A.N.:
Hallo Leute,
ich habe diese Geschichte vor allem für mich geschrieben, mich aber schlussendlich doch dazu entschieden sie hier hochzuladen. Ich hoffe ihr habt trotzdem Freude daran. Das Erzähltempo ist besonders im ersten Teil noch etwas gemächlicher, nimmt aber im Laufe späterer Kapitel Fahrt auf.
Noch eine Anmerkung, es sind nicht alle Kapitel so lang wie die ersten beiden, also lasst euch nicht von der Gesamtzahl der Kapitel abschrecken ;-)
Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne Anregungen oder Kritik in den Kommentaren oder per P.M. zurücklassen, darüber freue ich mich immer sehr.
Grüße und viel Spaß beim Lesen,
Euer Halbzeit-Schreibling (half-time-writer)
PROLOG
Endlich! All die Entbehrungen der letzten Jahre, die einsamen Stunden über den Büchern, die blauen Flecken, nach den scheinbar endlosen Trainingssessions und die gähnende Langeweile in den Lektionen zu den „juristischen Grundregeln, die das beruflich notwendige Verhalten autorisieren und legitimieren", all dies hatte endlich ein Ende. Denn seit einer Stunde, sechzehn Minuten und, ein kurzer Blick auf die Uhr, dreißig Sekunden, seit Tonks ihre Unterschrift auf das offizielle Pergament gesetzt hatte, war sie endlich eine richtige Aurorin.
Schief summend stieß Tonks die Tür zu ihrem kleinen Haus auf und warf ihre Tasche mit Schwung auf das Sofa. Die viel zu festliche, weiße Bluse, die sie nur auf Drängen ihrer Mutter angezogen hatte um einen „guten Eindruck" zu machen, landete unprätentiös auf dem Boden. Nacheinander folgten auch die langweiligen schwarzen Schuhe.
„Guten Eindruck", murmelte Tonks genervt, während sie im Kleiderschrank nach dem grellsten T‑Shirt griff, was ihr ins Auge sprang. Wenn die Ausbilder nach drei Jahren Training mit Tonks noch immer nicht erkannt hatten, das vorzeigbarer Klamottenstil nichts mit Fähigkeiten zu tun hatte, konnte sie ihnen auch nicht mehr helfen. Auf dem Gesicht, das ihr aus dem schmalen Spiegel neben dem Schrank entgegenblickte stand das breiteste Grinsen, das Tonks seit Ewigkeiten dort gesehen hatte.
Eine schnelle Nachricht an ihre Eltern, noch eine andere Hose und ein wenig mehr Farbe im Haar und dann wäre sie auf dem Weg. Irgendeine der durch den Stress der Ausbildung fast aus den Augen verlorenen Freundinnen würde bestimmt eine Party feiern an diesem Freitagabend. Und diesmal könnte Tonks dabei sein! Und musste sich bei nichts, absolut gar nichts zurückhalten. Das Grinsen im Spiegel wurde noch ein paar Zentimeter breiter bei diesem Gedanken.
Ein leises „Tock, Tock, Tock" ließ Tonks herumwirbeln und verteidigungsbereit den Zauberstab ziehen. Doch natürlich war es nur eine Eule, die dort sachte mit dem Schnabel gegen das geschlossene Fenster klopfte. Tonks rollte mit den Augen nach oben und ließ den Zauberstab wieder sinken. So fing es also an, mit den Berufskrankheiten. Als sie das Fenster öffnete, stellte Tonks überrascht fest, dass sie die Eule kannte.
„Tschab-Tschab? Was machst du denn hier?"
Der Vogel flatterte geräuschlos hinein und ließ sich sogleich auf ihre Schulter nieder um ihr liebevoll ins Ohr zu kneifen. Der Brief an seinem Bein trug Tonks' Namen, auch wenn sie die enge, filigrane Handschrift nicht erkannte. Neugierig entfaltete Tonks den Brief und begann zu lesen.
Geschätzte Nymphadora,
meinen herzlichsten Glückwunsch zu Ihrer Ernennung als Aurorin. Ich habe ihre Ausbildung im Laufe der letzten drei Jahre mit Interesse verfolgt und viel Positives über ihre Fähigkeiten gehört. Wenn es mit ihrem Terminplan vereinbar ist, würde ich Ihnen heute um 17 Uhr im Eberkopf gerne noch einmal persönlich gratulieren.
Ergebenste Grüße,
Albus Dumbledore
P.S.: Diese Schuleule schien sehr erpicht darauf, Ihnen diese Nachricht zu überbringen. Ich glaube sie hat sie hier in den letzten drei Jahren etwas vermisst.
Tonks las den Brief ganze drei Mal und war immer noch verwirrt. Dumbledore wollte ihr persönlich gratulieren? Das ergab keinen Sinn. Sie kannten sich doch quasi nicht. Waren sich höchstens ein paar Mal in Hogwarts begegnet, aber meistens, stellte Tonks nun mit einem leicht mulmigen Gefühl in der Magengegend fest, wenn sie etwas besonders Unangemessenes ausgefressen hatte. Geistesversunken streichelte sie Tschab-Tschabs Brust, die als Antwort selig schuhute. Sehr merkwürdig.
Nach einem Blick auf die Uhr stand Tonks auf und Tschab-Tschab öffnete neugierig ihre großen, gelben Augen um sie gespannt anzusehen.
