Titel: Das Ende ist auch ein Anfang
Autor: Aisling
Mail: Harry Potter
Art: Crossover
Personen: Harry Potter
Disclaimer: Wenn mir was gehören würde, dann wäre ich jetzt Millionär.
Inhalt. Harry will alle Brücken abbrechen.
Kommentar: Ich habe mich lange gefragt, was aus Harry werden würde, wenn er es schafft, Voldemort zu besiegen und zu überleben. In einer Welt, wo es immer noch rachsüchtige Todesser gibt, hat er nicht viele Möglichkeiten.
Dank: An Birgitt, für ihr Beta.
Es war vorbei. Die letzte Schlacht war geschlagen, Voldemort besiegt und in der magischen Welt herrschte wieder Friede-Freude-Eierkuchen.
Doch so sehr sich Harry auch bemühte, er empfand nur Trauer. Er hatte in seinem bisherigen Leben zu viel verloren: seine Eltern, seine Freunde und seine Heimat.
Es gab nichts mehr, was Harry mit der Zauberwelt verband. Deswegen fragte er sich auch, ob es nicht besser wäre, dieser den Rücken zuzukehren.
Seit zwei Wochen lag er nun in St. Mungos und hoffte, dass er endlich soweit erholt wäre, um entlassen zu werden. Aber die Ärzte hatten ihm bei der letzten Visite mitgeteilt, dass es noch etwa eine Woche dauern würde. Für seinen Geschmack viel zu lange, aber da er es noch nicht mal schaffte, eigenständig zur Toilette zu gehen, wusste er, dass sie Recht hatten.
Ein leises Klopfen an der Tür riss Harry aus seinen Gedanken. Noch bevor er ‚Herein' sagen konnte, wurde sie schwungvoll geöffnet und Molly trat ein.
In diesem Krieg hatte sie ihre beiden jüngsten Kinder verloren. Ginny und Ron waren getötet worden, weil sie mit Harry befreundet gewesen waren, und trotz allem kreidete sie es ihm nicht an. Nein, sie besuchte ihn täglich und zeigte immer ihre Zuneigung.
Heute brachte sie nicht nur Blumen mit, sondern auch einen selbstgebackenen Kuchen. Harry konnte sich aber nicht wirklich daran erfreuen. Er starrte auf die süße Versuchung und wünschte sich, dass Ron da wäre. Dieser hätte den Kuchen innerhalb kürzester Zeit verschlungen.
„Harry!"
Er sah auf. Direkt in Mollys Augen. Und sie schien zu ahnen, was in ihm vorging.
„Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Hör' auf damit, du ruinierst dein Leben und das würden weder Ron noch Ginny gewollt haben."
„Ich weiß, aber hier erinnert mich alles an sie. Molly, darf ich dich etwas fragen?"
Diese hatte sich inzwischen einen Stuhl herangezogen und sich neben das Bett gesetzt.
„Du darfst mich alles fragen, mein Junge. Nur weiß ich nicht, ob ich auf alles eine Antwort habe."
„Nicht so eine Frage. Ich möchte nichts wissen. Molly…" Harry zögerte. Sollte er aussprechen, was ihn schon seit Tagen bewegte? War Molly wirklich der richtige Ansprechpartner?
„Molly, ich weiß nicht, ob die Zauberwelt immer noch mein Zuhause ist. Ich weiß nicht, ob ich noch hier leben kann."
Statt zu antworten nahm Molly Harrys Hand und hielt sie fest. Es dauerte einen Moment, bis Harry erkannte, warum sie nicht antwortete. Tränen rannen über ihr Gesicht und sie machte keinen Versuch, sie wegzuwischen.
„Es tut mir leid, ich wollte nicht…"
„Nein, es ist schon gut."
Gar nichts war gut. Er hatte mit seiner Frage alles nur noch schlimmer gemacht.
„Mach dir keine Vorwürfe, weil ich weine. Du bist mir halt ans Herz gewachsen. Du bist für mich eins meiner Kinder. Und es tut weh, wenn man merkt, dass sie flügge werden. Das hat aber nichts mit deiner Entscheidung zu tun."
„Ich habe mich aber noch gar nicht entschieden", wagte Harry zu widersprechen.
„Doch, das hast du. Ich kenne diesen Ausdruck in deinem Gesicht. Bill hat ihn auch gehabt, lange bevor er nach Ägypten ging. Du wirst gehen. Und ich werde alles tun, was möglich ist, um dir dabei zu helfen."
„Molly, bitte…" Hilflos brach er ab. Eigentlich wollte er sagen, dass sie sich irrte, in dem was sie da gerade sagte, aber dann begriff er, dass sie doch Recht hatte.
