Disclaimer (erwähn ich nur einmal, gilt natürlich für die ganze Geschichte): alle Figuren, außer den von mir erfundenen, gehören JKR. Ich will nichts damit verdienen, warum auch, ich hab schon nen anderen Job.
Anm.: Diese Geschichte schließt direkt an den Halbblutprinzen an. Sie erzählt von Harrys letztem Kampf gegen Voldemort (natürlich) und versucht, die Fäden, die JKR in den vorhergehenden Bänden ausgelegt hat, zusammen zu knüpfen (zugegeben - nach meinem Strickmuster! Ich hoffe, JK Rowling benutzt ein anderes, sonst wird´s langweilig …)
Ich zelebriere damit meinen persönlichen Abschied von all den literarischen Figuren, die mir in den letzten Jahren ans Herz gewachsen sind. Und versuche, die Wartezeit bis zum allerletzten Band schnief zu überbrücken. Jeder, dem die Zeit ebenfalls zu lang ist oder der den Abschied so weit wie möglich hinaus schieben will, ist herzlich willkommen.
Okay, das war´s von mir. Den Rest findet selbst raus ...
Kapitel 1: Abschied vom Ligusterweg
Die Ruine lag tief verborgen in der unwegsamen Moorlandschaft, versteckt zwischen verfaulenden Bäumen und dürrem Gestrüpp. Kein Muggel hatte bisher seinen Fuß in die unmittelbare Nähe des Gemäuers gesetzt. Denn das schmatzende Flüstern des Sumpfes und der Mangel an Tageslicht hielten jeden Eindringling fern. Darüber hinaus erzählte man sich im weiten Umkreis die unheimlichsten Geschichten über diese Gegend. „Das Moor ist verflucht!" so hieß es und die wenigen Wagemutigen, die in den letzten Jahren, allen Warnungen zum Trotz, tatsächlich einen Vorstoß riskiert hatten, galten seitdem als vermisst.
Auch in dieser feuchtkalten Julinacht wirkte der Sumpf gespenstisch wie eh und je. Hätte sich tatsächlich eine verirrte Seele dem unheimlichen Ort genähert, wäre das mit Sicherheit ihre letzte Aktion gewesen. Denn hinter dem bröckelnden, alterschwachen Gestein der abweisenden Mauern glitt eine riesige Schlange über den Boden und rollte sich schließlich zu Füßen einer hoch gewachsenen Gestalt zusammen. Diese wandte der Schlange ihr bleiches Gesicht zu und offenbarte so die erschreckende Ähnlichkeit mit dem Reptil auf dem Boden. Nur schimmerten die Augen des Mannes seltsam rot im Dämmerlicht des Gewölbes und seine Stimme klang hohl und kalt, als er sagte:
„Ich frage mich, welche Macht er besitzt" Die Stimme ging in ein scharfes Zischen über. Lord Voldemort wiederholte die Frage für Nagini, die Schlange, in der ihr eigenen Sprache. Die hob daraufhin den Kopf und blickte in Richtung einer weiteren Gestalt, die verkrümmt in einer Ecke des spärlich erleuchteten Raumes lag. Das zitternde Licht der wenigen Fackeln an den Wänden brach sich in den zahlreichen Ketten und Spangen, die Hals und Arme der Frau zierten und ließen sie glitzern wie eine Ansammlung kostbarer Juwelen.
„Welche Macht kann größer sein, als die Unsterblichkeit?", fuhr Lord Voldemort in Parsel fort und die Schlange verfolgte aufmerksam jede seiner Bewegungen. „Dieser … Potter ist doch ein Wurm, so wie seine Eltern und jeder andere von diesem Pack …."
„Ein Wurm kann das ganze Erdreich untergraben", zischelte die Schlange.
Voldemort lachte ein hohes, kaltes Lachen, das von den Wänden widerhallte. „Aber nicht, wenn ich ihn vorher zertrete, Nagini!" Er warf einen kurzen Blick auf die reglose Gestalt der Frau in der Ecke. „Nun - Dumbledore ist nicht mehr und ich will doch mal sehen, wer von meinen treuen Todessern mir am bereitwilligsten einen weiteren kleinen Gefallen tut…."
