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Tuggers Gredanken
Mistos Gedanken
Draußen war es kalt. Am Himmel hingen grauen Regenwolken und immer mal wieder fielen ein paar Tropfen vom Himmel. In der Nacht hatte ein Sturm getobt und dem entsprechend sah es auch auf dem Londoner Schrottplatz aus. In der Nacht hatten sich die Jellicles in ihren Unterschlüpfen versteckt und auch jetzt schienen sie noch nicht raus gekommen zu sein. Komisch dachte Tugger als er über den großen Platz schlenderte. Wo sind die denn alle? Die schlafen doch wohl nicht noch? Ich dachte immer ich bin ein Langschläfer... Das war er auch. Während er grade mal vor gut 15 Minuten aufgestanden war, waren die Anderen schon lange beschäftigt. Am Morgen hatte sich nämlich etwas ereignet was Tugger´s Leben von jetzt an verändern sollte.
Ahnungslos beschloss dieser jetzt jedoch erst mal bei Jenny´s Unterschlupf vorbei zu schauen. Irgendwer trieb sich dort immer rum. Und wer auch immer da war, konnte ihm auch sicher sagen wo denn alle anderen waren. Vor allem seine Mädels. Nicht das er dort dann hingegangen wäre. Immerhin kamen sie ja früher oder später so wie so zu ihm. Warum ihnen dann also hinter her laufen? Nein das ließ Tuggers Ego nicht zu.
Als Tugger jedoch Jenny´s Unterschlupf betrat musste er fest stellen, dass sich so ziemlich jede Jellicle Katze dort auf hielt. Verwundert sah er sich um, machte sich jedoch auf den Ansturm seines Fan-Clubs gefasst. Doch dieser blieb zu Tuggers großer Verwunderung aus. Sie schienen ihn nicht mal zu bemerken. Im Gegenteil. NIEMAND schien auch nur ansatzweise bemerkt zu haben, dass Tugger den Raum betreten hatte. Alle Jellicles quetschten sich um einen Fleck und verdeckten Tugger so den Blick auf was auch immer es dort zu sehen gab. Aber Was ist schon interessanter als der Rum Tum Tugger?
Genau das wollte er jetzt herausfinden und drängte sich zwischen Plato und Electra, die ihn selbst als er neben ihr stand keines Blickes würdigte. Dann fiel der Blick des Main-Coon Katers auf das oder eher denjenigen, der der Grund dafür war, dass Tugger keinerlei Beachtung geschenkt wurde. In der Mitte der Jellicles, auf Jenny´s Bett saß ein großer, apricot-farbener Kater.
In eine Decke eingewickelt und mit einer Tasse Tee in den Pfoten saß er da und sah bemitleidenswert in die Runde. Auf Tuggers Gesicht legte sich Verwirrung, da er den Kater noch nie gesehen hatte. Aber alle schienen ihn zu kennen... oder zumindest waren sie alle sehr interessiert zu erfahren wer er wohl war. Während Tugger sich zu Munk begab rückten Viktoria, Jemima und Etcetera näher an den fremden Kater. Dann fragte Viktoria leise: „Und? Geht's dir schon besser?" Tugger beobachtete wie der große Kater die jungen Katzen Damen eine nach der an anderen sanft von oben herab anlächelte.
„Wer zum Teufel ist das?", flüsterte Tugger Munkustrap zu, der ein bisschen weiter abseits stand und alles genau beobachtete und aufpasste. „Er sagt er heißt Lawrence. Alonzo hat ihn heute Morgen beim Rundgang vorm Tor gefunden. Bewusstlos. Er hat ein paar Verletzungen aber Jenny sagt es sei nichts Lebensgefährliches. Was passiert ist wissen wir noch nicht so ganz genau." Verwundert sah Tugger seinen Bruder an. „Und ihr lasst ihn einfach so hier sitzen und verwöhnt ihn? Vielleicht ist er ein Spion von Macavity." „Er ist verletzt Tug. Und er kommt mir nicht so vor als wäre er einer von Mac´s Leuten. Außerdem sind wir ja vorsichtig." Skeptisch begutachtete er den neuen Kater, der angeblich Lawrence hieß.
