ich weiß es besser", murmelte die Frau leise und richtete ihren entflohenen Blick wieder auf die wunderschöne Französin vor ihr. „Es war ein Fehler zu glauben, dass wir es könnten."
In Fleurs Augen schwammen Tränen. Sie stand auf und umklammerte ihre Brust mit ihren Armen. Kurz schaute auch sie auf das weit entfernte Haus und schluckte bei dessen Anblick.
„Aber es kann doch nicht sein", begann Fleur mit zitternder Stimme, „dass wir nichts tun können. Keiner kann doch wollen, dass... keiner will Unglück! Wie soll ich ihn, wenn ich doch eigentlich..."
Eine Träne rann über ihre Wange.
„Fleur", seufzte die andere Frau und stand auch auf. „Fleur, Liebes, wir können nichts tun. Wir müssen es beenden. Es ist egal, ob ich dich liebe und ob du mich liebst. Wir können ihnen allen das einfach nicht antun." Als sie sah, wie die lange angestauten Tränen endlich ihren Weg aus Fleurs schwimmenden blauen Augen fanden, schaute auch sie noch trauriger als zuvor und nahm sie in den Arm.
„Du hast ja Recht", schluchzte Fleur. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an die Frau und war froh, dass sie so stark war, sie halten konnte. Erst ein paar Minuten später hatte Fleur sich wieder soweit unter Kontrolle, dass sie die Tränen vertreiben konnte und gerade soviel Distanz zwischen ihnen ertrug, dass sie in die Augen der Anderen schauen konnte. „Du hast Recht", wiederholte sie. „Aber heute noch nicht!"
Die andere Frau wollte ihr widersprechen, aber Fleur ließ es nicht zu: „Heute noch nicht, Dora. Heute steht noch alles still. Heute gehöre ich noch dir."
Und mit diesen Worten küsste sie sie so eindringlich, dass sich die zuvor noch farblosen Haare der Frau plötzlich wieder ein wenig in ihr gewöhnliches Pink verfärbten.
