Die Geschichte von Rumpelstilzchen und Belle nimmt in Storybrooke ihren Lauf. Dort kennt man ihn als Mr Gold. Hauptfiguren im Mittelpunkt, mit Spoilern zum Ablauf der Serie, die ich hier und da verwenden werde. Ich bin gespannt, was ihr dazu sagt. Jetzt habt erst mal Spaß!
The best of me
Prolog
„Oh Herr, lass mich Mitleid mit ihm haben, denn er weiß nicht, was er tut."
Als Belle eines Abends mit den Fingern ihr Haar kämmte und ihre Gebete sprach, ahnte sie nicht, dass zwei große verschlagene Augen sie aufmerksam beobachteten.
Der Herr des Hauses hörte ihre Stimme klar und deutlich. Hinter der Tür zu ihrem Verlies verborgen presste er seine goldgeschuppte Haut an das Holz. Die herausstechenden, zu Schlitzen geformten Pupillen seiner Augen spähten durch einen kleinen Spalt zwischen den Brettern und fanden sie sofort.
Belle, teuerste Belle.
Mein.
Indessen Belle ihr reines Herz ausschüttete, wurde das Wesen, dem das Schloss gehörte, immer faszinierter von ihr. Unruhig tänzelnd, von kindischer Erregung gebeutelt, dachte er darüber nach, welche List er anwenden sollte, um ihr einen größtmöglichen Schrecken einzujagen. Seine Ohren waren gespitzt, seine Sinne durch die in seinen Adern strömende Magie bis zur Gänze geschärft. Er wiegte sich am Eingang ihres Verlieses vor und zurück. Sie saß beim Fenster, durch das das Mondlicht fiel. Neben ihr auf einem hölzernen Tischlein stand eine Kerze, die ihre zarte Haut im Nacken erstrahlen ließ. Er könnte sie mühelos überraschen, sie überwältigen und alles mit ihr anstellen, was er nur wollte. Ein Wink seines spindeldürren Fingers würde genügen und die Tür würde sich in Luft auflösen.
Nein, bei ihr machte es keinen Spaß. Anders als die meisten Menschen war sie nicht daran interessiert, sich an ihm zu rächen oder ihn zu töten. Sie hatte es nicht einmal versucht, seit sie bei ihm war. Sie betete sogar für ihn, obwohl er kaum wusste, was er damit anfangen sollte. In seinem Schloss herrschten nicht die landesüblichen Sitten. Alles hier gehörte ihm, von den kostbaren Teppichen bis hin zu der unvorstellbar schönsten Bibliothek. Auch die Dunkelheit der Nacht, die Einsamkeit des kalten Winters. Wäre Belle nicht das liebreizende Wesen gewesen, das ihren Charakter ausmachte, hätte sie sich furchtbar einsam gefühlt in der Gefangenschaft des goldenen Biestes. Aber gütig und verständnisvoll wie sie war, sah sie sich in der Pflicht, sein ewiger Gast zu bleiben, um ihr Volk und ihre Familie zu schützen.
Belle beendete ihr Gebet und legte sich auf eine strohbedeckte Pritsche, die ihr Nachtlager darstellte. Sie wollte das Licht nicht löschen, doch Rumpelstilzchen hätte es gar nicht gebraucht, um sie zu beobachten, bis sie eingeschlafen war. Er besaß so viel Magie, wie ein Wesen kaum ertragen konnte. Er war mächtiger und dunkler als die Vorstellung der damals lebenden Menschen es erlaubte. Das Mädchen in ihrem Verlies erschien ihm kurios. Sie wirkte nicht ängstlich auf ihn, sondern vielmehr gefasst. Vielleicht wollte er deshalb etwas über sie in Erfahrung bringen und zeigte sich ihr gegenüber zurückhaltend wie sonst keinem. Möglicherweise wusste er aber auch einfach noch nicht, was er mit ihr anfangen sollte.
1
Es war ein trister Nachmittag gewesen und mehr Besucher als sonst waren in die Bücherei gekommen. Belle hatte die Türen länger als üblich geöffnet gehabt und löschte das Licht erst spät. Die Arbeit in der Stadtbücherei von Storybrooke hatte ihr neue Perspektiven eröffnet und da sich alles recht ordentlich entwickelte, hätte sie zufrieden sein können. Sie hatte Freunde gefunden und war auf dem besten Wege eine unabhängige Frau zu werden. Trotzdem verließ sie den Laden nachdenklich. Es war nicht alles so rosig, wie es den Anschein hatte. Und dann sah sie ihn auch schon, den Grund für diese Grübelei.