Jenny, die grade noch eine Paste zur Wundheilung angerührt hatte, begab sich nun zu Lawrence und scheuchte Etcetera zur Seite. Dann begann sie vorsichtig die weiße Creme auf einer Wunde an Lawrence Arm zu verteilen. „So Schätzchen. Dann erzähl uns doch mal wer dich so zu gerichtet hat." Alle Blicke wurden erwartungsvoll und auch Tugger war neugierig geworden. Der apricot-farbene Kater sah sich kurz um und blieb dann an Viktorias erwartungsvollem Blick hängen. „Na schön... Aber es ist nicht grade eine schöne Geschichte." Sein Blick wurde geheimnisvoll und alle rückten ein Stück näher um auch ja alles mit zu bekommen. Dann fing er an zu erzählen:
„Es passierte gestern Abend. Ich zog alleine durch die Straßen auf der Suche nach einem Unterschlupf, da es bald anfangen würde zu regnen. Das Wetter wurde immer schlechter und ich fand einfach kein trockenes Plätzchen mehr. Es fing an zu stürmen und zu donnern und zu blitzen. Dann spürte ich etwas hinter mir. Ich bemerkte, dass ich in eine Sackgasse gelaufen war und als ich mich umdrehte stand er da. Ein Pollicle. Bestimmt 2 Meter hoch. Ich bleib ruhig obwohl er mir so nah war, dass ich seinen Atem schon spüren konnte. Er kam immer näher und ich versuchte aus zu weichen. Doch wohin? Ich hatte keine Möglichkeiten. Ich musste meinem Schicksal also ins Auge blicken. Und ohne zu zögern sprang ich auf ihn zu doch er packte mich mit seinen riesigen Pfoten und verpasste mir die Wunde am Arm ..."
Fast alle Blicke der Jellicles klebten wie gebannt an Lawrence Lippen und saugten seine Worte auf wie warme Milch mit Honig. Vor allem Viktoria, Jemima, Etcetera, Electra und sogar Bombalurina starrten ihn mit leuchtenden Augen und Begeisterung an, gespannt was wohl als nächstes passierte.
„Trotz unerträglicher schmerzen konnte ich mich aus seinem Griff befreien und sprang ihm mit ausgefahrenen Krallen direkt ins Gesicht. Dabei traf ich sein Auge und er jaulte auf, wurde dann scheinbar noch wütender und ging wieder auf mich los. Dann..."
Während er erzählte, schmiss er immer wieder mit dramatischen Gesten um sich und setzte wehleidige oder geheimnisvolle Blicke auf. Das konnte sich Tugger nicht länger antun. Wie sie alle so begeistert an seinen Lippen hingen. Für Tugger einfach nur unverständlich. Immerhin schien es nicht so als hätte er den Köter in die Flucht geschlagen, sondern eher als wäre er ziemlich fertig gemacht worden. Was war daran schon toll? Gut, der Main-Coon Kater musste schon zugeben das er selbst auch nicht der beste Kämpfer war. Eigentlich hatte er noch nie richtig gekämpft bis auf ein paar Raufereien mit Munk als sie noch jünger waren, aber dieser komische Kater musste sich doch jetzt nicht irgendwas darauf einbilden, dass er von einem Pollicle fertig gemacht wurde. Ganz ruhig Tugger. Lass ihm doch seine paar Stunden Ruhm. Spätestens morgen finden ihn alle wieder uninteressant und alles ist wieder beim alten. Außerdem ist es doch mal ganz gut einen Tag Ruhe vor den Mädels zu haben.
Damit machte Tugger sich auf in Richtung seines Unterschlupfs, fing sich auf dem Weg dorthin noch ein paar Mäuse und beschloss dann den Tag lang einfach mal zu entspannen. Jedoch merkte er schnell, dass ihm wirklich langweilig wurde so ohne miauenden Fan-Club. Aber das würde er natürlich niemals zu geben. Geschweige denn, dass er wieder zu Jenny´s gehen würde. Um mir wieder diese doofe und total übertriebene Heldengeschichte an zuhören? Niemals. Außerdem ist ja morgen wieder alles beim alten. Dachte Tugger. Doch damit sollte er sich täuschen.
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne vom Himmel, die Vögel zwitscherten und Tugger war für seine Verhältnisse sogar recht früh wach. Nach einem Frühstück, bestehend aus zwei Mäusen schlenderte er in Richtung Hauptplatz. Doch irgendwas sagte ihm das heute wieder etwas anders war. Normalerweise kam ihm sofort jemand entgegen. Entweder Jemima oder Vikki oder Electra oder sonst irgendwer. Doch so war es nicht. Genau wie gestern kam ihm niemand entgegen, mit dem kleinen Unterschied, dass gestern ja auch furchtbares Wetter gewesen war.
