Kapitel 1 - Er kam…

Harry Potter war nervös.

Ziemlich nervös um genau zu sein. Er würde gleich Besuch bekommen. Genauer gesagt nicht er, sondern sein mittlerer Sohn Albus. Das war allerdings auch nicht der Grund für die Nervosität. Eher die Person, die den Besuch bringen würde. Es war einige Jahre her, seit der ehemalige Gryffindor den ehemaligen Slytherin das letzte Mal gesehen hatte. Damals war er noch mit Ginny zusammen gewesen und sie hatten gemeinsam ihre Söhne James und Albus zum Zug gebracht. Seit sie sich getrennt hatten, tat Ginny das meist alleine.

Die Kinder wohnten bei ihr. Kamen Harry in den Ferien jeweils eine Zeit lang besuchen. Gerade waren Sommerferien und die beiden Jungen sowie ihre kleine Schwester Lily waren vorgestern für drei Wochen angekommen. Er freute sich auf die Zeit mit seinen Kindern. Dass Albus so lange gebettelt hatte, bis er erlaubt hatte, seinen besten Freund für diese Zeit einzuladen, hatte die Freude etwas getrübt. Aber er verstand seinen Sohn irgendwie. Auch er hatte immer gerne seine Ferien mit seinen Freunden verbracht. Trotzdem war er über die Wahl seines Sohnes nicht gerade erfreut, denn niemand anders als Scorpius Malfoy würde die nächsten drei Wochen hier mit im Haus wohnen. Das bedeutete, dass Draco Malfoy höchstselbst in wenigen Augenblicken vor der Tür stehen und sein Allerheiligstes – seinen Stammhalter – beim Retter der Zaubererwelt abliefern würde. Er warf einen Blick in den Spiegel, ja, die Haare saßen, die Kleider sahen ordentlich aus, entsprachen halbwegs der aktuellen Mode – halbwegs, denn schließlich war er kein Teenager mehr. Er war ein geschiedener Familienvater. Auror. Und nervös. Ziemlich nervös sogar.

Als es endlich an der Tür klingelte, zuckte der schwarzhaarige Mann zusammen und rief sich sofort selbst zur Ordnung. Er strich nochmals über seine Kleidung und öffnete dann die Tür.

Draco.

Wie früher stand er da, einen unbewegten, trotzdem leicht genervt wirkenden Gesichtsausdruck zur Schau tragend. Perfekt gekleidet, der dunkelgraue Anzug und das schwarze Hemd waren mit Sicherheit maßgeschneidert, die Schuhe sahen ebenfalls teuer aus. Die hellblonden Haare lagen wie eh und je in einem strengen Seitenscheitel und in der Hand hielt ein einen schwarzen Gehstock mit einem Schlangenkopf als Griff – scheinbar der Stock seines inzwischen verstorbenen Vaters. Die grauen Augen, die wie damals keine Emotion zeigten musterten den ehemaligen Schulkameraden.

„Potter."

„Malfoy."

Sie starrten sich an.

Ein vernehmliches Räuspern hinter Dracos Rücken ließ die beiden Männer aufschrecken. Der Blonde trat einen Schritt zur Seite und schob, eine Hand in dessen Nacken, einen Jungen vor sich, der aussah, wie ein Ebenbild seines jüngeren Ichs. Einzig die Frisur war anders, denn Scorpius trug seine hellblonden Haare modisch kurz, leicht verwuschelt, fast so wie Harry, nur dass es bei dem Jungen so aussah, als sei es so gewollt. Der junge Malfoy war fast so groß wie sein Vater und wies die gleiche schmale Statur auf, wie dieser in seiner Schulzeit. Die dunklen Jeans, das weiße T-Shirt und der schwarze Blazer standen ihm gut und sahen ebenso teuer aus wie die Kleider seines Vaters. Überrascht fiel Harry auf, dass Scorpius wirklich ziemlich gut aussah.

Der Junge sah in ebenso undurchdringlich an, wie sein Vater, allerdings mit einem leichten Lächeln um die Mundwinkel. Er ließ seine Augen neugierig an dem dunkelhaarigen Mann auf- und abgleiten und das Lächeln wurde breiter. „Mr. Potter."