Mr Gold trat aus dem Schatten des gegenüberliegenden Hauses heraus und kam auf sie zu. Er musste sich auf einen Stock stützen, da sein Bein nicht so wollte, wie es sollte. Er legte großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres und auf gute Manieren. Wie immer war er auch jetzt auffallend gut gekleidet, sein dunkler Maßanzug und die Krawatte saßen perfekt. Der jungen Frau wurde ganz komisch, als sie ihm dabei zusah, wie er die Straße überquerte. Sie fühlte sich, als würden Schmetterlinge in ihrem Magen tanzen, die im nächsten Moment zu Glas erstarrten und in tausend Stücke zersprangen. Gestern, als er sich nach dem gemeinsamen Abendessen mit einem unschuldigen Kuss auf die Stirn von ihr verabschiedet hatte, war sie enttäuscht gewesen, dass er nicht mit nach oben gekommen war. Belle liebte diese Abende mit ihm. Sie gingen schon länger aus, ein schönes Ritual, das sie seit einiger Zeit pflegten. Wäre es nur nicht immer dasselbe gewesen. Als hätte der Stillstand sie erreicht, der sie daran hinderte, in ihrer Beziehung zueinander vorwärtszukommen.
Belle löste sich schweren Herzens aus ihrer Lethargie und ging ihm entgegen. Sie wusste, dass er sich Mühe gab, nichts zu überstürzen. Aber irgendwie genügte ihr diese Freundschaft nicht mehr. Die Erkenntnis, dass fast alle in Storybrooke annahmen, sie hätten längst das Bett miteinander geteilt, war ihr auch keine Hilfe. Sie hatten es nicht getan. Nicht auf diese Weise jedenfalls, denn dafür war er zu sehr Gentleman. Die meiste Zeit, die sie zusammen verbrachten, hielten sie sich im Arm und führten gepflegt manierliche Gespräche. Er gab ihr flüchtige Küsse und strich ihr liebevoll das Haar zurück, bevor er seinen Kopf an ihren legte und liebevoll sagte: „O Belle, schöne Belle."
Die Umrisse seines Gesichts wurden klarer und allmählich ließen sich auch die feinen grauen Schlieren in seinen braunen Haaren erkennen, die trügerische Anzeichen seines fortgeschrittenen Alters waren.
„Guten Abend, Belle."
„Hi." Belle hoffte, dass ihre unterkühlte Begrüßung ihm zu verstehen geben würde, dass sie einiges zu bereden hatten.
Mr Gold klemmte seinen markanten Gehstock unter den Arm und griff nach ihren behandschuhten Händen, auf die er einen Kuss platzierte. Er sah auf, die Stirn gerunzelt.
„Ist alles in Ordnung?" Ein blanker goldener Zahn blitzte zwischen seinen halb geöffneten Kiefern hervor.
„Ja", erwiderte Belle knapp.
Für ein paar Sekunden legte sich eisiges Schweigen über die verlassene Straße. Dass sie so kurz angebunden war, entging seiner Aufmerksamkeit nicht. Er war es gewohnt, dass man ihn mit Vorsicht behandelte. Ein äußerst erfahrener und feinfühliger Mann, der sofort merkte, wenn eine Veränderung in einem Menschen vorging.
„Wollen wir gehen?" Sie lächelte und wollte den Weg zu seinem Antiquitätenladen einschlagen, wo für gewöhnlich sein Wagen stand. Wenn sie zusammen ausgingen, fuhren sie oft damit durch die Stadt und überlegten, wo sie essen gehen wollten. Es war einfacher so, als mit dem steifen Bein von Straße zu Straße zu ziehen.
Mr Gold zögerte. Er hielt ihre Hände fest und sah ihr mit den Augen eines Adlers ins Gesicht. Es fiel ihm schwer, die Gefühle zu deuten, die in seinem Inneren loderten. Zu oft war er hintergangen und belogen worden. Selbst von denen, die ihm am nächsten standen.
„Lass uns ein paar Schritte gehen, Belle. Dann kannst du mir sagen, was mit dir ist."
Sie hatte nichts dagegen einzuwenden. Trotzdem wusste sie immer noch nicht, wie sie ihm das beibringen sollte, was ihr auf dem Herzen lag, ohne ihn zu verletzten. Sie hatten keinen guten Start gehabt, als sie sich in der anderen Welt kennengelernt hatten. Dort war er unter dem weniger rühmenswerten Namen Rumpelstilzchen bekannt gewesen. Als hinterhältig und verschlagen, halb Mann mit dunklen Zauberkräften, halb unberechenbares Monster. Hier in Storybrooke lief alles etwas anders. Hier gehörten sie dazu, und, wenn es nach Belle gegangen wäre, zusammen wie Pech und Schwefel. Die meisten Leute auf der Straße gaben sich höflich und versuchten so wenig wie möglich aufzufallen, doch im Grunde genommen gab es in dieser Stadt immer etwas zu tuscheln.