„Sag nichts. Ich kann deine Entscheidung verstehen. Diese Welt hat dir nur Leid und Unglück gebracht. Und das, wo du so jung bist."
Sie streichelte über seinen Handrücken.
„Weißt du eigentlich, dass Neville und Luna Eltern werden?"
Nein, davon hatte er noch nichts gehört. Dankbar über den Themenwechsel diskutierte Harry mit, ob das Kind ein Junge oder ein Mädchen werden würde.
Molly kam auch in der folgenden Woche jeden Tag zu Besuch. Immer blieb sie etwa eine Stunde, doch sie sprach nur über belanglose Dinge, nicht darüber, dass Harry die Zauberwelt verlassen wollte. Ansonsten war Harry sehr viel allein. Einzig Neville und Luna schauten vorbei, um ihn zu fragen, ob er Patenonkel werden wollte. Er sah in ihre strahlenden Gesichter und kam sich so alt vor. Warum hatte er nie solche Freude empfinden können? Warum musste Ginny so früh sterben? Es war einfach nur ungerecht.
Neville, der scheinbar ahnte, was in Harry vorging, drängte ziemlich schnell zum Aufbruch, ohne auf eine Zusage bestehen. Ihm war offensichtlich klar, dass es die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt war.
Einen Tag vor seiner Entlassung kam Arthur Weasley. Und zwar allein.
Im Gegensatz zu Molly, die sich immer sofort an sein Bett setzte, blieb er im Eingang stehen.
„Hallo, Harry!"
„Guten Tag, Arthur! Kommen Sie doch herein und setzen Sie sich."
Er folgte der Aufforderung und Harry konnte erkennen, dass er stark hinkte. Das letzte Gefecht war auch für ihn nicht ohne Folgen geblieben.
„Danke, Junge! Molly hat mit mir geredet."
Es gab keinen Zweifel, worauf Arthur anspielte.
„Und? Was denken Sie?"
Umständlich holte Arthur einen Stuhl, der am Fenster stand, und setzte sich zu Harry – ignorierend, dass auf der anderen Seite des Bettes schon ein Stuhl stand.
„Du weißt, dass wir immer noch auf der Suche nach untergetauchten Todessern sind und dass du Tag und Nacht bewacht wirst?"
„Ja, aber was hat es mit meinem Entschluss, die Zauberwelt zu verlassen, zu tun?"
„Solange du in dieser Welt bleibst, besteht die Gefahr, dass dich einer von Voldemorts Gefolgsleuten aus Rache umbringt. Er wird irgendwann, wenn du es am wenigsten ahnst, zuschlagen."
An diese Gefahr hatte Harry noch gar nicht gedacht.
„Deswegen befürworte ich, dass du deinen Namen änderst und dorthin gehst, wo dich keiner vermutet."
„Und wo soll das sein? Ich weiß doch gar nicht, was ich will. Ich habe die letzten Jahre nur daran gedacht, Voldemort zu besiegen. Ich habe noch nicht einmal einen Schulabschluss."
„Ja, das weiß ich." Arthur seufzte. „Ich wünschte, es wäre nicht so, aber es ging nicht anders. Das Zaubereiministerium hat mich ermächtigt, dir zu sagen, dass sie mit ihren diplomatischen Beziehungen dafür sorgen werden, dass du eine neue Identität bekommst. Und wenn du möchtest, dann bekommst du auch Papiere über einen anständigen Muggelschulabschluss. Ich kenne mich damit zwar nicht aus, aber man hat mir versichert, dass sich dies arrangieren lässt."
Harry schob eine widerspenstige Haarsträhne aus seinem Gesicht.
„Seit wann unterstützt mich das Ministerium?"
„Wenn sie dich dafür loswerden, dann werden sie plötzlich ganz fix. Man nimmt es dir immer noch übel, dass du Dumbledores Mann bist."
„Hätte ich damals anders entscheiden sollen?"
Merlin, er wollte doch nicht so aggressiv sein, schon gar nicht gegenüber Arthur. Aber man verlangte immer von ihm Entscheidungen, für die er sich eigentlich viel zu jung fühlte. Er wusste einfach nicht genug.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Ich versuche doch nur zu erklären, warum das Ministerium sich so verhält."
„Es tut mir leid, Arthur. Es ist nur... es ist einfach zuviel für mich. Wie soll ich in der Muggelwelt leben, wenn ich noch nicht einmal deren Schulwissen habe? Da nützt mir jeder noch so tolle Abschluss nichts. Das einzige, was ich kann, ist kämpfen, Strategien planen und Quidditch spielen. Doch davon kann ich nicht leben."
