Hier gleich eine Anmerkung zu Beginn:
Eine Menge wurde aus der Originalszene des Buches entnommen.
Lasst euch davon bitte nicht abschrecken und lest dieses Kapitel bitte bis zum Schluss.
Ich hoffe, es ist trotz der Originalworte aus dem Buch gut geworden.
Viel von dem Gespräch spielt sich in Bellas Kopf ab.
Das Kursivgeschriebene stellt das Unterbewusstsein dar.
Das Fettgeschriebene verdeutlicht Bellas richtige Dialoge mit ihrem Unterbewusstsein.
Ich denke mal, ihr werdet da schon durch sehen.
Na dann. Ich hoffe, das Kapitel wird ein must read Chapter.
Viel Spaß.
Disclamer: Alle Charaktere und Worte aus dem Originalwerk gehören Stephenie Meyer.
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Folgenschwere Entscheidungen
Bellas POV
„Bella, wir müssen abreisen."
Seine Stimme war geschäftsmäßig und kalt, als er diese Worte sagte. Die Angst in meinem Inneren steigerte sich. Von diesem Moment an meldete sich mein Unterbewusstsein, um seine Meinung zum Gespräch beizutragen.
Oh, oh. Du weißt doch was das bedeutet, oder?
Ich holte tief Luft und versuchte wie immer meine innere Stimme zu verdrängen. So gut mir das eben in meiner jetzigen Situation gelang.
„Warum jetzt? Noch ein Jahr ...", fragte ich ihn, um ihn verstehen zu können und um mich von meiner inneren Stimme abzulenken.
„Du kannst dich nicht ewig vor der Wahrheit verstecken.", mahnte meine innere Stimme.
„Bella, es ist an der Zeit. Wie lange könnten wir noch in
Forks bleiben? Carlisle geht kaum für dreißig durch, und jetzt
muss er sich schon für dreiunddreißig ausgeben. Wir hätten
ohnehin bald wieder neu anfangen müssen."
Seine Antwort verwirrte mich und ich versuchte
seine Worte zu begreifen.
Er starrte mit kaltem Blick zurück.
Als ich begriff, dass ich ihn falsch verstanden hatte, wurde mir
übel. Doch mein Unterbewusstsein nickte nur.
Siehst du? Die Wahrheit wird dich letztendlich doch einholen. Beginne endlich zu begreifen und fange an, auf mich zu hören.
Ich musste schlucken und atmete tief durch. Nun war ich wohl an einem Punkt angekommen, an dem ich die Worte meines Unterbewusstseins nicht mehr länger ignorieren konnte. Die ganzen Monate über, hatte mich meine innere Stimme vor genau dem hier gewarnt. Wann hatte es eigentlich angefangen, dass sich mein Unterbewusstsein so stark in meine bewussten Entscheidungen eingemischt hatte? Das musste in dem Zeitraum begonnen haben, als ich herausgefunden hatte, was die Cullens waren und bevor Edward mir auf der Lichtung gesagt hatte, dass er in mich verliebt sei.
„Wenn du wir sagst...", flüsterte ich und kam nicht umhin langsam zu realisieren, dass mein schlimmster Albtraum gerade war wurde.
Ein kleiner Teil von mir hoffte, dem noch entrinnen zu können.
„Ich rede von mir und meiner Familie."
Jedes Wort klar und
deutlich.
Hast du es nun endlich verstanden? Er redet von sich und seiner Familie. Es geht nicht um dich und ihn. Nur um seine Familie, zu der du…
„Bitte, bitte! Sei endlich still und hör' auf zu reden. Das will ich alles nicht hören. Das kann nicht sein. Das kann nicht die Wahrheit sein. Nein, nein, nein.", antworte ich meinem Unterbewusstsein verzweifelt.
Edward wartete während meines inneren Kampfes ohne ein
Anzeichen von Ungeduld. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich
wieder etwas sagen konnte.
„Gut", sagte ich. „Dann komme ich mit euch."
Oh Isabella Swan, was tust du da nur? Was hoffst du damit zu erreichen? Du kannst vor der Wahrheit nicht länger fliehen. Aber gut, wenn du es nicht auf die sanfte Weise lernen willst, musst es eben auf die harte Tour lernen. Egal, was letztendlich das Ergebnis sein wird. Du weißt, dass ich immer für dich da sein werde.
Gab es denn keinen Weg, diese nervige innere Stimme abzustellen? Es reichte schon, dass seine Worte mein Herz vor Angst schneller schlagen ließen. Da brauchte ich nun wirklich nicht meine eigene, die mir zusätzlich noch die Luft zum Atmen nahm.
„Das geht nicht, Bella. Da, wo wir hingehen ... das ist nicht
der richtige Ort für dich."
Da hat er vielleicht nicht ganz unrecht, oder?
„Wo du bist, ist immer der richtige Ort für mich.", widersprach ich ihm und gleichzeitig mir selbst.
Da liegst du richtig, Bella. Du brauchst ihn.
Ich war erleichtert, dass mein Bewusstsein und mein Unterbewusstsein sich wenigstens in diesem Punkt einig waren.
„Ich bin nicht gut für dich, Bella."
Da liegst du falsch, Edward. Sie braucht dich. Mehr als du ahnst. Du kannst es ihm ruhig sagen, doch es wird nichts ändern, so leid es mir auch tut. Glaub mir.
Ich gab es auf zu versuchen, mein Unterbewusstsein ruhig zu stellen. Ich brauchte meine ganze Kraft – die immer weniger wurde – jetzt dazu, dass Schlimmste zu verhindern.
„Sei nicht albern."
Das sollte wütend klingen, aber es klang
nur flehend.
„Du bist das Beste in meinem Leben."
Bitte. Das musste er doch wissen. Er wusste doch, was ich für ihn fühlte. Wie ich mich mit ihm fühlte. Glücklich. Ganz. Vollständig.
„Meine Welt ist nichts für dich", sagte er grimmig.
Welche Beweise brauchst du noch? Isabella, sieh nun endlich der Wahrheit ins Gesicht, bevor es noch viel schlimmer wird.
Noch schlimmer? Was könnte denn noch schlimmer sein?
Daraufhin schwieg mein Unterbewusstsein und gab keinen Kommentar ab.
„Was mit Jasper passiert ist - das war nichts, Edward! Gar
nichts!", hielt ich verzweifelt dagegen und versuchte noch immer die Stimme in meinem Kopf zu ignorieren.
Ich musste verhindern, dass mein Albtraum wahr wurde – mit allen Mitteln, die ich zur Verfügung hatte.
Es war viel mehr als nichts.
