EIN UNSICHTBARER GAST

Ich lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ich starrte an dieselbe Stelle wie immer wenn ich erschöpft nach hause kam. In die rechte Ecke, wo sich immer ein Schatten in Form von einem Stern bildete. Ich drehte mich ein wenig, um ihn besser sehen zu können, doch schmerzerfüllt zuckte ich zurück. Mein linker Arm war über und über mit blauen Flecken übersäht. Eigentlich war er komplett blau. Ich hob vorsichtig mein T-Shirt und sah auch dort blaue Schimmer. Ich stöhnte kurz auf und setzte mich gerade hin. Jede Bewegung schmerzte. Ich verstand mich selber nicht mehr. Warum ließ ich mich eigentlich immer auf solche Geschichten ein. War es das wirklich wert? Anderen zu helfen und mich dabei fast selbst umbringen? Manchmal fragte ich mich warum ich mich überhaupt entschlossen hatte, anderen mit meinen Fähigkeiten zu helfen. Ich war schließlich genauso verletzlich, wie jeder andere auch. Mit der Ausnahme meiner Kräfte natürlich. Ich wollte kein Geld, keine Auszeichnung, keine Belohnung von den Menschen. Aber warum tat ich es? Hatte ich so ein weiches Herz? Eigentlich hatte ich immer von mir gedacht, dass ich ein eher taffer Mensch war, der sich nicht viel aus anderen machte. Anscheinend hatte sich das geändert, seit ich meine Fähigkeiten besaß. Verflucht! Mich riss es aus meinen Gedanken. Ich war mit meiner linken Hand gegen die scharfe Schreibtischplatte gestoßen. Nun hatte ich noch einen blauen Fleck mehr. Ich brauchte dringend eine Kühlung. Eine Wasserflasche stand nicht weit weg von mir und ich ergriff sie. Langsam öffnete ich den Deckel und lies ihn zu Boden fallen. Ich hob meine unversehrte rechte Hand und bewegte langsam das lauwarme Wasser über meine Arme. Dann ließ ich es gefrieren. Ich genoss das Gefühl der Kälte, die sich in mir ausbreitete und den Schmerz vergessen ließ.

Etwa eine halbe Stunde später ließ ich das Eis schmelzen und stand zufrieden auf. Der Schmerz war um einiges weniger geworden und ich konnte wieder gleichmäßig ein und aus Atmen ohne vor Schmerz zu zucken, doch es ziepte immer noch spürbar doll. Nach ein paar Schritten bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. Ich spürte deutlich die Anwesenheit von einer weiteren Person in meinem Zimmer. Ich musste gar nicht lange überlegen wer das war, ich wusste es augenblicklich.

"Was willst du so früh hier? Hast du kein eigenes Zuhause? Langsam nervst du" Ich verschränkte die Arme über der Brust, was mich sofort zucken lies, denn ich hatte meine Flecken vergessen, und sah auf einen Punkt knapp neben meiner Stereoanlage. Ein schrilles Kichern kam von genau dem Punkt auf den ich starrte, dann stand Plötzlich Luke vor mir und an seinem Lächeln könnte ich erkennen, dass er erreicht hatte was er wollte.

"Leben sie noch?"

Ich war verwirrt. "Was?"

"Naja du hast gerade deine arme eingefroren. Mich verwundert es jedes Mal, wie du es schaffst deine Körperteile einzufrieren und ohne Verletzung wieder aufzutauen..."

"Na und... Dafür kann ich mich nicht unsichtbar machen."

Er kam ein paar Schritte auf mich zu und legte seine rechte Hand auf meinen linken Arm: "Du weißt, dass eigentlich damit meinte, dass ich viel lieber deine Verletzungen heilen würde. Ich würde dich auch nicht Schockfrieren." Er grinste. Klar konnte er mich nicht Schockfrieren. Er hatte schließlich nicht die Gabe der vier Elemente. Er konnte nicht mal gut Kämpfen. Was brachte er uns eigentlich in unserer Gruppe weiter? Ich vergaß den Gedanken sofort wieder. Er war mein bester Freund. Mein Bruder. Ich wollte nichts ohne ihn machen. Ich kniff ihm liebevoll in den Arm, drehte mich um und sah mich im Zimmer um.

