Valar morghulis
Kapitel 1: Lyanna I
„Treue kann man nicht verlangen. Treue ist ein Geschenk." (Die deutsch-britisch-schweizerische Schauspielerin, Autorin und Malerin Lilli Palmer)
Winterfell, 278 n. A. E.
Es sollte ein ganz normaler Tag für Lyanna sein. Sie war mit ihrem Bruder Benjen zusammen in den Wolfswald geritten und dort hatten sie mit Holzschwertern trainiert. Alles war ganz normal. Es war Winter, deswegen war es überall kalt und sie wärmte sich mit ihren Pelzmantel. Sie ruhten nie sehr lange, auch nicht jetzt. Sie beeilten sich mit dem Essen, damit sie sich danach wieder bewegen konnte. Es war nicht gut lange still zu sitzen.
Auf einmal kam ein Pferd mit einem Reiter, einer Reiterin, die sie überraschte, indem sie von hinten über den Ast sprang und vor ihnen hielt. Die junge Frau darauf stieg ab und verwundert stand Lyanna auf. „Wer seid ihr?", fragte sie verwirrt und musterte die Frau vor, die wie sie Hosen trug und ein Schwert an ihrem Gürtel. Ein Schwert! Vater würde es ihr nie erlauben ein Schwert zu tragen oder ihr Haar so kurz zu halten. Die Frau hatte nur schulterlange Haare.
„Ihr seid Lyanna Stark", stellte die Frau fest.
Lyanna runzelte die Stirn. Woher kannte die Frau ihren Namen? „Ich hab gefragt wer ihr seid!", wiederholte sie fest.
Die Frau lächelte geheimnisvoll. „Mein Name ist Aryana Schnee", offenbahrte sie und verbeugte sich vor ihr. „Und ich biete Euch meine Dienste an."
Wieso? Wieso tat sie das? Wieso wollte sie das?
Unsicher sah sie zu Benjen, der aber noch ganz erstaunt von dem Anblick der Fremden war. Er wusste auch nichts dazu zu sagen. Langsam trat Lyanna einen Schritt nach vorne. „Wenn du meinem Vater dienen willst, dann musst du mit nach Winterfell kommen."
„Ich will nicht eurem Vater dienen, Mylady", betonte Aryana. „Ich will euch dienen."
„Aber wieso?", fragte Lyanna hilflos. Sie verstand nicht wieso eine Fremde ihr ihre Dienste anbiete. Jemand den sie noch nie getroffen hatte. Von dem sie nicht einmal gehört hatte.
„Es meine Aufgabe und mein Schicksal euch zu beschützen", antwortete Aryana und dennoch verstand Lyanna immer noch nichts. „Es ist mir vorherbestimmt. Ich wurde hierher geschickt, um euch zu begleiten und an eurer Seite meinen Tod zu finden."
Das klang… grauenvoll. Diese Frau glaubte, dass es ihr Schicksal war an ihrer Seite ihren Tod zu finden. Lyanna wollte damit nichts zu tun haben. Sie wollte für sowas nicht verantwortlich sein.
Aber die junge Frau, Aryana, schien es ernst zu meinen. Sie zog ihr Schwert, legte es vor ihr nieder, kniete und sprach: „Ich gehöre euch, Mylady. Ich werde euch steht's beschützen. Ich gebe mein Leben für euch, wenn es nötig ist. Das schwöre ich, bei den Alten Göttern und den Neuen."
Angst kam in ihr hoch und sie blickte zu Benjen, der mit großen Augen von der knienden Frau zu ihr auf schaute. Sie wusste immer noch nicht wirklich, was in der Frau vor ging. Aryana war eine Fremde und doch wollte sie für sie sterben. Ihr dienen. Sollte sie annehmen? Was würde ihr Vater dazu sagen? Wäre er einverstanden? Oder würde er die Frau fortschicken?
Lyanna atmete tief durch und tat, was sie glaubte, dass es richtig war, auch wenn die Angst ihre Brust zuschnürte. Sie nahm Aryanas Hand und sah ihr in die Augen. „Ich schwöre, dass es nun für euch steht's einen Platz in meinem Heim und an meinem Tisch gibt. Und das ich keine Dienste von euch verlangen werde, die für euch unehrenhaft wären. Das schwöre ich bei den Alten Göttern und bei den Neuen."
Nach ihrem Schwur erhob sich Aryana wieder. Ihr geschworenes Schild. Eine junge Frau von der sie nichts wusste. Jetzt war es kein gewöhnlicher Tag mehr.
Mit ihrem neuen geschworen Schild und ihrem kleinen Bruder kehrte sie zurück nach Winterfell. Ihr Vater war auf den Hof und sah sie, bevor Lyanna sich an ihn wenden konnte. Er stoppte als er sie alle sah und musterte Aryana voller Erstaunen.
Lyanna wusste nicht wirklich, ob ihr Vater ihr überhaupt zuhörte, als sie ihm die Geschichte erzählte. Die ganze Zeit über blickte er an ihr vorbei, auf die junge Frau. Lyanna war sich nicht sicher, wieso das so war.
„Bitte, sie darf doch bleiben, oder Vater?"