Was meinte meine innere Stimme damit? Doch sie schwieg erneut.
„Hm, man hätte auf jeden Fall damit rechnen müssen", sagte
er.
Da hat er leider recht.
„Du hast es versprochen! In Phoenix hast du versprochen zu
bleiben ..."
Verhindere es mit Allem was du hast, sagte ich mir immer wieder, doch mein Unterbewusstsein schüttelte nur traurig und resigniert mit dem Kopf.
„Solange es gut für dich ist", korrigierte er mich.
„Nein! Dir geht es um meine Seele, stimmt's?", rief ich zornig,
die Worte platzten aus mir heraus - aber irgendwie hörte es
sich immer noch flehend an.
„Carlisle hat mir davon erzählt,
aber das ist mir egal, Edward. Es ist mir egal! Du kannst meine
Seele haben. Ohne dich will ich sie nicht - sie gehört dir schon
jetzt!"
Ja, das tut sie. Und genau das wird dein Verderben sein. Du hast unglücklicherweise dem Falschen dein Herz und deine Seele geschenkt. Aber die Gefühle lassen sich nun einmal nicht steuern, nicht wahr? Das Herz macht was es eben will. So ist es bei dir und so ist es bei ihm. Wie bei jedem Menschen.
Er holte tief Luft und starrte lange zu Boden. Sein Mund verzog
sich ein ganz kleines bisschen. Als er schließlich aufschaute,
hatte sein Blick sich verändert, er war jetzt noch härter - als wäre das flüssige Gold gefroren.
„Bella, ich möchte dich nicht dabeihaben."
Er sagte es langsam und betonte jedes einzelne Wort, und dabei sah er mich mit seinem kalten Blick an, während ich die Bedeutung seiner Worte erfasste.
Jetzt fängt es an schlimmer zu werden.
„Du ... willst mich nicht ... haben?"
Es waren seltsame Worte, die aus meinem Mund kamen.
Genau das hat er gerade gesagt.
„Nein."
Dieses eine Wort ließ mich innerlich erbeben. Auch wenn ich es nur ungern zugab, so langsam musste ich mir eingestehen, dass ich dem näher kommenden Albtraum so gut wie nicht mehr aufhalten konnte. Weil er mir seine Hilfe verweigerte. Er wollte mich nicht bei sich haben.
Was bedeutete das?
Er. Wollte. Mich. Nicht. Dabei. Haben.
Du weißt ganz genau, was diese Worte bedeuten Bella. Ich habe dir immer wieder gesagt, dass dies eines Tages passieren wird, aber du wolltest ja lieber die harte Variante. Du wolltest die Wahrheit nicht sehen und hast zugelassen, dass deine Liebe zu ihm mit jedem Tag größer und intensiver geworden ist. Und nun sieh dir an, was dir das gebracht hat.
„Tja, das ändert die Lage."
Es wunderte mich selbst, wie ruhig
und vernünftig das herauskam. Wahrscheinlich, weil ich wie
betäubt war. Ich begriff nicht, was er mir da sagte. Ich wollte es einfach nicht begreifen.
Er wandte den Blick ab und schaute in die Bäume, dann sagte
er: „Natürlich werde ich dich immer in gewisser Weise lieben.
Doch was neulich geschehen ist, hat mir gezeigt, dass sich etwas ändern muss. Denn ich bin ... ich bin es leid, immerzu etwas vorgeben zu müssen, was ich nicht bin. Ich bin kein Mensch."
Merkst du, dass er sich selbst widerspricht? Das er dich immer lieben wird, ist eine Lüge, so wie alles eine Lüge war. Er ist es leid etwas vorzuspielen – Mensch zu spielen. Dein lieber Edward erträgt nicht mehr unter Menschen zu sein. Unter deinesgleichen zu sein. Mit dir zusammen zu sein. Er hat es wahrscheinlich nie wirklich ertragen, mit dir Zeit zu verbringen. Wie hatte er sich damals ausgedrückt? Du warst – oder bist – für ihn wie eine Art Dämon, der aus seiner persönlichen Hölle aufgestiegen ist, um ihn zu ruinieren. Du hast ihn ruiniert und seine Familie gleich mit dazu. Bald wirst du verstehen, was ich damit meine. Das einzige, was ihn dazu verleitet hatte bei dir zu sein, waren deine stummen Gedanken, also unter anderem Ich.
Edward schaute mich wieder an, und die eisige Glätte seines perfekten Gesichts war tatsächlich unmenschlich.
„Ich habe das vielzu lange zugelassen, und das tut mir leid."
Ja, dass er seine Zeit mit dir verschwendet hat, die er hätte besser nutzen können.
„Nein."
Meine Stimme war nur noch ein Flüstern; jetzt drang mir die Wahrheit allmählich ins Bewusstsein und tröpfelte wie Säure durch meine Adern.
„Tu das nicht."
Es ist zu spät, Isabella. Viel zu spät. Hast du es noch immer nicht begriffen?
Ich schaute zu Edward und sein Blick verriet mir, dass meine
Worte viel zu spät kamen und meine innere Stimme recht hatte. Schon wieder. Wie sie es die ganze Zeit gehabt hatte.
Edward hatte es schon getan. Er hatte sich von mir gelöst und das viel ihm nicht allzu schwer gefallen zu sein, wie ich seinem Blick entnehmen konnte. Das gab den Worten meines Unterbewusstseins mehr Bedeutung, Gewicht und Wahrheit.
„Du bist nicht gut für mich, Bella."
Jetzt drehte er das, was er vorhin gesagt hatte, um, und darauf konnte ich nichts mehr erwidern. Niemand wusste besser als ich, dass ich nicht gut genug für ihn war.
Ja, weil ich es dir seit Monaten immer und immer wieder gesagt habe. Warum musste es nur soweit kommen? Warum hast du ihn so weit gebracht, dass er diese Worte aussprechen musste, die du niemals hören wolltest und deren Bedeutung du immer wieder verdrängt hast?
Darauf konnte ich ebenfalls nichts erwidern. Mein Unterbewusstsein hatte recht. So recht.
Ich öffnete den Mund zu einer Antwort und schloss ihn dann
wieder. Ich versuchte es noch einmal.
„Wenn ... wenn du es so willst."
Du liebst es dich selbst immer mehr zu verstümmeln, oder Isabella Swan? Warum drehst du das Messer immer mehr in die Wunde?
Edward nickte.
Mein ganzer Körper wurde taub. Vom Hals an abwärts hatte
ich überhaupt kein Gefühl mehr.
„Aber um einen Gefallen möchte ich dich noch bitten, wenn
es nicht zu viel verlangt ist", sagte er.
Ich wusste nicht, was er in meinem Blick gesehen hatte, denn
als Reaktion darauf flackerte ganz kurz etwas über sein Gesicht.
Doch bevor ich es deuten konnte, waren seine Züge schon wieder zu der unbewegten Maske erstarrt.
Es war nichts, Bella. Und wenn doch ist es unwichtig.
„Was du willst", versprach ich, jetzt mit etwas kräftigerer
Stimme.
Was sollte er jetzt noch von dir wollen? Was soll das bringen?
„Still", zischte ich meiner inneren Stimme so kräftig wie ich konnte zu.
Er ist meine große Liebe und für ihn würde ich ALLES tun – ALLES. Selbst jetzt. Er brauchte es nur zu sagen.
Als ich ihn ansah, schmolzen seine eisigen Augen. Das Gold
wurde wieder flüssig, mit überwältigender Intensität brannte
sich sein Blick in meinen.
„Tu nichts Dummes oder Waghalsiges", befahl er und war auf
einmal gar nicht mehr distanziert.
„Begreifst du, was ich sage?"
Ich nickte hilflos.
Warum sollte ihn das kümmern? Er will dich nicht mehr. Hast du das vergessen?
Natürlich hatte ich das nicht. Wie könnte ich alles was mit ihm zu tun hat je vergessen? Egal, ob es gute oder eben schlechte Zeiten waren.
Sein Blick wurde wieder kühl und unnahbar.
„Ich denke selbstverständlich an Charlie. Er braucht dich. Pass auf dich auf - ihm zuliebe."
Wieder nickte ich. „Ja", flüsterte ich.
Mein Unterbewusstsein grummelte und biss die Zähne zusammen, sagte jedoch nichts dazu.
Jetzt wirkte er ein kleines bisschen entspannter.
Warum sollte er das denn sein? Höchstens weil er dich jetzt endlich los ist!
„Und ich verspreche dir im Gegenzug auch etwas", sagte er.
„Ich verspreche dir, dass du mich heute zum letzten Mal siehst.
Ich werde nicht zurückkehren. Ich werde dich nicht noch einmal
einer solchen Gefahr aussetzen. Du kannst dein Leben ungestört von mir weiterleben. Es wird so sein, als hätte es mich nie gegeben."
Als Edward diese Worte von sich gegeben hatte, schien mein Unterbewusstsein vor Wut zu explodieren. Die Stimme in meinem Kopf brüllte mich förmlich an und zwar so laut, dass Edwards Worte in den Hintergrund traten und ich einen weiteren inneren Kampf austrug.
Jetzt ist es genug. Ich habe lange genug geschwiegen.
Ach ja?
Isabella Marie Swan. Ich werde dir jetzt die Augen öffnen und dir die bittere Wahrheit offenbaren. Auch wenn sie dir nicht gefallen wird, aber du wirst letztendlich einsehen, dass ich recht habe. Denn irgendwann musst du aufwachen. Also warum nicht jetzt, wenn du langsam lernst einen Teil der grausamen Wahrheit zu begreifen und zu akzeptieren?
Bitte, nicht jetzt. Hat das nicht Zeit?
Nein!
Ab diesem Moment verschwamm Edward vor meinen Augen. Ich sah ihn zwar immer noch an, doch in Wirklichkeit tat ich es nicht. Ich sah nur durch ihn hindurch, da ich mich jetzt nicht mehr am Waldrand bei Charlies Haus befand. Körperlich schon, aber geistig war ich an einem ganz anderen Ort. Ich war in meinem Kopf und stand mir selbst – also meinem Unterbewusstsein – gegenüber und führte das Gespräch meines Lebens (mit mir selbst). Es war ein innerer Kampf zwischen dem Bewusstsein und Unterbewusstsein.
Am Rande nahm ich noch wahr, dass Edwards Lippen sich bewegten und er irgendetwas sagte. Was er jedoch sagte, hörte ich nicht. Ich war im Moment einfach nicht in der Lage irgendetwas zu hören, auf irgendetwas zu reagieren, was außerhalb meines Kopfes stattfand.
Bella, du wirst mir jetzt zuhören, ob du willst oder nicht!
Bitte nicht jetzt. Ich muss seine Worte hören. Die letzten Worte die er mit seiner wunderschönen Stimme an mich richtet.
Mein inneres Ich seufzte verzweifelt und schaute mich mit trauriger Resignation an.
Bella, ich möchte doch nur… Aber wenn du das Loch in deinem Herzen noch vergrößern möchtest, dann bitte.
Ich befand mich nicht ganz im Hier und Jetzt und konnte Edward nur schemenhaft durch meine Augen wahrnehmen. Doch seine Stimme konnte ich jetzt wieder hören, auch wenn sie weiter weg klang.
„Das wäre dann wohl alles. Wir werden dich nicht mehr belästigen.", sprach er gerade.
Verdammt, was hatte er nur davor gesagt? Ich wollte nichts verpassen, egal wie schlimm es auch war. Es ging hier immerhin um Edward.
Die Tatsache, dass er in der Mehrzahl sprach, ließ mich aufhorchen - dabei hätte ich nicht gedacht, dass ich überhaupt
noch irgendetwas bemerken würde.
„Alice kommt nicht mehr wieder", sagte ich und wunderte mich, wie ich überhaupt sprechen konnte.
Ich wusste nicht, wie er mich hören konnte - die Worte kamen lautlos heraus -, doch er schien zu verstehen.
Langsam schüttelte er den Kopf und ließ mein Gesicht dabei
nicht aus den Augen. Wie es wohl aussah? Nein, die Antwort darauf wollte ich nicht wissen.
„Nein. Sie sind alle fort. Ich bin geblieben, um mich von dir
zu verabschieden."
„Alice ist weg?", fragte ich ungläubig.
Warum tust du dir wieder und wieder selbst weh, Isabella? Du bist wirklich masochistisch.
„Sie wollte dir auf Wiedersehen sagen, aber ich konnte sie
überzeugen, dass ein glatter Bruch besser für dich ist."
Ich versuchte normal zu atmen. Ich musste mich konzentrieren,
um aus diesem Albtraum herauszufinden, obwohl ich wusste, dass es zwecklos war.
„Leb wohl, Bella", sagte er mit derselben ruhigen, friedlichen
Stimme.
„Warte!", brachte ich mühsam heraus.
Ich streckte die Arme nach ihm aus und zwang meine gefühllosen Beine vorwärts.
Bella, du kannst ihn nicht aufhalten. Er hat sich entschieden. Endgültig. Und das weißt du auch.
