Der erste Fall
Mo. 06.06.1994
„Was ist mit Professor Snape?", sagte Hermine betreten und sah hinunter auf die verkrümmte Gestalt, die sie und ihre Freunde Harry Potter und Ronald Weasley so eben ausgeknockt hatten. Ein mittlerweile vertrocknetes, kleines Blutrinnsal war unter seinem Haaransatz zu erkennen, sonst schien er jedoch unversehrt. „Er hat nichts Ernstes", sagte der über ihn gebeugte Professor Lupin, Professor Snapes Puls fühlend. „Ihr wart nur ein wenig - ähm - übereifrig. Immer noch ohnmächtig. Vielleicht ist es das Beste, wenn wir ihn erst drüben im Schloss wieder aufpäppeln. Wir können ihn so mitnehmen…" Er murmelte „Mobilcorpus" und der ohnmächtige Professor fing an zu schweben.
Mit aus dem Nichts heraufbeschworenen Handschellen wurde Peter Pettigrew, der Verräter, an Ron und Lupin angekettet und alle Anwesenden machten sich auf ins Freie. Hermines Kater Krummbein voraus, dann kamen Ron, Pettigrew und Lupin mit Professor Snape ihnen folgend und zu guter Letzt Sirius Black und Hermine mit Harry: welch eine merkwürdige Prozession.
Während des Ganges durch den Tunnel lauschte Hermine aufmerksam dem Gespräch zwischen Harry und seinem Patenonkel und angeblichen Schwerverbrecher Sirius, der ihm anbot bei ihm zu bleiben. Hermine freute sich aufrichtig, denn ihr bester Freund hatte es nicht gerade leicht bei der Familie bei der er wohnte. Nein, ganz im Gegenteil! Harry's Onkel Vernon, genauso wie sein Cousin Dudley und seine Tante Petunia (die doch die Schwester seiner Mutter Lily war) machten dem Jungen der Überlebte das Leben zur Hölle. Sie beobachtete, wie Harry enthusiastisch Sirius' Angebot annahm ganz zu dessen Erstaunen, als plötzlich etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
Über die Ländereien war die Nacht hereingebrochen, das einzige Licht kam von den fernen Fenstern des Schlosses. Sie näherten sich dem Schloss. Snape schwebte immer noch als unheimliche Gestalt vor Black her, sein Kinn schlug auf die Brust. Und dann –
Am Himmel tat sich ein Loch in den Wolken auf. Plötzlich warfen sie dunkle Schatten aufs Gras. Der Mond tauchte sie in sein Licht.
Snape prallte mit Lupin, Pettigrew und Ron, die wie angewurzelt stehen geblieben waren, zusammen und anschließend mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden. Black erstarrte. Er streckte den Arm aus, um Harry und Hermine zurückzuhalten. Sie konnten Lupins Umrisse sehen. Er war steif geworden. Dann begannen seine Arme und Beine heftig zu zittern. „Rennt", flüsterte Black. „Rennt, und zwar schnell!"
Ein schauriges Knurren. Lupins Kopf zog sich in die Länge, dann der Körper. Die Schultern schrumpften. Er verwandelte sich, genauso wie Black, der reflexartig seine Animagus Form angenommen hatte. Der gewaltige, bärengleiche Hund sprang mit einem mächtigen Satz vor, packte den Werwolf am Nacken und zerrte ihn weg von Ron und Pettigrew und Hermine und seinem Patenkind. Ineinander verbissen lagen sie da und zerfetzten sich mit ihren Krallen das Fell.
Es ging alles so schnell. Siegessicher in ihrer Mission, marschierten sie so eben aus der Heulenden Hütte heraus und plötzlich bricht alles zusammen. Peter Pettigrew sieht seine Chance und stürzt sich auf Lupins Zauberstab. Hermine schrie, Harry reagierte. „Expelliarmus!", schrie er, doch jegliches Handeln war zu spät. Pettigrew hatte sich verwandelt und rannte, in der Form einer Ratte, davon. Sie hörten hinter sich ein Heulen und ein donnerndes Grollen; Harry wandte sich um und sah, wie Sirius in seiner menschlichen Form am Ufer des Sees lag, es brach ihm das Herz. Er rannte ohne sich umzusehen auf seinen hilflosen Patenonkel zu. Er dürfte nicht sterben! Nicht wo Harry zum ersten Mal die Chance auf eine Familie sieht.
„Harry!", schrie Ron und rannte seinem verzweifelten Freund nach, soweit sein verletztes Bein das zuließ. Hermine blickte zu den immer noch ohnmächtigen Körper ihres Lehrers und dann zu ihren beiden Freunden, die sich immer mehr von ihr entfernten. Sie zögerte. „Bei Merlins Bart, verdammt noch mal!", entschieden ihren Lehrer zurückzulassen, zog sie sich auf ihre Beine. „Jungs! Wartet!" – doch sie kam ihnen nicht einmal einen einzigen Schritt näher.
