Disclaimer: Die
Charaktere gehören Tolkien und der Sinn dieser Geschichte ist kein
finanzieller. Kein Cent wurde damit verdient, und wird es auch nie
werden.
Anmerkung: Maedhros Nelyafinwë Nelyo
Verstehst du nicht?
Doch der Stein versengte Maedhros' Hand in unerträglichem
Schmerz; und er erkannte, daß es so war, wie Eonwe gesagt
hatte: daß sein Recht darauf nichtig geworden war und der Eid
nicht mehr galt.
Und in Schmerz und Verzweiflung stürzte er
sich in einen klaffenden Schlund voller Feuer, und so endete
Maedhros; und der Silmaril, den er trug, wurde in den Busen der Erde
genommen.
Tolkien – Silmarillion; Quenta Silmarillion
XXIV
„…wacht
auf…" Bruchteile von Sätzen drangen an sein Ohr, als sein
Geist aus tiefster Schwärze auftauchte.„Maedhros,
Maedhros!"
„Nelyo?"
„Bist du wach?"
Stöhnend
öffnete der Angesprochene seine Augen. Ein helles Licht blendete
ihn und mit einem Schlag schlossen sich seine Lider wieder.
Gedanken
und Erinnerungen kreisten in seinem Kopf, doch fassen konnte er keine
davon. Bemüht, langsam ein und auszuatmen, bekam er das Chaos
hinter seine Stirn langsam unter Kontrolle.
Ein Bild durchzuckte
ihn, ein Wort, ein Gedanke.
„Der Silmaril!"
Beinahe
panisch riss Maedhros seine Augen wieder auf, die gleißende
Helligkeit ignorierend. Schwarze Schemen bewegten sich in diesem
Licht. Dann kam der Schmerz. Die Handfläche, die der Silmaril
verbrannt hatte schmerzte.
„Ganz ruhig. Der Silmaril ist tief
im Schoß der Erde verborgen." Eine leise Stimme ließ
seine aufgewühlten Gefühle ruhiger werden, ließen ihn
sich umschauen, seine Gedanken ordnen.
Das letzte, an was er sich
bewusst erinnerte war, dass er vor dem feurigen Spalt gestanden
hätte. Heiße Winde hatten an seinem rotes Haar und seinem
alten Umhang gezerrt.
Nach und nach nahmen die Umrisse Gestalt
an. Fünf Personen knieten um seine liegende Gestalt.
„Wie
geht es dir?" wollte einer von ihnen wissen. Im selben Moment
erkannte Maedhros wer sich um ihn versammelt hatte.
Neben seinem
Kopf, die Haare offen bis über die Schultern wallend, hatte sich
Caranthir niedergelassen. Seine blauen Augen musterten Maedhros
eindringlich, beinahe besorgt.
„Wie geht es dir?" wiederholte
die Stimme und der Rothaarige wandte seinen Blick in die Richtung aus
der sie kam. Amrod und Amras saßen beide im Schneidersitz nahe
seiner Füße und lehnten sich gespannt nach vorne. Ihr
rotes Haar wellte sich leicht und einige vorwitzige Strähnen
versuchten immer wieder in ihr Gesicht zu kommen, die jedoch die
beiden Jüngsten aus dem Hause Fëanor immer wieder
verbannten.
„Zumindest ist er wach", stellte der jüngere
der Zwillinge mit einem Funkeln in grauen Augen fest und lehnte sich
nach hinten. Die beiden erinnerten Maedhros in diesen Momenten sehr
an ihre Mutter, Nerdanel.
„Ambarussa haben Recht. Wie geht es
dir, Maitimo?" Das war Curufin. Diese stechenden blauen Augen und
das rabenschwarze Haar des anderen waren beinahe so wie bei seinem
Vater.
An seiner Tunika war der achtzackige Stern Fëanors
angenäht. Fast wirkte er wie immer. Etwas aber war anders, doch
Maedhros konnte nicht genau sagen, was es war.
So schüttelte
er nur kurz den Kopf und stemmte er sich auf seine Unterarme hoch.
Antwort gab er keine, auch wenn jetzt von allen Seiten Fragen auf ihn
einprasselten.
„Was ist passiert?"
„Warum hast du das
getan?"
„Wie ist es dir so ergangen?"
Alle wollten
etwas von dem Ältesten wissen. Amrod war sogar aufgesprungen und
hatte eine Schale mit klarem Wasser für Maedhros geholt, die er
neben ihm nieder stellte.
