Prolog: Das Verschwinden

Dunkle Wolken zogen am Vollmond vorbei, der in dieser lauen Sommernacht die einzige Lichtquelle zu sein schien. Sanft umschmeichelte das silberne Licht die Gestalt, welche, tief in Gedanken versunken, auf einer Bank saß.
Das schwarze Haar schimmerte leicht bläulich. Das blasse, ebenmäßige Gesicht schien zu leuchten und in den smaragdenen Augen schienen goldene Punkte zu tanzen.
Der Widerhall von Schritten auf hartem Stein ließ ihn aufhorchen. Wie aus dem Nichts erschienen stand ein blonder Junge vor ihm, gehüllt in einen leichten, schneeweißen Sommermantel. Tief seufzend ließ der Blonde sich neben den Schwarzhaarigen auf der Bank nieder.
"Hallo Draco. Alles Gute zum Geburtstag. Du hast also die Apparierprüfung bestanden?", durchbrach der Schwarzhaarige die aufkommende Stille mit ruhiger Stimme.
"Hast du daran gezweifelt, Harry?", wollte Draco in sarkastischem Tonfall wissen.
"Ehrlich gesagt, ja. Immerhin warte ich schon fast eine Stunde auf dich."
"Aber du hast gewartet.", meinte Draco und grinste schief.
"Jein. Ich sitze hier schon mehrere Stunden. Ich hab nachgedacht."
"Worüber denn?"
"Naja, noch vor einem halben Jahr hätten wir uns wahrscheinlich gegenseitig umgebracht, anstatt hier in aller Ruhe zu reden. Schon komisch.", meinte Harry leise.
"Stimmt. Ist schon seltsam. Hast du inzwischen ne Ahnung, warum das eigentlich passiert ist?"
"Die Träume? Keine Ahnung. Aber da warst nicht nur du, sondern noch andere. Ich weiß nicht wie viele, und ich kenne sie auch nicht."
"Konntest du ihre Gesichter erkennen?"
"Nein. Nur deines. Weißt du inzwischen irgendwas über diesen seltsamen Raum?"
Draco seufzte tief. "Nein, aber..."
Als der Blonde abbrach, warf Harry ihm einen kurzen Blick zu. Er sah Unsicherheit in den Augen des anderen, der sein Gesicht dem Vollmond zugewandt hatte.
"Was, aber?"
"Kurz nach Ferienbeginn war ein Todessertreffen. Ich hätte ein Todesser werden sollen. Dazu durchforstete der dunkle Lord meine Gedanken. Ich hab es nicht mitbekommen.", Dracos Stimme war leiser geworden.
Harry zog eine Augenbraue hoch. "Und da lebst du noch?"
"Ja, er...er hat mich danach nur lange angesehen und gemeint, ich könne sein Mal nicht tragen, er würde sich aber dennoch geehrt fühlen, wenn ich ihm im Kampf beistünde. Weißt du, was er dann gemacht hat?"
"Nein, was?"
"Er hat sich vor mir verbeugt. Zwar nur kurz, aber trotzdem. Danach hat er seinen Leuten befohlen, mich und meine Befehle auf die selbe Stufe zu stellen, wie ihn und seine. Auch meinte er, das wir, also die Todesser, dich nicht mehr jagen und töten sollen. Ein paar hatten zwar ziemlich bestürzt reagiert, aber...nachdem Tante Bellatrix unter Qualen vor ihren Augen starb, hat keiner mehr gewagt, etwas dagegen zu sagen."
"Hat er sonst noch irgendwas gesagt?"
"Ja, das wir diese Worte bald verstehen werden. Seitdem war kein Treffen mehr und der dunkle Lord ist wie vom Erdboden verschwunden."
"Wow. Ich glaub er weiß etwas, das wir nicht wissen.", meinte Harry und lehnte sich zurück.
"Ja. Ich wüsste nur zu gerne, was. Sag mal, hast du keine Bewacher vom Orden?"
"Nein. Aber jetzt weiß ich, warum dein Vater mir nichts getan hat, als ich ihn letzte Woche über den Haufen gerannt habe. Ich glaub, ich werde von Todessern beschützt, verrückt, oder?"
"Ja. Hast du in letzter Zeit wieder so einen komischen Raum besucht?"
"Ja. Doch seit Beginn der Ferien, waren es immer nur der, wo du sonst immer warst, und ein weiterer.", Harry seufzte schwer. "Ich wüsste nur gern, was das alles zu bedeuten hat. Diese komischen Träume, wo ich unbekannte Schatten treffe, Dumbledore, dem meine Sicherheit auf einmal vollkommen egal zu sein scheint und schlussendlich noch Voldemort, der seine Todesser dazu abkommandiert hat, auf mich aufzupassen. Irgendwas stimmt hier nicht."
Wie um die Worte des Schwarzhaarigen zu bekräftigen, wurde der Mond auf einmal von einer dunklen Wolke verdeckt, die einsam am Himmelszelt vorbeizog. Durch ein Rascheln und Knacken aus den nahegelegenen Büschen aufgescheucht, standen die beiden einstigen Feinde in weniger als einer Sekunde Rücken an Rücken, die Zauberstäbe gezückt und unsicher in die, sie plötzlich umhüllende, vollkommene Dunkelheit lauschend. Dann geschah alles in wenigen Sekundenbruchteilen.
Ein harscher Befehl durchzuckte die Stille.
Duzende von Schritten waren zu vernehmen.
Noch bevor Draco oder Harry auch nur reagieren konnten, waren sie entwaffnet und genauso schnell umhüllte beide absolute Schwärze.
Als die Wolke sich wieder verzog, erhellte sich für wenige Momente das düstere Bild.
Zwei duzend, in blutrote Robe gehüllte Gestalten mit über den Kopf gezogenen Kapuzen standen um die zwei bewusstlosen Jugendlichen.
Die harsche, kalte Stimme, die den Befehl erteilte hatte, war wieder zu hören. Die Gestalt zu dieser Stimme, hatte auf Höhe der Oberarme zwei schwarze Streifen auf der blutroten Robe.
"Nehmt beide mit, wir wissen nicht, welcher es ist."
"Hauptmann, was ist mit dem dritten Jungen?"
"Wir holen ihn uns noch. Unser Befehl lautet, alle potentiellen Kandidaten zu fangen und einzusperren. Es wird sich noch zeigen, wer es ist. Und jetzt los, wir sollten von hier verschwinden. Ich hasse diesen Menschenabschaum."
Zustimmendes Murmeln erklang und einen Wimpernschlag später war der Spielplatz wieder leer, bis auf eine einsame Gestalt im Unterholz, die fluchend disapparierte.