Einen Moment lang dachte ich, auch er würde die Arme nach
mir ausstrecken. Doch seine kalten Hände umfassten meine
Handgelenke und drückten meine Arme sanft herunter. Er
beugte sich zu mir herab und drückte mir einen ganz leichten,
flüchtigen Kuss auf die Stirn.
Ich schloss die Augen. Mein Unterbewusstsein knurrte bei seiner Geste.
Was erlaubt er sich eigentlich?! Wie kann er das JETZT NOCH tun?
„Pass auf dich auf."
Die Worte waren ein kühler Hauch auf
meiner Haut.
Warum sagst du so leere Worte. Es kann dir doch egal sein, was aus ihr wird. Ach ja, das ist es dir ja. Aber mir nicht.
Dann erhob sich eine leichte, unnatürliche Brise. Ich riss die
Augen auf. Die Blätter eines kleinen Weinblattahorns bebten
von dem leichten Wind, den Edward aufgewirbelt hatte.
Er war weg.
Meine große Liebe, der ich mein Herz und meine Seele geschenkt habe und für die ich alles getan hätte – und tun würde –, hatte mich für immer verlassen. Nun war ich allein. Allein mit mir selbst. Jetzt war ich bereit mich meiner inneren Stimme zu stellen und ihr zuzuhören. Nun ja, nicht wirklich bereit. Aber ich hatte jetzt in diesem Moment nichts Wichtiges mehr zu tun. Denn das Wichtigste in meinem Leben war gerade vor mir geflohen.
Nun hat das grausame Spektakel endlich ein Ende gefunden. Ein Spektakel, welches du für dich durch deine verzweifelten Versuche noch viel schlimmer gemacht hast.
Von meiner Umwelt nahm ich nichts mehr wahr. Äußerlich stand ich aufrecht – jedenfalls kam es mir so vor – und schaute mit den Augen auf die Stelle, wo Edward sich gerade eben noch befunden hatte. Ich befand mich nun mit meinem ganzen der Konzentration in meinem Kopf und sah meinem zweiten Ich ins Gesicht.
Das Gesicht meines Unterbewusstseins war eine Mischung aus Wut, Trauer, Verzweiflung und Resignation. Seltsam das ich mein Gesicht so gut lesen konnte. Warum war ich für so etwas überhaupt in der Lage? Eigentlich ist dieses ganze folgende Gespräch unwichtig. So wie alles andere auch. Er war gegangen. Für immer.
Bist du bereit die schmerzhafte Wahrheit zu erfahren und zu erkennen?
Ich reagierte nicht. Was könnte denn noch schlimmer sein als das?
Wo soll ich anfangen?
Es ist doch sowieso alles egal. Sag, was du zu sagen hast und dann lass mich in Ruhe.
Mein Unterbewusstsein schüttelte daraufhin nur mit dem Kopf.
Also dann…
Das, wovor ich dich immer gewarnt hatte, ist nun doch alles eingetreten. Ich habe dir die ganze Zeit gesagt, dass er dich eines Tages verlassen wird, weil du nicht gut genug für ihn bist. Du bist nur ein Mensch und er ist ein Vampir. Ihr seid einfach zu unterschiedlich. „Lamm und Löwe" wie er es einst ausgedrückt hatte. Eine sehr treffende Beschreibung.
Du hast ihm nie irgendetwas bedeutet. Du warst für ihn nur ein dummes, erbärmliches, schwaches, zerbrechliches Menschenmädchen, das ihn fasziniert hatte. Er hat dich nur als wissenschaftliches Experiment gesehen, wie du es damals gedacht hast. Diese ganze Liebes-Geschichte diente nur dazu, dich bei Laune zu halten.
Ich hielt mir mit beiden Händen meine Ohren und kniff die Augen fest zu.
Bitte, kein Wort mehr. Es tut so weh. Ich ertrage das keine einzige Sekunde mehr. Bitte lass mich zufrieden.
Die Hände auf meinen Ohren wurden mir entfernt. Ich hatte nicht genügend Kraft dagegen anzukämpfen. Neue Worte meines Unterbewusstseins drangen an mein Ohr.
Du warst für ihn nur eine Ablenkung. Ein kleiner Klecks in der grauen Ewigkeit des monotonen Vampiralltags. Mehr nicht. Nur ein dummes Menschlein, mit dem er gespielt hat, dessen er nun überdrüssig geworden ist. Du warst wie Dreck an seinem edlen, glänzenden, hochwertigen Schuh, welchen er sich heute endlich abgestreift hat. Denn niemand mag Dreck auf Markenschuhe. Er hat dich nie wirklich geliebt. Es war alles nur Fassade. Und da ist er nicht der einzige.
Diese letzten Worte ließen meine Augen sich wieder öffnen. Ich wollte mein Unterbewusstsein anschreien, dass es endlich still sein sollte. Aber ich konnte einfach nicht. Ich hatte keinerlei Kraft mehr irgendetwas zu erwidern. Durch seinen Weggang wurde ich leer und kraftlos. Ein Teil von mir wollte meiner inneren Stimme weiter zuhören. Warum auch nicht? Bis jetzt hatte sie nur die reine Wahrheit ausgesprochen und alles andere ist bedeutungslos geworden. Ja, ich hatte wirklich eine masochistische Ader. Aber egal.
Die ganze Cullen-Familie hat dich nie geliebt.
Mein Unterbewusstsein wartete, doch von mir kam keine Reaktion. Ich konnte nur noch zuhören.
Du hast ihnen ebenfalls nie irgendetwas bedeutet!
„Das stimmt nicht!", brachte ich heraus.
Ach nein?
Dann werde ich dir mal die Wahrheit vor Augen führen. Wenn du ihnen etwas bedeutet hättest, dann hätten sie sich doch wenigstens von dir verabschieden können, oder? Ach, eigentlich zählt dieses Argument gar nicht richtig. Edward ist geblieben, um sich von dir zu verabschieden. Aber das hat gar nichts zu bedeuten. Weil es ihm nichts bedeutet hat. Er hat es nur aus Anstand und Höflichkeit getan. Mehr nicht.
Ja, das stimmte wohl. Dieses Verhalten würde auch zu Ihm passen.
Für jeden einzelnen der Familie warst und bist du ein Nichts, Isabella. Du hast nie zur Familie gehört. Nie. Weil du eben nur ein schwächliches, kleines Menschenmädchen bist. Du warst ihnen nie etwas wert gewesen, weil du es auch niemanden etwas wert bist. Das ist eine Tatsache.
„Das ist nicht wahr!", hielt ich verzweifelt dagegen.