"Wonach suchst du?"

Ich seufzte. Jedes Mal dasselbe.

"Wo ist er?"

"We.."

Ich starrte ihn wütend an und er deutete reumütig mit seinem Zeigefinger aufs Fenster. Ich guckte hinaus. Und da stand er. Mit dem Rückend stand er zum mir und starrte abwesend in den Himmel. Sein muskulöser Oberkörper war sehr angespannt und er fuhr sich andauernd durch seine schwarzen Zottelhaare. Er machte sich anscheinend Sorgen um mich. Ich drehte mich zu Luke um, der ebenso verwirrt hinaus schaute.

"Sonst ist er doch immer der erste der bei mir ist und mich bemuttert."

"Keine Ahnung was heute mit ihm los ist" Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht hat er einen Meteor gesehen, der auf die Erde zurauscht und deswegen ist er so besorgt."

Ich hob warnend meine Hand. Er grinste nur blöd. So kindisch, dachte ich. Klar war Kevin etwas vorsichtiger wenn es um meine Sicherheit ging. Seit ich einmal im Koma lag, passt er noch stärker auf mich auf. Mir ging es schon langsam auf den Keks, aber ich wollte ihn nicht verletzen. Allerdings ging Lukes Bemerkung mit dem Meteoriten zu weit. Wegen so einem Ding lag ich im Koma und bestand damals zur hälfte nur aus künstlichen Dingen. Das war damals so schrecklich gewesen. Wochenlang hatte ich Albträume und Kevin und Luke waren so verzweifelt gewesen. Sie hätten mich beinahe in eine Klinik einweisen lassen. Doch wer würde uns schon glauben. Ein Meteorit. Da wären die andern sicherlich gleich mit mir eingewiesen worden. Doch er hatte Recht. Heute stimmte etwas nicht mit Kevin.

"Ich guck mal nach ihm."

Ich klopfte ans Fenster, doch er hörte mich nicht. Also bewegte ich erneut meine Hand und eine Wind blies im durch die Haare. Er lächelte und drehte sich um. Als er mich sah, nickte er allerdings nur knapp und schwang sich in die Lüfte. Ich war verwundert. Warum war er nicht herein gekommen und hatte nach mir gesehen. Warum stand er draußen und starrte ununterbrochen in den Himmel. Ich war mir sicher, dass er nur gekommen war um mich zu sehen. Um sicher zu gehen, dass es mir gut ging. An mehr war er heute nicht interessiert. Er wusste, dass ich nicht in Lebensgefahr schwebte. Doch reinkommen wäre doch trotzdem nett gewesen. Ich schmollte. Seine Missionen und die Gefahren die auf uns lauerten, schienen ihm nun wichtiger geworden zu sein, als ich.

Diesmal seufzte Luke. "Ich bin dann auch weg" Und er verschwand.

"Du könntest auch Sichtbar gehen", schrie ich ihm hinterher, als meine Zimmertür sich von alleine öffnete und schloss, doch er reagierte nicht. Waren heute alle verrückt?

Sonst war Luke doch immer der erste, der für einen Spruch zu haben war und Kevin der besorgte, der mich bemutterte. Vielleicht war wirklich etwas Komisches im Anmarsch. Ich beschloss Kevin darauf anzusprechen. Er hatte wirklich ein Gespür für so etwas.

Nach einer heißen Dusche, schlüpfte ich schnell in Bequeme Kleidung und rannte hinaus in den Garten. Vorsichtig drehte ich mich nach allen Seiten um, ob auch niemand anwesend war, dann verschwand auch ich in die Lüfte, wenn auch lange nicht so elegant wie mein Bruder.