Tear me apart - Fortsetzung
Kapitel 1
Nightmare
Hermine wusste schon lange, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Sie hatte es seit geraumer Zeit gespürt, ganz so, wie man eben manchmal auf unerklärliche Weise spüren konnte, dass etwas nicht in Ordnung war.
Severus war fort. Und sie musste zurückbleiben.
Inzwischen war das ganze Schloss in Aufruhr und sie rannte ebenfalls durch die Gänge, um nach irgendetwas zu suchen, das sie tun konnte - ganz gleich was.
Etliche Mitglieder des Phönix-Ordens und von Harrys ins Leben gerufener Armee Dumbledores waren gekommen, um McGonagall dabei zu helfen, Wachposten aufzustellen. Obwohl ein unbeschreibliches Chaos herrschte, war jeder an seinem Platz – mit Ausnahme von Severus, der seinen eigenen Kampf kämpfen musste. Abgesehen von ihm schien nur Dumbledore zu fehlen und wieder einmal überkam sie die Frage: wo war Dumbledore, wenn man ihn brauchte?
Sie wusste es nicht und es war ihr auch mehr oder weniger gleichgültig. Es war keine Lösung, sich in den Kerkern zu verschanzen, während um sie herum der Krieg wütete.
Verzweifelt suchte sie nach Harry, Ron und den anderen. All ihre Freunde, mit denen sie aufgewachsen war, irrten durch das Schloss, bei dem Versuch, eine Verteidigungslinie zustande zu bringen.
Sie hörte eine Explosion in der Nähe und kauerte sich instinktiv zusammen, da spürte sie, wie jemand an ihrem Arm zerrte.
„Hermine!", rief eine vertraute Stimme.
Ron.
Sie fuhr erschrocken herum und sah in die leuchtenden Augen ihres Freundes. Schon schlang sie die Arme um ihn und erblickte Harry, der mit seinem Zauberstab bewaffnet hinter ihm stand und sich vorsichtig umsah.
„Wir müssen hier weg", fuhr Ron fort. „Harry hat eine Spur."
Sie nickte und ließ sich von ihnen fortführen. Alles war besser, als nichts zu tun, denn einfach nur abwarten würde sie nicht weiterbringen.
„Wo gehen wir hin?", fragte sie erschöpft.
„Du-weißt-schon-wer ist in der Heulenden Hütte", bemerkte Ron verbittert.
Harry hatte noch kein einziges Wort gesagt. Er sah übel aus. Seine Kleidung war von oben bis unten verdreckt. Blutige Kratzer waren auf seiner Haut zu sehen.
Es verwirrte sie, dass sie sich an nichts erinnern konnte, was zuvor geschehen war, doch Ron ließ ihr keine Zeit, darüber nachzudenken, während er sie an der Hand hinter sich herzog.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht und Hermine kroch stillschweigend durch den Tunnel hinter ihren Freunden her, bis Harry plötzlich innehielt.
Vor ihnen stand eine alte Kiste; sie konnten Stimmen hören.
Hermine schlug die Hand vor den Mund, als sie Voldemort durch einen kleinen Schlitz hindurch sah. Sie schauderte. Er wirkte so unmenschlich, wie nur irgend möglich, umgeben von seiner Schlange, die bedrohlich züngelte. Langsam schlich er auf und ab, als wäre er selbst ein Reptil.
Und dann sah sie ihn. Snape.
Es war absolut unwirklich. Hermine begriff nicht was geschah. Geräusche und Stimmen drangen in ihren Kopf.
„Töte", zischte Voldemort.
Die Schlange kam hervor geschossen und versenkte ihre Zähne in Snapes Hals. Seine Augen weiteten sich. Verzweifelt versuchte Hermine, zu ihm zu gelangen, doch sie konnte nicht. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
Wie gelähmt musste sie dabei zusehen, wie ihr Professor machtlos ums Überleben kämpfte, der Schlange ausgeliefert, die sich immer wieder auf seinen Hals hinabstürzte. Mit zittrigen Fingern wollte er die Wunden abdrücken, doch es war vergebens. Langsam aber sicher näherte er sich seinem Ende, das nackte Grauen im Gesicht, weiß wie Schnee.
