Tear me apart – Teil 3
Kapitel 1
Veränderungen
Ein sonniger Morgen folgte auf eine stürmische Nacht, als Hogwarts gerade aus dem Schlaf erwachte. Sämtliche Eulen, die während des schweren Gewitters nicht ausgeflogen waren, machten sich nun auf den Weg, um ihre Pflicht zu tun. Allen voran eine weiße Schneeeule, die mit eilig schlagenden Flügeln zum Fuchsbau aufbrach, um die Botschaft des Ankömmlings zu verkünden.
Drei Wochen später saß Hagrid vor seinem Haus auf der Bank und tätschelte Fang die Ohren. Dicke, runde Tränen liefen über seine Wangen.
„Kann es immer noch nicht glauben", schniefte er dem Hund zu. Dann zog er ein handtuchgroßes Taschentuch aus der Hose und schnäuzte sich die Nase. „Unser Professor ..."
Fang jaulte wehmütig mit ihm mit.
„Ja, alter Knabe. Und Hermine … Die kleine Hermine ..."
Er war nicht allein mit seiner inneren Unruhe. Das ganze Schloss war in Aufruhr, bis tief hinein in den Verbotenen Wald, wo die Zentauren lebten.
Die Hauselfen hatten geholfen, alles auf Hochglanz zu polieren, um den neu gewählten Vertretern des Ministeriums, die im Laufe der Woche erwartet wurden, einen gebührenden Empfang zu bereiten.
Minerva McGonagall brauste geschäftig durch die Gänge. Vor der Großen Halle angekommen bog sie ab und setzte ihren Weg durch die Flügeltüren ins Freie fort.
„Hagrid!", rief sie, den ganzen Weg entlang, bis zu seiner Hütte.
„Hagrid!"
Endlich hörte er sie. „Ja, Professor?" Seine Augen waren ganz wässrig und rot.
„Da sind Sie ja!", keuchte McGonagall außer Atem. Sie blieb stehen und fasste sich ans Herz. „Ich habe schon überall nach Ihnen gesucht!"
„Verzeihung, Professor", murmelte Hagrid in seinen Bart hinein.
„Na, schon gut", antwortete sie knapp. „Haben Sie alles vorbereitet?"
„Natürlich", versicherte er. „Alles wie besprochen."
„Gut." Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu und rümpfte die Nase. Mit spitzem Zeigefinger deutete sie dann auf die Blume in seinem Knopfloch. „Damit sollten Sie vorsichtig sein. Die ist giftig."
„Hagrid rang die Hände. „Danke, Professor. Wird nicht mehr vorkommen."
Sie nickte. „Das hoffe ich. Wir können es nicht riskieren, dass er damit in Kontakt kommt."
Kaum hatte sie sich umgedreht, brauste sie auch schon wieder davon, in Richtung Schloss zurück.
Hagrid schüttelte den Kopf. „Na sowas, Fang! Kaum hat man so ein kleines Kerlchen in der Nähe, dreht sie fast durch ..." Erneut kamen ihm die Tränen. „Ich weiß noch genau, wie ich damals Harry zu seinen Verwandten gebracht hab. Da war sie genauso besorgt. Meinte wohl, ich wäre nicht in der Lage, auf ihn aufzupassen. Die wird sich noch was wundern. Nur weil sie jetzt die Schule leitet, heißt das noch lange nicht, dass sie alles auf den Kopf stellen kann."
Fang legte den Kopf schief und jaulte.
„Ganz recht, mein Junge. Wir werden das Kind schon schaukeln."
Hermine konnte den Blick nicht abwenden. Seit einer halben Stunde stand sie im Türrahmen und sah verträumt auf das Bild, das sich ihren Augen bot.
Ein friedlich schlafender Severus Snape lag auf dem Bett in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer und schnarchte leise vor sich hin. Daneben, eng an ihn geschmiegt, und durch den Körper seines Vaters geschützt, lag Sean. Dickes, schwarzes Haar zierte seinen Kopf. Sogar jetzt konnte man, wenn er einen ansah, die stechenden Augen erkennen, die denen seines Vaters sehr ähnlich waren.
Etwas wehmütig dachte sie an das letzte Jahr zurück. Niemals hätte sie gedacht, dass sie so glücklich sein würde. Nicht nach all den schrecklichen Dingen, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hatten.
Der Umzug zurück in die Kerker hatte viele ihrer einstigen Gefühle wieder zum Leben erweckt. Und das, obwohl die Räumlichkeiten vergrößert und renoviert worden waren.
Beiden war die Entscheidung, McGonagall den Posten der Schulleiterin zu überlassen, nicht besonders leicht gefallen. Mit Rücksicht auf den gesundheitlichen Zustand von Severus jedoch, war es die vernünftigste Lösung gewesen. Er war noch immer dabei, sich von den Folgen der Schlangenbisse zu erholen, die Nagini ihm zugefügt hatte. Alleine die Fortschritte, die er seit Seans Geburt gemacht hatte, waren überwältigend. Vielleicht war die Tatsache, dass er jetzt Vater war, der richtige Anreiz für ihn, wieder vollends auf die Beine zu kommen.