Ich sollte niemanden etwas wert sein? Gar niemanden? Nicht einmal meinen Eltern?
Lass mich ausreden und du wirst verstehen.
Wenn ich dich bitten würde aufzuhören, würdest du es trotzdem nicht tun.
Ich konnte mein inneres Ich nicht sehen, da es sich immer noch an meinem Ohr befand. Die Kraft meinen Kopf zu drehen besaß ich nicht mehr.
Was du für ihn warst, weißt du bereits. Für Emmett warst du nur ein Unterhaltungszweck. Etwas, dass seine Lachanfälle am Tag steigerte. Du warst für ihn immer eine Lachnummer gewesen. Ein erbärmliches Mädchen, welches nur so durchs Leben stolperte. Ja, darüber kann man auch nur lachen. Der liebe Emmett ist völlig auf seine Kosten gekommen.
Dem hatte ich nichts entgegen zu setzen. Alles stimmte.
Für Rosalie warst du eine Gefahr, was sie auch gesagt hat. Ein Eindringling, der die Harmonie der Familie nur gestört hat. Durch dein Auftauchen und SEIN Egoismus wurde das empfindliche Zahnradgetriebe durcheinander gebracht. Rosalie hatte von Anfang an recht gehabt. Du hast ihnen nur Probleme und Unannehmlichkeiten bereitet. Denk nur an die Sache mit James. Für Alice warst du ein kleines Spielzeug, ähnlich wie für IHN. „Oh, ein Mensch in unserem Haus. Mal sehen, was alles geschehen wird?" Auch hat dich Alice in diesem Haus erduldet, weil du ein guter Test für Jasper gewesen bist. Durch dich konnte getestet werden, wie stark Jaspers Selbstbeherrschung inzwischen geworden ist. Ein lebender Leckerbissen, der er (normalerweise) nicht anrühren durfte. Jasper fand diese Idee bestimmt auch ganz gut. Denn du weißt ja, dass er – laut Alice – es nicht ertragen kann, schwach zu sein. Doch wie man sieht, ist er in dem Test durchgefallen. Jasper wurde durch dich wieder vor Augen geführt, wie schwach er ist. Dafür hasst er dich. Und Alice hasst dich dafür, dass es ihrem Mann deinetwegen schlecht geht. Carlisle und Esme, die du als deine zweiten Eltern angesehen hast, haben dich auch nie wirklich geliebt. Für Carlisle bist du ebenfalls nur ein schwacher Mensch. Eine Patientin, die durch ihre Tollpatschigkeit öfter als jemand sonst im Krankenhaus behandelt werden muss. Mehr warst du für ihn nicht. Wenn du ihm wirklich etwas bedeuten würdest, wenn er dich tatsächlich als einen Teil der Familie – als seine neue Tochter – sehen würde, dann hätte er als Familienoberhaupt ein Machtwort gesprochen und verhindert, dass gleich alle Cullens gegangen sind. Für die Gefühle seines Sohnes kann er ja nichts. Oder wenigstens hätte er dafür sorgen können, dass sich wirklich alle von dir verabschiedet hätten. Aber er hat nichts getan. Das beweist doch, dass du nie zu ihnen – zu dieser Familie gehört hast. Du stehst mit der Familie nicht auf einer Stufe, sondern unter ihnen. Carlisle war seine Familie wichtiger als du. Verständlich. Er muss dafür sorgen, dass die Familie zusammen bleibt und das wäre sie nicht gewesen, wenn nur Edward gegangen wäre. Wenn einer geht, dann gehen alle. Das ist wahrer Familienzusammenhalt. Wie sollte es auch anders sein? Du bist keine von ihnen und wirst es auch niemals werden. So kannst auch nie ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft werden. Deine große Liebe hat dich nicht geliebt. Warum sollte er dich verwandeln wollen? Was Esme angeht. Für sie bist du nichts, weil du nie wirklich Edward glücklich gemacht hast. Denn wie er mal gesagt hatte, ist Esme glücklich, wenn ihr Sohn glücklich ist. Und das war er nie. Also hast du logischerweise Esme auch nie glücklich gemacht. Deine Anwesenheit hat sie nie wirklich gefreut. Es war alles nur Fassade gewesen, um die Ablenkung bei Laune zu halten, weil Edward eine selbstsüchtige Kreatur ist, wie er es ausgedrückt hatte. Siehst du es jetzt ein, dass dich keiner von den Cullens geliebt hat?
So schmerzlich es auch war, was mein Unterbewusstsein mir sagte, klang alles logisch und verständlich. Sicherlich hatte meine innere Stimme recht. So wie mit allem anderen auch.
So. Kommen wir jetzt zu Renee und Charlie.
Ich zuckte zusammen, erwiderte nichts dazu, lauschte nur den Worten meiner inneren Stimme.
Beide lieben dich nicht wirklich, Isabella. Ich werde es dir erklären. Es wird Zeit, dass du auch diesen Teil der Wahrheit begreifst.
Mein Unterbewusstsein hatte recht. Es ist alles wirklich grausam, was es mir da zuflüsterte.
Renee ist unglücklich geworden, weil sie wegen dir weniger Zeit mit Phil verbringen konnte. Deswegen bist du doch fort gegangen und nach Forks zu Charlie gezogen. Du bist dem Glück deiner Mutter im Weg gestanden, darum bist du aus ihrem Leben verschwunden. Deine Anwesenheit hat sie nur gestört. Ihr geht es viel besser ohne dich, oder siehst du das anders?
Ich wollte – oder musste? – widersprechen, doch als mir diese Worte wieder und wieder durch den Kopf gingen, musste ich wohl einsehen, dass mein Unterbewusstsein auch in diesem Punkt richtig lag. Renee ging es wirklich viel besser ohne mich. Wenn ich da an ihre Mails denke, die sie mir schreibt? Man kann ihr Glück durch ihre Worte förmlich spüren. Nein, Renee ist erwachsen – mehr als früher – und sie hat Phil nun gänzlich an ihrer Seite. Eigentlich braucht sie mich nicht mehr. Aber bedeutete das wirklich, dass sie mich nicht liebt?
War sie nun unglücklich, als du bei ihr in Phoenix gewesen bist, oder nicht? Du weißt, dass du sie gestört hast, nicht wahr?
Traurig seufzend stimmte ich zu und gab mich geschlagen. Ja, ich sah ein, dass meine innere Stimme mir schlagende Argumente präsentierte.
Und Charlie?