Harry lächelte den jungen Mann unsicher an, er konnte den Blick nicht einordnen, den dieser ihm zuwarf. Er machte ihn noch nervöser. „Nenn mich doch bitte Harry, Scorpius, das ist sonst so förmlich." „Gerne…Harry." Der Held der Zaubererwelt schluckte irritiert bei der Art, wie der Junge seinen Namen ausgesprochen hatte. So weich, obwohl sein Tonfall sonst dem Dracos beängstigend ähnelte.

Endlich überwand er seine Starre und trat zurück „Ähm, wollt ihr nicht reinkommen? Du Scorpius kannst ja vielleicht gleich deine Sachen hochbringen. Albus erwartet dich schon. Und James und Lily kommen auch bald aus der Stadt wieder.

Der Junge nickte, ließ sich von Harry den Weg erklären und ging mit eleganten Bewegungen auf die Treppe zu, um seinen Freund zu suchen. Harry riss seinen Blick vom Rücken des Malfoy-Erben los und wandte sich wieder dem Familienoberhaupt der Malfoys zu „Tja, Malfoy…"

Draco zog die Augenbrauen hoch und sah sich pikiert um „Tja, Potter…hier lebst du also…hmm…"

„Was ist?" fragte Harry sich unsicher umsehend. Er hatte doch extra aufgeräumt.

„Och, ich hab es mir genau so vorgestellt. Es ist klein, hat wenig Stil und riecht komisch…passt irgendwie zu dir."

Harry starrte den inzwischen knapp vierzigjährigen Mann vor sich an. Hatte dieser das eben wirklich gesagt?

„Malfoy, ich dachte, wir wären inzwischen erwachsen?"

„Und? Darf man deshalb keine Tatsachen mehr feststellen?"

Harry verschränkte die Arme vor der Brust.

Von oben war eine lebhafte Unterhaltung und Türenklappen zu hören. Anscheinend hatte Scorpius Albus gefunden und dieser zeigte ihm jetzt das Haus. Die Jungen lachten und verschwanden den Geräuschen nach wieder in einem Zimmer.

„Also gut, Potter. Dann beschleunige ich das Ganze jetzt. Scorpius muss um 20:00 zu Hause sein. Er muss regelmäßig essen, darf sein Lernpensum nicht vergessen, nicht alleine aus dem Haus…und ach ja, er ist allergisch gegen Erdbeeren." Draco sah Harry zufrieden an. Dieser starrte seinem ehemaligen Erzfeind fassungslos ins Gesicht „Äh, Malfoy, nichts gegen deine Erziehungspraktiken…aber ist Scorpius nicht genauso alt wie Albus?"

Draco nickte „Ich denke schon. Wieso?" Er verstand nicht, worauf Harry hinauswollte.

„Das bedeutet, dass Scorpius 16 Jahre alt ist…" „Oh, er wird schon im November 17!" warf Draco ein. „Okay, also Scorpius ist fast 17, fast VOLLJÄHRIG,…ist dir klar, dass die Regeln, die du mir gerade aufgezählt hast eher für einen 12-Jährigen gelten sollten? Selbst meine Tochter hat mehr Freiheiten, und die ist erst 14!"

„Nun, Potter, wenn du deine Kinder wie Wilde aufwachsen lässt, so muss das ja nicht das Maß aller Dinge sein. Scorpius ist ein Malfoy und muss lernen, sich wie einer zu benehmen."

„Darf er auch Spaß haben? Oder ist das verboten?"

„Sehr witzig. Pass einfach auf ihn auf, Potter. Er ist mein Sohn. Das Wichtigste was ich habe, seit meine Frau tot ist."

Harry hatte davon gehört und nickte. Natürlich würde er auf Scorpius aufpassen. Nicht nur, weil er Malfoys Sohn war, sondern weil er ein Jugendlicher war, für den er die Verantwortung hatte in den nächsten Wochen. „Ich achte gut auf ihn."

„Wehe wenn nicht, Potter. Ich weiß, wo du wohnst!" Er grinste und Harry tat es ihm gleich.

Die beiden Männer gingen wieder in Richtung Tür, Draco hatte abgelehnt, einen Tee mit Harry zu trinken, und so verabschiedeten sie sich.

