Disclaimer: An meiner Story gehört mir absolut nichts bis auf die Figuren und wenigen Handlungsorte, die meiner Feder entsprungen sind. Ich verdiene (leider) auch kein Geld damit.

Kapitel 1

Kälte

Ihre Augen waren kalt und leer, als Alexandra Newton den Zauberstab auf ihr Opfer richtete. Es war ein kleines Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ihr Herr hatte ihr das Alter genannt, doch sie hatte es vergessen. Sie hatte alles vergessen, alles, ausser, dass es ihr Auftrag war, dieses Mädchen zu töten. Doch der tödliche Fluch kam nicht über ihre Lippen. Stattdessen betrachtete sie stumm das zitternde Bündel, das vor ihr auf dem Boden lag. Sie konnte die Angst förmlich riechen, doch es berührte sie nicht. Vielmehr dachte sie über denn Sinn ihrer Aufgabe nach, versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. Doch das Dasein als Todesserin war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Ihr Herr hatte ihr zugesetzt, sie gequält, an den Rand des Todes und des Wahnsinns gebracht. Die Grenze zum Wahnsinn hatte sie vielleicht sogar überschritten. Der Crutiatus-Fluch hatte sie so oft getroffen, hatte ihre Sinne vernebelt und sie geschwächt. Doch jetzt, in diesem Moment, nahm sie ihre Umgebung überdeutlich war. Die Umrisse des Mädchens hoben sich scharf vom schmutzigen Boden ab und sein leises Schluchzen schmerzte in ihren Ohren. Ihre Zauberstabhand begann zu zittern. Was tat sie nur? Warum sprach sie es nicht einfach aus? Zwei Worte, und es wäre vorbei. Sie würde zu ihrem Herrn zurückkehren und ihm Bericht erstatten, ihre nächste Aufgabe entgegennehmen... ihr Leben würde weitergehen wie bisher, in Schatten und der ständigen Gewissheit, dem Tode nahe zu sein. Langsam senkte sie ihre zitternde Hand und liess den Zauberstab in ihrem schwarzen Gewand verschwinden. Noch immer stumm betrachtete sie das Mädchen, das nun nicht mehr schluchzte, sondern die vermummte Gestalt mit einer Mischung aus Angst und Neugierde ansah.

„Steh auf."Ihre Stimme war so kalt und gefühllos, als wäre sie kein lebendes Wesen. „Steh auf."

Das Mädchen folgte zögernd ihrer Aufforderung. Unsicher stand sie auf denn Beinen, die Blicke nicht von ihrer Peinigerin abgewandt.

„Wie heisst du?"Teufel noch mal, was tue ich hier eigentlich? Die Frage spukte beständig in Alexandras Kopf herum. Was tat sie hier? Ihre Aufgabe war, das Mädchen zu töten und dann zurückzukehren. Nichts weiter. Es war nur ein Mädchen... ein Menschenleben. Sie wusste, als Todesserin durfte sie keine Rücksicht auf Leben nehmen. Nur ihr Herr zählte, und doch... sie konnte es nicht. Sie konnte dieses kleine Mädchen nicht töten. Doch was sollte sie nun tun? Sie konnte nirgendwo hin. Bei ihrem Herrn würde sie der Tod erwarten. Zu oft war sie in letzter Zeit nachlässig gewesen, eine unnütze Last. Doch genauso wenig konnte sie zu jenen gehen, die für das Gute und gegen ihren Herrn kämpfen. Keiner würde sie anhören, sie würde sterben, egal, was sie tat. Vielleicht wäre der Tod durch die Hand eines Aurors jedoch vorzuziehen. Er würde kurz und schmerzlos sein.

Plötzlich glaubte sie, nicht mehr mit dem Mädchen allein zu sein. Ein leises Rascheln liess sie herumwirbeln. Hinter ihr war ein weiterer Todesser appariert.

„Was tust du hier? Warum ist sie nicht tot?"

Sie kannte die Stimme.

„Ich kann sie nicht töten, Severus. Nimm es zur Kenntnis, töte sie selbst, bring mich zum Herrn oder lass mich hier, bis die Auroren kommen. Fliehen werde ich nicht, denn der Tod erwartet mich so oder so."

Schweigen.

„Du kannst sie nicht töten?"

„Nein. Denk darüber, was du willst... in kurzer Zeit werde ich Geschichte sein. Es ist nicht von Belang."

Ihre Stimme war klar und sachlich. Nichts verriet den Gefühlssturm, der in ihrem Inneren tobte.

~*~

Er sah sie lange an. Sie war wie immer, so unnahbar und kalt wie ein Stein. Und doch... in ihren Augen konnte er den selben Kampf erkennen, den er vor kurzem selbst noch gefochten hatte. Es war der Kampf zwischen der Hoffnungslosigkeit, dem Wunsch nach dem Tod und dem Drang zu leben. Und er konnte sehen, dass bei ihr der Tod siegen würde, käme nicht etwas oder jemand, der sie befreite. Aus einem plötzlichen Impuls heraus tat er etwas, was ihn wohl sein Leben kosten würde, erführe jemand davon.