Des Werwolfes riesige Gestalt bäumte sich vor ihr auf und mit zitternden Händen umklammerte sie ihren Zauberstab. Angstschweiß ran ihr die Schläfe herunter, während sie den Werwolf mit ihren tränenden Augen fixierte. Er bleckte die Zähne und entließ ein schauderndes Grollen aus seinem Maul, welches sie erstarren ließ. Sie ließ vor Angst ihren Zauberstab fallen und das Biest setzte zum Sprung an.
„Stupor!" ertönte eine Stimme dicht neben ihr und Hermine erkannte ihren Professor. Es war Severus Snape. Er nahm das vierzehn-jährige Mädchen bei der Schulter und stieß sie hinter sich. Hinter seinem Umhang suchte sie Schutz vor der Bestie, der nun zwar ein gequälteres, jedoch noch lauteres und erschreckenderes Brüllen entkam. Die in der Dunkelheit leuchtenden gelben Augen blitzten vor Determination und Wut und Hermine krallte sich fest an ihren Lehrer. Ihr Herz pochte vor Angst. Ein weiteres Mal schrie Snape den Zauberspruch. „Stupor!", doch er konnte dem Monster nichts anhaben. Mit einem dunklen Grollen rannte es auf die beiden zu und der Professor breitete sich mit schützenden Händen über seine Schülerin aus. Hermine schloss ihre Augen und der Professor setzte seinen letzten Versuch zur Verteidigung an: „Stupor!"
Dieses Mal strauchelte der Werwolf und Snape nutzte die Chance. „Obscuro" und der Werwolf schien nichts mehr zu sehen. „Laufen Sie, Miss Granger!", schrie Snape, doch Hermine rührte sich kein Stückchen. Solle sie zum Schloss laufen? Direkt in die Arme des Wolfes, der ihr den Weg versperrt? „Reißen Sie sich zusammen!" blaffte Snape, die Augen auf die Gefahr gerichtet. „Ich… Ich…", setzte Hermine an und Snape nahm sie bei der Hand und zerrte sie weg von Hogwarts. „Laufen Sie, schauen Sie nicht zurück!".
Hermine konnte nur schwer mit dem erwachsenen Mann Schritt halten, gelähmt vor Angst und Müdigkeit rannte sie um ihr Leben, so weit es ihre Füße zuließen. In nicht all zu weiter Ferne ertönte erneut das Jaulen des Werwolfes und sie hörte seine schnellen Schritte im raschelnden Laub des Verbotenen Waldes. „Er kommt, er kommt!" schrie sie angsterfüllt, doch Snape rannte nur noch schneller mit ihr an seiner Hand. Er blickte nicht zurück. „Professor Snape!", verzweifelt versuchte sie seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, strauchelte und stolperte über eine Wurzel. Sie beide fielen und Hermine fing an zu weinen. „Ich habe Angst, bitte!", sie flehte. Sie wusste nicht einmal an wen sie sich wandte und ihr Professor half ihr in höchster Eile auf. „Miss Granger, wir haben es fast geschafft! Wir müssen nur Hogsmeade erreichen, von dort aus können wir apparie…", der Werwolf rammte Snape bei seiner Schulter und beide fielen in das nasse Laub. Mit seinen Händen versuchte er das sich auf ihm befindende Tier so weit wie möglich von sich fern zu halten, doch er hatte keine Chance. Mit gefletschten Zähnen versuchte der Werwolf ihm den Hals aufzureißen, Speichel floß ihm aus dem Mund mitten auf Snapes Gesicht, eine Kralle in seine Schulter gerammt. Snape schrie vor Schmerz und vor Erschöpfung –
„Stupor!", der Werwolf wurde mit einem Ruck von ihm gerissen und schleifte vier Meter weiter gegen einen Baum. Verwundert blickte Snape das kleine Mädchen an, das mit dreckigem Gesicht und seinem Zauberstab so eben den Werwolf von ihm geschleudert hatte. „Weiter!", er stand auf stoß Hermine unsanft an, sie rannten schneller, doch schon bald holte die Bestie sie wieder ein. Außer Atem hetzten sie gen Dorf. Sie konnten die Lichter schon sehen, doch der Werwolf war nur wenige Zentimeter von ihnen beiden entfernt. Sie würden es niemals zum Dorf schaffen, um Hilfe zu holen. Hermine schrie wimmernd: „Hilfe! Bitte, hilf uns jemand!" und der Werwolf setzte erneut zum Sprung an. Er würde seine Beute kriegen, sie würden sterben. Ein hoher Schrei ertönt aus ihrer Kehle und Snape, der schützend hinter ihr rannte, stürzte sich gegen sie, nahm sie in den Arm und apparierte.