Ihr Vater war streng, ernst und dennoch freundlich. Zumindest konnte er alles drei davon sein. Gerade schien er nur weit entfernt. Schließlich wendete er sich von ihnen allen ab und stimmte zu: „Sie kann bleiben."
Ab diesen Tag an lebte Aryana Schnee in Winterfell und wurde zu ihrem Schatten. Die junge Frau war ernst und wachsam. Dennoch konnte Lyanna alles mit ihr gemeinsam machen. Sie wurde nicht in ihrem Benehmen korrigiert und von ihren Abenteuern abgehalten, sondern einfach nur begleitet. Wahrscheinlich wäre es auch Heuchelei von Aryana, wenn sie es täten würde. Schließlich war sie auch kein Sinnbild einer Lady.
Zwar mochte sie die junge Frau, ihr geschworenes Schild, aber es gab auch viele Dinge, die sie frustrierten. Abgesehen davon, dass Aryana nichts von sich wirklich preis gab, war sie auch noch in allen besser als sie. Lyanna war es gewöhnt, dass Männer im reiten, im Schwertkampf und im Bogenschießen, besser als sie waren. Schließlich konnte sie nur heimlich üben und bekam nie richtigen Unterricht. Aber eine andere Frau… sie war das wilde Mädchen!
Zumindest fand sie meist in Aryana eine gute Gesellschaft. Ihr geschworenes Schild hatte kein Interesse daran mit ihr über Männer oder Handarbeit zu sprechen. Die beiden konnten einfach nur schweigen und es war nicht störend.
Eines aber störte sie auch noch, dass Aryana sich weigerte mit ihr zu trainieren. Aryana trainierte immer nur allein. Machte Bewegungen oder Übungen. Sie trainierte auch mit den Jungen, nachdem sie diese erst einmal dazu überredet hatte, aber nicht mit ihr. Wenn Lyanna heimlich im Wald trainierte, dann saß Aryana nur auf einen Ast und beobachtete sie, schliff und polierte ihr Schwert dabei.
Ein neuer Alltag schlich sich ein, aber dann wurde sie Robert Baratheon verlobt. Neds Freund. Aber so wie sie gehört hatte war er ein Weiberheld und hatte bereits einen Bastard. Sie wollte nicht heiraten und auf keinen Fall wollte sie so einen Mann heiraten. Er würde ihr niemals treu sein und sie würden eine unglückliche Ehe führen. Am liebsten wollte sie schreien und weglaufen, aber ihr Vater sagte ihr, es sei ihre Pflicht. Ihre Pflicht!
Auch Brandon wurden gegen seinen Willen verlobt und obwohl er protestierte, fügte er sich besser in sein Schicksal als sie. Er hatte ja auch Glück. Brandon wurde mit Catelyn Tully verlobt, einem Mädchen von dem man nur gutes hörte. Es war ungerecht. Das Schicksal war ungerecht zu ihr, denn es hatte sie zu einer Frau gemacht. Neds Briefe konnten sie nicht beruhigen. Ihr Leben würde furchtbar unglücklich werden.
Während sie wetterte und sich beschwerte, sagte Aryana einfach gar nichts. Schweigsam hörte sie zu, oder vielleicht auch nicht, und polierte ihr Schwert. Aryana hatte es auch gut. Sie war ein Bastard und wurde nicht einfach gezwungen jemand zu heiraten, den sie nicht wollte. Sie konnte einfach eine Kriegerin sein. Niemand hielt sie von irgendetwas ab.
„Es ist furchtbar!", fluchte sie zum wohl hundertsten Mal. „Ich will ihn einfach nicht heiraten!"
„Ich würde mich nicht darüber aufregen", meinte Aryana ungerührt, ohne zu ihr aufzuschauen.
Lyanna runzelte die Stirn. „Und wieso nicht? Du hast leicht reden. Niemand zwingt dich dazu irgendjemand zu heiraten."
„Ich würde mich nicht aufregen, weil egal was du sagst oder tust, du sowieso nichts daran ändern kannst", antwortete Aryana ihr. „Es ist also reine Energieverschwendung. Außerdem wirst du ihn nicht sofort heiraten. Es sind noch ein paar Jahre hin und bis dahin kann noch viel passieren. Es ist die Zukunft, die noch nicht geschrieben wurde. Du solltest dich nur mit Problemen befassen, die direkt vor dir liegen und an denen du auch was ändert kannst."
Mit verengten Augen sah Lyanna ihr geschworenes Schild an. Aryana und ihre… Pragmatik. Es frustrierte sie. Im Gegensatz zu ihr, war Aryana so ruhig. Zwar schienen sie so viel gemeinsam zu haben, aber ihre Persönlichkeit unterschied sich vollkommen. Lyanna war wild und temperamentvoll, während Aryana ruhig und nachdenklich war. Sie schien so erwachsen zu sein, dabei wusste sie das Aryana auch gerade mal siebzehn Jahre alt war. Es war eine der wenigen Fragen, die sie ihr beantwortet hatte.
Frustriert stampfte sie auf den Boden und schrie in den Himmel aus dem der Schnee fiel.