„Geh. Geh zu ihm und sag, du hättest sie getötet. Ich werde mich um die Kleine kümmern."

Sie sah ihn an, ein ungläubiger Ausdruck in den grauen Augen.

„Warum? Was versprichst du dir davon? Wenn er es erfährt wird er uns beide töten."

„Er wird es nicht erfahren, wenn du schweigst."

„Schweigen? Was glaubst du, wie lange kann ich unter seinem Einfluss schweigen? Wenn er es wirklich erfahren will?"

„Glaubst du, dass er es erfahren will? Nein, diese Sache ist viel zu unwichtig. Es ist nur ein kleines Mädchen."

„Wenn du das glaubst, dann kennst du ihn nicht. Für ihn zählt jeder Mord... egal, ob es der eines kleinen Mädchens war oder nicht."

„Wer kennt ihn schon?"

„Niemand, Severus, niemand. Aber du als einer seiner engsten Vertrauten solltest wissen, dass der dunkle Lord niemals kleinlich ist, wenn es um Morde geht.."

Mit einem leisen plopp war sie verschwunden. Nachdenklich starrte er auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte. Sie hatte recht... Voldemort war niemals kleinlich. Seufzend schüttelte er den Kopf und wandte sich dem Mädchen zu.

„Komm, lass uns hier verschwinden. Bald wird es hier von Auroren nur so wimmeln."

~*~

Alexandra tauchte am Rande eines düsteren Friedhofs wieder auf. Ihr Atem ging schnell, und in ihrem Inneren tobten noch immer ihre Gefühle. Warum hatte Severus das wohl getan? Er hatte keinen Grund dazu. Sie war nur eine niedere Todesserin, während er in der Achtung des Herrn höher stand. Er war es, der die tödlichen Tränke braute, die sie manchmal verwendeten. Er war es, der mehr als selbst der dunkle Lord über Gifte wusste. Warum sollte ausgerechnet er ihr helfen? Seufzend klopfte sie nicht vorhandenen Staub von ihrem schwarzen Umhang und machte sich auf, ihrem Herrn Bericht zu erstatten. Er hatte sein Hauptquartier oder wie immer man das nennen wollte auf diesem Friedhof aufgeschlagen.

Die Muggel mieden ihn seit langem, genauer, seit der Friedhofsgärtner unter „mysteriösen Umständen"zu Tode gekommen war. Diese „mysteriösen Umstände" waren natürlich nichts weiter als ein tödlicher Fluch gewesen, doch die Muggel hier in dieser Gegend waren sehr abergläubisch. Ein spöttisches Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie daran dachte, wie die Bewohner von Little Hangleton wohl reagieren würden, wenn sie wüssten, wer sich auf ihrem Friedhof breit gemacht hatte. Vor ihr tauchte das Haus des ehemaligen Friedhofsgärtners auf. Alexandra holte tief Luft und trat ein. Sofort schlug ihr ein durchdringender Geruch nach Verwesung entgegen. Sie rümpfte die Nase, ging jedoch weiter bis zu den zwei Todessern, die vor der Tür zum Salon standen. Er war also da. Nie konnte man mit Sicherheit sagen, ob der dunkle Lord anwesend war oder nicht, doch sie hatte gehofft, dass er gerade anderweitig beschäftigt war und keine Zeit für sie hatte.

„Ich bringe Nachricht", murmelte sie und die beiden Todesser liessen sie ein. Sofort fiel sie auf die Knie, als sie in einem hohen Lehnsessel ihren Herrn erblickte. Sie hasste das Rumgerutsche, doch es wäre mehr als nur leichtsinnig gewesen, sich dem dunklen Lord anders zu nähern. Angewidert, doch ohne sich etwas anmerken zu lassen, küsste sie den Umhangsaum ihres Herrn und rutschte dann etwas weg von ihm.

„Ist sie tot?"

„Jawohl, Herr", murmelte sie und ihr Herz klopfte bei dieser Lüge so stark, dass sie glaubte, der dunkle Lord müsse es hören.

„Ach, tatsächlich? Nun, ich muss gestehen, das hätte ich nicht erwartet. Du hast in letzter Zeit zu oft versagt, Newton!"

„Ja, Herr."

„Dann büsse dafür. Crucio!"

Glühende Nadeln durchbohrten Alexandras Körper. Sie schrie, schrie so laut sie nur konnte, doch es hörte nicht auf. Irgendwo neben ihrem Schmerz hörte sie, wie ihr Herr lachte. Es war ein eiskaltes, höhnisches Lachen, das in ihren Ohren schmerzte. Doch bald vergass sie das Lachen wieder und sie nahm nur noch den Schmerz wahr... endlich, nach Stunden, so schien es ihr, wurde der Fluch von ihr genommen.

