In der Aurorenzentrale des Ministeriums war auch des Nachts immer jemand auf Wachdienst. Dieser Job war nicht sehr beliebt, denn wer stand schon gerne untätig in der Kommandozentrale herum, in der es oftmals nichts weiter zu tun gab, ausser die grosse magische Karte Großbritanniens, welche die ganze Wand einnahm, zu betrachten. Oder die drei Flohfaxgeräte zu beaufsichtigen, ob diese irgendein Memo ausspuckten. Wie in einer Feuerwehrwache der Muggel waren diese speziell verzauberten Utensilien, die wichtigsten Kommunikationsmittel um Notrufe zu empfangen und die Einsätze zu koordinieren.

Diese Nachtschicht heute hatte Dawlish zu leisten und er langweilte sich bald zu Tode. Seit neun Uhr abends, also schon seit fast fünf Stunden schlenderte er die zwanzig Meter hin und wieder zurück. Stand vor der Karte zählte die grünen Punkte der Hauptkontrollorte und trug die Anzahl jede Stunde in eine Tabelle ein. Sitzgelegenheiten gab es, in dem Raum keine, so lief man weniger Gefahr einzunicken. Die Flohfaxer hatten bisher nur zwei Memos ausgedruckt, beides Bagatellfälle, welche dann die Tagschicht in Ruhe abarbeiten konnte.

Durch die Warterei schon etwas abgestumpft, stand Dawlish bei der Türe und überlegte, ob er sich rasch einen Kaffee holen sollte.

Da wurde es auf einmal farbig auf der Karte. Das heisst, sie war schon vorher farbig, doch nun leuchtete ein Dorf intensiv blau und bei einer Stadt blinkte es hektisch violett. Wenige Augenblicke später erwachten zwei Faxgeräte zum Leben und warfen etliche Memos von den Zweigstellen in die Auffangschale.

Dawlish war wieder hellwach, eilte, nach einem Blick auf die ersten Memos, zum internen Koordinationspult und fuhr mit dem Zauberstab über zwei verschiedene Bereiche des Mannschaftsplans. Während im Piketruheraum etliche Auroren von einem durchdringenden Hornsignal geweckt wurden, ihre Ausrüstung schnappten und zum Sammelplatz rannten. In der Zeit sortierte Dawlish alle Informationen, teilte die Männer schon mal grob in Gruppen und bereite für jede Einheit in Kurzfassung ihre Einsatzinfos vor.

Nahe des Dorfes Holwick war eine unbekannte Art von Wasserdämonen gesichtet worden. Nun sollte eine Einheit ausrücken und prüfen ob es sich hier etwa um Inferi handelte oder in der überschäumenden Phantasie der Leute ein paar Grindelohs zu grausigen Wasserbestien hoch stilisiert wurden. Auf jeden Fall waren des Nachts Hirten und ihr Vieh aus nahen Gewässern angegriffen worden. Das war der Auftrag für Staffel eins. Ein Mitglied dieser Auorenstaffel trottete noch ganz verschlafen und über einen angeblichen Fehlalarm maulend, zum Dienst. Doch ein Zauberstabschlenker des ersten Staffelleiters und ein Wasserschwall später, war der Mitarbeiter wach und hielt den Mund. Wenig später war die Truppe gestartet.

Die andere Gruppe, Staffel zwei, scharte sich um einen kräftigen Mann mit buschigen Augenbrauen und gelbbrauner Haarmähne. Scrimgeours Truppe sollte abklären, ob der einsame Spaziergänger, der in einem Park umging und auf Bäume kletterte vielleicht ein Vampir war. Die Anzeige auf der Karte zeigte auf jeden Fall das Signal für ein Vampirwesen. So musste man den jungen Frauen, die Alarm geschlagen hatten, wohl ein Stück weit glauben. Obwohl sie selbst nicht so recht erklären konnten, warum sie weit nach Mittenacht noch in dunklen Parks herumschlichen. Während Rufus die Informationen von Dawlish entgegen nahm, kam eine junge Frau mit lila Haaren eilig um die Ecke gehuscht und stellte sich zu Proudfoot, Ivory und Aurorenlehrling Merllano. Der leitende Auror blickte ungehalten zu der Nachzüglerin, doch diese hatte kaum Zeit die schönen gelben Augen ihres Vorgesetzten zu bewundern. Schon gab er das Ziel und die Flugformation bekannt und eilte dann mit geschmeidigen Schritten einen schmalen Korridor hinauf, direkt ins Atrium. In der grossen Halle blieb er vor dem Brunnen der Geschwister stehen und erteilte Merllano, dem rotblonden Aurorenanwärter, die letzten Anweisungen. Kurz darauf war auch die Mannschaft von Scrimgeour disappariert und es war nur noch ein leises Plätschern des Brunnens zu hören, welches an den steinernen Wänden des Raumes wiederhalte.