„Na dann mal los", sagte Tonks nach einem Blick auf die Uhr. „Wenn wir uns beeilen, kann ich dir vorher noch ein paar Eulencracker besorgen. Wie früher, he?" Die Eule klackerte zustimmend mit dem Schnabel und krallte sich noch ein wenig fester in Tonks Schulter.
Tonks wusste, dass es langsam unhöflich wirken musste, wie sie hier stumm dasaß und Dumbledore mit irritiert aufgerissenen Augen anstarrte. Aber sie konnte einfach nicht anders. Dumbledore hatte geschrieben, dass er ihre Ausbildung verfolgt hatte. Aber die Einsicht, die er ihr nun offenbarte, ging weit über das hinaus, was sie sich jemals vorgestellt hätte. Dumbledore wusste von ihren offiziellen Bewertungen, ihren inoffiziellen und sogar ihren sehr inoffiziellen. Und schien zudem von fast allen sehr angetan zu sein, was Tonks besonders bei einigen Ereignissen der sehr inoffiziellen Sorte, bei denen sie mit ihren Vorgesetzten aneinander geraten war, nur noch mehr irritierte. Grade erzählte er, dass sein alter Freund Alastor Moody ihr Training genauestens analysiert habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass Tonks „durchaus Potential besäße, wenn sich jemand mal die Mühe machen würde, sie anständig und praxisnah auszubilden".
„Und auch wenn es sich herausgestellt hat, dass es sich nicht die ganze Zeit wirklich um Alastor Moody gehandelt hat", fuhr Dumbledore unbeschwert lächelnd fort, „ so sehe ich trotzdem keinen Grund, an seiner Aussage zu zweifeln."
Bei diesen Worten wurden Tonks' Augen nur noch größer. Dumbledore lächelte sie über den Rand seiner Teetasse hinweg geduldig an. Er verfiel in ein Schweigen, dass nur von den Geräuschen seiner gelegentlichen Happen von einem der trockenen Kekse unterbrochen wurde.
„Ich verstehe trotzdem nicht wirklich, warum ich hier bin", fand Tonks nach einiger Zeit brüchig ihre Stimme wieder.
„Haben sie von den Ereignissen bei der Quidditch-Weltmeisterschaft gehört, Nymphadora?", wechselte Dumbledore überraschend das Thema. Sein Ton wirkte weiter unbekümmert, doch Tonks spürte, dass das Thema von entscheidender Bedeutung zu sein schien. Tonks durchwühlte schnell ihr Gedächtnis, doch eigentlich war es kein Mysterium worauf Dumbledore anspielte. Langsam nickte sie.
„Haben sie im letzten Jahre den Propheten gelesen?"
Eine schmale Falte bildete sich auf Tonks' Stirn. Im Training hatte sie ein paar Mal versucht mit Kollegen und Vorgesetzten über die Dinge, die im Propheten ihrer Meinung nach zwischen den Zeilen gestanden hatten, zu reden. Aber niemand schien sonderlich interessiert gewesen zu sein. Mit der Zeit hatten ihre Vorgesetzten immer abweisender gewirkt und so hatte sie gelernt lieber den Mund zu halten.
„Personen sind verschwunden", sagte Tonks vorsichtig und musterte die Reaktionen in Dumbledores Gesicht, „es passieren komische Sachen. Jedes Ereignis für sich unbedeutend, aber im Ganzen…"
Zu Tonks' Erleichterung nickte Dumbledore anerkennend. Er stellte seine Teetasse auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen ab, wischte ein paar Kekskrümel von seinem Umhang und sah Tonks mit durchdringendem Blick aus seinen blauen Augen an.
„Ich muss sie leider darüber informieren, Nymphadora, dass Lord Voldemort zurückgekehrt ist. Ich suche nun Verbündete. Personen, die fähig und gewillt sind, an meiner Seite alles ihnen mögliche zu tun, um ihm und seinen Gefolgsleuten entgegen zu treten."
Für einen Moment wurde es still im Raum.
„Ok", sagte Tonks dann, „ich… bin dabei!"
Dumbledore lächelte sanft angesichts ihrer spontanen Reaktion. „Ihr Eifer in allen Ehren, möchte ich sie doch bitten, ihre Entscheidung genauer zu überdenken. Es werden Dinge auf sie zukommen, die…"
„Ich muss das nicht überdenken", fiel Tonks ihm mit einem Mal entschlossen ins Wort. „Ich habe genug Geschichten von meinen Eltern gehört, genug Freunde gehabt, die nur mit einem Elternteil oder als Waisen aufgewachsen sind. Meine Mutter ist wegen der Ideologie von Du-Weißt-Schon-Wem eine Ausgestoßene in ihrer eigenen Familie. Und vor zwei Jahren ist es zum ersten Mal jemandem gelungen aus Azkaban auszubrechen, einem der schlimmsten Todesser überhaupt." Dumbledore schien milde überrascht über ihren Ausbruch, sagte jedoch nichts.
„Ich weiß, was auf dem Spiel steht, Sir", fuhr Tonks etwas ruhiger aber nicht minder deutlich fort. „Ich weiß, warum ich Aurorin geworden bin und dass sich meine Entscheidung niemals ändern wird. Bitte erlauben sie mir zu kämpfen."
Dumbledores durchdringender Blick blieb noch einen Moment auf Tonks' Gesicht hängen, dann stand er auf und reichte ihr die Hand.