Dankbar nickte dieser seinem jüngeren
Bruder zu und hob das Schälchen hoch. Gierig trank er die
glasklare Flüssigkeit. Sie rann kühl seine Kehle hinab.
Während er trank ließ er seinen Blick über seine
Brüder schweifen.
Caranthir konnte er sehen, ebenso Celegorm
und Curufin. Auch die Zwillinge saßen bei ihm. Es fehlte nur
einer. Maglor.
„Gut", murmelte Maedhros, als er das Wasser
leer getrunken hatte und die Schale absetzte. „Vielleicht ist er
doch dem Wahnsinn entkommen."
„Welchem Wahnsinn?", mischte
sich sofort Celegorm ein, doch der Angesprochene winkte ab.
„Schon
in Ordnung. Wie geht es euch?"
Dabei betrachtete er seine fünf
Brüder genauer. Sie alle hatten sich verändert, zum Guten
wie auch zum Schlechten. Auch wenn sie hier in Mandos' Hallen
waren, so hatten doch die Geschehnisse der sterblichen Welt ihre
Zeichen hinterlassen.
Es war kaum merklich, doch der Älteste
der Sechs erkannte bei einigen bittere Züge, die früher
nicht dort gewesen waren, Blicke, die ernster und tiefer gingen, als
sie es vor dem Eid taten. Was jedoch den rothaarigen Noldo am meisten
überraschte war, dass mehr Ruhe in den Bewegungen und Worten all
seiner Brüder lag, besonders in denen Caranthirs, der nicht ohne
Grund auch ‚der Jähzornige' genannt wurde.
Ein Lächeln
schlich sich auf die Lippen Maedhros'.
„Es tut wahrlich gut,
euch wieder zu sehen, Brüder", meinte er dann leise und
Ambarussa nickten eilig, während die anderen drei stumm
lächelten.
Bevor jedoch Maedhros oder einer der anderen noch
einmal das Wort erheben konnten, mischte Caranthir sich schon ein.
„Bevor wir weitersprechen…", begann er und warf einen Blick
über die Schulter. Eine Tür befand sich dort. Die Wand des
Raumes, in dem er sich befand war mit einigen Mosaiken verziert, die
allesamt Tiere Endors zeigten.
„Er will dich sehen",
unterbrach Caranthir dann schon die Inspektionen des Ältesten.
„Er?" Maedhros schüttelte kurz den Kopf. „Du meinst
Vater?"
Überrascht registrierte er, dass nun nicht nur
sein jüngerer Bruder nickte, sondern alle kollektiv. Kein
weiteres Wort der Erklärung drang über ihre Lippen und
Maedhros konnte sich vorstellen, dass Fëanor nicht begeistert
war von der Art seiner Ankunft. Das Schweigen der anderen jedoch ließ
ihn noch unsicherer auf das nun anstehende Gespräch blicken.
So
erhob der Rotschopf sich zögerlich und schritt zu der Tür,
auf welche Caranthir geblickt hatte. Kurz zögerte er noch, bevor
er die Klinge hinunterdrückte und hindurchtrat.
Der Raum
dahinter lag im Halbdunkeln. Bloß eine einzelne Kerze auf einem
Schreibtisch erhellte das Zimmer und ließ Schatten beinahe
unheilsverkündend an den Wänden tanzen. Regale, die mit
wunderschön gearbeiteten Gegenständen und Schmuckstücken
gefüllt waren, fanden sich im gesamten Zimmer wider, der
Schreibtisch mit der Kerze stand in der Mitte.
Daran saß,
vornüber gesunken und scheinbar schlafend, Maedhros' Vater.
Fëanor.
Vorsichtig und leise trat der Sohn näher, um
den anderen nicht zu wecken, doch war es vergebens. Er hatte gerade
erst einige Schritte getan, als der Kopf des Älteren hochruckte
und er verschlafen blinzelte.
Als sein Blick dann jedoch auf
Maedhros fiel, schien er zuerst überrascht, dann erfreut.
„Nelyafinwë", sprach er ihn an. Mit einer schnellen
Bewegung erhob Fëanor sich von dem Stuhl auf dem er saß
und trat direkt vor Maedhros. Für einen Moment standen sich
Vater und Sohn regungslos gegenüber. Kein Wort wurde gesprochen.
Dann nahm der Ältere den anderen kurz in den Arm, so wie er es
schon früher oft getan hatte.
„Es ist gut, dich wieder zu
sehen, Nelyo…", meinte er leise. Maedhros blinzelte und nickte
kurz.
„Ich habe dich vermisst, Vater…", gab er zurück,
doch dann sah er, wie sich das Gesicht Fëanors verdunkelte.
