Das sanfte Licht des frühen Abends fiel durch die Fenster und erleuchtet den Raum. Alles schien von einem goldenen Glanz umhüllt. Ein junger blonder Mann lag auf dem Bett. Er hatte Kopfhörer in den Ohren und hörte leise Musik von irgendeiner Soulsängerin. Seine Augen waren geschlossen, sein Fuß wippte leicht im Takt der Musik mit. Die schlanken Hände lagen entspannt auf dem flachen Bauch.
Es kam selten vor, das er so entspannt war. Wenn er ehrlich war, hatte er auch gar keine Zeit dafür. Ray hatte ihm heute den Termin mitgeteilt. Seine erste eigene Show. Es stimmt, die Galerie war klein, die Gegend nicht unbedingt Manhattan, aber es war seine Show. Ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Er war erst knapp ein Jahr hier und es schien als hätte er es bereits geschafft. Nicht mal zu Hause hatte er eine eigene Show gehabt.
Der Vibrationsaarlahm seines Handys, das in seiner Hosentasche steckte, riss ihn aus seinen Tagträumen. Er sah kurz auf das Display, bevor er abhob. Sein Lächeln vertiefte sich noch.
"Hi"
"Hey! Wie lief es"
"Gut! Toll! Ray ist endlich mit einem Termin herausgerückt"
Ein leichtes Lachen am anderen Ende: "Du kannst sehr... charmant sein, wenn du willst"
"Hey! Ich bin immer charmant"
"Pff... Also, wann ist der große Tag"
"In zwei Monaten. Ich werd Cynthia die Daten geben"
"Vertraust du mir nicht", antwortet Brian gespielt verletzt.
Justin lachte: "Doch, aber sie soll doch bestimmt den Flug und das Hotel buchen"
"Du hast mich durchschaut"
"Ich muss Mum anrufen, meine wöchentliche Predigt abholen"
Brian lachte: "Bis später"
"Später"
Justin klappte das Handy zu und starrte zur Decke. Seine erste eigene Ausstellung - er konnte es immer noch nicht glauben.
Ray war ein großer, korpulenter Mann Ende 50. Sein dünnes graues Haar bedeckte nur noch spärlich seinen Kopf und seine Augen wirkten viel zu klein für sein massiges Gesicht. Trotz der wenig attraktiven Erscheinung war Ray Harold einer der nettesten Menschen, die Justin bisher in New York kennen gelernt hatte. Ray kam aus Texas, lebte aber seit über 20 Jahren in New York. Seine Frau hatte die kleine Galerie gekauft und hergerichtet. Seit ihrem Tod vor 5 Jahren, verwaltet Ray zusammen mit seiner Nichte Charly die Galerie. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, den Traum seiner Frau zu verkaufen. Er selbst hatte zwar nicht viel mit Kunst zu tun, aber die Buchhaltung und Planung machten ihm Spaß.
"Ah, da ist ja unser kommender Star!" Justin lächelte und stellte seine Tasche ab. "Kaffee?" Justin schüttelte den Kopf und verzog den Mund. Er hatte einmal den Fehler gemacht, Rays selbstgekochten Kaffee zu trinken und er hatte sich geschworen, es bei diesem einen Mal zu belassen. "Also, hast du mit Charly gesprochen?" Justin nickte. "Sie kommt heute Abend vorbei um sich die Bilder anzusehen. Sie möchte ein bisschen von allem, um meine Bandbreite zu zeigen." Ray nickte wohlwollend: "Kluges Mädchen. Glaub mir, das hat sie nicht von ihren Eltern"
Charlys Eltern, Rays Schwester und ihr Mann, lebten irgendwo in Florida. Als Charly 12 war, hatten sie die kleine bei Onkel und Tante abgegeben und waren verschwunden. Angeblich, konnte Rays Schwester den Stress einer pubertierenden Tochter nicht ertragen und wollte in eine Klinik fahren. Vor 2 Jahren hatten sie dann eine Postkarte geschrieben - aus Florida.