„Ich hole ihn in drei Wochen wieder ab. Und wenn was ist, wir haben ja einen Kamin!"

Harry nickte zustimmend „Okay, ich passe gut auf deinen Erben auf! Mach dir keine Sorgen!"

Sie nickten sich noch einmal zu und dann war Draco mit einem PLOPP appariert.

Am Abend kochte Harry für sich und die Kinder Spaghetti mit Tomatensoße. Er freute sich auf das gemeinsame Essen und darauf, den Hausgast, den er seit seiner Ankunft nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, näher in Augenschein zu nehmen. Ihm war nicht entgangen, dass Lily sich ziemlich gefreut hatte, dass der ältere Junge zu ihnen kommen würde. Und auch nicht, dass sie möglichst versucht hatte, es zu verbergen. Er wollte sehen, wie die beiden miteinander umgingen, und ob er vielleicht besonderes Augenmerk darauf legen musste, den Jungen vom Zimmer seiner jüngsten Tochter fernzuhalten.

„Essen ist fertig!" brüllte er ins obere Stockwerk. Kurz darauf hörte er Türen klappen und die vier Jugendlichen traten in die Küche. Als erstes erschien James, sein ältester Sohn. Er würde nach den Ferien sein letztes Schuljahr in Hogwarts antreten. Er sah erfreut in die Töpfe „Nudeln, lecker!" „Stell mal bitte die Teller auf den Tisch!" meinte Harry und goss die Nudeln ab, während Albus mit Scorpius im Schlepptau eintrat und die beiden sich an den Tisch setzten. Ganz Slytherin kam es den beiden natürlich nicht in den Sinn, beim Tischdecken zu helfen. Wozu gab es Hauselfen, oder Gryffindor-Geschwister? Harry sagte nichts, würde das Thema allerdings noch einmal ansprechen. Als die vier sich an den Tisch gesetzt hatten, erschien auch die einzige weibliche Mitbewohnerin, Lily, seine süße 14-jährige Tochter, die mit ihren roten Haaren und der hellen Haut ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war.

„Dann mal einen guten Appetit, greift zu!" meinte Harry, und die Kinder bedienten sich gut gelaunt.

Harry beobachtete sie eingehend. Lily warf dem jungen Malfoy Blicke zu, bei denen selbst er errötete, doch der Junge schien es entweder nicht zu bemerken, oder er ignorierte sie gekonnt, was ihn etwas beruhigte. Albus und James plauderten ohne Unterlass, stritten, wer beim letzten Quidditch-Spiel Gryffindor gegen Slytherin das bessere Spiel geliefert hatte und neckten sich gegenseitig und ihre kleine Schwester immer wieder. Scorpius folgte dem Gespräch, lächelte hier und da, aß allerdings ansonsten schweigend. Und immer wieder ertappte Harry den Jungen dabei, wie er ihn musterte. Eigentlich war er das gewöhnt, denn viele Menschen kannten ihn und starrten ihn an, wollten seine Narbe sehen oder ähnliches. Doch dieser hübsche Junge sah ihn anders an. Schließlich räusperte er sich und fragte „Ist alles in Ordnung, Scorpius? Gefällt dir das Zimmer?" Das umwerfende Lächeln ließ Harry schlucken „Ja, es ist alles gut. Danke…Harry." Wieder dieser Unterton…

Harry schüttelte den Kopf. Was war heute mit ihm los? Wahrscheinlich hatte er letzte Nacht zu wenig geschlafen.

„Es ist ihm zu klein!" kicherte James nun.

„Was?" fragte Harry irritiert, aus den Gedanken gerissen.

„Na das Zimmer, er ist da andere Dimensionen gewöhnt, von seinem Zuhause."

Scorpius sah verlegen aus „Ich kann doch nichts dafür, dass das Manor groß ist."

„Nein, er kann nichts dafür. Ärger ihn nicht, James." pflichtete Harry dem Blonden bei. Dieser zog eine Augenbraue hoch, ganz malfoy-like, und sah dann auf seinen Teller.

„Ach, Dad, das kann der schon ab." erklärte James „Der tut doch jetzt nur so. Eigentlich hat ers faustdick hinter den Ohren!" er lachte.

