Twilight

Unfall - Edward

„Verdammt nein Emmett! Außerdem muss ich mich konzentrieren!"

Genervt seufzte ich auf. Konnte er nicht einfach seinen Mund halten? Wieder und wieder nervte er mich mit seinem nörgeln, Rosalie betreffend. Sie war unsere Schwester und gleichzeitig seine Frau. Abstoßend, würden einige sicher denken, aber es war keineswegs illegal. Wir alle waren von Doktor Carlisle Cullen und seiner herzensguten Frau Esme adoptiert worden. Zwar nicht alle zur selben Zeit und vom selbigen Heim, trotzdem waren wir über die Jahre hinweg ein Herz und eine Seele geworden.

Ich war der Erste gewesen. Nachdem die beiden mit mir im zarten Alter von 12 Jahren nach Seattle gezogen waren, stießen wir auf Rosalie und Jasper. Beide waren Geschwister und schon früh Waise gewesen… Mit Rosalie, der blonden Schönheit kam ich weniger gut klar. Oft lagen wir uns in den Haaren, wegen belangloser Dinge. Wären die anderen nicht gewesen, wären wir dem jeweils anderen schon lang an die Kehle gesprungen. Trotzdem war sie eine Schwester, die ich nie missen wollte. Sie war halt Rosalie und so hatte ich sie zu akzeptieren.

Jasper. Unglaublich schweigsam und beobachtend. Das war mir als aller erstes aufgefallen, als der sechs Jahre ältere Junge fortan mein großer Bruder geworden war. Nicht selten kam es vor, dass wir schweigend beieinander saßen und stundenlang kein Wort mit einander wechselten. Er beruhigte mich, schien zu spüren, wie es mir ging und steuerte meinen Sorgen und Ängsten jedes Mal erfolgreich entgegen. Irgendwie hatte er im Waisenhaus einen sechsten Sinn dafür entwickelt. So, wie es zum Beispiel mir nicht schwer fiel, die Gedanken anderer zu erraten. Nun gut, das mochte auf den ersten Eindruck etwas heftig klingen, aber so ähnlich war es tatsächlich.

Ihre Blicke, die Augen, die Gesichtszüge…

Sie waren wie offene Bücher. So ergänzten Jasper und ich uns ganz gut. Zwei Jahre später stießen wir auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung auf Alice und dessen besten Freund Emmett. Die beiden hatten sich sofort in unsere Herzen gestohlen. Die eine aufgedreht und immer gut gelaunt, schien niemals Wetten zu verlieren. Im Poker war sie ein Ass! Ihre schwarzen kurzen Haare, die blasse Haut und die feurig roten Lippen hatten es Jasper angetan. Sie wurden wenige Monate später ein Paar.

Emmett. Er war… ein sehr eigensinniger Charakter. Mit ihm konnte man den typischen Blödsinn erleben, den ein frühreifer Erwachsener erleben wollte, er war der große Bruder, immer zur Stelle, wenn er gebraucht wurde und er war Emmett. Einfach Emmett. Schwer zu beschreiben, sein Name sollte einen Adjektiv zieren. Chaotisch liebenswürdig halt.

Doch er konnte mir auch tierisch auf den Geist gehen. Wenn er zum Beispiel wie jetzt ununterbrochen von der bevorstehenden Geburtstagsfeier für seine Frau redete. Unglaublich, schoss es mir völlig abwegig durch den Kopf. Auch Rosalie und Emmett hatten sich gefunden. Ein Jahr, nachdem Alice und er ebenfalls in Seattle auf uns gestoßen waren, zogen wir nach Forks, als er ihr seine Liebe gestand. Auf unserem Grundstück heirateten sie schließlich. Doch was Geschenke anging, war sie noch anstrengender, als in diesen, schon zwei Jahre zurückliegenden Tagen.

„Jetzt komm schon, Ed! Dir muss doch was Besseres einfallen, als ein Schal!", stieß er empört aus und raufte sich die Haare. Zusammen mit Jasper saß er angeschnallt hinten auf der Rückbank, zwischen ihnen ein paar Spielkarten. Sein Blick war auf mich geheftet, Unglaube spiegelte sich in seinen Augen.

Seufzend richtete ich meinen Blick wieder nach vorne. Bevor ich antworten konnte, warf er nochmals ein: „Komm schon Jazz, jetzt sag doch auch einmal was dazu!".

Wieder warf ich meinen Blick in den Rückspiegel – und wunderte mich. Die blassen Gesichtszüge des blonden, schweigsamen Jungens hatten sich zu einem breiten Grinsen verzerrt. Leicht schüttelte er seinen Kopf, als wollte er uns sagen: ‚Sie würde sich über alles freuen, was mit Mode und Schmuck zu tun hat.'

Leise über seinen leichten Sarkasmus lachend wandte ich mich wieder der Straße zu und ignorierte Emmetts wütendes Gemurmel. Auch er schien zu erahnen, was Jasper ihm hatte verschweigen wollen. Es wurde ruhiger. Während die beiden hinter mir bei einem einfachen Pokerspiel zockten, wanderte meine rechte Hand zum Radio und schaltete das etwas veraltete Model ein. Rauschen. „Na toll.", grummelte ich, unbemerkt von den beiden, vor mich hin. So alt war mein Volvo doch gar nicht. Trotzdem gab der Empfänger langsam aber sicher seinen Geist auf.

Öfters wandte ich meinen Blick nach unten, im verbitterten Versuch, einen anderen Kanal rein zu bekommen. Musik war eine große Leidenschaft meiner Seits. Mein Zimmer, dessen eine Wandseite eine Glasfront zierte, war überfüllt von Regalen, allesamt mit CDs, DVDs und sogar Schallplatten.

„Emmett, wolltest du das Ding nicht schon lange mal reparieren?", maulte ich schlechtgelaunt meinen Bruder an, während ich verbittert das schmale Gerät wieder abschaltete. Brachte ja doch nichts. Ich würde mich nur ärgern und Carlisle war, was unsere Gesundheit anbetraf, übervorsichtig. Bei einer Grippe durften wir nicht einmal alleine in die Küche hinab schlurfen, um uns einen Tee zu machen…

Nicht ablenken lassen, schoss es mir durch den Kopf! Auf die Straße achten!

Schließlich wollte ich meinen Führerschein nicht los werden. In Forks war das überlebenswichtig! Wir wohnten einige Kilometer außerhalb, in mitten des Waldes.

Doch es war zu spät.

Ich hatte den Truck vor uns nicht kommen sehen.

Nicht gesehen, als der jungen, blonden Frau ihr Handy unter den Sitz gefallen war.

Nicht gehört, als es anfing zu klingeln und sie verzweifelt danach mit ihrer Hand fischte.

Nicht bemerkt, dass der Regen die Fahrbahn gefährlich glatt machte.

Und so hörte ich den verzweifelten Aufschrei hinter mir nicht mehr, als ich mit vor Anstrengung verzerrtem Gesichtsausdruck das Lenkrad herumriss.

Ich spürte nur noch den Aufprall, der die Luft aus meinen Lungen presste, mich nach vorne riss… und ich bewusstlos wurde.