Seien wir ehrlich, Bella. Für ihn macht es keinen großen Unterschied, ob du bei hm lebst oder nicht. Er hat die letzten 17 Jahre sein Leben gut allein gelebt. Er hat seine Arbeit, seine Angelei und Baseballabende mit Harry Clearwater und mit Billy. Er ist glücklich. Auf seine Art. Und wenn du da bist, was macht ihr da schon gemeinsam? Er schaut seine Spiele, du kochst für ihn, dann setzt ihr euch gemeinsam hin, um Abend zu essen. Ihr redet währenddessen zwar miteinander, aber viel ist es meistens auch nicht. Zum Angeln begleitest du ihn auch nicht, weil es nichts für dich ist. Ihr habt so gut wie keine Gemeinsamkeiten, kein Thema, über das ihr euch unterhalten könntet. Außer was? Jungs und College? Eine super Beziehung Bella. Nein, nein. Charlie kommt ganz gut allein zurecht, wie er es immer getan hat. Was für eine Rolle spielst du schon in seinem Leben? Richtig, keine besonders große. Wenn du nicht da wärst, würde er schon schnell darüber hinwegkommen und/oder sich ablenken mit irgendetwas. Wie immer. Du siehst: Es ist nicht von Bedeutung, ob du da bist oder nicht. Keiner liebt dich. Keiner braucht dich. Und deine große Liebe will dich nicht. Deine Existenz ist niemandem wichtig. Nicht so sehr, wie sie sein sollte. Sie ist sinnlos. Sie war ja nicht mal geplant, nicht wahr? Du warst vielleicht nicht unbedingt ein Wunschkind. Du warst ein Unfall. Ein Unfall, der ruhig nicht hätte sein müssen. Oder noch nicht zu dieser Zeit.
Auch das stimmte. Die frühe Heirat von Renee war wirklich überstürzt, wie sie selbst immer sagte. Frisch von der High School und sozusagen gleich den ersten Mann genommen, zu dem sie sich hingezogen fühlte. Alles war neu und aufregend für meine Mutter damals gewesen.
Genau wie ihre Schwangerschaft. Neu, aufregend und ja, vielleicht nicht gerade geplant. Sie hatte mich aber gewollt, ganz sicher. Jedoch hat sie wohl doch erkannt – wenn vielleicht nicht bewusst –, dass ich für sie doch nur ein Hindernis war. Nun, da sie ihr Glück in Phil gefunden hatte. Vielleicht war ich wirklich ein Unfall, der meinen Eltern hätte erspart bleiben können.
Für Charlie hätte meine Nicht-Existenz nichts geändert und für Renee auch nicht. Sie wäre früher oder später sowieso aus Forks weg gegangen, da sie es nicht ertrug so lange auf die Sonne zu verzichten. Mein Auftauchen hatte diese Flucht aus der Stadt des Regens wenn überhaupt nur etwas beschleunigt. Und Phil hatte – und hätte – Renee ohne mich kennen gelernt.
Ja, meine Existenz spielte für niemanden eine große Rolle. Ich war wirklich ein Nichts.
Wem würde es schon kümmern, wenn du nicht mehr da wärst? Charlie kann für sich selbst sorgen. Renee ist glücklich mit Phil. Den Cullens bist du egal. Nur ein Menschlein von vielen. Eine kleine Ameise. Störend und trotzdem da. Alle würden sie mehr oder weniger mit Gleichgültigkeit auf deinen Tod reagieren. Edward wäre es egal, weil du kleines Mädchen keine Macht über ihn besitzt. Erinnerst du dich an seine Worte von damals auf der Lichtung? Vielleicht wird er auch froh sein, dass die Gefahr, in der er seine Familie gebracht hatte, endlich beseitigt ist. Er hatte doch damals gesagt, dass er schon genug Gründe gehabt hätte, um dich zu töten. Rosalie würde sich mit ihm freuen und sogar Luftsprünge machen, bildlich gesprochen natürlich. Keine Gefahr mehr für die Familie. Keine Möglichkeit mehr, dass Geheimnis verraten wird. Dass du es sowieso niemals tun würdest, ist nicht wichtig. Es ging ihr immer nur ums Prinzip. Emmett würde es mit einem Schulterzucken abtun. Jasper wird froh sein, wenn der Beweis seiner Schwäche nicht mehr unter den Lebenden weilt. Alice wird schon was Neues finden. Sie ist eine Frohnatur – wenn das überhaupt alles echt und nicht vorgespielt war. Und sie wird froh sein, wenn Jasper nicht mehr leiden muss. Carlisle wird es sicherlich aus der Sicht des Arztes betrachten. Zum Leben gehört auch der Tod. Jeder (Mensch) stirbt irgendwann. Manche früher, manche später. Du bei deinem Glück eher früher. Niemand könnte das besser wissen als er. Esme? Da bin ich mir nicht sicher. Aber wenn es Edward gleichgültig ist beziehungsweise dein Tod ihn auf irgendeine Weise glücklich macht, dann wird sie auch glücklich sein.
In meinem Kopf konnte ich nicht mehr aufrecht stehen. Ich brach zusammen, landete mit den Knien auf den dunklen schwarz-blauen Boden, hielt den Kopf gesenkt und stützte mich vorgebeugt mit ausgestreckten Armen vom Boden ab.
Bitte, bitte. Kein Wort mehr. Der Schmerz. Das ist alles zu viel. Es tut einfach zu weh. Okay, du hast gewonnen. Ich akzeptiere die Wahrheit – so grausam sie auch ist – und werde nichts mehr verdrängen. Und langsam bin ich davon überzeugt, dass du mit allem recht hast. Du hast wirklich kräftige Argumente und logische Schlussfolgerungen. Es ist alles plausibel. Aber warum hast du mir das alles erzählt? Willst du damit sagen, dass ich mir ruhig das Leben nehmen kann, da es sowieso niemanden groß interessieren wird?
Du kannst doch den schrecklichen Schmerz durch seinen Verlust kaum ertragen, oder? Nicht zu vergessen die Erkenntnis, dass dich niemand liebt und niemand braucht.
Ja.
Dann wäre das wohl ein guter Ausweg, um deinen Qualen ein Ende zu bereiten.
Mag sein. Aber das könnte ich nie tun.
„Und warum nicht?", zischte meine innere Stimme leicht verwirrt und wütend.
Sie drang nun nicht mehr von der Seite an meine Ohren. Mein Unterbewusstsein schien mir laut der Stimme wieder gegenüber zu stehen. Meinen Kopf hob ich nicht.
Das Versprechen, das er mir abgenommen hat, werde ich unter gar keinen Umständen brechen.