„Wem kannst du wirklich trauen?" fragte die Schlange.
„Trauen?" Voldemorts schmaler Mund verzog sich abfällig, als er gedankenverloren die Schlange musterte. „Ich traue niemandem …. außer mir selbst … und dir natürlich, Nagini!"
„Natürlich", gab die Schlange zurück.
Voldemort lachte abermals sein kaltes, unmenschliches Lachen. „Ich denke, es wird Zeit, den unabdingbaren Gehorsam einiger meiner … Gefolgsleute erneut zu überprüfen. Manche hungern förmlich danach, sich mir zu beweisen. Andere …", er machte eine bedeutungsvolle Pause, in der das Lachen erstarb. „ … sollten es dringend tun." Es war still, so still, als ob selbst der Sumpf außerhalb der rauen Mauern den Atem anhielt.
„Wie dem auch sei – Harry Potter ist nun Freiwild", hob Voldemort erneut seine Stimme. „Eröffnen wir die Jagd!"
- - -
Er trat ein, ohne anzuklopfen. Die Dursleys saßen an dem runden Esstisch in der noch immer blank polierten Küche. Es war der 31. Juli. Harrys 17. Geburtstag.
„Es ist soweit. Ich werde gehen", sagte er ohne Einleitung und blieb im Türrahmen stehen. Die Gesichter seiner Verwandten drehten sich ihm zu, doch niemand erwiderte etwas.
„Für immer", setzte Harry nach und bohrte seinen Blick in die Augen Tante Petunias, die ihren Kopf rasch senkte.
„Jetzt?" stieß Dudley aus und schaufelte eine Gabel voll Speck in seinen vor Überraschung weit geöffneten Mund.
Vernon räusperte sich. „Ähm…. gut. Nun denn …." Seine Stimme verlor sich in einem undeutlichen Gemurmel, als er einen Schluck Orangensaft zu sich nahm.
Petunia straffte die Schultern und hob langsam wieder den Kopf, sah ihren Neffen aber nicht an, sondern verfolgte die Spur eines verwegenen Sonnenstrahls, der mit enormer Anstrengung die unsommerliche Nebelfront außerhalb des Küchenfensters zu durchdringen versuchte und fragte leise: „Wohin wirst du gehen?"
Gegen seinen Willen gab Harry der Versuchung nach und machte ein paar Schritte in die Küche auf seine Tante zu. „Willst du das wirklich wissen?"
Petunia starrte ihm nun direkt in die Augen, doch bevor sie etwas sagen konnte, meinte Vernon, der seine Überraschung überwunden zu haben schien, mit gewohnt polternder Stimme. „Na, wohin wird er schon gehen. Zu dieser Beklopptenschule, natürlich! Das letzte Schuljahr ist doch …"
„Hogwarts ist geschlossen …" unterbrach ihn Harry und sah ebenfalls aus dem Fenster. Der todesmutige kleine Sonnenstrahl hatte den Kampf verloren; die dicken grauen Nebelschwaden hatten ihn einfach überrollt und mit ihrer wabernden Masse erstickt. Der Nebel war in den letzten Monaten zur trüben Gewohnheit geworden, genau wie im Jahr zuvor. In den Zeitungen überschlugen sich die Berichte mit den unterschiedlichsten Spekulationen über den Klimawandel – von der Erwärmung der Pole, über die Rache der Natur für ihre jahrzehntelange Misshandlung bis hin zu haarsträubenden Geschichten von geheimen Experimenten internationaler Terroristen. Nur wenige kannten den wahren Grund: die Dementoren brüteten wieder. Sie hatten mittlerweile das halbe Land mit einem Schleier aus Trübsinn und Melancholie überzogen und wenn man den aktuellen Berichten glauben konnte, hatten sie ihre gierigen Fänge schon nach dem Kontinent ausgestreckt ….
„Geschlossen?" riefen die drei Dursleys wie aus einem Mund.
„Ja."