Justin schüttelte den Kopf um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Wenigstens hatte er eine schöne Kindheit gehabt. Er sah Ray an und sagte: "Ich bin hier wegen der Gästeliste." Ray nickte und strahlte. "Ich nehme an, dass wir nun endliche den Berühmtberüchtigten Brian kennen lernen werden." Justin errötete und nickte. Ray hatte sich erstaunlich gut damit zurechtgefunden, das sein neuer Star mit einem Mann zusammen war. Aber in New York war sowieso alles anders. Hier war es "In" nicht mit dem Strom zu schwimmen. "Also, wer sonst noch?" "Meine Mum und ihr... Freund." Innerlich schüttelte sich Justin, wenn er nur daran dachte. Das sie immer noch mit diesem Tucker zusammen war. "Dann Daphne, meine beste Freundin mit ihrem Freund. Oh, und Lindsay und Melanie. Sie kommen extra aus Toronto." Ray nickte. "Ich lass die Liste noch offen, falls du spontan jemand dazu bitten möchtest. Sag mir einfach bescheid, du weißt ja - je mehr Leute, desto besser." In diesem Moment kündigte die kleine Glocke über der Tür einen Galeriebesucher an. Ray fuhr sich über seine fast Glatze und seufzte. Justin grinste und griff nach einem der frischen Muffins, die immer in der Küche der Galerie standen. "Ich bin dann weg!"
"Das hier ist toll - es ist so.. traurig." Charly zeigte auf ein kleines Bild. Es war hauptsächlich in Blautönen gehalten. Er hatte es gemalt, als er sich von Brian getrennt hatte - nach dem schlimmen Streit zwischen Brian und Michael. Er hatte seine ganze Wut und Trauer in seine Bilder gesteckt und er hatte fast 2 Wochen, den Pinsel nicht aus der Hand legen können. Justin sah Charly von der Seite an, als sie konzentriert seine Bilder betrachtete.
Sie war klein, knappe 1,50m, hatte kurzes, tiefschwarzgefärbtes Haar und klare blaue Augen. Sie hatte Kunst studiert und arbeitet seit diesem Jahr bei ihrem Onkel in der Galerie. Ray war froh über die künstlerische Hilfe und Charly überglücklich, das sie einen Job gefunden hatte.
Justin räusperte sich und fragte: "Also, was meinst du?" Charly grinste und ließ sich auf einen klapprigen Küchenstuhl fallen. Die kleine Wohnung, die Justin seit ein paar Wochen bewohnte, war keine Luxusvilla. Die Möbel hatte er größtenteils vom Vormieter übernommen. "Sie sind toll Justin, aber das weißt du schon." Der blonde Mann errötete vor Stolz. Die junge Frau zeigte auf die Bilder, die sie ausgewählt hatte. Ein paar abstrakte Sachen, ein paar der Bilder, die er nach der Babylonexplosion gemalt hatte und einige Portraits: ein Bild von Gus, als er noch ein Baby war; eins von Mel und Michael mit JR auf dem Arm; eins von Molly im Park; und natürlich Brian. Charly hatte drei Bilder ausgewählt, die Brian in vollkommen verschiedenen Augenblicken zeigten. Eins war nach seiner Rückkehr aus LA entstanden. Brian lag auf der Couch, vollkommen relaxt. Ein anderes zeigte sein Profil. Und auf dem letzten schlief er, beleuchtet vom sanften blauen Licht der Schlafzimmerlampe. Das war sein Lieblingsbild. Brian wirkte so... glücklich und entspannt. Und irgendwie auf verletzlich. Justin runzelte leicht die Stirn. Vielleicht war es nicht so klug, das letzte Bild auszustellen. Er wusste nicht, was Brian dazu sagen würde. Irgendwie war es zu persönlich, zu intim. Er drehte sich zu Charly und fragte: "Bist du sicher, wegen dem letzten. Vielleicht sollten wir lieber ein anderes nehmen"
Charly schüttelte den Kopf. "Es ist perfekt. Es zeigt, wie viel dir das Motiv bedeutet. Man spürt deine Liebe. Und seine. Man spürt, das er ein Mann, der sonst nicht so offen ist. Das er dir so vertraut, dass er sich so öffnen kann... Nein Justin, du musst das Bild unbedingt zeigen."
Wie versprochen, eine neue Story:) Wie immer sind Reviews mehr als gern gesehen! Also nicht schüchtern sein und fleißig auf den kleinen Knopf drücken;)