„Das mit der Bildung können wir nachholen. Es gibt einen sehr komplizierten Zauber, der das möglich macht. Wenn du noch einige Tage hier bleibst, wäre Bildung das geringere Problem. Und ich denke, dass ich dir einen Job besorgen kann, der dir gefallen wird."
„Und was wäre das?"
„Ich möchte es noch nicht sagen. Du erfährst es, wenn es auch wirklich klappt. Morgen hole ich dich hier ab, und dann verbringst du einige Tage im Fuchsbau."
Das wollte Harry nicht. Dort gab es zu viele Erinnerungen.
„Arthur, bitte nicht. Ich kann nicht dorthin zurück."
„Zu viele Bilder von glücklichen Tagen?"
Damit hatte Arthur genau erfasst, was in ihm vorging.
„Ja, es geht einfach nicht."
„Schade, aber ich kann dich gut verstehen. Was hältst du davon, wenn du nach deiner Entlassung einige Tage im ‚Tropfenden Kessel' verbringst? Es lässt sich zwar nicht vermeiden, dass dir einige Auroren zur Seite gestellt werden, um dich vor Attentätern zu schützen, aber dort kannst du dich auch auf dein Zimmer zurückziehen."
„Wieso sollte ich länger in der magischen Welt bleiben als unbedingt notwendig? Ich hatte in den letzten Tagen viel Zeit zum Nachdenken. Es tut mir leid, ich kann nicht bleiben, ich muss weg."
„Ich kann dich verstehen, Harry." Das Seufzen von Arthur war unüberhörbar. „Glaub mir, ich will dich nicht daran hindern. Ich möchte nur, dass alles so reibungslos wie möglich abläuft. Und dafür brauche ich noch einige Tage. Du brauchst zum Beispiel einen neuen Namen. Gibt es da einen, der dir zusagt?"
Es gab viele Personen, deren Namen Harry im Gedächtnis behalten wollte, aber er wollte von niemandem den Namen annehmen. Selbst von Sirius nicht. Es wäre falsch gewesen – und obendrein töricht, es wäre ein Leichtes, ihn mit diesem Namen aufzuspüren.
„Nein, suchen Sie mir einen aus. Es ist mir egal, solange es kein zu peinlicher ist. Und ich werde morgen in den ‚Tropfenden Kessel' umziehen. Damals, als ich einen Teil meiner Ferien dort verbracht habe, war es eine schöne Zeit gewesen."
Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass Harry die Winkelgasse erkundet hatte. Der Reiz, den die magische Welt damals auf ihn ausgeübt hatte, war vergangen. Es war nur ein schaler Nachgeschmack übrig geblieben.
„Dann bleibt nur noch das Problem mit den Bildern, die ich von dir brauche. Es müssen Muggelfotos sein. Man hat mir zwar eine Muggelkamera mitgegeben, um sie hier zu machen, aber ich bin mir nicht sicher, wie ich damit umgehen soll."
Es schien Arthur richtig peinlich zu sein, dass er nicht wusste, wie das Teil funktionierte. Schließlich war er doch Experte für Muggelangelegenheiten.
Er hatte die Kamera aus seiner Tasche genommen und hielt sie nun am Objektiv fest. Harry verstand nicht wirklich viel davon, aber so oft, wie Colin ihn früher fotografiert hatte, wusste er, wo vorne und hinten war.
"Geben Sie mir den Fotoapparat und dann zeige ich Ihnen, wie es geht."
Es dauerte eine Weile, bis Harry mit der Kamera zurecht kam, doch dann konnte er Arthur die Handhabung erklären.
Als die Fotos endlich im Kasten waren, war Harry geschafft. Da die Verletzungen immer noch nicht verheilt waren, hatte er auch wieder Schmerzen. Dafür hatte Arthur ein seliges Lächeln auf den Lippen. Selbst der Krieg und der Tod seiner Kinder hatten Arthurs Begeisterung für Muggeltechnik nicht versiegen lassen. Sehr zu Mollys Leidwesen brachte er immer wieder die exotischsten Geräte mit nach Hause und nichts und niemand konnte Arthur davon abhalten, die Muggelprodukte mit einigen magischen Sprüchen aufzupeppen. Da es schon magische Fotoapparate gab, fragte sich Harry was Arthur mit der Kamera anstellen würde.