Als Tugger näher kam sah er Skimble, Munk und Alonzo in der Sonne sitzen, bzw. in Skimbles Fall liegen. Weiter weg konnte er Jenny´s und Jelli´s Geplapper hören und dann entdeckte er hinter ein paar Schrottteilen einen weißen Katzenschwanz hin und her schwingen. Als er hinter besagte Schrottteile schaute sah Tugger zu seiner Verwunderung eine ganze Horde Jellicles ... und diesen Lawrence. Doch bei ihm saßen nicht nur die typischen Verdächtigen, wie Viktoria, Jemima, Etcetera und Electra, sondern auch Pouncival, Tumblebrutus und Plato.
„... dann verpasste ich ihm eine große Wunde an der Pfote und er jaulte auf und- oh hey" Lawrence schien Tugger bemerkt zu haben und jetzt drehten sich auch die anderen zu ihm um. „Oh hey Tugger. Lawry erzählt uns grade von seinem Kampf mit dem Pollicle." Schon wieder? „Willst du auch zuhören?" Verwundert sah er Pounc an, der ihn erwartungsvoll ansah. Bitte? Was denkt sich dieser komische Kater eigentlich. Als ob es jemanden wirklich interessieren würde was mit ihm passiert ist. Ihnen war sicher nur langweilig, weil ich nicht da war.
Während Tugger noch versuchte eine Erklärung dafür zu finden, was an diesem Typen so toll sein konnte drehten sich die jungen Katzen und Kater schulterzuckend wieder zu Lawrence um. „Erzähl weiter Lawry.", rief Vikki erwartungsvoll und schon ignorierten sie Tugger wieder. Was zum? Das gibt's doch nicht! Lawrence einen bösen Blick zu werfend drehte sich Tugger um und beschloss, dass sich das schon wieder legen würde. Dann würde er halt ein paar Tage Urlaub bekommen ... so zu sagen. Was soll´s. Spätestens nach dem er die Geschichte noch ein Mal erzählen würde, würde den süßen schon langweilig werden und sie würden wieder zu ihm kommen. Außerdem gab es ja auch noch andere Dinge die er zu tun hatte und mit denen er sich beschäftigen konnte.
Oder...?
Tugger beschloss sich eine Beschäftigung zu suchen und zog gelangweilt los. Er umrundete mehrere Ecken und stellte fest das es scheinbar immer langweiliger wurde je weiter er sich von den Unterschlüpfen der Jellicles entfernte. Eine leere Blechdose vor sich hin schiebend schlenderte weiter zwischen Müllbergen entlang bis er im Augenwinkel eine Bewegung sah. Abrupt blieb er stehen und sah zur Seite. Und schon wieder meinte er etwas sich bewegendes gesehen zu haben. Langsam schlich er in Richtung des Müllhaufens hinter dem er meinte eine Bewegung gesehen zu haben. Als er sich streckend einen Blick hinüber warf sah er ein schwarzes Hinterteil das sich ihm entgegen reckte. Die weiße Spitze des ansonsten pechschwarzen, in die Höhe ragenden Schwanzes bewegte sich immer wieder leicht hin und her. Was zum…? Verwundert verzog Tugger das Gesicht, ehe er sich aus seiner Starre wieder löste und den Blick weiter wandern ließ. Mistoffelees… was macht der den hier? Scheint am Mäuschen jagen zu sein… das könnte lustig werden…
„Na kleiner Zauberer! So alleine… wie kommt´s?" Misto sprang erschrocken auf. Er hatte nicht gemerkt, dass jemand gekommen war. Schockiert drehte er sich zu seinem unerwarteten Besuch um, ehe ihm einfiel das er doch grade auf Mäusejagt gewesen war. Schnell drehte er sich wieder um, doch die auch die Maus wahr wohl vor Schreck weg gelaufen. Enttäuscht ließ er die Schultern fallen. Doch schnell verwandelte sich seine Enttäuschung in Wut.
Nein Misto! Ganz ruhig. Geh einfach … nicht umdrehen, nichts sagen. Das ist doch das was er will: Aufmerksamkeit. Die wird er von mir ganz bestimmt nicht bekommen. Er interessiert sich ja sonst auch nicht für andere.
Seine Wut unterdrückend beschloss der schwarze Kater Tugger einfach zu ignorieren. Vielleicht ließ dieser ihn ja dann in Ruhe. Den großen Kater keines Blickes würdigend stapfte Misto mit einem genervten grummeln davon… oder zumindest versuchte er dies. Tugger bemerkte schnell das er Misto scheinbar sein essen verjagt hatte. Als er Misto, und damit seine zur Zeit wohl einzige Hoffnung auf Beschäftigung, davonlaufen sah rief er schnell: „Hey warte kleiner. Wo willst´n du hin?" „Irgendwo hin wo ich meine Ruhe habe… vor dir." Den letzten Teil sagte Misto leiser aber Tugger hörte ihn trotzdem. Was soll das den heißen?