„Wir Slytherins sind halt anders, als ihr langweiligen Gryffindors!" mischte sich nun Albus ein und grinste seinen besten Freund an, der es sofort erwiderte.

„Okay, das vertiefen wir jetzt nicht." bestimmte Harry und stand auf, als er sicher war,dass die Kinder fertig waren „Albus, Scorpius, helft ihr mir bitte beim Abräumen?" Die beiden nickten wenig begeistert, erhoben sich jedoch und begannen die Teller einzusammeln, während James in sein Zimmer ging.

Lily blieb sitzen und beobachtete mit leuchtenden Augen die geschmeidigen Bewegungen von Scorpius. Ebenso wir Harry. Diese hellen Haare waren wirklich wie die von Draco…auch die Bewegungen ähnelten ihm. Auch sein Vater hatte diese grazile Art, sich zu bewegen und trotzdem männlich und kraftvoll auszusehen.

„Dad, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst so weggetreten aus!" wandte sich Albus an seinen Vater und grinste. „Fang nicht an, Scorpius zu beschimpfen, nur weil er aussieht, wie Mr. Malfoy! Ich weiß, dass ihr euch nicht mögt. Aber Scorpius ist nicht sein Vater!"

„Das ist mehr als offensichtlich" meinte Harry grinsend „Draco hätte NIEMALS ohne zu murren Teller abgeräumt! Für niedere Arbeiten gibt es doch Personal!" er lachte. Scorpius wurde rot. Als Harry das sah, hätte er sich ohrfeigen können. Wie hatte er in Gegenwart des Jungen so über dessen Vater sprechen können? Trotzdem kam er nicht umhin zu sehen, dass die rötlichen Wangen irgendwie niedlich aussahen. „Entschuldige, Scorpius, das meinte ich nicht so. Dein Dad kann nichts dafür eigentlich, denn er hat es nicht anders gelernt. Seine Eltern…" er brach ab, als er bemerkte, dass er nun dabei war, die Großeltern des Jungen zu verunglimpfen – obwohl das bei denen nicht wirklich möglich war, aber er sollte es trotzdem nicht tun. Als der Blonde sich nun zur Spüle drehte und sich die Hände abspülte, stand Harry unsicher auf und trat auf ihn zu.

Zögernd stand er ein Stück hinter ihm, während Albus schon wieder seine kleine Schwester ärgerte, indem er fragte, warum sie die ganze Zeit seinen besten Freund so anstarrte, so dass diese völlig aufgelöst aus der Küche stürmte. Harry bekam es gar nicht mit, er war auf den Jungen vor sich konzentriert. Als dieser sich umdrehte, legte Harry ihm kumpelhaft die Hand auf die Schulter, hoffte, dass das nicht zu nah war, immerhin kannten sie sich erst seit heute, und lächelte entschuldigend. Scorpius hob die Hand auf der Seite, an der Harry Arm war und legte sie auf den Arm des Mannes. „Ist schon gut, Harry. Ich kenne unsere Familiengeschichte. Und deine auch…Vater hat mit einiges erzählt."

Mit Bedauern nahm Harry wahr, dass der Junge seine warme Hand wieder von seinem Arm nahm und wurde gewahr, dass er vielleicht auch seine Hand von seiner Schulter nehmen sollte. „Äh, was hat dir denn dein Vater so erzählt?" Er war gar nicht sicher, ob er das hören wollte.

„So einiges, von euch früher, als ihr in Hogwarts ward. Wie du diesen Lord umgebracht hast und dass das alles für ihn so blöd war…" Scheinbar hatte Draco gar nicht nur Märchen erzählt, stellte Harry verwundert fest.

„Kommst du, Scoop?" fragte nun Albus seinen Freund, doch der antwortete „Gleich, geh ruhig schon vor." Er schenkte Albus ein strahlendes Lächeln und dieser drehte sich schulterzuckend um und verließ die Küche.

Harry wusste nicht warum, und er wusste, dass es falsch war, doch er wurde nervös, als er mit dem irgendwie beunruhigend anziehenden Jungen allein war. Dieser sah ihm ins Gesicht, die grauen Malfoy-Augen warm, fast liebevoll „Danke, dass ich hier sein darf, Harry. Ich finde es schön bei euch…in deinem Haus."