„Nun, es ist gut, dich wiederzusehen, doch wir alle haben einen
Eid geleistet."
Die Stimme des Noldo klang kühl und
beinahe strafend. Maedhros konnte nichts anderes als stumm zu nicken.
„Weshalb hast du dann den Silmaril in die Flammen geworfen, ihn
vernichtet, ihn für immer aus dieser Welt entfernt? Weshalb?
Weshalb hast du dich mit unserem Besitz in die Tiefen der Erde fallen
lassen?"
Der Angesprochene seufzte. „Vater…" wisperte er
und blickte den anderen ernst an. Ihre Blicke trafen sich. In Feanors
blauen Augen erkannte Maedhros Vorwürfe und Enttäuschung
und er schluckte schwer.
„Wie hast du dich mit meinem
verräterischen Halbbruder und seinen Söhnen verstanden?"
Eine harmlose Frage, so schien es, doch in den Worten klang das mit,
was Maedhros schon längst in den Augen des anderen erkannt
hatte.
„Ja, ich habe alles beobachtet, Nelyafinwë." Die
Augenbrauen des Vaters zogen sich drohend zusammen und ein Unwetter
schien auf seinen Zügen Einzug zu halten.
„Du bist nicht
besser als er. Du gibst das Recht deiner Geburt auf, denunzierst die
Privilegien, für die ich mich gegen die Tyrannei der Valar
persönlich stellte und verrätst deinen eigenen Vater. Sag,
was…"
Nun flackerte auch Maedhros' sonst so gemäßigtes
Temperament auf und er verengte seine Augen.
„Dich verraten?
Nein, vielmehr kämpfte ich darum, nicht mich selber zu verraten.
Außerdem ist Fingolfin der Älteste aus dem Hause…"
„Still jetzt!" Fëanor ließ seinen Sohn kaum zu
Wort kommen. Bedrohlich baute er sich vor dem anderen auf,
verschränkte die Arme vor der Brust, bevor er weitere Vorwürfe
auf seinen ältesten Sohn niedergehen ließ.
„Nolofinwë
ist ein Thronräuber und eine Bedrohung…"
Dieses Mal ließ
jedoch Maedhros seinen Vater nicht aussprechen und bei den nächsten
Worten erhob seine Stimme sich schon in Rage.
„Das ist er
nicht. Wir haben sie verraten, wir haben Fehler gemacht, die wir
wieder gut machen mussten!" Der Elb schüttelte seinen Kopf,
dass seine langen, roten Haare ihm ins Gesicht fielen, doch störte
es ihn nicht.
„Außerdem bräuchten wir ihre
Unterstützung, wenn Morgoth jemals besiegt werden sollte! Doch
du hast das anscheinend nie verstanden!"
„Nicht verstanden?
Ihre Unterstützung? Mein Sohn, ich glaube, jetzt gehst du etwas
zu weit. Unnützes Gepäck nannte ich sie vor langer Zeit und
ich nenne sie jetzt wieder so. Das Hause Fëanáro braucht
solche Schwächlinge nicht! Aus welchem Grunde dachtest du, dass
ich die Schiffe niederbrennen ließ. Hast du auch damals schon
gegen mich gestanden? Ich denke ja!"
Je mehr Fëanor seinen
Worten freien Lauf ließ, umso wütender wurde. Sein Gesicht
war beinahe schlohweiß vor Zorn geworden und in den stechenden
Iriden brannte ein Feuer, welchem schon so viele zum Opfer gefallen
waren.
Maedhros jedoch schien das nicht zu interessieren und,
ebenso wie sein Vater, verschränkte die Arme vor seiner Brust.
Die grauen Augen des Noldo blitzten auf.
„Siehst du denn nicht,
wohin uns das alles gebracht hat? Verstehst du denn nicht, dass ich
einfach nur versucht habe, meinem eigenen Weg zu folgen und trotzdem
dem Weg unseres Hauses zu folgen? Welches, nebenbei gesagt, für
immer enteignet ward. Nicht durch die Überlassung der
Hochkönigschaft an Fingolfin - Nolofinwë - meinerseits,
sondern durch deine Taten, durch den Fluch Manwë Súlimos!"
Mehr und mehr verdunkelte sich der Blick Fëanors, doch sein
Sohn achtete nicht darauf. Gefühle, die er schon lange tief in
seiner Brust verborgen hatte, flammten wieder auf. Tränen
stiegen in ihm hoch und brannten heiß hinter seinen Augen, doch
er verbot ihnen, sich ihren Weg zu bahnen.