Warum willst du dich überhaupt daran halten? Er hat dich darum gebeten nichts Dummes oder Waghalsiges zu tun, weil Charlie dich angeblich braucht, was du ja jetzt weißt, kompletter Unsinn ist. Und sein Versprechen hat er doch gleich gebrochen, als er es gegeben hatte. Als hätte es ihn nie gegeben? Nichts wird mehr so sein wie es war, bevor er in dein Leben getreten ist. Das wissen wir beide. Du hast dich durch ihn komplett verändert und dies lässt sich nicht einfach ungeschehen machen. Außerdem gibt es da noch die CD mit deinem Schlaflied, die Fotos und die Narbe von James Bissabdruck auf deiner Hand. Zwei dieser Beweise lassen sich wohl leicht beseitigen, der dritte aber nicht. Durch diesen einen Makel wirst du immer an ihm erinnert werden, selbst wenn du ihn vergessen wolltest, was du nicht willst. Also sag mir was für einen vernünftigen Grund hast du, dein Versprechen halten zu wollen?
Du hast wieder einmal mit Allem recht. Dennoch wirst du mich diesmal nicht umstimmen können. Auch wenn es eigentlich Blödsinn ist, sich an eine Abmachung zu halten, die der andere längst gebrochen hat, so werde ich es ihm nicht gleichtun. Vielleicht bin ich nicht wie er. Vielleicht will ich auch einfach nicht wie er sein. Vielleicht löse ich mich mehr von ihm, wenn ich mein Versprechen breche. Vielleicht fühle ich mich ihm auf irgendeine seltsame Weise etwas näher, wenn ich mir seine letzten Worte zu Herzen und sie ernst nehme. Ich weiß, dass es absolut verrückt klingt. Aber ich glaube, dass es das genau für mich bedeutet. Tja, ich wusste eben schon immer, dass ich ein Freak bin. Und wie ich bereits gesagt hatte, ist er mein Ein und Alles und für ihn würde ich auch Alles tun. Egal was. Und wenn er will, dass ich nichts Dummes oder Waghalsiges tue, dann mache ich so etwas auch nicht. Und sich umzubringen ist wohl ziemlich dumm und waghalsig.
Also willst du lieber an deinen Schmerzen zugrunde gehen? Wirklich masochistisch Bella, wirklich.
Nein, natürlich nicht! Jede Sekunde schmerzt. Wie soll ich da 60 oder 70 Jahre aushalten? Wenn es nur noch einen anderen Weg gäbe, den Qualen zu entkommen. Ich würde alles tun. Alles.
Ich glaube, ich kann dir eine Alternative anbieten.
Überrascht hob ich meinen Kopf und starrte mein Unterbewusstsein ins Gesicht, welches die Stirn vor Überlegungen in Falten gezogen hatte.
„Wirklich?", fragte ich mehr oder weniger hoffnungsvoll.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob du damit zufrieden sein wirst.
Sag es mir, bitte.
Ich lege dich – und somit auch mich – schlafen, bis der Körper seine Kräfte aufgebraucht hat und dein Leben somit zu Ende ist. Du wirst dich praktisch zu Tode schlafen. Und bevor du etwas sagst, diese Idee ist weder waghalsig, noch dumm. Was soll daran waghalsig sein, sich schlafen zu legen? Wieso soll es dumm sein, diese Möglichkeit wahrzunehmen, deinen Qualen zu entkommen? Es bringt nur Vorteile, wenn du weggesperrt in einem Zimmer im Bett liegst.
Und was für welche sollen das sein?
Wenn du dich in diesem Zustand befindest, stehst du niemandem mehr im Weg. Nicht mehr dir selbst, nicht deinen Eltern, denen es ohne dich gut gehen wird und besonders nicht den Cullens. Du tust ihnen mit deiner Entscheidung sogar einen Gefallen, vor allem Rosalie. Wenn du schläfst und nie wieder aufwachen wirst, ist das Geheimnis in Sicherheit. Komm schon, tue Rosalie wenigstens diesen Gefallen. Überleg' doch mal. Sie war die einzige, die dir hinsichtlich ihrer Gefühle zu dir nie etwas vorgespielt hat, im Gegensatz zu den anderen. Lieber bekommt man doch ehrlichen Hass zu spüren, als falsche unechte Sympathie oder Liebe.
Ich dachte so gut ich konnte über diese Möglichkeit und deren Vorteile nach. Wieder einmal musste ich erkennen, dass mein Unterbewusstsein wirklich gute Argumente vorbringen und mich so sehr gut überzeugen konnte. Vor allem die Worte über Rosalie waren für meine Entscheidung bedeutsam. Meine innere Stimme hatte so recht.
Warum sollte ich ihr – und allen anderen – den Gefallen nicht tun und mein Leben auf diese Art und Weise beenden? Es hatte wirklich nur positive Aspekte. Nebenbei würde ich auch so von meinen Schmerzen befreit werden und mein Versprechen würde ich durch meine Entscheidung ebenfalls nicht brechen. Zu Schlafen – egal für wie lange – war weder dumm, noch waghalsig. Warum war es denn dumm, meine überflüssige Existenz so zu verbringen? Schließlich bracht und liebt mich niemand. Nein, mich würde niemand großartig vermissen.
Auch nicht meine Mitschüler. Angela vielleicht etwas. Aber sie hatte ja Ben. Sie würde mich schnell wieder vergessen haben. Und Jessica würde ich sogar auch noch einen Gefallen tun. Wenn ich weg war, konnte Mike sich endgültig von mir lösen und seine Schwärmerei für mich hinter sich lassen. Er wäre wieder wirklich frei für Jessica, die schon immer ein Auge auf Mike geworfen hatte. Ja, auch Jessica würde sich über meinen Weggang freuen. Und Mike würde durch seine neue Freundin keinen Gedanken mehr an mich verschwenden.
Ja, mein Entschluss stand nun endgültig fest. Ich würde mich für diesen Ausweg entscheiden.
Natürlich werden Rosalie und die anderen von ihrer Familie nie erfahren, was aus dir geworden ist, was du unter anderem für sie getan hast. Denn dafür müssten sie sich für dich wenigstens etwas interessieren, was sie nie getan haben und auch nie tun werden. Denn…
Denn ich bedeute ihnen nichts, genauso wie ich allen anderen Menschen nichts bedeute, ja das habe ich selbst inzwischen begriffen. Es ist auch egal. Ich weiß, was ich getan habe und dass ich mein Versprechen ihm gegenüber nicht gebrochen habe. Das reicht mir. Alles andere ist nicht mehr wichtig. Wie funktioniert das nun mit dem Schlafen legen?
