Hier einige missing scenes, da Rowling uns ja nicht verraten hat, wie das denn nun genau gewesen war – Aberforths Verhältnis zu den Ziegen, Arianas Tod und wie es dazu kam, dass Albus' Nase gebrochen wurde.


Ariana war unruhig – sie war es schon seit den frühen Morgenstunden gewesen.

Doch da ihre Unruhe sich nicht in Angst oder Aggressivität, sondern lediglich in kindischer Ausgelassenheit ausdrückte, war dies wohl als einer der besseren Tage zu bezeichnen:
Nichts war heute in Flammen aufgegangen, nichts war zusammengebrochen oder explodiert. Lediglich einige Schranktüren waren plötzlich aufgeflogen, während die Schubladen der benachbarten Kommoden aus ihren Halterungen geschossen gekommen waren, als hätte sich ein bösartiger Poltergeist in ihnen versteckt – Aber solche Lappalien erschreckten die Bewohner des Hauses Nr. 3 des Peverell's Path schon längst nicht mehr.

Nicht nur Arianas, das allgemeine Unbehagen lag sowohl am kommenden Vollmond, als auch – und vor allem – am Wetter: Es herrschte schon seit Tagen eine drückende Hitze und seit Wochen war kein einziger Tropfen Regen mehr gefallen.
Zwar sorgte der Kühlzauber im Haus für angenehme Temperaturen, aber man konnte keine Tür und kein Fenster öffnen, ohne dass einem ein Schwall heißer, stickiger Luft entgegen kam, wie aus einem Backofen.

Aberforth hatte den ganzen Tag mit Ariana gespielt, um ihre Energien in weniger destruktive Bahnen zu lenken. Er hatte es schließlich sogar geschafft, seine kleine Schwester mit einem Hüpfspiel – dessen Kästchen er mit dem Ruß aus dem Kamin auf das Parkett im Wohnzimmer gezeichnet hatte – und einer Runde Fang-den-Greif, bei der sie treppauf, treppab durch das halbe Haus gejagt waren, so weit müde zu machen, dass Ariana anstandslos bereit war, schlafen zu gehen.
Während sie in ihrem eigenen, kleinen Badezimmer war um sich zu waschen und umzuziehen, wartete Aberforth in ihrem Zimmer, das direkt an das Bad angrenzte.
Er saß auf einem der zierlichen rosa Stühlchen neben dem Bett und starrte geistesabwesend durchs Fenster auf das grandiose Panorama, das sich dort den Blicken des Betrachters bot: Die tiefstehende Sonne leuchtete auf pastellfarbenen Fassaden der kleinen Häuser die aussahen, als würden sie sich aneinander schmiegen. Die ginsterbewachsenen Bergflanken dahinter bildeten ein einziges Meer gelber Blüten, und die Wasseroberfläche des tatsächlichen Meeres im Hafens davor wirkte, als sei sie aus flüssigem Gold. Scheckige Möwen segelten über den Kai dahin, Austernfischer mit glänzendem, schwarz-weißem Gefieder staksten am Strand durch den nassen Sand und stocherten mit ihren langen, roten Schnäbeln im Tang. Der Wind blähte die Segel eines einlaufenden Fischerkahns, ließ die weiß-grüne Drachenflagge am Rathausturm und die vielen bunten Wimpel an den Masten der vertäuten Boote lustig flattern – In einem frischen Wind, von dem in Godric's Hollow nicht auch nur ein Hauch zu spüren war.

Würde man das Fenster öffnen, wäre der Illusionszauber gebrochen und man sähe nichts weiter als den nackten, grauen Granit der Steine, mit denen die Fensteröffnung zu Arianas Zimmer zugemauert worden war. Zu ihrem und dem Schutz der Bewohner des Dorfes, sollte Ariana bei einem ihrer nächtlichen Anfälle das Fenster sprengen und in ihrer Aufregung und Panik davonlaufen wollen, bevor jemand bemerkte was geschehen war.