„Das freut mich. Brauchst du noch irgendwas für die Nacht? Eine Decke oder sowas?"

„Nein, Al hat mich bereits versorgt. Alles okay. Bis morgen."

„Schlaf gut…" murmelte Harry verwirrt und sah dem jungen Mann nach, der ihn über die Schulter noch einmal anlächelte.

Als Harry im Bett lag, konnte er nicht schlafen. Immer wieder tauchte Scorpius vor seinem geistigen Auge auf und lächelte ihn an. Was sollte das? Was war nur mit ihm los? Harry verstand sich selbst nicht. Wieso musste er dauernd an den Freund seines Sohnes denken? Er wusste nicht, was da passierte, aber es war definitiv schlecht. So sollte es bestimmt nicht sein. Er würde dem ein Ende machen.

Er zwang sich, an etwas anderes zu denken, an die Arbeit. Den neuen Fall, den er seit einigen Tagen mit seinem Kollegen untersuchte. Er glitt in einen unruhigen Schlaf, in dem im Traum auf jemanden traf, dem er eigentlich aus dem Weg gehen wollte.

Am nächsten Morgen stand Harry früh auf, duschte schnell, aß einen Toast, trank eine Tasse Kaffee dazu und machte sich eine knappe Stunde früher als sonst auf den Weg zu Arbeit. Eigentlich frühstückte er mit den Kindern zusammen, wenn sie in den Ferien bei ihm waren. Doch heute wollte er lieber allein frühstücken.

Zwei Tage lang ging er den Kindern aus dem Weg, mied insbesondere Albus, der die ganze Zeit mit Scorpius zusammensteckte.

Doch als er am Mittwochabend in seinem Schlafzimmer saß und noch einmal die Akte durchlas, die ihm heute in die Hände gekommen war, klopfte es zaghaft an die Tür und sie öffnete sich. Er drehte sich um, erwartete eines seiner Kinder zu sehen. Doch er sah Malfoys Kind vor sich. Der Junge trug Shorts und ein schmales T-Shirt, offenbar sein Outfit zum Schlafen. Seine Haare waren nass und verstrubbelt und er hatte wieder dieses Lächeln im Gesicht, sah ihn so seltsam an. Nervös kaute Harry an seiner Lippe und fummelte an seinem Hemdsärmel herum. „Kann ich was für dich tun, Scorpius?" fragte er leise.

Der Blonde nickte „Wir, also Albus, James und ich wollen morgen ein bisschen Quidditch spielen. Und wir suchen noch einen vierten Spieler…da dachte ich mir, du hast vielleicht Lust, mit mir zu spielen…?" Der Augenaufschlag über den grauen Augen ließ keinen Zweifel daran, dass dieser Satz eben wirklich zweideutig war. Harry schluckte. „Ähm, wir beide spielen gegen James und Albus? Wollt ihr nicht lieber Slytherin gegen Gryffindor spielen?" „Meinetwegen auch das. Bist du dabei?"

Harry nickte. Mit den Jungs eine Runde Quidditch zu spielen war bestimmt lustig. Er würde etwas eher Feierabend machen, dann konnten sie das schöne Wetter am Nachmittag nutzen. „Warum ist Albus nicht zu mir gekommen? Er schickt einfach seinen Gast?" Scorpius lächelte wieder – warum lächelte dieser Junge nur dauernd so hinreißend? – „Ich hatte gerade die Idee, und Albus steht gerade unter der Dusche. Da dachte ich, ich frage dich gleich…"

„Aha…"

Schweigend sah Harry wieder auf seine Unterlagen ohne sie wirklich zu sehen, denn er spürte den Blick des Jungen noch auf sich ruhen.

„Harry?"

Merlin, warum sagte er seinen Namen so?

„J-jaa?"

„Zeigst du mir mal deine Narbe? Vater sagte, du hättest sie wirklich. Darf ich sie sehen?"

Überrascht sah der dunkelhaarige Mann auf und zog die Augenbrauen zusammen. Die grauen Augen blickten bittend, er war eben fast noch ein Kind, fuhr es Harry durch den Kopf, ein Kind, das das Märchen mit eigenen Augen sehen möchte. Schließlich lächelte er und winkte den Jungen heran „Ja klar, komm her."

Der Blonde trat näher, stellte sich dicht vor Harry, der auf seinem Schreibtischstuhl saß. Harry konnte den Duft seines Shampoos riechen, das Duschgel, und noch etwas anderes…anziehendes. Er stand abrupt auf „Hier." Er schob seine Haare zur Seite und ließ den Jungen so einen Blick auf die blitzförmige Narbe werfen, die er bereits seine ganzes Leben trug. Doch Scorpius ließ sich nicht abschrecken. Er hob die Hand und berührte mit seinen warmen schmalen Fingern vorsichtig Harrys Stirn, strich zärtlich darüber, seine Lippen waren leicht geöffnet, als er konzentriert die legendäre Narbe besah. Harry musste etwas unternehmen. Er schob den Jungen unsanft ein Stück von sich weg „So, jetzt geh wieder in euer Zimmer. Wir spielen dann morgen Quidditch. Gute Nacht." Er schob Scorpius an den Schultern vor sich her in den Flur, sah lieber nicht mehr hin. Er wollte den Blick nicht sehen, den die wunderschönen grauen Augen ihm zuwarfen. Er schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss, als könnte er so auch seine Gedanken aussperren.

Bei Merlins Bart. Er setzte sich auf sein Bett, schockiert von seinen Gedanken. Was war mit ihm los? Das war ein Junge, ein Kind fast noch. So alt wie sein Sohn…wieso fielen ihm solche Dinge an ihm auf? Verdammt, hätte er doch nur nie erlaubt, dass Scorpius herkommen durfte! Hätte Malfoy doch nie dieses Kind hergebracht. Es war klar, es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Malfoy war schuld! Es war sein Sohn! Typisch. Nicht mal nach über zwanzig Jahren konnte er aufhören, ihn zu quälen.

Als er am nächsten Tag aus der Arbeit kam, wie er den Jungs versprochen hatte früher als sonst, warteten die Drei bereits in Quidditch-Kleidung auf ihn. Die beiden Slytherins trugen ihre grünen Umhänge, während James seinen roten Umhang trug. Irgendwie war es ein anrührendes Bild, die früher so verfeindeten Häuser in seiner Küche so friedlich vereint zu sehen. „Los, Dad, zieh dich um! Wir wollen endlich anfangen!" drängte Albus seinen Vater.

Harry nickte und versuchte, nur seine Söhne anzusehen, als er erklärte „Ja, ich gehe sofort hoch. Aber Jungs, wir spielen Slytherin gegen Gryffindor. Das waren früher immer meine Lieblingsspiele!" Als er aus der Tür war, hörte er noch Albus kichern „Ja, weil er da immer gegen deinen Vater spielen konnte, Scoop!" Auch der blonde Slytherin lachte leise – Merlin, sein Bauch kribbelte bei diesem Geräusch. Harry fuhr sich verzweifelt durch die Haare.

Während er seine Sachen raussuchte – natürlich hatte er keine richtigen Quidditch-Sachen mehr, denn er spielte nur noch ab und an mit seinen Söhnen im Garten, fiel sein Blick in den Spiegel. Er sah einen Mann mittleren Alters, kleine Fältchen lagen um seine Augen und um den Mund. Trotzdem sah er nicht wirklich alt aus. Seine dunklen Haare und seine lebhaften Augen wirkten frisch. Der Mann im Spiegel lächelte freundlich, sah so unschuldig aus, nicht wie jemand, der verstohlen am Freund seines Sohnes schnüffelte und seine Lippen anstarrte…es war verabscheuungswürdig. Das war doch nicht er. Vielleicht sollte er nach dem Spiel einfach den Kindern mitteilen, dass Scorpius leider wieder nach Hause musste. Aber wie sollte er das erklären? Sie waren keine kleinen Kinder mehr.

„DAD!" brüllte nun James von unten „KOMM ENDLICH!"