„Willkommen im Orden des Phönix!", sagte er und Tonks ergriff freudig seine Hand und schüttelte sie fast ein bisschen zu überschwänglich.
„Erlauben sie mir, Ihnen jemanden vorzustellen", sagte Dumbledore und ging dabei auf die Tür des Raumes zu, „er hat sich bereit erklärt ihnen die bereits erwähnte ‚anständige, praxisnahe Ausbildung' zukommen zu lassen."
Dumbledore öffnete die Tür und herein humpelte Mad-Eye Moody. Tonks reagierte ohne zu denken. Bevor sie das für und wider abwägen konnte, stand sie mit drohend auf Moody gerichteten Zauberstab da. Dumbledore schien angesichts ihrer Reaktion milde überrascht, hielt es aber anscheinend nicht für nötig in irgendeiner Form zu reagieren.
„Ist… das denn jetzt… der echte Alastor Moody?", stammelte Tonks an Dumbledore gewandt.
Dumbledore fand keine Gelegenheit zu antworten, denn in diesem Moment brach Moody in ein heiseres aber lautes Lachen aus.
„Die Kleine gefällt mir!", sagte er in grimmigen Ton. Er humpelte auf Tonks zu und klopfte ihr so heftig auf die Schulter, dass sie einen Schritt nach vorne taumelte und Tschab-Tschab in ihrer Ecke den Eulencracker fallen ließ und einen empörten Schrei ausstieß.
TEIL 1
LEUGNEN
EINS
Tonks konnte es immer noch nicht fassen. Ihr erstes richtiges Treffen. Im richtigen Orden des Phönix! Während der Tage von Moodys „Training", auch wenn sie eher das Wort „Folter" verwendet hätte, hatte sie schon nicht mehr daran geglaubt, dass es je dazu kommen würde. Doch jetzt war sie hier und fühlte sich, als hätte sie in ihrem ganzen Leben nie etwas anderes gewollt. Das Haus wirkte zwar eher wie die Residenz von Du-Weißt-Schon-Wem persönlich mit seinen düsteren Korridoren, den sinisterem Dekor und am schlimmsten von allen, den wie Trophäen präsentierten Elfenköpfen an der Wand, aber wahrscheinlich war das nur Mad-Eyes paranoiden Vorstellung von guter Tarnung zu verdanken.
Nachdem Tonks mit Mad-Eye an ihrer Seite in die Küche des Hauptquartiers gekommen war und auf einem freien Stuhl in der Mitte des langen Tisches Platz genommen hatte, war Dumbledore aufgestanden und hatte sie und anschließend alle anderem am Tisch kurz vorgestellt.
Tonks war so nervös gewesen, dass sie sich schon beim zweiten Namen nicht mehr an den ersten erinnern konnte und ihr doch tatsächlich, erst nach der Hälfte des Treffens bewusst wurde, dass es sich bei dem Mann schräg gegenüber nicht um eine witzige Namensdopplung, sondern wirklich um den aus Azkaban ausgebrochenen vermeidlichen Todesser Sirius Black handelte. „Das erklärt zumindest, warum Kingsley Shacklebolt ihn seit Ewigkeiten sucht und trotzdem nicht gefunden hat", dachte Tonks und sah zu ihrem Kollegen direkt neben Dumbledore am rechten Ende des Tisches hinüber.
„Was uns zum nächsten Punkt bringt", unterbrach Dumbledore mit seiner ruhigen Stimme ihre Gedanken.
„Greyback!"
Bei diesem Namen hoben sich entlang der Reihen die Köpfe und mehr als ein Dutzend Augenpaare richteten sich auf Dumbledore.
„Wahrscheinlich sind viele der hier Anwesenden bereits vertraut mit Herrn Greyback, trotzdem möchte ich aufgrund der Neuzugänge noch einmal eine Zusammenfassung liefern. Greyback ist ein Individuum, welches den Wunsch zu töten und zu verletzen in jeder Faser seines Herzens zutiefst verinnerlicht hat. Er vertritt eine sehr fragwürdige Einstellung zu der Ordnung, die in unsere Gesellschaft vorherrschen sollte und ist zu äußersten Mitteln bereit um diese Ordnung durchzusetzen"
Tonks bemerkte, dass Sirius Black mit leicht belustigtem Ausdruck die Augenbrauen erhoben hatte und Dumbledore anschaute als würde er auf etwas warten.
„Außerdem ist er ein Werwolf", fuhr Dumbledore fort und sofort löste sich Tonks' Blick von Black und schwang wieder zu Dumbledores unverändert ruhigem Gesicht hinüber.
„Wir haben Grund zu der Annahme, dass Voldemort verschiedene Randgruppen unserer Gesellschaft auf seine Seite zu ziehen versucht. Die logische Vermutung wäre, dass er Greyback beauftragt, weitere Werwölfe zu rekrutieren."
Tonks rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
„Haben sie eine Frage, Nymphadora?"
Plötzlich waren alle Augen am Tisch auf Tonks gerichtet.
„Ich…", ihr stockte die Stimme. Sie hatte schon lebensgefährlichen Situationen gegenüber gestanden. Besonders dank Moody in den letzten Tagen. Warum musste sie jetzt nervös werden? Mit nicht ganz so fester Stimme wie es ihr lieb gewesen wäre, setzte sie noch einmal an, „Ich… hab mich nur gefragt… ist Greyback ein Todesser, Sir? Ich meine… Werwölfe haben in der Regel schwach ausgeprägte magische Fähigkeiten und Du-weißt-schon-wer wählt eher sehr fähige Zauberer zu seinen Gefolgsleuten?"