Hermine konnte nur darüber mutmaßen und jeden Augenblick, den sie bis zu Schuljahresbeginn mit ihren beiden Männern gemeinsam hatte, genießen.
Immer wieder seufzte sie verträumt vor sich hin, bis sie ein Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken riss. Leise löste sie sich von ihrem Platz los und zog die Tür hinter sich zu. Dann eilte sie davon, um zu sehen, wer es diesmal war, der ihre Ruhe störte.
„Professor!", rief sie überrascht. „Was kann ich für Sie tun?"
„Verzeihen Sie die Störung, Miss Granger", antwortete McGonagall eifrig. „Aber … ist Severus wach?"
Etwas verlegen schüttelte Hermine den Kopf. „Um ehrlich zu sein, er schläft noch ..."
„Oh. Ich hätte es mir ja denken können. Na macht nichts, ich werde später noch einmal vorbei kommen. Er sollte zusehen, dass er sich erholt. Die letzten Monate ... um genau zu sein, die letzten Jahre … waren doch sehr hart für ihn. Außerdem wird die Zeit bis zum Anfang des Schuljahres schneller vergehen, als wir es für möglich halten, nicht wahr?" Sie lächelte Hermine etwas unbeholfen zu. Vermutlich hatte sie immer noch ein schlechtes Gewissen, dass sie Severus nicht genug Vertrauen entgegen gebracht hatte.
„In Ordnung. Ich werde ihm sagen, dass Sie da waren."
McGonagall seufzte. „Danke. Und vielleicht könnten Sie ihm ausrichten, dass die Vertreter des Ministeriums bei ihrem Besuch vermutlich auch gleich die Räumlichkeiten besichtigen werden. Es wäre von Vorteil, wenn er noch einmal einen Blick über sein Klassenzimmer schweifen lassen könnte. Sie wissen ja, der erste Eindruck vor der Eröffnung sollte perfekt sein."
Hermine nickte. „Natürlich, Professor. Ich werde mich darum kümmern."
„Sehr schön. Werden Sie beim Festessen in der Großen Halle anwesend sein?"
Etwas überrumpelt stutzte sie. „Ich werde erst noch mit Severus darüber reden, aber nachdem das Ministerium jetzt neu besetzt ist, sehe ich auf die Schnelle keinen Grund, warum wir nicht dabei sein sollten."
„Gut, gut. Ich muss jetzt weiter. Vorhin hat doch tatsächlich einer der Helfer versucht, die Peitschende Weide mit Girlanden zu schmücken. Wer auch immer es war, liegt jetzt im Krankenflügel und es ist meine Pflicht, diesen Idioten darauf hinzuweisen, wie leichtsinnig das von ihm war."
Hermine lächelte verstohlen in sich hinein. Vielleicht war es wirklich besser, dass McGonagall jetzt das Sagen hatte. Severus wäre ausgeflippt, wenn er von diesem Vorfall erfahren hätte. Überhaupt konnte sie sich nicht daran erinnern, davon gehört zu haben, dass Hogwarts während der Sommerferien jemals so betriebsam gewesen wäre.
Dieses Jahr aber schien alles anders zu sein. Das Schloss war nach der Schlacht wieder aufgebaut und alles an seinen ursprünglichen Platz gebracht worden. Ganze Seitengänge und Klassenzimmer, sogar ein Turm waren während des Kampfes in die Luft gesprengt worden.
Endlich war wieder alles so, wie es sein sollte. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ein Besuch des Ministeriums anstand, das sich vor der Wiedereröffnung von den Fortschritten des Aufbaus überzeugen wollte.
Im Gegensatz zu früher hoffte Hermine, dass es jetzt keine Gründe mehr gab, die es dem Ministerium erlaubten, das Heiratsgesetz aufrecht zu erhalten. Damit hatte der ganze Schlamassel zwischen ihr und Severus ursprünglich begonnen. Mit Voldemorts Tod und dem Untergang der Todesser jedoch sollten diese Maßnahmen überflüssig geworden sein.
Nachdem McGonagall sich verabschiedet hatte, entschied sie sich dafür, Severus noch ein Weilchen schlafen zu lassen. Voller Eifer machte sie sich auf, um die Sache mit seinem Klassenzimmer und den Vorratskammern selbst in die Hand zu nehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich in seine Angelegenheiten einmischte. Selbst dann nicht, wenn sie sich den Zugang zu seinen Vorräten wieder einmal heimlich erschleichen musste.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt sie hinaus auf den Gang. Sie war mit ihm verheiratet. Außerdem war sie die Mutter seines Kindes. Spielte es da noch eine Rolle, dass sie, genau wie damals, die Regeln brach?
Vermutlich nicht. Diese Zeiten hatte sie hinter sich gebracht.