Aberforth wischte sich geistesabwesend den Ruß, der immer noch vom Zeichnen der Hüpfkästchen an seinen Fingern klebte, an der Robe ab und drehte dem Fenster den Rücken zu. Die Szene, so schön sie auch sein mochte, machte ihn traurig und wütend, da er wusste dass sie nur eine Illusion war und dass Ari die wirkliche Aussicht nie wieder würde genießen können. Selbst wenn er Ariana irgendwann einmal dahin mitnehmen könnte, wäre es nicht mehr das selbe. Ariana könnte nicht mehr mit ihrem Spielzeugbesen durch die Gassen sausen, gefolgt von ihrem lachenden Vater, der mit langen Schritten und wehenden Rockschößen neben ihr herlief um darauf zu achten, dass sie nicht herunter rutschte. Und auf einem echten Besen würde sie nie fliegen können.
Zu gefährlich.

Aberforth ließ unwillig einen Blick durch das Zimmer über Puppen, Kuscheltiere, Bücherregale und den Bilder mit grasenden Einhörnern und spielenden Kniesel-Welpen gleiten. Alles sah irgendwie schäbig aus. Zwar hinterließ ein gut ausgeführter Reparo keine wirklichen Fehler wie Risse und Sprünge im Material, aber wenn er zu oft ausgeführt wurde, verloren die Dinge ihren ... Geist, wurden matt, stumpf, oder wie auch immer man das bezeichnen sollte. Sie sahen halt ganz einfach schäbig aus.

Ariana kam – in ihrem mit Knuddelmuffs besticktem Lieblingsnachthemd gekleidet – aus dem Badezimmer gerannt, sprang mit einem Satz ins Bett und drückte Aberforth eine Bürste in die Hand.
Einem Ritual folgend, dass sie schon seit Ewigkeiten ausführten, kämmte er damit wie jeden Abend ihr Haar. Die Berührung und der gleichmäßige Rhythmus der Bürstenstriche beruhigten Ariana immer, wie überspannt sie auch sein mochte.
Als ihr hüftlanges, rotblondes Haar schließlich fertig gebürstet und für die Nacht zu zwei Zöpfen geflochten war, dreht sie sich zu Aberforth um.

„Liest du mir etwas vor?", bat sie.

„Was denn?"

Ariana strampelte die Decke fort, sprang auf und lief zum Bücherregal. Sie kam mit einem dünnen Muggelbuch zurück und drückte es ihrem Bruder in die Hände.

„Das hier!"

Sie krabbelte zurück ins Bett und presste erwartungsvoll eines ihrer Kissen an die Brust wie ein Stofftier.
Das Buch war mit Marmeladenflecken verunzierten, einige Seiten klebten aneinander und die vordere, obere Kante war ein einziges Eselsohr.

„Die Geschichte musst du doch mindestens hunderttausend mal gehört haben und längst auswendig kennen", seufzte Aberforth.

Außerdem bist du dafür längst zu alt, dachte er, ohne es jedoch auszusprechen. Das war ein Märchen für kleine Kinder. Jemand in ihrem Alter sollte Bücher über Pferde, Einhörner, Mädchenfreundschaften, und ... na ja, all das eben, wofür vierzehnjährige Mädchen sich normalerweise interessierten, lesen.

Och biiiitteee, Abe!", jammerte sie.

„Na gut", stimmte er zu und räusperte sich theatralisch. „Also. Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein. Sie hatte sie so lieb, wie eben eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages..."

Die Strophe am Ende des Märchens sprach Ariana laut mit ihm zusammen und warf schließlich mit dem Singsang: „Der Wolf ist tohoot, der Wolf ist tohoot!", ihr Kissen in die Luft.

Aberforth fing es auf und stopfte es hinter ihren Kopf.

„Dann kannst du ja beruhigt schlafen", erklärte er zwinkernd, beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.

„Nacht, Kleine. Schlaf schön."

„Gute Nacht, Abe."

Aberforth erhob sich und ging. Er zog sachte die Tür hinter sich ins Schloss und strich über den Messingknauf, der unter der Berührung rot aufleuchtete und den Zauber aktivierte, der lautstark im ganzen Haus verkünden würde, falls die Tür sich von innen öffnen sollte.


Tbc.

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