Sie merkte wie die meisten Augenpaare am Tisch in stiller Erwartung einer Erwiderung wieder zu Dumbledore schwangen. Ihr direkt gegenüber jedoch, saß ein Mann mit leicht angegrautem, braunem Haar, dessen Blick unverändert auf Tonks fixiert war. Auch Dumbledores Augen ruhten ganz auf ihrem Gesicht.
„Greyback ist in der Tat momentan kein Todesser. Er arbeitet aber weitestgehend nach den Weisungen von Lord Voldemort, da er auf eine bessere Stellung für ihn und seines Gleichen nach der Machtergreifung hofft. Werwölfe werden durchaus selten als Todesser aufgenommen, was allerdings eher durch ihren Status als „Halbmenschen" als durch ihre magischen Fähigkeiten zu begründen ist."
Als Dumbledore nun etwas lauter aber unverändert ruhig fortfuhr, galt sein Blick wieder der ganzen Gruppe was Tonks zum Glück die Gelegenheit gab einmal flink mit ihrem Handrücken über ihre Stirn zu fahren. Nerven wie aus Acromantula-Seide, wie Mad-Eye es ausgedrückt hatte, aber diese Rampenlicht trieb ihr den Schweiß auf die Stirn?
„Wir wissen also, worin Greybacks Auftrag besteht", sagte Dumbledore, „Was wir nicht wissen, ist, wie und wo er gedenkt diesen umzusetzen, was natürlich die Interventionsmöglichkeiten erheblich einschränkt."
„Wir könnten ihn 24/7 beschatten, jeden seiner Schritte verfolgen bis er uns selbst verrät wie seine Pläne genau aussehen", brummte Mad-Eye in seinem harschen, bestimmten Ton. Bevor Dumbledore auf diesen Vorschlag eingehen konnte, wandte sich Kingsley Shacklebolt direkt an Mad-Eye: „viel zu aufwendig. Die meisten von uns haben einen Vollzeit-Job und wir müssen schon diverse andere Personen genauer im Auge behalten. Hinzu kommt, dass wir ihn schon bei einmaligem Apparieren komplett verlieren würden, da er keinen festen Wohnsitz oder Arbeitsplatz hat."
Tonks hatte immer geglaubt, dass Werwölfe nicht in der Lage seien so komplizierte Zauber wie das Apparieren auszuführen, verspürte aber wenig Lust die Tischrunde an ihren Gedanken teilhaben zu lassen und damit wieder Zentrum der Aufmerksamkeit zu werden.
„Was ist mit den anderen Werwölfen?", piepste ein kleiner Mann mit einem Zylinderhut zwei Plätze links von Tonks, „wenn wir sie überzeugen, bevor Greyback es tut…"
„Und wie genau willst du sie finden?", fragte Sirius Black in leicht genervtem Tonfall.
„Nun, man könnte mit den Namen im Werwolf-Register beginnen und..."
Als Antwort verfiel Black nur in ein bellendes Lachen.
„Es gibt…", der Mann mit dem angegrauten Haar direkt gegenüber von Tonks hatte gesprochen und sofort kehrte wieder Ruhe am Tisch ein, „… einen Wald im äußersten Rand der Highlands. Werwölfe pflegen sich dort in den Tagen vor Vollmond zu treffen und…" Er kratzte sich geistesabwesend im Nacken. „…sich an Vollmond dort zu verwandeln. Muggel meiden den Wald, weil es zu viele Berichte über verschwundene Kinder gibt. Die wenigen Zauberer der Umgebung, die noch nicht weggezogen sind, wissen Bescheid, sagen aber nichts, weil sie Racheakte fürchten."
Dumbledores Augen waren für einen Moment prüfend auf den Sprechenden gerichtet. Dann nickte er langsam. „Das ist ein Anfang. Vielen Dank, Remus. Nun…"
Dumbledores Blick wanderte wieder durch die Runde. „…wir sollten überlegen wie unsere nächsten Schritte diesbezüglich aussehen. Eine offene Konfrontation mit Greyback sollte meiner Meinung nach unter allen Umständen vermieden werden, aber bestimmt lassen sich einige der Werwölfe für unsere Sache gewinnen."
Tonks schnaubte unwillkürlich auf. Dumbledores Blick richtete sich wieder auf Tonks und sie gefror mitten in ihrer unbewussten Reaktion.
„Verzeihung", murmelte Tonks kleinlaut.
„Du wolltest etwas sagen?" Der Mann namens Remus sah sie mit hochgezogenen Brauen herausfordernd an.
„Ähm… es ist nur…" Tonks sah hilfesuchend in die Runde doch keiner, nicht mal Mad-Eye schien etwas beitragen zu wollen. Sie schluckte einmal schwer und wandte sich dann um Dumbledores Blick auszuweichen direkt an den Mann ihr gegenüber. „Wie hoch sind unsere Chancen Werwölfe von unserer Sache zu überzeugen, die sich schon bevor Du-weißt-schon-wer sie rekrutiert, bewusst an Vollmond in einem Wald platzieren um Kinder zu beißen?"