Er hatte ihnen nichts erzählt von den Ereignissen des letzten Schuljahres. Kein Wort. Wie sollte er ihnen gegenüber ausdrücken, was sein Verstand selbst nicht begreifen konnte? Sie hatten keine Fragen gestellt; er hatte keine provoziert. Gleich nach seiner Ankunft hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen und es nur in den nötigsten Fällen verlassen, was nicht sehr oft vorgekommen war, denn die Dursleys hatten offenbar jedes Interesse an seiner Mithilfe im Haushalt verloren. Sie hatten ihn ignoriert, keine Bemerkungen zu dem außergewöhnlichen Besuch im letzten Jahr fallen lassen - und das kam ihm sehr entgegen. So war er sich selbst und seinen Grübeleien überlassen – wieder und wieder hatte er seine Möglichkeiten überdacht. Das Medaillon, für das Dumbledore völlig umsonst schreckliche Qualen auf sich genommen hatte, lag dabei auf seinem Nachttisch, umgeben von einem Haufen Pergamentblättern, teils dicht beschrieben, teils achtlos zerknüllt. Buchseiten und Zeitungsausschnitte leisteten den losen Seiten, über denen er brütete, Gesellschaft. Seine Überlegungen wurden nur unterbrochen von Hedwigs leisem Schuhuun, wenn sie einen Brief von Ron oder Hermine brachte, die ihn tatkräftig mit neuen Ideen oder Mutmaßungen zu unterstützen suchten. Wann immer seine Gedanken zu den Ereignissen auf dem Astronomieturm zurück schweifen wollten, vergrub er sich wie ein Besessener in seine Aufzeichnungen. Es war, als wollte er sich damit einen Tunnel durch meterdicke Erdschichten schaufeln. Doch obwohl er noch keinen Schritt weiter gekommen war, wusste er genau, was er wollte: am Tag seiner Volljährigkeit würde er den Ligusterweg verlassen und – nach einem kurzen Zwischenstopp bei den Weasleys anlässlich der Hochzeit von Bill und Fleur – den Ort aufsuchen, an dem alles geendet oder begonnen hatte, je nachdem, wie man es betrachtete. Sein Drang, Godrics Hollow zu finden, das Grab seiner Eltern, das Haus, in dem sie den Tod gefunden hatten, war noch nie so stark gewesen wie in den letzten Wochen.
„Tja …", meinte er nun achselzuckend in die Sprachlosigkeit seiner Verwandten hinein. „ dann geh´ ich mal ….Also – tschüss …"
Er wandte sich um und ging zurück auf den Flur, auf dem sein Koffer, Besen und Hedwigs Käfig bereit standen. Die Eule selbst hatte er schon gestern mit einer Nachricht an die Weasleys geschickt, in der er ihnen mitteilte, dass er ihrem mehrfachen Drängen nachgeben und die letzten Tage vor Bills und Fleurs Hochzeit im Fuchsbau verbringen würde. Er bückte sich nach dem Koffer und zog ihn in Richtung Haustür, als er hastige Schritte hinter sich vernahm.
„Harry …" drang Petunias Stimme zu ihm herab und er blickte auf. „ Harry, willst du … willst du nicht … noch etwas essen?"
Er richtete sich auf und starrte sie an. In all den Jahren bei den Dursleys hatten sie ihn nicht ein einziges Mal gefragt, ob er Hunger hätte, geschweige denn etwas essen wollte. Im Gegenteil – sie hatten ihm jeden Bissen missgönnt, der seine unwürdige Kehle hinunterrutschte und wahrscheinlich oftmals still gehofft, dass er ihm dort stecken bliebe …
„Nein", antwortete er leise und zwang sich zu einem müden Lächeln. „Danke. Mach´s gut, Tante Petunia … ." Er legte die Hand auf den Türgriff.
Im selben Moment, in dem er die Haustür öffnete, entdeckte er den dunklen Schatten im milchigen Grau des Nebels. Es brauchte nur Bruchteile von Sekunden, bis er erkannte, was das bedeutete. Bruchteile, in denen die Gestalt einen Arm hob, an dessen Ende der Zauberstab direkt in ihre Richtung zielte. Doch diese Sekundenbruchteile reichten ihm, um zu reagieren.
„Runter!" schrie er und riss Petunia in seinem Rücken mit einem Sprung zu Boden. Direkt über ihnen sirrte ein roter Lichtstrahl durch die Luft und traf Dudleys gläserne Boxtrophäe, die den Flur erst seit zwei Tagen zierte und mit einem lauten Knall zersprang. Petunia fing an zu kreischen und ein schimmernder Regen messerscharfer Splitter prasselte auf sie herab. Harry zog seinen Zauberstab aus dem Jeansbund und schickte einen hastigen Stuporfluch nach draußen, bevor sein rechter Fuß mit aller Kraft gegen die noch immer geöffnete Haustür trat, die laut scheppernd ins Schloss fiel und gleich darauf von einem weiteren Fluch des Angreifers in ihren Angeln erbebte. Harry murmelte einen eiligen Verriegelungsfluch, dann sprang er auf die Beine und versuchte, seine kreischende Tante ebenfalls hochzuziehen während ihm die Glassplitter aus dem Haar rieselten. „Schnell, weg hier! Komm!" drängte er.
Vernon und Dudley erschienen im Türrahmen. „Was ist hier los?" polterte Vernon, als der nächste Fluch von außen mit einem hässlich knirschenden Geräusch einen langen tiefen Riss in das empfindsame Holz schlug. Petunia, die nun endlich wieder auf den Füßen stand, schrie noch lauter und Dudley stimmte mit ein. Harry hielt seinen Zauberstab auf die Tür gerichtet, während er seine Tante hinüber zu ihrem Mann schob. „Da rein!" zischte er. „Schließt die Tür. Versteckt euch!" Doch Vernons massige Gestalt stampfte auf ihn zu und sein Tonfall ähnelte einem Donnergrollen, als er wiederholte: „Was ist hier los?" Ein lautes Knallen und ein weiterer ringförmiger Riss um das Schloss der Eingangstür ließen ihn abrupt anhalten. Harry behielt die Tür fest im Auge, als er zwischen zusammengebissen Zähnen hervorstieß: „Verdammt noch mal, versteckt euch endlich!"
Diesmal kam Vernon der Aufforderung ohne zu zögern nach. Er nahm Petunia, deren Schreien nun in eine Art hysterisches Schluchzen übergegangen war, am Arm und zog sie hastig zu Dudley, der sich entsetzt an die Wand presste. Leise fiel die Küchentür hinter ihnen ins Schloss. Harry machte einen Schritt zur Seite und versuchte, sich so gut es ging hinter dem altmodischen Garderobenständer zu verbergen, den Zauberstab starr auf die Haustür gerichtet. Er versuchte, seinen beschleunigten Atem zu beruhigen. Obwohl er damit hätte rechnen können, fühlte er sich unvorbereitet. Wenn er ehrlich war, hatte er einen so baldigen Angriff nicht unbedingt erwartet. Wie dumm das war, merkte er jetzt.
Es war still im Haus, bis auf das unterdrückte Schluchzen Petunias aus der Küche – dann sprang das Schloss mit einem leisen Klicken auf und die Haustür war einen Spalt breit geöffnet. Harry spannte sich an. Langsam, ganz langsam, schwang die Tür auf und offenbarte den Blick auf die nebelverschleierte Auffahrt. Niemand war zu sehen und Harry hielt den Atem an. Dann schoss ein schwarzer Schatten aus dem Nebel hervor, doch Harry war bereit: mit einem Impedimenta-Fluch wühlte er sich aus den Mänteln und ein Aufschrei zeigte ihm, dass er getroffen hatte. Gleichzeitig drang ein Entsetzensruf aus der Küche, gefolgt von einem schmerzvollen Heulen.
Harry wirbelte herum. Natürlich! Da waren noch mehr! Er rannte den Flur entlang und stieß die Küchentür auf. Dudley hockte jammernd auf dem Boden und hielt sich die rechte Hand. Seine Mutter war neben ihm in die Knie gegangen und Vernon lehnte keuchend an der Wand und streckte einen Besen wie ein Schwert der zersplitterten Terrassentür entgegen. Dort, hinter Petunias Rosensträuchern, die aufgrund der unfreundlichen Witterung noch immer nicht ihre Knospen geöffnet hatten, stand eine weitere dunkle Gestalt, deren kapuzenverhangene Maskierung sie eindeutig als Todesser kennzeichnete. Ein schmerzhafter Fluch streifte Harrys Schulter, der ins Wanken geriet, aber noch geistesgegenwärtig genug war, einen Gegenfluch zurückzuschleudern. Die Gestalt verschwand aus seinem Blickfeld und Harry eilte hinüber zu Onkel Vernon.
„Runter auf den Boden!" befahl er und drückte dessen Besen-bewaffneten Arm nach unten. „Der nützt dir nicht viel."
Vernons kleine Augen glühten wild in seinem ungewöhnlich bleichen Gesicht. „Wer ist das? Die wollen zu dir, nicht wahr? Alles wegen dir …!"
Harry ignorierte ihn und glitt hinüber zu seinem Cousin. Dudleys rechte Hand zierte eine schmale rote Brandspur. Nichts Schlimmes, wie Harry feststellte. „Versteckt euch hinter dem Sofa!" forderte er Petunia auf und die hörte sofort auf ihn und zog den japsenden Dudley mit sich fort.
„Ich will wissen …." setzte Vernon von Neuem an, doch ein weiterer grellroter Lichtblitz, der den Raum erhellte und ein Bild von Tante Marge zum Absturz brachte, ließ ihn seine Prioritäten überdenken und er suchte wie die anderen beiden, so schnell es seine Körperfülle zuließ, hinter dem neuen Ledersofa Schutz. Harry starrte angestrengt in den Garten und lauschte gleichzeitig hinüber zur Haustür. Wie viele waren es noch? Er überlegte fieberhaft, wie er die Dursleys aus der Gefahrenzone bringen konnte und kam zu dem Entschluss, dass sie am sichersten seien, wenn er sich nicht mehr in ihrer Nähe aufhielte. Langsam und gebückt, schlich er auf die zerborstene Glastür zu, all seine Nerven zum Zerreißen gespannt.
Da hörte er plötzlich andere Rufe, ein Aufschreien, und dann eine vertraute Stimme seinen Namen rufen.
„Hermine?" flüsterte er. Er wagte es nicht, laut zu antworten.
„Harry! Harry, bist du da drin?" Das war Ron. Eindeutig.
„Ron!", erwiderte er jetzt hörbar. „Ja, ich bin hier!"
Er senkte den Zauberstab nicht, als plötzlich ein flammendroter Haarschopf im Nebel auftauchte. Erst als Hermine neben der Gestalt seines besten Freundes erschien und vorsichtig durch das zersplitterte Glas der Terrassentür kletterte, atmete er hörbar aus.
„Harry, wir sind es wirklich, du kannst den Zauberstab runter nehmen!" meinte Ron, als er Hermine durch die scharfkantige Öffnung folgte.
„Wie viele sind es? Wo verstecken sie sich?" war Harrys einzige Reaktion.
„Nur zwei! Und sie sind weg. Lupin checkt noch die Umgebung. Er kommt gleich."
„Lupin …?" Harry senkte nun endlich den Zauberstab und ließ es zu, dass Hermine seine Frage mit einer heftigen Umarmung abwürgte. „Mann, das war im richtigen Augenblick", meinte er schließlich zu Ron, während Hermine ihn eine Armeslänge von sich schob.
„Du bist verletzt!" Sie deutete besorgt auf seine Schulter und im gleichen Moment spürte er, wie sehr diese schmerzte. Blut sickerte durch den Stoff seiner Trainingsjacke, doch er machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Nicht so schlimm. Lupin ist auch hier?"
„Ja und …."
Ron wurde durch ein Poltern im Flur unterbrochen, doch als Harry mit erhobenem Zauberstab herumwirbelte, öffnete eine zerknirschte Tonks die Tür.
„Tut mir Leid, der Garderobenständer. Der stand so ungünstig …" Sie schüttelte eine wilde, maisgelbe Mähne, die wie ein lange vermisster Sonnentag den ganz Raum zu erleuchten schien und kam näher.
„Tag auch, Harry …."
Schon wieder wurden sie durch ein Türenklappern unterbrochen und nun betrat auch Remus Lupin den Raum. „Es waren tatsächlich nur zwei und sie sind Beide entwischt. Hallo Harry, alles klar bei dir?" Er durchquerte mit langen Schritten das Zimmer und schlug Harry väterlich auf die Schulter.
„Ja, ich bin in Ordnung. Woher wusstet ihr …?"
„Wir wussten es nicht. Es war reines Glück, dass wir in genau diesem Augenblick gekommen sind, um dich abzuholen", antworte Hermine.
„Wir wollten doch sicher gehen," begann Ron, „ dass du nicht ohne uns nach Godric´s Hollow aufbrichst, sondern …"
„Aber ich hab doch Hedwig mit einer Nachricht zu euch geschickt. Ist sie noch nicht angekommen?"
„Nein", antwortete Ron nach einer Pause. „Bis jetzt noch nicht. Aber das muss nichts heißen, bei dem Nebel draußen hat Pig auch zwei Tage gebraucht, um zu Hermine zu kommen …"
Harry nickte, aber er war nicht überzeugt. Ron knuffte ihn schließlich freundschaftlich in die Seite. „Bevor ich´s vergesse, Mann: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!"
„Alles Gute, Harry", Hermine gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Willkommen in der Volljährigkeit!" Tonks drückte ihm einen Kuss auf die andere Wange. Lupin lächelte, als er ihm die Hand reichte, ein Lächeln, das sogar die Fältchen um seine Augen erreichte. Harry blinzelte irritiert. War das eine maisgelbe Strähne in seinem normalerweise bräunlich-grauen Haar? Auch fiel ihm auf, dass Lupins Gesicht, obgleich angespannt, jünger wirkte als sonst. Einige scharfe Linien schienen einfach verschwunden. Als Tonks sich bei ihm einhakte und zu ihm hoch lächelte, beschlich Harry eine Ahnung von der Ursache dieser überraschenden Veränderung. Offensichtlich hatte der Werwolf seine Vorbehalte hinsichtlich gewisser „unüberwindbarer Unterschiede" abgelegt oder Tonks, die so energiegeladen wirkte wie früher, hatte ihre Überredungskünste verfeinert …
„Es ist kein Zufall, dass wir da hier, Harry", meinte Lupin jetzt und fuhr sich mit der freien Hand über die gelbe Strähne. „Der Orden hielt es für besser, dich mit deiner Volljährigkeit verstärkt im Auge zu behalten. Doch niemand hat damit gerechnet, dass sie schon so bald einen Angriff wagen würden …"
„Die ganze Aktion scheint nicht sehr gut geplant gewesen zu sein. Eher das Werk von … hm … von Anfängern, die sich beweisen wollten", fügte Tonks nachdenklich hinzu.
„Ich will jetzt eine Erklärung", dröhnte eine laute Stimme hinter ihnen und Harry drehte sich zu seinem Onkel um. „Was sollen diese Leute in meinem Haus? Und wer waren diese …diese Kapuzentypen? Und was hat der mit Dudley gemacht?" Er redete hastig auf Harry ein und ignorierte bewusst die anderen Anwesenden. Harry sog scharf den Atem ein.
„Das waren Todesser. Sie gehören zu Voldemort …" Petunia im hinteren Teil des Raumes holte japsend Luft bei dem Namen und Vernon fragte weiter, jetzt eine Spur leiser: „Tod – was? Was wollten die hier bei uns? Sie wollten dich, nicht wahr? Du …"
„Vernon, Dudley braucht dringend Hilfe!" meldete sich Petunia wieder und Hermine schob sich an Vernon vorbei: „Ich mach das schon …" In diesem Moment klingelte das Telefon. Alle sahen sich an, als der schrille Ton sich hartnäckig wiederholte. Schließlich hastete Petunia hinüber und meldete sich mit zittriger Stimme: „ Ja? … ah … Mrs Gleeson, ja …ja … alles in Ordnung … nur … nur ein paar Freunde … von …Dudley …nein … nein … Sie wissen ja, wie das ist, die jungen Leute … einen schönen Tag noch Mrs Gleeson!" Sie legte auf, warf ihrem Mann einen gequälten Blick zu und eilte wieder an Dudleys Seite, der Hermines Zauberstab misstrauisch begutachtete, während sie damit über seine Hand fuhr. „Ich will das nicht!" Reichlich spät realisierte er, dass es sich bei dem zweifelhaften Stab wohl kaum um ein Instrument herkömmlicher Erster Hilfe handelte, doch Hermine war fertig, bevor er seine Hand außer Reichweite ziehen konnte.
„So, das war´s schon, nur eine oberflächliche Verletzung", lächelte sie beschwichtigend, als Dudley mit weit aufgerissenen Augen seine unversehrte Haut betrachtete. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Verwirrung sah er Hermine hinterher, die nun vorsichtig Harrys Schulter begutachtete.
„Ist nicht so schlimm", murmelte Harry und wollte ihre Hand beiseite schieben, doch sie zog kopfschüttelnd den Stoff seines T-Shirts so weit zurück, bis sie einen Blick auf den noch immer blutenden Striemen werfen konnte, der sich quer über seine Schulter zog. „Sectumsempra, nicht wahr?" flüsterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Tonks trat näher und pfiff durch die Zähne. „Wow, da hast du wirklich Glück gehabt, wenn der dich voll getroffen hätte."
Harry warf Hermine einen Blick zu. Er versuchte, sich an die Umrisse des Todessers, der ihn mit dem Fluch glücklicherweise nur gestreift hatte, zu erinnern. Was die Größe betraf, hätte es durchaus Malfoy sein können, dem er, Harry, den Sectumsempra-Fluch im letzten Schuljahr entgegen geschleudert hatte. Harry dachte mit leisem Schaudern daran. Trotzdem er ihn zutiefst verabscheute, war er noch immer entsetzt über das Bild des blutüberströmten Slytherin auf dem Boden des Waschraumes, wie er zuckend inmitten des rötlich verfärbten Wassers gelegen hatte. Der Fluch – eine schreckliche Erfindung des Halbblutprinzen. Snape ….
„ … hier, ich kann nur die Blutung stoppen", murmelte Tonks und zog ihren Zauberstab zurück. „ Ich hoffe, Molly hat genug Diptamtinktur im Haus gegen eine Entzündung. Aber eine Narbe wird wohl bleiben."
„Ich will endlich wissen …." Vernon war es leid, zu Seite gestellt zu werden und verlangte nun wieder alle Aufmerksamkeit für sich.
„Ich denke, Sie haben nichts mehr zu befürchten", meldete sich Lupin zu Wort. „Die Tod …"
„Ja", unterbrach Harry unwirsch und schob rasch den blutverschmierten Stoff seiner Trainingsjacke wieder über die Schulter. „Sie wollten mich und ich war gerade im Begriff zu gehen!"
„Und sie kommen nicht wieder?" fragte Petunia hoffnungsvoll.
„Ich denke nicht, solange Harry …"
„Wie gesagt, ich wollte gerade los …" murmelte Harry und eine unangenehme Stille trat ein.
„Wir begleiten dich", sagte Ron an seiner Seite. „Darum sind wir ja hier – um dich abzuholen."
„Moment …. was ist … wenn … wenn diese Leute doch wiederkommen?" Onkel Vernon stand die Furcht deutlich ins Gesicht geschrieben. „Wie … wie können wir uns wehren … gegen …. gegen …."
„Wenn Sie möchten, bleibe ich noch hier, bis Sie sich ganz sicher fühlen", bot Lupin an und sorgte für die nächste atemlose Stille, die diesmal jedoch von Überraschung gefärbt war.
„Hier bleiben …?" stotterte Vernon schließlich, als müsste er sich über die Bedeutung dieser Worte erst einmal klar werden.
„Ja, nur zu Ihrer Beruhigung! Ich wäre sowieso in der Nähe geblieben", erklärte er mit einem Seitenblick auf Harry, „ Wie gesagt – nur ein Angebot." Er wollte sich schon abwenden, da Vernons Mienenspiel nun alle Nuancen der Fassungslosigkeit durchlaufen hatte, als Petunia zögernd auf ihn zutrat. „Ja", hauchte sie und erntete einen misstrauischen Seitenblick ihres Gatten. „Bitte … bitte bleiben Sie."
„Du weißt, dass du am Ende der Woche eine Verabredung hast, Remus, oder? Du vergisst nicht, dass du mir einen Tanz versprochen hast…" mischte sich Tonks ein.
Lupin lächelte und nickte leicht. „Den wirst du bekommen … Hermine, hast du den Portschlüssel?"
„Portschlüssel? Ich dachte …" Harry starrte auf die mahagonifarbene Haarbürste, die Hermine aus einer ihrer Taschen beförderte.
„Extra für dich vom Ministerium genehmigt, Harry. Nun …", Ron druckste ein wenig herum, „ Mum wollte nicht, dass wir apparieren, weil … du weißt .. nun … ich …wir haben doch noch keine offizielle Erlaubnis und alle Prüfungen sind bis auf weiteres verschoben. Und .. eigentlich haben wir das der Braut zu verdanken. Mademoiselle legt sehr viel Wert auf dein Erscheinen und hat mit Scrimgeour persönlich Kontakt aufgenommen und er ist wohl leicht in ihren Bann geraten …"
„Wer ist das nicht?" Hermines Stimme klang belanglos, doch ihre Grimasse sprach Bände.
„Hm", machte Harry nur. Es gefiel ihm gar nicht, wenn das Ministerium sich einmischte.
„Ich begleite euch – das habe ich deiner Mutter versprochen …" sagte Tonks und sah Ron dabei an, der nur den Ansatz eines Grinsens zeigte: „Woher hab´ ich das gewusst?" murmelte er, doch Harry war schon auf dem Weg in den Flur, um seine Sachen zu holen. Als er den Raum wieder betrat, blickte er noch einmal zu den Dursleys hinüber.
„Also dann …."
Er war wieder da angekommen, wo er vor einer halben Stunde begonnen hatte: beim Abschied aus dem Haus, in dem er einen großen Teil seines Lebens verbracht hatte und das ihm nie ein Zuhause gewesen war. Vernon sah beflissen zur Seite, Dudley betrachtete noch immer gedankenverloren die babyglatte Haut seiner Hand, doch Petunia nickte ihm zu.
„Bist du sicher, dass du bleiben willst, Remus?" fragte Tonks und rümpfte angesichts der überaus kühlen Abschiedsszene die Nase.
„Ja, bin ich. Seid vorsichtig, ihr vier. Wir sehen uns in ein paar Tagen!"
„Pass auf dich auf …"
„Klar", lächelte Lupin und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. „Du weißt doch – ich hab eine Glückssträhne!"
„Guckt mal weg!" forderte Tonks das Trio auf, doch ehe Harry, Ron und Hermine verstanden, hatte sie Lupins Lippen mit einem Kuss belegt, der erst endete, als die Portschlüssel-Haarbürste aus Hermines Händen rutschte und auf den glänzenden Parkettboden knallte. Harry hob sie auf, Hermine und Ron legten beinahe gleichzeitig die Hände an den Griff und eine etwas atemlose Tonks gesellte sich dazu und aktivierte den Portschlüssel. Der entsetzte Blick der Dursleys, die schreckensblass zusahen, wie sich die größte Last der letzten 16 Jahre vor ihren Augen in Luft auflöste, war das Letzte, was Harry mit auf den Weg nahm, als das gewohnte Reißen in seinem Innern ihn in einen Strudel aus Farben zog …
t.b.c. – wenn ihr wollt ….