Hastig zog Harry sich um, nahm seinen Besen und schlich wie ein geprügelter Hund seine Treppe hinunter. Die jungen Männer standen auf, als sie ihn sahen und gemeinsam gingen sie in den Garten. Harry hörte Scorpius Albus zumurmeln „SO dürfte ich nicht mit meinem Vater sprechen, wie James es eben getan hat…" „Wieso?" fragte Harrys Sohn nun ehrlich erstaunt. „Er hat ihn doch nur gerufen." „Es war respektlos. Vater würde das nicht durchgehen lassen." Harry spitzte die Ohren. Albus fragte seinen Freund „Was hätte er denn getan?" Scorpius zuckte mit den Schultern „Keine Ahnung, Hausarrest, Strafarbeiten, eine ellenlange Strafpredigt…ihm fällt immer irgendwas ein." Harrys Herz krampfte sich zusammen. Für so ein erinnerndes Rufen wie das seines Sohnes eben wurde Scorpius so bestraft? Er musste vielleicht doch noch mal mit Malfoy über Erziehung sprechen.

„Also los!" rief James nun und schwang sich auf seinen Besen. „Los Dad, wir machen die Schlangen fertig!" Er lachte, und Harry schwang sich ebenso in die Luft wie die beiden grün gekleideten Jungen. Es wurde ein hartes wildes Spiel bei dem Harry zugeben musste, dass er anscheinend doch älter war als die drei Mitspieler und dass diese bestimmt keine Kinder mehr waren. Er musste sich mehrmals ziemlich in Acht nehmen, um nicht von seinem mittleren Sohn vom Besen gefegt zu werden. Es machte Spaß, es wurde viel gelacht und die Zeit verging, ohne dass sie es bemerkten. Irgendwann trat Lily in den Garten und rief ihnen zu „Hey, Dad, gibt es heute was zu essen? Ich habe Hunger!"

Albus lachte „Du bist doch hier dir Frau, also musst du wohl kochen! Wir sind beschäftigt."

„Albus!" ermahnte Harry ihn streng „Schatz, wir kommen gleich, die Slytherins geben eh gleich auf!"

Er achtete nicht darauf, wohin er flog und bemerkte nur, dass er jemanden rammte, hörte einen unterdrückten Schrei und einen dumpfen Aufschlag hinter sich. Während er sah, wie Lily losrannte, riss er seinen Besen herum und sah, dass seine Söhne genau wie er gerade sanken und landeten. Ein grünes Bündel lag auf dem Rasen und bewegte sich nicht. Oh Merlin, er hatte Malfoys Sohn vom Besen gestoßen. So schnell er konnte landete er, schob seine Kinder zur Seite und trat an den schmalen Jungen heran, der verdreht mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag. Er atmete tief durch und ließ sich auf die Knie fallen und fühlte den Puls des Jungen, er schlug gleichmäßig. Harry atmete auf „Er ist nur ohnmächtig. Geht mal zur Seite, ich bringe ihn rein." Harry stand auf und hob sanft den bewusstlosen Jungen auf, drückte ihn fest an sich und spürte die Wärme, die von dem verführerischen jungen Körper ausging. NEIN, denk nicht sowas, versuchte er, sich zur Ordnung zu rufen. Der Junge war vielleicht verletzt, er brauchte jetzt erstmal Hilfe.

Vorsichtig legte er Dracos Stammhalter auf Albus' Bett und betrachtete ihn genau. Er strich ihm über die Wange „Scorpius? Hörst du mich?"

„Dad?" Albus klang besorgt „Sollen wir nicht vielleicht einen Heiler holen?" Doch in diesem Moment flatterten Scorpius Lider und öffneten sich schließlich, er sah in Harrys grüne Augen und sagte leise „Nein, das ist nicht nötig, Al, es ist alles okay." „Du warst ohnmächtig!" begehrte der junge Potter auf, doch der Blonde schüttelte energisch den Kopf „Es ist alles okay Al. Und…ein Malfoy wird nicht ohnmächtig."

Harry verkniff sich ein Grinsen, denn genau das hätte Draco in diesem Moment vermutlich auch gesagt. Plötzlich fiel ihm auf, dass seine Hand noch immer auf Scorpius Wange lag. Schnell zog er sie weg und sah den Jungen verlegen an „Ähm…tut mir leid, ich wollte dich nicht vom Besen…also…" „Natürlich nicht. Das hatte ich auch nicht angenommen…" er kicherte. Harry riss seine Augen von dem entzückenden Mund los und fragte „Bist du verletzt? Tut dir irgendwas weh?"