Ohne zu zögern antwortet der Mann gegenüber von Tonks in bestimmten Ton und sah sie dabei offen heraus an, „sie platzieren sich nicht dort um Kinder zu beißen. Sie verwandeln sich nur in diesem Wald, der nebenbei bemerkt einen so schlechten Ruf hat, dass so gut wie niemand in seine Nähe gehen würde, schon gar nicht an Vollmond"
„Aber…", jetzt da sie nur noch mit einem Gegenüber und nicht an eine ganze Gruppe gerichtet sprach, hatte sie auf einmal ihren Mut wiedergefunden, „…warum sollte überhaupt jemand Anständiges freiwillig dieses Risiko eingehen. Was ist der Vorteil gegenüber einer Verwandlung in einem abgeschlossenem Raum, wo jegliches Risiko für andere ausgeschlossen ist."
Zu ihrer großen Verwunderung begann der Mann sanft zu lächeln. Mit einem süffisanten Ausdruck, als würde er einem besonders dummen Kind geduldig etwas erklären, blickte er sie an und fuhr dann mit ruhiger Stimme fort, „der Drang eines Werwolfs zu… jagen ist sehr stark. So stark, dass er sich in einem Raum ohne andere Lebewesen, in der Regel selbst verletzen wird. In einem Wald hingegen, in dem es Kaninchen und Rehe…"
„Das klingt trotzdem ziemlich egoistisch, wenn Sie mich fragen!", fiel Tonks ihm etwas zu harsch ins Wort. Die Miene des Mannes erstarrte mitten in seinem herablassenden Lächeln.
„Verletzungen schön und gut, aber im Vergleich zu der Gefahr einen anderen Menschen zu einen Werwolf zu machen… das Ganze klingt für mich eher wie eine lahme Ausrede um ihrer Natur des Beißens und Tötens nachzugeben."
„Danke Nymphadora, das genügt fürs erste."
Dumbledores Stimme war freundlich, jedoch sprach Autorität aus jeder einzelnen Silbe, so dass Tonks unbewusst etwas in ihren Stuhl zusammenzuckte.
„Wissen Sie, wo dieser Wald sich befindet, Remus?"
Der Mann schien Dumbledores Worte nicht gehört zu haben, und starrte weiter mit versteinerter Miene Tonks an. Eine leise, schnarrende Stimme, die Tonks nur zu gut aus ihrer Schulzeit kannte, durchbrach nach ein paar Sekunden die aufkeimende Stille: „oder waren sie schon einmal da?"
Sofort löste sich der Blick des Mannes von Tonks und flackerte bedrohlich zu Snape hinüber. „Nicht an Vollmond!", spuckte er ihm entgegen, „aber ja, ich kenne den Ort."
Dumbledore hatte sich von der aufkommenden Spannung am Tisch nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Ausgezeichnet!", sagte er sanftmütig lächelnd, „ich denke die Details besprechen wir dann besser unter vier Augen, Remus, um dem Rest der Gesellschaft nicht länger das vorzügliche Abendessen, das Molly ohne Zweifel zaubern wird, vorzuenthalten. Vielen Dank an alle Anwesenden, wir sehen uns spätestens in drei Tagen in alter Frische wieder. Einen guten Abend allerseits."
Das Gescharre der Stühle und das Gewusel der aufstehenden Leute setzten augenblicklich ein. Der Mann gegenüber Tonks, war bereits aufgesprungen und mit wehendem Umhang zu Dumbledore gelaufen. Mad-Eye klopfte Tonks im Aufstehen grob auf die Schulter und murmelte ihr ein „Hätte noch schlechter laufen können, Kleine!" zu, bevor er in die entgegengesetzte Richtung davon humpelte. Sie lächelte irritiert. Seit sie sich an Mad-Eyes mürrische Art gewöhnt hatte, war sie eigentlich fast immer in der Lage gewesen, ein Kompliment von einer Rüge zu unterscheiden. Doch wie war das gerade zu verstehen gewesen?
Etwas unsicher und auch da sie niemanden außer Mad-Eye wirklich kannte, blieb Tonks sitzen und ließ ihren Blick durch die Menge schweifen. Mad-Eye war in eine Diskussion mit dem kleinen Mann mit Zylinderhut verwickelt, eine Frau mit rotem Haar, wahrscheinlich besagte Molly, war bereits damit beschäftigt mit Ihrem Zauberstab Kartoffeln zu schälen und Kingsley Shacklebolt lauschte aufmerksam den Ausführungen einer großen Hexe mit Spitzhut und nickte gelegentlich zustimmend. Snape hatte bereits den Raum verlassen. Einige andere folgten nach und nach.
Tonks Blick wanderte durch den düsteren Raum, die einstmals wahrscheinlich prachtvolle Tapete, die sich nun angegilbt und stumpf an vielen Stellen von der Wand schälte, die staubigen Leuchter aus grauem Silber und matten, kristallenen Tropfen, die Holzstühle die zusammengewürfelt und zu zahlreich um den Tisch standen, weiter zu den einzelnen Grüppchen von fast unbekümmert plaudernden Menschen und fiel schließlich auf den Mann der ihr gegenüber gesessen hatte und so schnell auf die andere Seite des Raumes verschwunden war. Er schien gerade sein Gespräch mit Dumbledore beendet zu haben und schaute nun durch den Raum in Tonks' Richtung. Sein Blick traf Black, der noch lässig auf seinem Platz fläzte und verschmitzt lächelnd zum Stuhl zu seiner Linken nickte. Tonks bemerkte, dass die Augen des Mannes für einen kurzen Moment zu Tonks zuckten und er dann fast unmerklich den Kopf schüttelte. Black grinste nur noch breiter und zwinkerte ihm zu. Der Mann machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür, während Tonks ihm unsicher nachsah. Was zum Henker sollte das denn gerade?
