Disclaimer: M*A*S*H gehört mir nicht und ich verdiene auch kein Geld damit...

Verpasste Chancen

Ich liege hier im "Sumpf", wie meine Zeltgenossen dieses dreckige Zelt nennen, und versuche mich auf meine Lektüre zu konzentrieren. Pierce und Hunnicutt sind mal wieder unglaublich kindisch, der eine Knallkopf spielt mit seinen Socken Puppentheater und der andere strickt einen Schal. Nebenbei machen sie ihre niveaulosen Witzchen oder versuchen mich zu provozieren. Aber diesmal wird es ihnen nicht gelingen, ich bleibe ruhig und gefasst egal was sie tun. In meinem Kopf hallt die Stimme meines Vaters "Ein Winchester verliert nie die Contenance," und genau daran werde ich mich halten. Jetzt muss ich schon zum zehnten Mal den einen lächerlichen Satz lesen nur weil die beiden Clowns nicht eine Minute still sein können. Ich würde ja gehen, aber dann hätten sie gewonnen und genau das will ich nicht! Es klopft, hoffentlich nicht noch eine Störquelle in diesem Dreckloch. Es ist Radar, wahrscheinlich will er ein paar kostbare Minuten mit seinen beiden Idolen verbringen. Oh nein, er hat die Posttasche in der Hand - wenn er die Briefe verteilt, sind Pierce und sein Saufkumpane meistens noch unerträglicher. Er gibt den beiden einen dicken Packen Briefe, dann verschwindet er. Für mich war wohl nichts dabei, aber meine Eltern sind ja auch sehr beschäftigt. Dann habe ich wenigstens mehr Zeit für mein Buch, wenn ich denn mal zum Lesen kommen sollte. Auf einmal, oh Wunder, sind die zwei Clowns still. Die Post scheint sie wirklich in Beschlag zu nehmen, ich ergreife die Gelegenheit und nehme mir die nächsten Kapitel in meiner Lektüre vor.

Alle sitzen im Messezelt. Zu meinem Bedauern war kein anderer Platz mehr frei, also habe auch ich mich am "Stammtisch" niedergelassen. Margaret ist deprimiert weil ihr Mann wieder einmal seinen Besuch verschoben hat, sie schiebt das Essen auf ihrem Teller lustlos hin und her. Ich lege keinen Wert darauf mich an der regen Unterhaltung zu beteiligen, Themen wie Übelkeit nach den Mahlzeiten und andere Verdauungsprobleme sind mir zu wider. Nach einer halben Stunde wird es mir zu bunt, ich stehe auf und verlasse das Zelt. Kurz vor mir hat sich auch Margaret verabschiedet, sie scheint wirklich niedergeschlagen zu sein. Vielleicht sollte ich sie aufmuntern, nur mit was? In unserem Zelt suche ich einige Sachen aus meinem Überlebenspacket aus den Staaten zusammen, edlen Rotwein, französisches Baguette, Konservenleberwurst und zu guter letzt noch einen Cognac.

Mit diesen Delikatessen, sicher verstaut in einem Korb, mache ich mich auf den Weg zu der Oberschwester, nach einem Klopfen lässt sie mich herein. "Major Winchester, was tun Sie denn hier?" Wieso wundert sich eigentlich jeder im Camp wenn ich mal etwas Gutes tun möchte? Ja, die meisten Menschen hier kann ich nicht leiden, manche ekeln mich auch an, aber Margaret ist etwas besonderes. Nicht, dass sie mir gefallen würde, nein sie ist mir genauso egal wie die anderen hier, aber mir ihr würde ich notfalls auskommen. "Ich dachte Sie hätten vielleicht doch noch Hunger." Bevor sie mir widersprechen kann, habe ich schon die Decke als Tischtuch ausgebreitet und alle Köstlichkeiten aufgebaut. Sie scheint sprachlos zu sein, mit offenem Mund starrt sie mich an. Ich lege noch eine meiner Beethovenplatten auf und biete ihr dann einen Sitzplatz an. "Major, warum machen Sie das alles?" Ich gieße ihr erst den Wein ein, dann antworte ich langsam "Die Menschen in diesem Camp haben keinen Sinn für Kultur, doch Sie scheinen mir etwas besonderes zu sein. Ich denke Sie sind jemand der ein gutes Essen und vor allem gute Musik zu schätzen weiß."