Blut. Überall war Blut. Und plötzlich war Voldemort verschwunden.
Sie wand sich, das Leben kehrte in sie zurück.
Mit aller Gewalt zwängte sie sich an ihren Freunden und der Kiste vorbei, bis sie endlich bei ihm war. Sie sackte auf die Knie und streckte die Hände nach seinem Kopf aus.
„Severus!"
Ein verzweifelter Schrei aus den Tiefen ihrer Seele.
„Severus – bleib bei mir ..."
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Hermine schlug um sich. Ihr Körper war klitschnass, Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Sie fühlte eine warme vertraute Hand auf ihrer Wange, die vorsichtig die verklebten Haarsträhnen aus ihrem Gesicht wischte.
„Hermine", flüsterte eine Stimme, immer wieder, so tief und melancholisch, dass sie dabei langsam zur Ruhe kam.
„Hermine ..."
Sie öffnete die Augen und sah in das Gesicht ihres Professors. Tränen liefen über ihre Wangen.
„Severus."
Ein tiefer Atemzug folgte, dann kuschelte sie sich in die Biegung seines warmen, nackten Körpers.
Es entging ihr nicht, dass er sie stillschweigend durch seinen schwarzen Haarvorhang hindurch beobachtete. Er hatte ja auch allen Grund dazu, doch was sollte sie tun? Sie konnte es ihm nicht verübeln. Und dann, endlich, legte er den Kopf zurück auf das Kissen.
„Du hattest einen weiteren Alptraum", stellte er bitter fest.
Sie nickte und schloss die Augen, während sie ihre Finger um seine Hand klammerte.
Für einen Moment war es unangenehm still im Raum.
„Worum ging es diesmal?", fragte er scharf, ohne dabei verletzend zu wirken.
Hermine seufzte. „Das weißt du genau."
Erst jetzt bemerkte sie, wie unfreundlich sie geklungen hatte.
„Entschuldige. Es war nicht meine Absicht, dir Vorwürfe zu machen."
Er nickte und vergrub seine Finger zwischen ihren.
Sie spürte sanfte Küsse auf ihrem Nacken und rieb sich mit dem Körper an seinem. „Ich liebe dich, Severus."
Sein warmer Atem strömte in ihr Ohr. „Und ich liebe dich."
Er löste seine Hand aus ihrer und ließ sie unter die Bettdecke gleiten, bis sie auf ihrem Bauch zur Ruhe kam. Eine wohlige Gänsehaut durchströmte sie. Es war ein wunderbares Gefühl, ihm so nahe zu sein und sie genoss jeden Moment, den sie auf diese Art mit ihm verbringen konnte.
„Dir ist doch bewusst, dass wir im Unterricht die Haltung wahren müssen?", fragte er vorsichtshalber.
Es irritierte ihn immer noch, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen. Hermine aber verkniff sich ein Lächeln.
„Ja, Sir."
„Gut. Ich möchte nicht, dass du mich erneut bloßstellst. Das Ministerium ist sehr empfindlich in diesen Dingen."
„Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle", antwortete sie gelangweilt von diesem Thema. „Außerdem war es nicht unsere Idee, dass wir heiraten. Wenn es den Mitarbeitern des Ministeriums nicht passt, sollten sie sich in Zukunft besser überlegen, was für Gesetze sie herausbringen. Sie haben selbst Schuld daran, wie sich alles entwickelt hat." Ein unliebsames Schnauben entfuhr ihr. „Genau genommen würde ich ihnen immer noch gerne mal in den Hintern treten. Obwohl ich zugeben muss, dass ich positiv überrascht davon bin, wie du dich in deiner Rolle als Ehemann machst."
„Danke", bemerkte er trocken.
„Bitte. Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, ich habe alles im Griff."