„Bleibst du zum Essen?", fragte Black unbekümmert fröhlich und riss Tonks damit aus ihren leicht verwirrten Gedanken. Mit Mühe wandte sie sich von der Tür ab und blickte in Blacks fahles Gesicht.
„Denke nicht. Ich bin mit Moody hier und werd' wohl auch wieder mit ihm gehen."
Black nickte langsam und lächelte ihr unverändert breit entgegen.
„Kann ich dich was fragen?", fragte Tonks vorsichtig nach ein paar Sekunden Stille.
„Klar, Nichte!"
Blacks Ton war unbeschwert gewesen, trotzdem musste Tonks unwillkürlich schnauben. „Erinnere mich bloß nicht!", murmelte sie halblaut. Im nächsten Moment wurde ihr bewusst, was sie gerade gesagt hatte und wie man es ohne Probleme auffassen konnte. „Ich meine…", stammelte sie und konnte gleichzeitig spüren, wie sie rot anlief. Zu Tonks' Erleichterung gab Black als Antwort ein bellendes Lachen von sich.
„Ich weiß schon, was du meinst", sagte er zwinkernd, „in dieser Familie wird es schnell zur Gewohnheit jegliche Verwandtschaftsverhältnisse erstmal zu leugnen."
Tonks war froh, dass er nicht verstimmt zu sein schien. Trotz seines zotteligen Haars, seines abgemagerten Gesichts und der tief eingefallenen Augen, wirkte Black sofort sympathisch.
„Wie geht's deiner Mum?", fragte er grinsend.
„Alles gut. Naja… sie macht sich Sorgen. Aber das ist ja nichts Neues..."
„Planänderung, Kleine!" Mad-Eye war zu ihnen herüber gehumpelt und hatte sie unterbrochen. „Diggel hat mir von ein paar interessanten Vorkommnissen unten in Cornwall erzählt, die meine sofortige Aufmerksamkeit verlangen. Du findest allein nach Hause?"
„Sicher", erwiderte Tonks sofort, „aber ich kann auch gerne mitkommen und dir…"
„Danke, aber das ist ein Ein-Mann-Job. Nutz lieber die Zeit um dich mit den anderen Mitgliedern des Ordens vertraut zu machen. Es sind ein paar zwielichtige Gestalten dabei, also immer wachsam!" Bei Mad-Eyes letzten Worten schwang sein magisches Auge erst zu Black hinüber und zitterte dann durch den Raum bis es schließlich auf die Tür gerichtet war, durch die immer noch Leute verschwanden.
„Auch angenehm dich wiederzusehen, Mad-Eye", sagte Black grinsend, als hätte er Mad-Eyes prüfenden Blick gar nicht bemerkt, „wie schön dass du deine einnehmende Frohnatur nicht verloren hast."
Mad-Eye nickte nur kurz in Blacks Richtung, als hätte man ihm gerade ein Kompliment gemacht und humpelte davon.
„Sieht so aus, als würde ich doch zum Essen bleiben", sagte Tonks und lächelte unschlüssig.
„Remus wird begeistert sein", erwiderte Black halblachend.
Tonks rollte unwillkürlich mit den Augen nach oben. „Was ist sein Problem?"
Black schien für einen Moment ernsthaft über die Frage nachzudenken „Nun ja, er ist über dreißig und noch Single, sein bester Freund ist ein verurteilter Gesetzesflüchtling, den die Welt für einen irren Massenmörder hält und er war immer schon mehr der Glas-halb-leer-Typ." Er zwinkerte ihr verschmitzt zu. „Außerdem ist er ein Werwolf."
Tonks blickte erschrocken zu ihm auf.
„Oh, keine Sorge", meinte Black unablässig grinsend, „Du als Auror kannst ihn mit seinen ‚schwach ausgeprägten magischen Fähigkeiten' sicher leicht überwältigen wenn er mal ‚seiner Natur des Beißens und Tötens' nachzugeben droht."
Tonks merkte wie ihre Haarspitzen blass wurden.
„Du wolltest vorhin etwas fragen?", sagte Black unbeschwert.
Tonks war aufgesprungen. „Wo ist er?"
Black guckte gespielt verdutzt. „Das wolltest du fragen?"
„Im ernst, Black! Weißt du wo er wohnt? Oder wo er sein könnte?" Mehr und mehr Panik stieg mit jeder Sekunde in Tonks auf. Sie war nie ein Mensch gewesen, den man auf Anhieb für kompetent hielt. Sympathisch vielleicht, aber nicht professionell und fähig. Doch niemals hätte sie gedacht, dass ihr erster Tag im Orden mit einem solchen Schnitzer auf persönlicher und professioneller Ebene beginnen würde. Black runzelte die Stirn. „Ja zu beidem", sagte er ruhig, „er ist oben im vierten Stock, aber…"
Sie hörte nicht mehr was er sagte, war bereits mit schnellen Schritten durch die Tür zum Treppenhaus gelaufen. Doch dann…
„Autsch, verdammt!" Tonks fiel und schlug hart auf den Stufen auf. Sie war über etwas Schweres gestolpert und hielt sich nun das schmerzende Bein. Sofort zerriss ein ohrenbetäubender Schrei die Stille.
