Titel: My Beauty Is Black
Autor: crazycat1895
Rating: NC-17 (für das zweite Kapitel)
Kapitel: 2
Disclaimer: Nichts davon gehört mir.

My Beauty Is Black

"You and me, we spark; no, I take that back
Like a dancer in the dark, my beauty it's black
Just match your lips up to mine
Come on and steal a kiss, rob me blind" (Rob Me Blind by Jay Brennan)

Kapitel 1

Seit einigen Wochen ging John jetzt schon am Wochenende aus, und Sherlock wusste immer noch nicht, wohin er ging. Er wusste, dass er momentan keine Freundin hatte; er wusste, dass er sich nicht mit Lestrade oder Stamford traf, also wohin ging er? Er hätte ihn fragen können, aber das würde er nie tun. Er könnte es deduzieren, sicher könnte er das; und natürlich hätte er es gewusst, wenn er es wirklich gewollt hätte.

Sherlock blickte stirnrunzelnd auf seine Geige. Normalerweise war sie das Mittel seiner Wahl, um ihn abzulenken oder ihm beim Denken zu helfen, aber diesmal half auch sie ihm nicht. Er hatte versucht etwas zu komponieren, aber er konnte sich nicht konzentrieren, seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er legte sie zur Seite und warf sich auf die Couch.

Morgen war Freitag, und er war ziemlich sicher, dass John wieder ausgehen würde. Er selbst hatte einen Fall, und er hatte Lestrade versprochen, ihm zu helfen. Sie wollten einen Erpresser auf frischer Tat ertappen. Sherlock würde die Rolle des Opfers übernehmen und den Erpresser in einem Club oder einer Kneipe treffen, irgendwo, wo Lestrades Leute ihn unauffällig überwachen konnten. Er schloss seine Augen, legte die Hände unter dem Kinn zusammen und ließ seine Gedanken wandern.

Zwei Stunden später kam John nach Hause, es war ein langer und anstrengender Tag in der Praxis gewesen und er war müde und hungrig. Sherlock lag immer noch auf der Couch. Er hatte sich nicht bewegt seit er sich am Nachmittag hingelegt hatte, tat es auch jetzt nicht, also sagte John nur "Hallo", ohne eine Antwort zu erwarten, und ging direkt in die Küche, um zu sehen, ob er etwas essbares im Kühlschrank finden konnte. Natürlich war nichts da, wie üblich, weil er keine Zeit gehabt hatte um einzukaufen und Sherlock ... er hatte entschieden, dass es sich nicht lohnte, sich über etwas aufzuregen, das er doch nicht ändern konnte.

"Sherlock, möchtest du etwas essen? Es ist nichts da, ich denke ich hole mir was vom Chinesen unten an der Straße. Willst du auch was?" John stellte den Wasserkocher an und nahm zwei Tassen und Teebeutel aus dem Schrank. Als der Tee fertig war ging er zurück ins Wohnzimmer und stellte Sherlocks Becher neben ihn auf den Couchtisch.

"Sherlock! Hörst du mir zu? Neuer Fall?" John setzte sich in seinen Sessel, nippte am Tee und beobachtete seinen Mitbewohner. Sherlock öffnete seine Augen und blickte John an, der jetzt unruhig in seinem Sessel herumrutschte. "Ist alles in Ordnung, Sherlock?" John nahm einen weiteren Schluck.

Mit einem eleganten Schwung setzte Sherlock sich hin. "Ja, es ist alles in Ordnung und chinesisch wäre schön, danke." Damit stand er auf und verschwand in seinem Zimmer.

Ok, richtig, chinesisch also. John trank seinen Tee aus und stellte die Tasse in die Spüle, dann schnappte er sich seinen Mantel und ging, um ihr Essen zu holen. Er war im Moment zu müde, um sich jetzt Gedanken oder Sorgen um Sherlock zu machen.

Als der Doktor zurückkam, verließ Sherlock sein Zimmer und sie aßen zusammen. Sherlock erzählte ihm von dem Erpressungs-Fall, und dass er Lestrade am nächsten Tag helfen würde. John fragte, ob er ihn brauchen könnte, aber Sherlock lehnte ab, das wäre nicht nötig, Lestrade Leute würden da sein, um Sherlocks Sicherheit zu gewährleisten.

In dem Moment in dem er es ausgesprochen hatte, hätte er sich am liebsten geohrfeigt. Dumm, dumm, dumm! Wenn John ihn begleitete würde er nicht alleine ausgehen. Wie konnte er so dumm sein? Aber jetzt war es zu spät, John würde es sehr merkwürdig finden, wenn er sich jetzt um entschied.

John selbst war ein wenig enttäuscht, er wäre gern dabei gewesen. Aber wenn er nicht benötigt wurde würde er sich nicht aufdrängen. Sie sahen fern, bis John schließlich die Augen zufielen und er ins Bett ging, Sherlock überprüfte noch eins seiner Experimente und machte sich einige Notizen.

Als der Doktor am nächsten Abend nach Hause kam, war die Wohnung leer. Sherlock war mit Lestrade unterwegs und John wusste, dass es die ganze Nacht dauern könnte. Also kochte er sich ein paar Nudeln mit Tomatensoße, er hatte den Einkauf nach der Arbeit erledigt, aß eine Portion und stellte den Rest in den Kühlschrank, vielleicht würde Sherlock später etwas wollen. Als er den Abwasch erledigt hatte, ging John in sein Zimmer und legte sich etwas hin, um zu lesen, er wollte sich ein wenig auszuruhen.

Sherlock ging zuerst zum Yard, um die letzten offenen Fragen zu besprechen. Er trug ausnahmsweise keiner seiner maßgeschneiderten Anzügen, sondern Jeans und ein schlichtes weißes Hemd, und er hatte seinen Mantel mit einer braunen Lederjacke vertauscht. In den Haaren hatte er Gel, so dass seine Locken fast verschwunden waren. Er war bereit loszulegen.

Als er den Club betrat, in dem er den Erpresser treffen sollte, hatte sich seine ganze Statur verändert; sein Gang, seine Haltung, er schien sogar kleiner zu sein als vorher. Dies war nicht Sherlock Holmes, dies war ein gebrochener Mann, der erpresst wurde und für einen Fehler bezahlte, den er vor Jahren begangen hatte. Die Vorstellung war perfekt.

Sherlock setzte sich an die Theke und bestellte sich ein Bier, seine Aktentasche hatte er auf dem Schoß, hielt sie schon fast an die Brust gedrückt. Er wirkte verschüchtert, ängstlich. Zwanzig Minuten später setzte sich ein untersetzter dunkelhaariger Mann auf den Hocker neben ihn. Er war der Mann, auf den er wartete und Sherlock brauchte nur etwa eine Viertelstunde, um alle relevanten Informationen, die für eine Verhaftung Notwendig waren, aus ihm heraus zu bekommen. