Gedankenverloren trat Severus durch das große Eingangsportal ins Freie. Heute war ein guter Tag, um ein wenig Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Der Himmel war bewölkt und es sah nach Regen aus, außerdem sorgte hin und wieder ein starker Wind dafür, dass sich die Bäume am Anfang des verboten Waldes bedenklich verbogen. Kein Sonnenstrahl wollte an diesem Tag die Erde berühren, obwohl es erst Ende September war. Der Umstand, dass ein solches Wetter dem Slytherin am liebsten war, trug nicht gerade dazu bei, das Gerücht, er sei ein Vampir, zu revidieren. Dabei war der Grund, dass Severus sich nicht an warmen Sommertagen erfreuen konnte, denkbar einfach. Er konnte es einfach nicht ausstehen, wenn alles um ihn herum heiter und gut gelaunt war, was mit solchem Wetter meistens einherging. Fröhliches Gejohle und herum tollende Mitschüler waren ihm zuwider. Er konnte einfach nicht verstehen, warum die Welt sich ihn ausgesucht hatte um ihren Schabernack zu treiben.
Severus schritt gemächlich den Weg entlang, der zum großen See führte. Seit er nach Hogwarts gekommen war, hatte er die Rolle des Außenseiters inne, sogar in seinem eigenen Haus. Dort wurde er zwar akzeptiert, aber richtige Freunde hatte er trotzdem nicht gefunden. Nein, stattdessen stand er auf der Abschussliste von James Potter und seinen Speichelleckern. Diese verdammten Gryffindors verstanden es beinahe wie eine Kunst, ihn immer dann zu erwischen, wenn weit und breit keine Hilfe zu sehen war. Wobei sich Severus nicht mal sicher war, ob ihm seine Hauskameraden zur Hilfe kommen würden. Die Hufflepuffs und Ravenclaws hielten sich jedenfalls immer raus, wie war es anders zu erwarten. Der einzige Lichtblick im tristen Schulalltag war Lily.
Am Ufer des großen, im Licht des Tages grau erscheinenden Sees angelangt, ging Severus in die Hocke und ließ seine Hände durch den Kies fahren. Lily war schon damals als er elf wurde der Grund, der es ihm überhaupt erträglich machte, ohne Bauchschmerzen an die baldige Einschulung in Hogwarts zu denken. Er nahm die Schule eigentlich seit je her als notwendiges Übel hin, damit später mal „was aus ihm werden" würde. Was das dann genau sein sollte, wusste er selber nicht. Und Lily war es auch, die immer Partei für ihn ergriff, trotz ihrer Zugehörigkeit zum Hause Gryffindor. An den alltäglichen Späßen, die Potter und seine Freunde mit ihm trieben, änderte das aber auch nichts. Im Gegenteil, es schien den großspurigen und eitlen Fatzke sogar anzustacheln. Und außerdem war es ihm unangenehm, sich von einem Mädchen beschützen zu lassen. Er konnte auch gut selber mit den Gryffindors fertig werden. Von Rosier hatte er einen nützlichen kleinen Fluch gelernt, den er selber noch ein wenig abgewandelt hat. Sobald ihm die Pottergang wieder dumm kommen würde, würden die ihr blaues Wunder erleben. Das nahm sich Severus fest vor…Lily brauchte ihn nicht mehr zu beschützen! Niemand brauchte ihn beschützen! Denn er besaß Wissen, über Dinge, von denen kein Gryffindor auch nur in Alpträumen zu träumen wagte…