„Das sehe ich", antwortete er mit deutlichem Zynismus in der Stimme.
„Glaubst du mir etwa nicht?"
Er schien zu überlegen, ehe er mit seiner Antwort herausrückte.
„Nein. Wenn ich darüber nachdenke, was dir in Gegenwart anderer Lehrer oder Schüler schon so alles über die Lippen gekommen ist, wohl besser nicht."
„Früher oder später werden sie sich damit abfinden, Severus. Wir können es ihnen nicht ewig verheimlichen."
Ein tiefer Seufzer kam über ihre Lippen und Snape ahnte bereits, dass sie dem noch etwas hinzuzufügen hatte und spitzte interessiert die Ohren.
„Ich kann noch immer nicht glauben, dass du mich geschwängert hast. Und das war diesmal keineswegs abfällig gemeint."
„Das hoffe ich", brummte er gelassen. „Deine Anschuldigung von neulich hatte es in sich."
Auch ohne dass sie ihn ansah, konnte sie das Grinsen auf seinem Gesicht spüren.
„Wir stecken eben beide voller Magie, Miss Granger."
„In der Tat, Professor."
Er seufzte, während seine Hand sanft über ihren Bauch strich. „Hermine … lass uns …"
Sie versteifte sich, als ihr bewusst wurde, was er sagen wollte. „Nein, Severus. Wir werden jetzt nicht darüber sprechen."
Er fuhr auf und stützte sich mit dem Ellenbogen auf dem Bett ab.
„Warum nicht? Ich mache mir Sorgen …"
Hermine schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht ich bin in Gefahr - noch nicht. Du auf der anderen Seite riskierst jeden Tag dein Leben."
Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle hervor. „Nicht jeder Traum wird Wirklichkeit. Das solltest du inzwischen wissen. Vermutlich interpretierst du einfach zu viel hinein."
Hermine drehte den Kopf zu ihm und sah in seine unergründlich schwarzen Augen.
„Ich hätte dir nie davon erzählen sollen", sagte sie streng.
Im gleichen Atemzug hob sie die Hand und befreite ihn zärtlich von den schwarzen Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du alles so leichtfertig hinnimmst, hätte ich diesen Traum lieber für mich behalten."
Er hob eine seiner Augenbrauen in die Höhe und funkelte sie mit leuchtenden Augen an.
„Wage es nicht, Geheimnisse vor mir zu haben."
Seine Worte waren wie immer tief und eindringlich. Doch Hermine kannte ihn besser als irgendjemand sonst und ließ sich davon nicht mehr ganz so leicht beeindrucken wie früher.
„Was für einen Unterschied macht es schon, wenn du nichts unternehmen wirst? Es war immer derselbe Traum. Und ob es dir passt, oder nicht, er hat mich zutiefst erschüttert. Nebenbei gesagt, du solltest mit Professor Dumbledore darüber reden."
Er rollte mit den Augen und sie gab sich Mühe, es zu ignorieren.
„Das solltest du wirklich. Vielleicht kann er dir helfen. Es wäre das Mindeste, was er für dich tun könnte, nach allem, was du für ihn riskierst."
Seine Mundwinkel kräuselten sich missbilligend. „Ich tue es nicht nur für ihn. In erster Linie tue ich es für dich und das Baby. Außerdem ist nicht gesagt, dass es die Schlange ist, die er auf mich ansetzen wird, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Der Dunkle Lord besitzt unzählige Methoden um jemanden zu töten, die allesamt sehr effektiv sind."
Hermine biss sich angespannt auf die Lippe. „Denkst du, das wüsste ich nicht? Aber vielleicht ist es ein Weg. Wir haben keinen anderen Hinweis. Wir wissen nichts über seine Absichten. Ich jedenfalls werde nicht untätig hier herum sitzen und unser Kind ohne seinen Vater aufwachsen lassen."
Snape fuhr sich gestresst mit den Händen durch die Haare.
Gut gemacht, Severus! Gut gemacht...
