Neue Perspektiven

Autor: Evita
Pairing: Beka/Tyr, event. Harper/Trance
Rating für dieses Kapitel: ab 13
Disclaimer: Mir gehört die Andromeda nicht und nichts, was damit zusammenhängt. Geld verdiene ich mit dieser Geschichte auch nicht.

Kapitel 1

„Neiiiiiiiin!"

Der laute Schrei schreckte Tyr aus dem Schlaf. Den Arm in Abwehrhaltung vor sich, richtete er sich blitzschnell in seinem Bett auf ... und erkannte erst dann zwei Dinge: Er selbst war es gewesen, der den Schrei ausgestoßen hatte, und der zur Abwehr erhobene Arm würde ihn nicht besonders gut verteidigen – seine Knochenklingen fehlten.

Es war nicht die erste Nacht, die so unruhig verlief. Genau genommen hatte er nicht mehr richtig durchgeschlafen, seit er mit Captain Valentine auf unerklärliche Weise von den Derivaten entführt und dann zurückgeschickt worden war. Er konnte immer noch nicht begreifen, was mit ihm geschehen war, konnte sich zum Großteil wie Beka auch nicht daran erinnern. Eines war aber unumstößlich klar: Seine Knochenklingen waren ihm entfernt worden und das auf so seltsame Art, dass es nun den Anschein hatte, als hätte er niemals welche besessen. Trance, die er einige Tage, nachdem er zurückgekehrt war, aufgesucht hatte, konnte keinen operativen Eingriff erkennen und schon gar keine Erklärung dazu geben.

Dies alles lag nun schon fast vier Wochen zurück. Vier Wochen, in denen er ganz langsam angefangen hatte, diese einschneidende Veränderung zu realisieren. Akzeptieren würde er sie sicher lange noch nicht.

Anasazi fuhr sich mit den Händen durch die Haare und ließ sich mit einem leisen Seufzen zurück aufs Bett sinken. Eigentlich war er kein Pessimist, doch langsam fragte er sich, warum das Unglück immer ihn treffen musste. Sein Stamm war ausgelöscht, er unter dem Kommando eines Menschen auf diesem Schiff gestrandet und nun hatte er auch noch verloren, was ihn am deutlichsten als Nietzscheaner auszeichnete, seine Knochenklingen. Welche Frau würde ihn jetzt noch erwählen?

Tyr drehte sich zur Seite. Der Schlaf würde sicher wieder lange auf sich warten lassen. Früher hätte er jetzt Pläne geschmiedet, wie er aus der misslichen Lage das Beste machen könnte. Er hatte sich oft überlegt, wie er Hunt am einfachsten los werden könnte, um die Andromeda für sich zu beanspruchen. Er hatte zig Möglichkeiten überlegt, wie er den Untergang seines Stammes an den Drago Katsov rächen könnte. Er hatte sich erträumt, wie er an der Spitze eines neuen Kodiak-Stammes eine eigene Familie mit vielen Frauen und unzähligen Kindern haben würde.

Aber er war nicht nur verkrüppelt und wurde als schwach angesehen. Er war es! Es hatte irgendwann damit angefangen, dass er nicht mehr nach jeder Möglichkeit suchte, um Hunt zu beseitigen. Irgendwann hatte er es akzeptiert, dass der Mensch das Kommando auf dem Schiff hatte und nicht er selbst, der eigentlich überlegene Nietzscheaner. Und er war sich auch gar nicht mehr so sicher, ob er immer überlegen war, nur weil er nietzscheanischer Abstammung war. Wann hatte es nur damit angefangen, dass das Leben so kompliziert und er zu seinem Spielball geworden war?

Anasazi wälzte sich wieder auf den Rücken und starrte an die Decke. Es war absoluter Unsinn gewesen, den Auftrag von Gerentex anzunehmen, der ihn auf die Maru gebracht hatte. Eigentlich nahm er solch einfache und wenig Gewinn versprechenden Aufträge gar nicht an. Reine Zeitverschwendung bei seinem Ruf und den Aufträgen, die er sonst übernehmen konnte. Er hatte es wohl nur getan, weil eigentlich ein paar ruhige Tage zu erwarten gewesen waren. Erst die Reise in der Stasisbox, während der er sich wunderbar hatte ausruhen können und dann hätte eigentlich nur eine kurze Kontrolle des geborgenen Schiffes und die Beseitigung der ahnungslosen Bergungscrew folgen sollen. Ein Kinderspiel für einen erfahrenen Söldner – wenn alles wie geplant gelaufen wäre. Doch die Andromeda war nicht völlig verlassen und Hunt hatte sich als nicht zu beseitigender Gegner erwiesen. Dann war alles schief gelaufen und eigentlich hatte er es nur Hunts Gutmütigkeit zu verdanken, dass er jetzt noch lebte. Genauso gut hätte der Highguard Offizier ihn umbringen können. Gelegenheit dazu hätte er gehabt.

Statt dessen war er auf der Andromeda gestrandet. Zugegeben, er hätte es schlimmer erwischen können. Doch der wahnsinnige Idealismus des Captain, seine Utopie eines neuen Commonwealth und die völlig unzureichende Crew, die er von der Maru übernommen hatte, stellten sicher, dass sein Leben bei den waghalsigen Unternehmungen mehr als einmal in Gefahr war – und das völlig ohne entsprechenden Lohn oder Gewinn.

Und welche Frau würde einen Narren wie ihn zum Mann erwählen? Ohne seine Knochenklingen erkannten ihn andere Nietzscheaner nicht einmal als einen der ihren. Außerdem war er ohne Stamm oder Familie nicht besonders begehrenswert. Der Ruf, den er sich einst als unbesiegbarer Kämpfer erworben hatte, galt angesichts seiner nicht besonders rühmlichen Taten unter dem Commonwealth-Captain nicht mehr viel.

Tyr seufzte erneut. Eigentlich war es längst an der Zeit, dass er neue Pläne schmiedete.