„Eine Sache jedoch
kann ich nicht leugnen", fuhr Maedhros fort. Ihm war es nun egal,
ob sein Vater ihm zuhörte oder nicht.
„Und zwar, dass
meine Taten, meine Gedanken es mir unmöglich machten, einen
Silmaril zu halten."
Voller Wut und Verzweiflung streckte der
Rotschopf seine linke Hand vor. Selbst jetzt im Tode waren tiefe
Brandwunden darauf zu erkennen, die von dem strahlenden Juwel
herrührten.
„Siehst du es nicht? Verstehst du es denn
nicht endlich? Siehst du nicht die Fehler, die wir alle gemacht
haben? Unser Eid war vergebens, unser Recht auf die Silmarilli ist
erloschen. Wir sind auf ewig verflucht ohne Chance auf
Wiedergutmachung. Die Ruine, die ich mein Leben nannte, war alles,
was mir geblieben ist."
Maedhros merkte nicht einmal, das
während der letzten zwei Sätze ihm trotz aller Bemühungen
die Tränen frei über das Gesicht rannen.
„Kannst du
es nicht verstehen, Vater? Oder willst du es nicht?"
Der
Angesprochene hob bloß eine Augenbraue. Er schien nicht im
Geringsten von den Worten des anderen berührt.
„Falls dies
eine Bitte um Vergebung ist, lehne ich es ab. Ich verhandle nicht mit
Verrätern, im Gegensatz zu manch anderen Individuen in meiner
nächsten Umgebung!"
„Verräter…" Maedhros
starrte seinen Vater nur an. Die Worte des anderen hatten geschmerzt,
doch schließlich nickte er langsam.
„Ich verstehe,
Vater." Die Worte des Jüngeren klangen leise.
„Ich
verstehe…"
Damit wandte er sich um.
„Ja, wende mir den
Rücken zu. Nicht einmal den Mut mir ins Gesicht zu sehen,
bringst du auf. Geh, geh und kehre zu den Verrätern zurück.
Geh zu meinem verleumderischen Halbbruder, aber komm mir nicht wieder
unter die Augen, bis du nicht zur Vernunft gekommen bist, du
verräterischer Feigling!", fauchte Fëanor sofort seinen
Sohn an, der als Antwort zuerst bloß den Kopf schüttelte.
„Verzeih", brachte Maedhros dann nur hervor, so leise, dass
er selbst es kaum verstand.
So schloss er nur kurz seine Augen,
bevor er etwas kräftiger das Wort wiederholte.
„Verzeih.
Verzeih, dass du glaubst, dass ich dich verraten habe. Verzeih, dass
ich dich enttäuscht habe. Ich habe es nie gewollt. Nie wollte
ich über mein Haus, geschweige denn dich Schande bringen."
Er
zögerte kurz. Dabei warf er noch einen letzten Blick über
seine Schulter. Maedhros war klar, er würde nicht die Meinung
seines Vaters ändern können. Nicht durch Gewalt. Vielleicht
konnte nur die Zeit dies, wenn überhaupt.
„Vielleicht
siehst du es eines Tages auch." Ein bitteres Lächeln kroch
über das Gesicht des Noldo, bevor er seinen Weg zurück zur
Tür fortsetzte.
„Warte, wohin gehst du?"
Diese Worte
Fëanors kamen unerwartet. Obwohl Maedhros sich vorgenommen
hatte, nicht noch einmal in seinem Schritt innezuhalten, tat er es
nun dennoch und wandte sich zu seinem Vater um.
„Zu denen,
denen ich Leid zugefügt habe, um Vergebung bei anderen zu
bitten, bei denen ich es machen sollte. Ich möchte die Schulden
für meine Taten begleichen."
Kurz schüttelte er
seinen Kopf, während er mit der linken Hand über seine
tränenfeuchten Wangen strich.
„Am meisten jedoch folge ich
meinem eigenen Weg. Ich werde mich nicht beirren lassen und mir von
keinem sagen lassen, was ich zu tun habe. Jemand, den ich immer sehr
bewundert habe, gab mir diesen Rat…" Damit drehte sich Maedhros
wieder zu der Tür um und öffnete sie.
Wenig später
fiel sie ins Schloss.
Fëanor stand allein im Halbdunkel des
Raumes und starrte das dunkle Holz an. Schließlich nickte er.
„Lebwohl, mein Sohn", wisperte er so leise, dass die Worte
nicht einmal seine eigenen Ohren erreichten.
- ENDE -