Sein steifes Bein schmerzte wie eine Mahnung, als er sich auf den Stock stützte und ihr den linken Arm entgegenhielt, damit Belle sich bei ihm einhaken konnte. Er war von Enttäuschungen gezeichnet und fürchtete, Belle könnte wie einst seine Frau die Liebe eines anderen werden, wenn er einen Fehler machte. Vielleicht legte er aus diesem Grund wert darauf, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Mr Gold war ein Geschäftsmann, wohlhabend und einflussreich. Belle und er schätzten sich, achteten einander und sorgten sich mehr um das gegenseitige Wohl, als sie zugeben konnten. Ihre Liebe hatte den Fluch und die Zeit überdauert. Sie schlug tief in ihrer beider Brust, wuchs dort wohlbehütet weiter und breitete Fühler aus, die sowohl Belle als auch Mr Gold bisher fremd gewesen waren.
Sie gingen in gemächlichem Tempo ein Stück schweigend die Straße entlang und Belle suchte in ihren Gedanken nach einem passenden Anfang für ein Gespräch. So etwas war nie leicht.
„Rumpel ..." Eine aufkommende Brise trug ihre Stimme fort. Dass sie ihn nach all der gemeinsamen Zeit bei diesem verhassten Namen nannte, hatte eine lange Geschichte. Die Erinnerungen an ihre gestohlenen Träume und Hoffnungen lasteten schwer auf ihrer Seele.
Beide blieben zugleich stehen. Mr Gold nahm seine Hand und legte sie sanft auf ihre Wange. Sein Kopf war stark zu ihrem geneigt, obwohl er kaum größer war als sie, und seine bis zu den Schultern reichenden Haare wehten im frischen Wind.
„Was ist mit dir?" Er sprach ganz leise und sah sanftmütig aus, wie ein treu ergebener Diener, der nur existierte, um sie glücklich zu machen. Als würde er ihr beweisen wollen, dass er sich geändert hatte.
Es war zu viel für Belle. Immer wieder waren sie einander zum Greifen nah gewesen und hatten sich daraufhin verloren. Ein ständiges Auf und Ab. Sie wollte nicht länger warten, bis ein neuer Schlag des Schicksals sie entzweite, und endlich nur noch ihm gehören. Ihm ganz allein. Er hatte ihre Gebete nie verstanden. Nicht bis zu dem Tag, an dem Hook die Waffe auf sie richtete und sie von der Wucht des Schusses getroffen über die Stadtgrenze stürzte, woraufhin sie sich an nichts mehr erinnern konnte.
„Du bist so gut zu mir, Rumpel, viel zu gut. Ich verdiene das nicht."
„Was redest du ..." Einen Moment fürchte er schon, sie könnte wieder unter ihrer Amnesie leiden. Die wahrscheinlich intensivste Erinnerung von allen, bei der sogar die neue Welt aufgehört hatte, sich zu drehen.
Sie riss sich von ihm los und unterbrach ihn, bevor er ihre schüchternen Avancen zum Erliegen bringen konnte. „Du hast so viel für mich getan, aber das muss aufhören. Wir sollten uns nicht mehr auf diese Art treffen. Nicht mehr miteinander ausgehen. Es ist besser so, glaub mir."
Er schüttelte den Kopf und Belle wusste, ihre Versuche, ihn umzustimmen, drohten zu scheitern. Plötzlich wurde ihr bitterkalt. Sie schlang die Arme um den Leib. Es half alles nichts, er würde es nicht verstehen.
„Ich will dich nicht verletzten, Rumpel. Mein lieber Rumpel. Siehst du denn nicht, dass wir zusammen gehören?"
Er nickte mit dem Kopf. „Aber wir sind zusammen. Belle ..."
„Niemand kann die Liebe verstehen, wenn er sie nicht vollzogen hat." Ein Seufzer, der ihn zutiefst erschütterte. Er hatte die körperliche Liebe mit Frauen kennengelernt, von denen die meisten später nichts mehr von ihm wissen wollten. „Ich will nicht länger warten, liebster. Es ist ein Feuer in mir", sie legte die Hand an die Brust und schloss sie zur Faust, „hier drin. Es brennt für dich, meinen armen Rumpel, der es nicht wahrhaben will."
Er hatte aufgehört zu atmen und beobachtete sie mit einer Miene des Unglaubens. Für ihn gab es kein kurzes Vergnügen mit ihr, wie mit den anderen zuvor. Diese altmodische Ansicht hatte er sich zu ihrem Schutz auferlegt. Sie war außergewöhnlich und genau das wollte er bewahren. So jung an Jahren, so unschuldig und rein. Er würde sie vergiften, sie verderben.