„Lass dir das eine Lehre sein und enttäusche mich nie wieder!"

„Jawohl, Herr."

„Geh. Ich werde rufen, wenn es wieder etwas zu tun gibt. Und diesmal wird deine Aufgabe nicht so leicht sein..."

Alexandra rutschte auf den Knien vor die Tür und erhob sich erst dort. Noch immer schmerzte jeder Zentimeter ihres Körpers und ihr Atem ging keuchend. In ihren Augen glomm Hass, als sie auf den Friedhof hinaustrat. Hass auf ihren Herrn, ungezügelt und vernichtend. Hätte sie gekonnt, so hätte sie ihn getötet. Doch stattdessen gebot er über sie, er war ihr Leben, er war ihr Tod. Am liebsten hätte sie laut geschrieen. Sie hielt es nicht mehr aus. Verzweiflung brach über sie hinein wie eine schwarze Welle, und sie ertrank darin.

Mit letzter Kraft apparierte sie in ihre kleine Wohnung in London und blieb liegen, wo sie ankam. Tränen flossen über ihre Wangen und sie fragte sich zum tausendsten Mal, warum sie diesen Weg gewählt hatte. Er hatte ihr nur Leid gebracht... Leid und ein Gewissen, das sie nicht mehr schlafen liess. Alpträume quälten sie, schwarze Visionen von ihren Opfern und deren Familien. Die Toten klagten sie an, liessen sie in der Hölle schmoren, machten sie krank und schwach. Und sie konnte nichts dagegen tun. Wäre nur Severus nicht aufgetaucht... es wäre so einfach gewesen, auf die Auroren zu warten, ein Fluch, und sie wäre tot gewesen... ein einziger Fluch hätte ihrem elenden Leben ein Ende setzen können! Nur zwei Worte... Avada Kedavra und Schluss. Alles wäre vorbei gewesen. Andererseits... hätten die Auroren auch wirklich den schlimmsten der drei verbotenen Flüche benutzt? Sie hatten zwar die Erlaubnis dazu, doch das Ministerium war auf Informationen aus. Und Informationen hätte sie. Informationen, die ihnen allerdings auch jeder andere Todesser geben könnte... urplötzlich tauchte das Gesicht von Lucius Malfoy in ihrem Geist auf. Die Worte, die er damals zu ihr gesagt hatte... Damals, als er sie das erste Mal in ihrer Wohnung besucht hatte...Voller Abscheu dachte sie daran zurück. Übelkeit stieg in ihr auf und der Hass begann noch stärker zu lodern. Doch gleichzeitig wusste sie mit einer erschreckenden Sicherheit, dass sie nie aus diesem Leben herauskommen würde. Ihr Herr war viel zu stark, als dass er fallen würde, und sollte dies dennoch geschehen, so wäre sie noch immer eine Todesserin und würde in Askaban landen. Askaban! Ihre Gedanken wanderten zum Zauberergefängnis und den Dementoren. Ein schrecklicher Ort, sie war dabei gewesen, als einige geschnappte Todesser befreit worden waren. Eine grausame Kälte hatte sie dort ergriffen, und hatte jemals ein winzig kleines bisschen Glück in ihr existiert, so war es zu jenem Zeitpunkt verschwunden. Als stünde ein Dementor direkt neben ihr wurde ihr auf einmal entsetzlich kalt. Zitternd stand sie auf und schleppte sich in die kleine Küche um sich einen Tee zu machen. Mit einer grossen Tasse in der Hand schwankte sie zu ihrem Bett. Ohne sich die Mühe zu machen, etwas anderes anzuziehen liess sie sich drauffallen und wickelte sich in ihre Decke. Doch die Kälte blieb, und auch ein magisches Feuer konnte sie nicht vertreiben. Schliesslich gab sie es auf und blieb still sitzen, in der Hoffnung, es würde irgendwann aufhören. Bald fielen ihr die Augen zu und sie glitt in eine Welt voller dunkler Träume.

Schreiende Menschen überall... ich erkenne meine Opfer in ihnen. Sie sehen mich anklagend an, ich bitte sie um Verzeihung. Doch sie hören mich nicht. Hört doch! Es tut mir leid! Es waren Befehle... aber sie lachen nur höhnisch und fragen: was nützt uns das? Wir sind tot, und wir wollen Rache! Immer näher und näher kommen sie, strecken ihre knochigen Hände nach mir aus. Mir ist kalt. Ich will hier weg! Aber niemand ist da, ich bin allein. Sie greifen nach mir, ich schreie: NEIN! Geht weg! Lasst mich...

„Alexandra?" Jemand hielt ihre Handgelenke fest und schüttelte sie. Schweissgebadet öffnete sie ihre Augen und sah ins Gesicht von Severus Snape.