Mein Unterbewusstsein hielt mir eine Hand hin. Ich ergriff sie und wurde wieder hochgezogen, sodass ich nun wieder aufrecht stand. Ich blickte mir selbst ins Gesicht und sah, dass mein Unterbewusstsein leicht lächelte. Meine Hand war noch nicht frei gegeben worden.
Es ist ganz einfach. Siehst du hinter mir dieses schwarze Loch?
Ich blickte an mir selbst vorbei und sah ein Loch einige Meter vor mir. Ein schwarzes Nichts. Genau wie ich ein Nichts bin. Wie passend.
„Da muss ich hinein gehen?", fragte ich und schaute mich wieder an.
Mein Unterbewusstsein nickte.
Ja. Du musst nur in die Dunkelheit gehen und schon wird sich dein Körper schlafen legen. Wenn du dort bist, wirst du nichts mehr spüren. Du befindest dich fern von jeder Realität. Für dich wird keine Zeit vergehen, egal wie lange dein Herz noch schlagen wird. Die schützende Dunkelheit, die dich umgeben wird, wird deinen Schmerz so gut wie ganz dämpfen. Hier in deinem Inneren wirst du immer das 18-jährige Mädchen bleiben, das von ihrem Freund verlassen wurde, während dein Körper altern wird. Bei dir liegt der Fall anders herum, als bei den Cullens. Ihre Körper altern nicht, dafür aber ihre Seelen. Sie reifen innerlich, während du es nicht mehr tust. Welch' Ironie, nicht wahr?
So makaber diese Situation auch sein wird. Dort werde ich ihn auch nie vergessen, wenn die Zeit still steht, oder?
Das ist wahr.
Das ist gut. Auch ist es irgendwie gut, dass der Schmerz nicht zu 100 Prozent verschwinden wird. Ich brauche ihn. Denn er ist der Beweis, dass es ihn in meinem Leben einmal gegeben hat. Ich brauche diesen minimalen Anteil meines Schmerzes, um ihn nicht zu vergessen, um an ihn denken zu können. Selbst dort in der Finsternis. Auf diese Art und Weise ist es bestimmt ganz angenehm den Schmerz zu empfinden und Erinnerungen wach rufen zu können. All dies kann ich tun, obwohl ich dort – wenn ich hineingehe – gefangen sein werde. Aber ich werde dort im Nichts wenigstens etwas Frieden erlangen, bis mein Körper an Altersschwäche gestorben ist und ich völlig gefahrlos wieder aus der Dunkelheit treten kann. Vor meinem körperlichen Tod – seelisch bin ich es ja schon – sehe ich es nicht als notwendig an, die schützende Dunkelheit zu verlassen. Warum sollte ich auch aufwachen? Wofür oder für wen sollte ich überhaupt noch leben (wollen)? Dafür bin ich niemandem wichtig genug.
Du liegst mit allem richtig, Bella. Ich bin sehr froh, dass du endlich alles verstanden hast.
Auch wenn es schwierig war, so danke ich dir trotzdem irgendwie, dass du mir die Wahrheit gesagt hast.
Dafür bin ich da. Du musst mir für nichts danken. Du weißt, dass ich eigentlich nur das Beste für dich – für uns – will. Auch wenn meine Methoden etwas…außergewöhnlich sind. Ich bin nur da, um dir zu helfen. Bist du bereit, dich von Allem zu lösen? Vom Leben, der Realität, den Menschen und deinen Schmerzen?
Ich nickte und brachte ein seliges ruhiges Lächeln zustande. Froh, dem schrecklichem Schmerz so entkommen zu können, dass er erträglich wird.
Dann komm mit mir. Habe keine Angst vor der Dunkelheit. Sie ist nicht dein Feind. Sie will dich nur schützen. Denk immer daran.
Ich nickte.
Ja.
So zog mich mein Unterbewusstsein hinter sich her, bis wir vor dem Eingang des schwarzen Nichts standen. Mein Unterbewusstsein drehte sich noch einmal zu mir um, nur um ganz sicher zu gehen, dass ich meine Meinung nicht doch noch änderte. Aber das wollte ich nicht mehr. Ich hatte mich entschieden. So wie…er sich entschieden hatte. Mein inneres Ich lächelte mir noch einmal kurz zu, wandte den Kopf wieder von mir ab und trat langsam mit mir in die Dunkelheit.
Dort angekommen war alles schwarz und ich war allein. Die Dunkelheit hatte mich sofort umschlossen. Ich konnte mich selbst nicht mehr sehen.
„Wo bist du?", fragte ich verzweifelt.
Ich wollte nicht ganz allein sein. Da hörte ich meine innere Stimme.
Ich bin immer bei dir, auch wenn du mich ab jetzt nicht mehr sehen kannst. Habe keine Angst. Ich bin hier. Lasse dich nun auf die Dunkelheit ein. Lass einfach los. Es ist ganz einfach.
Die Worte meines Unterbewusstseins beruhigen mich und langsam wich meine Angst. Ich atmete tief ein und wieder aus. Die Dunkelheit schien in meinem Körper einzudringen. Schon vom ersten Moment an, fühlte ich mich wohl. Die Dunkelheit war nicht gefährlich. Sogleich merkte ich, wie mein Schmerz immer weniger wurde, bis er schließlich auf einen kleinen minimalen Punkt zusammen schrumpfte. Ich spürte ihn fast nicht mehr. Er war erträglich.
Ich horchte in mich hinein. Ich spürte tatsächlich gar nichts mehr, außer den kleinen nun wohltuenden Stich des Schmerzes. Aber ansonsten nichts mehr. Keine Trauer, keine Angst, keine Verzweiflung. Nein, es gab nur noch die Leere, in der ich mich mit dem kleinen Punkt befand. Ich lächelte zufrieden. Hier werde ich es aushalten können, bis meine Zeit abgelaufen ist.
Wie lange das wohl dauern wird?
70 Jahre? 30 Jahre? Nur einige Monate? Egal. Zeit spielte keine Rolle. Hier stand sie still.
Auktorialer Erzähler
Und draußen in der Wirklichkeit, als Isabella Marie Swan endgültig beschlossen hatte, ihren Geist in ihrem Inneren weg zu sperren, fiel ihr Köper rücklings auf den Waldboden, sodass die toten, leeren, fast schwarzen Augen in den bewölkten Himmel schauten, ohne ihn wirklich zu sehen. Für einen winzigen Moment konnte man ein kleines schwaches Lächeln auf ihren blassen Lippen erkennen. Doch niemand war da, der dies hätte sehen können. So schnell es auch da war, so schnell verschwand es auch wieder. Genau wie das einst fröhliche Mädchen Bella Swan, das Edward Cullen für immer und ewig lieben würde.