Bei Mollys Besuchen war Arthurs Leidenschaft eins ihrer Hauptgesprächsthemen gewesen. Und kaum hatte er die Kamera eingepackt, erzählte er schon von seiner neuesten Erfindung. Merlin sei Dank, er war recht genügsam und verlangte von Harry nur ein ‚Ja' oder ‚Nein' an der passenden Stelle.
Für ein richtiges Fachgespräch hatte Harry keine Nerven mehr. Seine Gedanken kreisten um seine Zukunft. Nur noch wenige Tage und er würde wirklich den letzten Schritt tun und die Zauberwelt endgültig verlassen. Er hatte sich dies schon so lange gewünscht und jetzt schien es endlich Realität zu werden.
Auch Arthur hatte irgendwann ein Einsehen und verstand, dass Harry mit seinen Gedanken nicht mehr in seiner Welt war.
„Tja, Harry, ich gehe jetzt besser. Brauchst du noch irgendwelche Literatur über die Muggelwelt? Ich könnte dir etwas mitbringen."
„Danke für das Angebot, Arthur. Aber ich war noch letzten Sommer bei meiner Tante und ich denke nicht, dass dieses Wissen aufgefrischt werden muss."
Seinen Verwandten hatte er zu verdanken, dass er sich bestens in der Bedienung sämtlicher Haushaltsgeräte auskannte.
„Was sollen wir ihnen sagen?"
„Bitte?"
„Was sollen wir deiner Tante sagen? Ich bezweifle, dass du sie noch einmal sehen willst. Ich befürchte nur, dass sie so töricht sein könnte,
die Zauberwelt aufzusuchen, wenn du nicht wiederkommst."
„Sie wird nicht kommen, um mich zu suchen. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Und wenn, dann sagen Sie ihr, dass ich für sie gestorben bin."
Arthurs Blick war fast schon beängstigend. Es war fast so, als ob sein ‚Ersatzvater' sämtliche schützende Hüllen von seiner Seele riss und tief in ihn hineinblickte.
„Es ist eine Schande, was dir in den letzten Jahren zugestoßen ist. Man hat dir nie eine richtige Kindheit gegönnt und dann hat Voldemort auch noch alles vernichtet, was dir wichtig war. Ich hoffe, die Muggelwelt ist jetzt gnädiger zu dir."
Ein dicker Kloß saß plötzlich in Harry Kehle. Warum nur ging er nicht weg? Und dass seine Augen tränten, lag bestimmt nur an der Krankenhausluft. Arthur schien keinen Kommentar zu erwarten.
„Ich hoffe, dass ich in vier Tagen alle notwendigen Papiere und Unterlagen zusammen habe, dann sprechen wir über deine weitere Zukunft. Wenn du wieder fit bist, solltest du nach Gringotts gehen und veranlassen, dass die Kobolde dein Geld in die Muggelwelt schaffen."
Dieser sachliche Ton half und Harry konnte wieder reden.
„Ich muss aber vorher bei einer Bank ein Konto eröffnen. Und dafür brauche ich einen Namen."
„Nein, das erledigen die Kobolde für dich. Sie haben damit Erfahrung und werden dafür sorgen, dass niemand in der Muggelwelt Fragen stellen wird. Und über deine neue Identität wissen sie wahrscheinlich eher Bescheid als du und ich. Sie haben da ihre Quellen."
Ja, die Kobolde wussten so vieles. Und wenn Hermine nicht auf die Idee gekommen wäre, bei Gringotts nachzuforschen, dann wäre wahrscheinlich Voldemort der Gewinner gewesen.
Diesen Gedanken schob Harry schnell beiseite. Hermine war bis zum Schluss an seiner Seite gewesen und ihre Freundschaft schien unerschütterlich zu sein. Doch nach dem letzten Gefecht hatte sie sich zurückgezogen und niemand hatte sie seither gesehen. Harry ahnte, dass sie in die Muggelwelt geflüchtet war. Genau wie er es auch vorhatte.
„Ich muss gehen, Harry. Molly wartet wohl mit dem Abendessen auf mich. Ich werde dich in den nächsten Tagen besuchen und dir deine neuen Papiere geben. Dann wirst du keine Probleme in der Muggelwelt haben."
Gleichzeitig stand Arthur auf und reichte Harry seine Hand. Dieser ergriff sie.
„Danke, Arthur. Für alles."
Es schien Arthur unangenehm zu sein, dass Harry sich bedankte. Er ließ die Hand des Jungen los.
„Nicht, Harry. Wir haben zu danken. Und das tun viel zu wenige, denn sonst würdest du nicht fortgehen."
Bevor Harry antworten konnte, drehte Arthur sich um und verließ das Krankenzimmer.
tbc.