Beide Aurorenstaffeln waren mit ihren Rennbesen und Speziallausrüstung rasch am Ort. Doch kaum waren sie angekommen, wurde von der Zentrale für eine Gruppe eine Korrektur durchgegeben.

„Staffel zwei! Euer Objekt wurde offensichtlich jetzt am Stadtrand gesichtet. Die Karte zeigt zwar keine Veränderung, doch die Beschreibung des Verdächtigen ist nahezu identisch." So meldete Dawlish über den Zweiwegspiegel an Leiter Scrimgegour.

„Danke Zentrale, wir kümmern uns darum", bestätigte dieser. Zu seinen Leuten gewandt murrte er: „Ich liebe es, wenn sich die Leute nicht einig sind, wo sie ihr Gespenst nun gesehen haben."

Einer der Einsatzkräfte sprach sich gegen einen Wechsel der Position aus. Er vertraute mehr der Anzeige auf der Karte und wollte den Park unter die Lupe nehmen.
"In Ordnung Proudfoot, du hast genug Erfahrung, um eine Trennung von der Gruppe zu wagen. Melde dich per Spiegel über die Zentrale, wenn du herausgefunden hast, was der Verdächtige hier gemacht hat. Wir anderen kontrollieren die Person am Stadtrand im Osten. Es wird sich ja schnell zeigen, ob es sich dort um den Gesuchten handelt."

So teilten sie sich auf und machten sich an die Arbeit.

Als Proudfoot durch das Parktor schritt und sich behutsam über die vielen verschlungenen Wege vortastete, war es dem einsamen Auroren schon nicht so geheuer. Die Stadtverwaltung hatte unsinnigerweise an Beleuchtungskandelabern gespart und die hohen Parkmauern schotteten das Gelände gegen jeden Einblick von aussen ab. Wirklich kein guter Platz, wo sich junge Frauen des Nachts herumtreiben sollten.

Leise und voller nervöser Anspannung schritt er durch den düsteren Park der Stadt Sheffield. Das wenige Licht, welches von den Strassenlaternen dennoch hierher fand, half nicht viel. Im Gegenteil, es machte mit den wabernden Schatten, welche die Büsche dadurch warfen, alles nur noch unheimlicher.

Immer wieder blieb der Auror stehen, lauschte angestrengt in die Stille der Nacht und versuchte mit Scannzauber eine Bedrohung hinter den Hecken frühzeitig zu erkennen.

Es war aber einzig ein wischendes Flattern in den Baumkronen auszumachen. Wo genau es herkam, war sich der Jäger nicht sicher. Von dieser Ulme dort? Oder von der Buche nahe des Parkwegs? Das sonderbare Geräusch schien sich von Baum zu Baum fortzubewegen. Halluzinierte er oder hatte er doch etwas gefunden?

Proudfoot drehte sich verunsichert im Kreis, immer dem wischenden Laut folgend. Verdammt! Hier hielt ihn jemand zum Narren oder er sass gewaltig in der Klemme. Was, wenn es mehrere der menschlichen Fledermäuse waren, die ihn nun umzingelt hatten? Der Auror muss sich zusammenreissen, um sich nicht unwillkürliche an den Hals zu fassen. Warum hatte er seine Kollegen alle zum Aussenbezirk gehen lassen und durchsuchte alleine den Hillsborough-Park?

