Seine bebenden Finger streiften sanft durch ihr weiches Haar, das zart schimmernd die Dunkelheit liebkoste. Jene Dunkelheit die beide, sie und ihn, umgab, jene Dunkelheit, die sie langsam verschlang, gemeinsam, vereint bis in alle Ewigkeit. Langsam, beinahe zärtlich schloss er ihre müden Augen, die ihm zugleich so viel strahlender erschienen, nun, da sie leer und ausdruckslos in sein uraltes Gesicht blickten. Raue Winde hatten Narben in sein Gesicht gebrannt, warmer Sommerregen hatte alle Tränen mit sich fortgenommen. Doch nun, niemals zuvor war es geschehen, schluchzte er leise Tränen, schluchzte Tränen über ihre glitzernde Haut, Tränen aus Silber.
Niemand konnte es hören und wenn es doch ein Menschenkind vernahm, so erklang in seinen Ohren zarter Vogelgesang, fast so, als singe die Nachtigall und schicke Mann und Frau, Knabe und Mädchen zu Bett. Der Nachtigall Ruf, welcher die pulsierende Schwärze, die ausgehungerte Dunkelheit durchbrach, war ihnen nur allzu bekannt, immer öfter klagte sie, immer fordernder wurden ihre Rufe
Seine große, knochige Hand berührte sanft ihren Scheitel, umspielte ihr kindlich weißes Kinn und fuhr sanft über die leicht geöffneten blass rosafarbenen Lippen. Er schluchzte lauter, wiegte seinen schwachen Körper vor und zurück, nickend ohne Unterlass, umschlang den eigenen Leib mit den zitternden, bleichen Armen, erdrückte das arme, müde Herz beinahe, vor lauter Inbrunst, aus purer Glückseligkeit allein wollte er seine Existenz beenden, nun da er alles erreicht, alles erlangt hatte, was er jemals begehrt hatte zu besitzen.
Doch konnte er sein Leben, er wagte diesen Ausdruck beinahe nicht zu verwenden, aus freien Stücken beenden? War er doch so alt wie die Zeit, hatte immerzu, immerwährend existiert.
„Ich habe dich."
Wieder war er der Ruf der Nachtigall, den die Umstehenden vernahmen und sahen sie eine Gestalt, die sich im Dunkeln regte, so war es der Fuchs auf seinem Beutezug den sie sahen, doch niemals ihn, immer verborgen, immer geduckt, sie würden ihn sehen, für sie alle würde er kommen, doch noch nicht heut, noch nicht in dieser Nacht. Und doch, es war das Tier, das sich über seine Beute beugte, gierig, erhitzt, mit ausgefahrenen Krallen und scharfen Zähnen. Doch es würde sich seiner Kraft nicht bewusst werden, würde seine Beute halten und eng umschlungen in den Armen tragend sie in den Schlaf wiegen.
Ich habe dich.
Tränen, glühend heiße Tränen. Ihr schwacher Körper näherte sich dem seinen, die von ihm ausgehende Kälte schien den letzten Überlebenssinn aus ihren Gliedern zu spülen. Sie wendete ihr Gesicht in Richtung ihres Erlösers, blickte ihm tief in die Augen.
„Endlich."
Dann schloss sie die Augen. Hatte sie es nun gesagt, oder er? Niemand konnte es erklären, alles was sie hörten war der Gesang des Vogels in der alten Weide am Eingang des Kirchhofes. Er hob zaghaft ihren Kopf, sog ihren Duft ein, ihr Parfum, den Geruch ihrer Haut, das Aroma ihres Haars und wusste, sie gehörte ihm, ganz, vollkommen für immer, für immer sein Glück. Er führte ihre weichen Lippen an die seinen und umschloss sie schließlich in Vollkommenheit, um ihr den Atem zu rauben.