Ich hoffe, sie bildet sich jetzt nichts darauf ein, ich will sie nur ein bisschen aufmuntern. Wir essen schweigend, alles was man hören kann sind ihre Kaugeräusche. Ekelerregend, hat sie denn keine Manieren? Es fehlt nur noch das sie anfängt zu schlürfen. Diese Qual bleibt mir zum Glück erspart, ich konzentriere mich auf die Musik und die Mahlzeit um nicht angewidert das Gesicht zu verziehen. Ein echter Gentleman lässt sich schließlich nichts anmerken. Als mein Gegenüber auch den letzten Bissen herunter geschlungen hat, räume ich alles wieder zurück in den Korb. Wir trinken noch einen Cognac zusammen, ihre Wangen werden davon ganz rosig. Eigentlich ist ihre Kinderstube ja gar nicht so schlecht, ich bin nur besseres gewöhnt. Sie ist eben doch keine Lady... "Ich sollte jetzt wirklich gehen, Major Houlihan." Damit stehe ich auf und will sie zum Abschied auf die Wange küssen. Sie schreckt zurück, ihre Augen funkeln mich böse an und sie zischt "Ja, es ist höchste Zeit das Sie mein Zelt verlassen." Oh nein, wie peinlich. Das sollte doch nur eine Art Sympathiebekennung sein und kein Annäherungsversuch! Wo ist der Korb? Ich habe ihn doch eben noch abgestellt. Auf dem Tisch? Nein, da ist er nicht. Bett, Schrank, Stuhl? Nichts! Ich will hier so schnell wie möglich raus und diese erniedrigende Episode vergessen. Plötzlich drückt mir Margaret den Korb mit einer schwungvollen Bewegung in die Hände. "Auf wiedersehen!" Ohne eine Erwiderung verlasse ich ihr Zelt, ich hoffe nur, sie erzählt das nicht herum. Das hat man davon wenn man einmal freundlich sein will.

Kalt! Oh Gott, was ist das? Was ist hier los? Warum ist alles so nass? Pierce hat sich über mich gebeugt, in seiner Hand hält er einen Kübel Wasser. Oh nein, er wird doch nicht... Doch, er hat. Mein Bett, der teure Seidenpyjama und ich sind vollkommen durchnässt. "Was fällt Ihnen ein?" War ich das der da geschrieen hat? Hunnicutt stellt sich neben mein Bett, er will also auch noch einen überflüssigen Kommentar dazu abgeben. "Das mit dem Wasser tut uns ja leid, aber Sie sind nicht von selbst aufgewacht. Wir haben alles versucht, doch Sie haben weiter gepennt!" Diese Idioten...

Ich springe auf, nehme meinen Bademantel und verlasse das Zelt. Ich will diese Möchtegernärzte nicht mehr sehen. Unter der Dusche kann ich wieder aufatmen, das Wasser spült meinen Frust regelrecht weg. Kurze Zeit später sitze ich schon im Messezelt und esse schweigend den Fraß, den sie uns hier vorsetzen. Neben mir sitzt nur Colonel Potter, er ist glücklicherweise auch stumm, nur ab und zu lächelt er mir zu. Er hofft wahrscheinlich, ich vergesse irgendwann, dass er für meine missliche Lage verantwortlich ist, aber das wird nie geschehen.

Pierce kommt zu uns, er grinst mich an. "War wohl gestern eine lange Nacht Charlie?" Wieso kann der Kerl nicht einmal meinen Namen richtig aussprechen? Das gehört doch zum respektvollen Umgang miteinander... "Was geht Sie das an?," knurre ich zurück und senke meinen Blick wieder auf das Tablett. "Wer ist denn das?" Pierce, der die Frage gestellt hat, schaut durch die Zeltwand auf den Hof. Ich folge seinem Blick, kann aber nichts erkennen. Da geht die Tür auf, ein paar Schwestern kommen herein. Ich habe sie noch nie gesehen, wahrscheinlich sind sie gestern angekommen... Eine nach der anderen geht an unserem Tisch vorbei, Pierce verfolgt sie mit anzüglichen Blicken.