Scorpius nickte „Mein Arm und meine Brust." Harry nickte „Dann sehen wir uns das mal an. Untätig saß er neben dem Jungen auf dem Bett. Seine drei Kinder standen neben ihm. Scorpius zog die Augenbrauen hoch, dann bestimmte er „Lily und James, könntet ihr so lieb sein, und was zu essen machen? Ich habe Hunger, und ihr denke ich auch." Die beiden nickten und verließen das Zimmer. „Albus…" er sah seinen besten Freund an „könntest du meinen Besen aus dem Garten holen? Der liegt doch da bestimmt noch, oder?" Der dunkelhaarige Junge, der aussah, wie Harry als er jünger war nickte eifrig und beeilte sich, dem verletzten Freund den Gefallen zu tun.

Als sie allein waren sah Scorpius Harry mit undurchdringlicher Miene an „Ich kann den Arm nicht richtig bewegen. Kannst du mir beim Ausziehen helfen?"

Harry bekam vor Schreck einen Hustenanfall. Natürlich konnte er das nicht! Andererseits, der Junge war verletzt, er musste sich seine Verletzungen ansehen … denk an was Furchtbares! Denk an … damals, Nachsitzen bei Umbridge…

„Ja, natürlich helfe ich dir."

Vorsichtig nahm er dem jungen Mann den grünen Umhang ab, auf dem hinten fett „Malfoy" stand. Er legte ihn beiseite, schnürte die Schulter- und Armprotektoren auf, legte sie ebenfalls neben das Bett. Dann zog er vorsichtig die Ärmel des Pullovers über Scorpius Arme, zog ihn über seinen Kopf. Harry war aufgeregt. Wieso nur? Er versuchte, nicht auf die nackten Arme des Jungen zu schauen. Er schluckte. „Weiter." befahl der Malfoy-Spross nun sanft und hob die Arme, damit Harry ihm das weiße T-Shirt ausziehen konnte. Nur noch mit der dunklen Hose und den Stiefeln bekleidet, die zur Uniform gehörten, lag Scorpius Malfoy nun vor Harry Potter auf dem Bett. Harry schloss kurz die Augen, um den nackten Oberkörper des Jungen nicht betrachten zu müssen, die helle Haut, die angedeuteten Muskeln am Bauch und an der Brust… „Harry?" Er riss die Augen auf. „Du wolltest meine Verletzungen ansehen!" erinnerte der atemberaubende junge Mann den Retter der Zaubererwelt. Schnell nickte Harry und suchte nach irgendeinem Makel auf der weichen Haut, da, am Oberarm prangte ein übel aussehender blauer Fleck, aber es schien nur eine einfache Prellung zu sein. Nun fiel ihm ein weiterer Fleck über den Rippen auf, vorsichtig legte er die Fingerspitzen seiner zitternden Hand auf die Stelle und tastete die Rippen ab. Scorpius schloss die Augen und seufzte leise „Entschuldige, habe ich dir weh getan?" hastig zog Harry seine Hand zurück. „Nein…" wieder so ein Augenaufschlag, bei dem Harry ganz flau wurde.

Er stand auf „Es scheint alles soweit okay zu sein. Das sind nur Prellungen. Dafür habe ich einen Heiltrank im Bad, den kann ich dir gleich holen. Dann geht es wieder besser.

„Harry!" Scorpius streckte die Hand nach dem Älteren aus und zog ihn wieder neben sich. Fragend und mit eindeutig gequältem Blick sah Harry ihn an. Scorpius hob die Hand, die ebenfalls zitterte, und legte seinen Zeige- und seinen Mittelfinger auf sein eigenen Lippen, dann entfernte er die Hand von seinem Mund, zögerte kurz und legte sie dann auf Harrys Mund. Als dieser wie zur Salzsäule erstarrt dasaß und keinen Mucks von sich gab, nur die Panik in seinen Augen war zu sehen, hauchte Scorpius mit gepresster Stimme „Küss mich…bitte, Harry."