Ein neuer Blick (Ostersonntag-1973)

James Potter verließ nach dem Mittagessen das Schloss und ging zur Weide am See. Dort setzte er sich ins Gras und sah auf die glatte Oberfläche, in welcher sich der Himmel spiegelte. Alles war ruhig und wunderschön, nur die Vögel zwitscherten und einige andere Schüler unterhielten sich leise. James lehnte sich zurück und verfolgte die vorbeiziehenden Wolken mit den Augen.

Bei einer von ihnen musste er sofort an seinen Freund Remus denken, denn sie sah aus wie ein aufrecht gehender Wolf. Seit kurzem wussten er und seine beiden anderen Freunde Sirius und Peter, dass Remus ein Werwolf war. Er hatte es ihnen gestanden, als sie seine Fehltage analysiert hatten und ihnen dabei ein verdächtiges Muster aufgefallen war. James schloss die Augen und dachte an die vergangenen Tage. Er mochte Ostern: leckere Hot Cross Buns am Karfreitag und heute morgen die Ostereiersuche, die diesmal in der großen Halle hatte stattfinden müssen, weil es natürlich gerade da regnen musste. Zum Glück war es im Laufe des Vormittags schöner geworden, so dass er seinen gut gefüllten Magen – neben Schokoladeneiern hatte er soeben ein üppiges Osterfestmahl genossen – jetzt hier draußen fürs Erste zur Ruhe betten konnte.

Er musste eingeschlafen sein; denn auf einmal weckte ihn eine Mädchenstimme. Er blinzelte und sah über sich ein von roten Haaren umrahmtes Gesicht. Es war Lily Evans, eine Mitschülerin aus seinem Haus. „Was? Wie?", fragte er und wunderte sich darüber, dass die Sonne schon am Untergehen war. Lily lächelte ihn kurz an, dann erklärte sie direkt und ohne Umschweife: „Du bist wohl eingeschlafen, denn in zehn Minuten beginnt das Abendessen!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging davon.

Verwirrt starrte er ihr hinterher. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ließen ihr Haar noch einmal aufflammen. Nur einen Augenblick später lagen die Ländereien in Dunkelheit. Hatte sie seine Abwesenheit bemerkt und sich daran erinnert, dass er an der Weide gesessen hatte? Ihm fehlten die Worte… Zuvor war ihm das eher stille Mädchen nur am Rande aufgefallen, doch jetzt hatte sich etwas verändert, das konnte er tief in seinem Inneren spüren.

Er stand auf und ging langsam auf das Schloss zu. Vor seinem inneren Auge sah er immer und immer wieder ihr leuchtendes Haar in der Dämmerung. Dann hörte er, wie sie seinen Namen sagte und sah ihr Lächeln…

Als er beim Eingang war, drehte er sich ein letztes Mal um und betrachtete kurz den rötlichen Horizont:

Dieses Mädchen ist schon jemand ganz Besonderes…

Er lächelte und öffnete die Tür.