„Schlammblüter, Missgeburten, Blutverräter…"
Eine Frau in einem Portrait, vor dem ein Paar alte mottenzerfressene Vorhänge zur Seite geschwungen waren, schrie aus voller Kehle und einige Leute, die sich gerade auf dem Weg zur Tür befunden hatten, blieben stehen um sich erstaunt umzusehen. Black war auf einmal wieder neben Tonks.
„Entschuldigung, ich wollte nicht…"
„Abschaum, Gesindel…"
Tonks presste sich die Hände auf die Ohren und schrie gleichzeitig gegen das Portrait an „Es tut mir leid, ich hab nicht…"
Black zog eine Hand von ihrem Ohr.
„Vierter Stock, die Tür ganz rechts. Geh einfach", sagte er in pragmatischem Ton und wies mit einem Zeigefinger in Richtung der Treppe. Tonks zögerte einen winzigen Moment, sprintete dann aber doch die Treppe hinauf. Black schrie inzwischen das Portrait an und versuchte gleichzeitig die Vorhänge wieder zuzuziehen. Mit jedem Treppenabsatz den Tonks erklomm wurden die Geräusche etwas leiser bis sie schließlich auf der dritten Etage abrupt ganz erstarben.
Vor der Tür im vierten Stock, zögerte sie kurz, hob dann aber doch ihre Hand und klopfte behutsam. Als die Tür aufschwang und Remus sie erblickte, verfinsterte sich sein Gesicht augenblicklich.
„Ja?", fragte er forsch und sah mit angespanntem Gesicht zu ihr herunter.
„Ich…", suchte Tonks nach den passenden Worten, „es tut mir leid, dass ich…"
Ein Seufzen drang aus seiner Kehle. „Sirius hat es dir gesagt?", fragte er in leicht ungehaltenem Ton.
Tonks nestelte unwillkürlich an dem linken Ärmel ihres Umhangs.
„Ja", gab sie schließlich kleinlaut zu, „es tut mir leid, was ich gesagt hab, ich konnte doch nicht wissen, dass Sie ein…"
„Vergiss es!" Sein Ton war immer noch forsch. „Ich bin daran gewöhnt, ist schon ok."
„Nein ist es nicht, ich hätte nicht…" Tonks sah scheu zu ihm auf. Anscheinend würde sie sich ein wenig ins Zeug legen müssen, um die Sache wieder gerade zu biegen. Entschlossen holte sie einmal tief Luft und sprach dann in flehendem Ton mit gelegentlichen flüchtigen Blicken in das ernste Gesicht weiter.
„Ich bin ganz, ganz schlecht wenn es um erste Eindrücke geht", sagte sie reumütig, „Ich meine, ich bin damals auf dem Weg zum sprechenden Hut gestolpert und habe dabei eine Art Domino-Reaktion ausgelöst hat, so dass am Ende mehr als die Hälfte aller Erstklässler am Boden lag."
Die Stirn unter dem angegrauten Haar legte sich in irritierte Falten.
„In meiner ersten Verwandlungsstunde", fuhr Tonks schnell fort, da sie das wenn auch nur leichte Aufbrechen seines ernsten Ausdrucks für ein gutes Zeichen hielt, „hat McGonagall mich beim Lesen einer Schokofrosch-Karte von Bowman Wright erwischt. Und um mich zu verteidigen, hab ich nur gestammelt, dass die Karte nicht von mir ist und sich nur Idioten für Quidditch interessieren würden."
Ein lautes Lachen brach überraschend aus dem Mann heraus. Sofort war die Bitterkeit aus seinen Zügen verschwunden und machte einem Schmunzeln Platz, das ein warmes Funkeln in seinen Augen und fröhliche Fältchen auf seinem ganzen Gesicht erscheinen ließ. Vier Stockwerke tiefer war wieder der Aufschrei des Portraits zu hören. Remus unterbrach sein Lachen mit einem leisen, genervten Seufzer und trat einen Schritt zurück, um Tonks mit einer Geste in das Zimmer zu bitten. Als er die Tür hinter ihnen schloss, verstummte das ferne Geschrei und es war augenblicklich still im Raum. Tonks stand für einen Moment unschlüssig hinter der Türschwelle, doch Remus bot ihr mit einem vagen Lächeln den einzigen Stuhl im Raum an und nahm dann selbst auf dem Bett Platz.
„Ich schätze, dass fand sie nicht sonderlich witzig", sagte er. Tonks brauchte einen Moment um zu verstehen, was er meinte, war dann aber froh, dass er das unverfängliche Gesprächsthema wieder aufgenommen hatte.
„Ihre Nasenflügel haben sich geweitet und ihr Mund ist ganz schmal geworden", sagte Tonks mit einem Augenrollen, „sie hat mir drei Stunden Nachsitzen aufgebrummt, in denen ich alle Quidditch-Pokale der Schule putzen musste."
„Ja, die Strafe hatte sie immer gern", sagte Remus und lachte leise.