Gut Tugger musste zugeben, dass er und Mistoffelees nicht unbedingt eine große Freundschaft mit einander pflegten (wobei Tugger im Übrigen immer noch nicht verstand warum der kleine Kater ihn scheinbar nicht mochte, nicht das das eine große Rolle spielte). Trotzdem musste er ja nicht gleich weg rennen. Verdammt, der Kleine ist echt flott. „Komm schon Kleiner jetzt warte doch mal. Ich hab dir doch gar nichts getan." Ruckartig blieb Misto stehen, womit Tugger nicht gerechnet hatte und auf Misto landete. Dieser schrie erschrocken auf und versuchte Tugger vergebens von sich runter zu schieben. „Geh… geh runter…. von mir…los…" „Sorry Kleiner…" Tugger stand immer noch sichtlich verwirrt auf und streckte dann Misto seine Pfote hin um ihm auf zu helfen. Er hatte nicht schnell genug reagiert, da er nicht damit gerechnet hatte das Mistoffelees auf einmal stehen blieb.
Misto sah sauer Tuggers Pfote an und beschloss er könne alleine aufstehen. Während er sich also aufrichtete und anfing sich den Dreck vom Fell zu schütteln fing er an zu reden. „Du hast sehr wohl was gemacht Rum Tum Tugger . Du hast mir mein Mittag essen verscheucht und mich grade umgerannt… und hör auf mich Kleiner zu nennen. Ich bin nicht klein!" Leicht belustig sah der mindestens einen Kopf größere Kater Misto an. „Du bist bloß unnatürlich groß." Als Tugger bemerkte das Misto sich zum Gehen abwendete stellte er sich schnell vor ihn und meinte: „Ja da hast du wohl recht. Trotzdem bist du aus meiner Sicht klein Kleiner." Tugger legte ein leicht anzügliches lächeln auf, von dem er wusste das dem normalerweise niemand wiederstehen konnte. Misto sah Tugger leicht erschrocken an und unter dem weißen Fell in seinem Gesicht wurde ein leichter rot-ton erkennbar.
Warum sieht er mich den so an? Verlegen sah Misto zu Seite, ehe er sich dann mit einem beleidigtem „Mhpf…" wieder zum Gehen abwandte. Ok so wird das wohl nichts. Schnell trat Tugger abermals vor Misto. „Ok ok. Tut mir leid. Auch das mit deinem Essen. Ehrlich…",sagte Tugger reue voll. Verwundert sah der schwarze Kater ihn an. Hatte er je schon mal gehört, dass sich der Rum Tum Tugger für irgendwas ernsthaft entschuldigt hatte? Nein ich glaube nicht… Ergeben schloss Misto die Augen und atmete einmal tief ein und wieder aus, ehe er Tugger resignierend ansah. So sauer war er ja eigentlich auch schon gar nicht mehr…
„Na schön. Als was willst du Rum Tum Tugger?" „Tjaaaaa… eigentlich suche ich bloß eine Beschäftigung." Eine Beschäftigung? Warum denn das? Er ist doch sonst immer mit Flirten oder sonst was „beschäftig"… „Mh. Schön dann kannst du mir ja jetzt beim Mäuse fangen helfen. Wo du die von grade schon verscheucht hast." Damit startete Misto den dritten Versuch sich abzuwenden und diesmal gelang es ihm sogar. Hinter ihm hörte er Tugger seufzen und merkte, dass dieser ihm dann folgte. „Hey kannst du nicht einfach ein paar Mäuse her zaubern? Ist doch viel einfacher." „Nicht jeder ist so ein Faulpelz wie du. Außerdem würde ich irgendwann aussehen wie Onkel Bustopher wenn ich mir alles durch die Gegend zaubern würde." Bei der Vorstellung fing Tugger an zu lachen und auch Misto konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. In zwischen hatte Tugger ihn eingeholt und lief neben ihm. „Na dann mal los.", meinte Tugger und passender weise knurrte sein Magen. Misto sah zuerst verwundert auf Tuggers Bauch, ehe er herzhaft anfing zu lachen und um eine Ecke bog. Mit einem gespielt empörten „Hey, lachst du mich etwa aus?" folgte Tugger ihm.