Moment, wer ist das? Ein engelsgleiches Wesen schwebt an uns vorbei, ich kann nicht anders und muss ihr nachblicken. Diese Haare, die Figur, der Gang, alles an ihr war perfekt. "Passen Sie auf, sonst fangen Sie noch das Sabbern an Charlie!" War das so offensichtlich? Nur nicht die Fassung verlieren, bleib ganz ruhig alter Junge! "Wie meinen?" Mit arroganter Äußerungen kontern ist immer gut, dass bringt deinen Gegner aus der Fassung. "Ich bin ja nicht Sie!" Schnell nachlegen bevor ihm eine Erwiderung einfällt.

Ich muss diese Frau wiedersehen, am besten sofort. Natürlich, ich sehe sie spätestens bei dem nächsten Schub Verwundeter, aber so lange kann ich nicht mehr warten! Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen wie sie aussah, ich war so gebannt von ihrem Anblick. So viel Schönheit kann man nicht auf einen Blick einfangen! Mit einem Schluck würge ich den Kaffee hinunter, dann stehe ich auf um mir neuen zu holen. Niemand wird etwas merken, Kaffee holen ist doch die normalste Sache der Welt. Suchend gleitet mein Blick über die Schwestern, sie sehen alle gleich aus. Endlich, da sitzt sie. Ich muss mich anstellen, so habe ich Gelegenheit sie genauer zu betrachten. Ihr blondes Haar fällt in weichen Wellen auf ihre Schultern, ihre Haut hat die Farbe von Elfenbein und ihre Figur... Sie ist so zierlich, als würde sie jeden Moment zerbrechen. Ich bin der nächste, es heißt wohl vorerst Abschied nehmen und zu dem Tisch zurückzukehren.

Den ganzen Tag ist sie mir nicht aus dem Kopf gegangen, immer wieder sehe ich sie an mir vorüber laufen. Es ist zum aus der Haut fahren! Während meiner gesamten Schicht auf der Intensivstation konnte ich mich nicht konzentrieren. Ich hätte sogar beinahe einem Patienten das falsche Medikament gegeben, das war ja so peinlich! Jetzt habe ich frei und weiß nicht so recht wohin. In unserem Zelt sitzen sicher wieder die beiden Komiker und auch wenn die Vorstellung verführerisch ist, sie mit klassischer Musik zu nerven, kann ich mich heute nicht so recht dafür begeistern. Ein wenig unschlüssig stehe ich auf dem Hof, wie dreckig dieses Camp doch ist...

"Entschuldigung, können Sie mir vielleicht helfen?" Ich blicke nach rechts und da steht sie. Ihre Stimme klingt so wundervoll, ruhig und gelassen aber gleichzeitig lebendig und freundlich. Endlich habe ich die Gelegenheit sie etwas näher zu betrachten, ihr Gesicht sieht aus wie gemeißelt. Volle Lippen, große leuchtende Augen, feine Gesichtszüge, sie muss ein Engel sein. "W...womit kann ich dir...äh...Ihnen denn behilflich sein?" Warum stottere ich? Ich kann vollständige Sätze bilden seit ich zwei Jahre alt bin, wieso funktioniert es jetzt nicht? Oh nein, ich werde rot. Ich spüre es ganz deutlich, bald wird mein Kopf aussehen wie eine Tomate... Das ist so würdelos! Ich bin doch ein Winchester! Zum Glück bemerkt sie es nicht und wenn doch lässt sie sich nichts anmerken. "Die zwei Chirurgen haben mich und meine Freundin in den Sumpf eingeladen und den suche ich jetzt." Zwei Chirurgen... Sumpf... eingeladen... Muss sich Pierce denn an jede ranschmeißen? Hat der Mann denn gar kein Ehrgefühl? Was soll ich ihr jetzt antworten? Ich kann sie doch nicht zu diesem... diesem Perversen schicken! "Glauben Sie mir, der Sumpf, wie diese Banausen es nennen, ist ein dreckiger, furchtbarer Ort und die beiden Chirurgen sind...kein Umgang für... für...eine junge.... Frau wie...Sie eine sind." Hoffentlich versteht sie das jetzt nicht falsch. Ich könnte ihr anbieten ihr das Camp zu zeigen. Soll ich wirklich? Wenn sie nein sagt werde ich gedemütigt. "Hey, da bist du ja! Wo ist deine Freundin?" Kaum ist Pierce bei uns angekommen hat sie nur noch Augen für ihn. Er macht einen seiner Witze und sie gehen gemeinsam. Ich fasse es nicht, dass sie mich hier so einfach stehen lässt... Ich kenne nicht mal ihren Namen! Was fällt Pierce eigentlich ein? Das schreit nach Rache!