Mit mulmigen Gefühlen hob er langsam seinen Zauberstab und sprach verschiedene Formeln. Dann sah er zu, wie ein violetter Lichtstreifen von einem Baum zum anderen huschte. Noch während der Scannzauber unterwegs war und den Weg des Verfolgten aufzeigte, schnaufte der Mann auf dem Kiesweg erleichtert aus. Es war nur einer und den würde er gleich haben. Den lähmenden Bannspruch für Vampirwesen bereits auf den Lippen folgte sein Blick dem violetten Licht, welches sich gerade bei einer grossen Eiche zu einem Schattenriss eines geflügelten Menschen manifestierte und so anzeigte, wo der Gesuchte sich befand. Dieser wollte sich aber nicht so einfach vom Baum pflücken lassen und startete zu einem Scheinangriff. Dem Auror stockten die Worte im Hals, als der Schatten blitzartig auf ihn zu schoss und ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Fluchend rappelte sich der Angegriffene vom Boden auf, sprang auf seinen Besen und jagte dem nun fliehenden Vampir nach. Während sie um die Bäume kurvten und schliesslich den Park verliessen, forderte Proudfoot über seinen Zweiwegspiegel bei der Zentrale Verstärkung seiner Kollegen an. Sodass wenige Augenblicke später alle fünf Auroren hinter der aufgescheuchten Fledermaus her flitzten.

Wirklich sehen konnten sie den Vampir zwar nicht, doch die verschiedenen Scannzauber, welche ihn hin und wieder erfassten, liessen seine Fluchtrichtung in etwa erahnen.

„Hier Ivory. Quere gerade den Fluss, nahe der Hilton Sheffield Brücke, Ziel dreht leicht nach 2 Uhr ab und scheint auf die fächerartigen Strassenzüge eines Nobelquartiers zuzuhalten!"

„Verstanden Ivory. Bin etwa 10 Uhr, links von dir und sah Verdächtigen zuletzt über dem Kuppeldach des Pollard Einkaufscenters."

So folgten sie dem immer wieder aufleuchtenden violetten Schatten durch die Quartiere und Strassen von Sheffield.

„Tonks! Dreh nach zwei einhalb, dräng ihn schräg vor uns ins offenen Gelände vor der Stadt."

Die betreffende Aurorin liess aber nur ein Fluchen hören und meldete sich dann keuchend. „Ihn abdrängen? Ha, können vor Lachen. Der Kerl ist an mir vorbei gefetzt und hat mich dabei so herumgewirbelt wie im Schleudergang einer Waschmaschine. Konnte gerade noch eine Kollision mit der Häuserwand verhindern. Keine Ahnung, wo der eigentlich hin will."

Sie bekam von Scrimgegour sogleich die kritisierende Antwort: „Hab's gesehen, Tonks. Du hast zu wenig in die Tiefe geblockt! Mit dem Silberschleier als Schutz wäre er dir nie so dicht gekommen." Seinem irischen Studenten in Ausbildung, gönnte er weniger tadelnde Worte.

Für seine wenigen Nachteinsätze, die der Lernende bisher gehabt hatte, zeigte er Mut und Einfallsreichtum. Was ihm fehlte, war die Routine und noch das Selbstbewusstsein seine Entscheidungen auch konsequent durchzuführen.

„Merllano, deine Idee war gar nicht schlecht, um solch einen Gegner zu Boden zu zwingen. Aber für ein perfektes Falkenhieb-Manöver hat dir der nötige Schwung gefehlt. Ein wenig mehr Tempo und nicht so zaghaft nächstes Mal. - Aber jetzt zurück zum Flüchtigen. Unsere Zielperson ist zwischen den Türmen der Kathedrale durch und hält jetzt auf den Golfplatz zu."

Die Flieger murrten über das Ausbrechen des Gejagten und sammelten sich neu um dann den Golfplatz zu umstellen. Darüber hinausgeflogen war die Zielperson nicht, doch in welchen der Gebäude sollten sie nun suchen?

Im grossen Trainingscenter, im Restaurant oder im etwas abgelegenen Werkschuppen?

„Restaurant würde ich sagen", meinte die junge Frau mit den lila Haaren. „Also, ich hätte nach so einer Jagd Hunger."

„Tonks", rügte Staffelleiter Scrimgeour, „das ist ein Vampir, kein hungriges Kind!"

„Ja, ja schon gut. Dann eben den Werkzeugschuppen, dort kann man sich sicher gut verstecken."

„Proudfoot, was sagt der Ortungszauber?" fragte der Leiter, ohne auf Nymphadoras Vorschlag einzugehen.

„Moment noch. Er war wohl in der Werkzeughalle, kurvte dann aber rüber zum Brunnenhaus und ist jetzt ...", murmelte der Gefragte vor sich hin. „Ah, im Trainingscenter und zwar im rechten Flügel. Dort scheint er im Moment bleiben zu wollen."