Tonks lächelte zaghaft zurück und entspannte sich etwas. Ihr Blick wanderte an Remus' Gesicht vorbei durch das kleine Zimmer. Ein Schrankkoffer stand offen in einer Ecke. Sie konnte säuberlich gefaltete Umhänge und Hemden, ein Paar Schuhe, einen abgenutzten Federkiel und einige Pergamentrollen darin erkennen. Der Raum wirkte eigentlich ordentlich, allerdings lagen auf jeder waagerechten Oberfläche, dem Tisch vor dem sie gerade saß, dem kleinen Nachtschrank, der Fensterbank und sogar dem breiten Stück Holz am Fuß des Bettes, Bücher. Große Folianten mit angegrauten Seiten bildeten das Fundament für wacklige Stapel aus kleineren Taschenbüchern, wertvoll verzierte Ausgaben von uralten Fachbüchern standen Rücken an Rücken mit abgegriffenen Versionen neuerer Literatur, Belletristik und Nachschlagewerke tummelten sich zwischen Gedichtbänden und Schulbüchern, die sie zum Teil noch aus ihrer Hogwartszeit kannte. Remus bemerkte ihren faszinierten Blick und schien fast geduldig auf einen Kommentar zu warten.
„Wohnen Sie hier?", fragte Tonks etwas erstaunt.
„Momentan schon" Er zögerte einen Moment. „Die Bibliothek ist besser als bei mir", fügte er mit einem verschmitzten Zucken um die Mundwinkel hinzu und Tonks musste lachen.
„Offensichtlich."
Die Stille währte nicht lange, denn mit einem verzückten Blick als wäre Remus eigentlich nicht mehr in diesem Raum sprach er plötzlich weiter. „Etwas, was mir eine Nacht Pokal-Schrubben eingebracht hat." Er presste seine Lippen eng aufeinander bis er unzweifelhaft, den wütenden Ausdruck von Professor McGonagall aufwies „So sehr ich ihr Faible für Bücher auch schätze, Mr. Lupin, so möchte ich sie doch bitten, diesem außerhalb meines Unterrichtes nachzugehen."
Sie mussten beide lachen und Tonks war erstaunt, wie jung sein Gesicht doch eigentlich wirkte. Unten beim Treffen hätte sie ihn auf über vierzig geschätzt, doch wenn man die grauen Strähnen ignorierte, könnte er auch unter dreißig sein.
„Lupin?" fragte Tonks immer noch kichernd.
Er nickte lächelnd und streckte ihr seine Hand entgegen. „Remus Lupin", sagte er freundlich.
Tonks ergriff seine Hand und biss sich gleichzeitig auf die Lippe. Sie sollte nicht… aber…
„Und haben deine Eltern einen Wahrsager aufgesucht, bevor sie dir diesen Namen gegeben haben oder mochten sie einfach römische Mythen?"
Remus zog überrascht die Augenbrauen hoch und musterte sie kritisch.
„Letzteres", sagte er schließlich, ohne den prüfenden Blick von ihr abzuwenden. Tonks konnte insgesamt vier verschiedene Grauschattierungen in seinen Augen erkennen. Vielleicht auch ein paar weiße Schlieren. Aber stand nicht in allen Büchern, dass Werwölfe gelbe Augen hätten? Sie sollte Mad-Eye mal danach fragen.
„Das ist der Teil, bei dem man normalerweise seinen Namen sagt", meinte Remus plötzlich und ein belustigter Ausdruck stand nun in seinem Gesicht. Tonks wurde bewusst, dass sie noch immer seine Hand hielt und wahrscheinlich seit geschlagenen zehn Sekunden in seine Augen starrte.
„Oh, Nymphadora Tonks", sagte Tonks schnell und ließ abrupt seine Hand los. „Aber nenn mich Tonks!", fügte sie bestimmt hinzu, „Was nicht heißt, dass wir beim Nachnamen bleiben müssen, oder ich will, dass wir dabei bleiben, nur dass ich es bevorzugen würde, wenn du einfach so tust, als wenn Tonks mein Vorname wäre und Nymphadora mein Nachname und du mich dann immer mit Vornamen ansprichst."
Tonks ärgerte sich fast augenblicklich über ihren dummen, unbeholfenen Redestrom. Ihr Gegenüber wirkte nur noch belustigter.
„Nun, Tonks", sagte Remus ruhig und betonte überdeutlich das letzte Wort, „schön dich kennenzulernen. Bitte nenn mich doch Remus."
Sie lächelte und nickte. Nach einem kurzen Moment des Schweigens stand Remus unvermittelt auf.
„Wir sollten Molly nicht warten lassen."
„Oh, natürlich." Tonks sprang von dem wackligen Stuhl auf und lief in raschen Schritten zur Tür. Zu ihrer Verwunderung stand Remus noch immer neben dem Bett. Irritiert beobachtete sie wie er seinen Zauberstab aus der Innentasche seines Umhangs hervorzog und auf den kleinen Tisch legte, an dem sie bis eben gesessen hatte.
„Was machst du?"
„Einen Punkt", sagte er und folgte ihr nun zur Tür. Er trat auf die Schwelle und sah sie mit einem süffisanten Lächeln im Gesicht an. Ohne dass sich seine Lippen auch nur einen Millimeter bewegten oder er den Blick für Sekundenbruchteile von ihren Augen abwandte, streckte er seinen Arm aus und sein Zauberstab surrte zielstrebig durch den Raum und landete in seinen Fingern. Tonks starrte mit leicht geöffneten Mund seine Hand an.
„Wollen wir?", sagte er mit schlecht verborgenem Schelm in der Stimme und verschwand in Richtung der Treppe.