Und hier endete seine Vision. Unsanft wurde er aus seinen Träumen gerissen und fand sich schweißnass im Bett liegend vor. Neben ihm lag Belle und schlief.
Panisch sah er nach unten. Das dunkelblaue nur zur Hälfte geknöpfte Seidenhemd hing lasch auf seiner Brust. Wo die Krawatte geblieben war, wusste er im Augenblick nicht. Schlimmer war der Anblick seiner Hose: Nass und klebrig. Schuldig.
Wie konnte ihm das passieren? Offenbar reichten seine Träume aus, ihn wie einst als jungen Mann im Schlaf kommen zu lassen. Ihr über Jahre und Welten hinweg zu entsagen war schon schwer genug gewesen. Immer wieder hatte er sie verloren und damit auch etwas von sich selbst. Es war ohnehin nicht mehr viel übrig von ihm, sagte er sich scherzhaft. Teile seines Verstandes waren vor langer Zeit in der anderen Welt geblieben, als seine Frau ihn verlassen hatte, um Hooks Hure zu werden. Sie hatte ihn verschmäht und der Feigheit beschimpft, obwohl er nur versucht hatte, dem Krieg zu entkommen und für seine Familie da zu sein. Sie hatte ihn einfach verlassen. Seine Seele war daran zerbrochen und er hatte ihre kläglichen Reste Stück für Stück verkauft, durch Vergeltung und blutige Rache. Er hatte sich zu sehr auf seine Magie verlassen. Erst Belle hatte ihn davor bewahrt, den Rest seiner Menschlichkeit zu verlieren. Jetzt hoffte er darauf, dass ihre gemeinsame Geschichte erst am Anfang stand.
Es schien wie eine Ewigkeit, bevor er zu einer Bewegung fähig war. Gold schluckte und sein Adamsapfel vibrierte unterhalb seines rauen unrasierten Kinns. Die schöne Frau an seiner Seite war noch viel zu unerfahren, als dass er es wagen konnte, sie in den Käfig der Ehe zu stecken. Er wusste, wie sehr sie ihm vertraute. Sie hatte ihn noch nie enttäuscht. Aber konnte er sich selbst trauen? Einmal besessen würde er sie nie wieder gehen lassen. Wusste sie überhaupt, was sie von ihm verlangte, indem sie ihn bat, die Nacht über bei ihr zu bleiben?
Nach diesem Traum war es angebracht, ihr zu sagen, dass es so unmöglich weitergehen konnte. Aber das würde er sich gut überlegen müssen. Aus seiner Sicht hätte es nicht besser laufen können. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er die Chance, etwas richtig zu machen. Aber nicht einmal in Storybrooke war der Lauf der Zeit aufzuhalten. Die meisten hier kannten seine Geschichte, jedenfalls Teile davon. Während sie nie vergessen würden, was er getan hatte, verlangte er sich alles ab, dies zu ändern, um wenigstens im Herbst seines Lebens ein besserer Mensch zu werden. Er hatte teuer für seine Fehler bezahlt und arbeitete hart an einer besseren Existenz. Trotzdem stand es nicht gut für ihn, eine Frau zu finden, die wahre und aufrichtige Gefühle für ihn hegte. Belle wusste die Gründe für sein Zögern und warum er nicht beabsichtigte, alles kaputt zu machen. Sie zählte auf ihn, was sie nicht davon abhielt, ihre zarten Annäherungsversuche spielen zu lassen. Gold wollte sich lieber erst gar nicht vorstellen, wie es werden würde, wenn er diesen Fehler machte. Er hatte Angst, ihre Affektionen könnten sich beim Anblick seines schmächtigen nackten Körpers ändern. Sie würde aufwachen und feststellen, dass er nicht der Prinz ihrer unschuldigen Phantasien war, für den sie ihn gehalten hatte. Vielleicht nicht gleich, aber eines Tages.
Je intensiver er darüber nachdachte, desto weniger ergab seine Vision von Belle einen Sinn. Natürlich war sie nicht mit den Frauen aus seinem früheren Leben zu vergleichen. Er selbst hatte sich stark verändert, hatte sich etwas aufgebaut und nun mehr zu bieten, als je zuvor. Soweit so gut. Sein Geist war ruhelos und wachsam, ständig in Bewegung. Belle fehlte, gelinde gesagt, jegliche Erfahrung darin, ihn zu verführen. Es ließ sich nicht leugnen, dass hinter Schuppen aus glitzerndem Gold ein abscheuliches von der Gier zerfressenes Monster in ihm schlummerte, das viel Leid gesehen ebenso viel Kummer verursacht hatte. Er musste es nur im Zaum halten, seinen Zorn unterdrücken und der Unberechenbarkeit entsagen. Andernfalls wäre er derjenige, der mit dieser Schuld würde leben müssen. Alles hatte eben seinen Preis.
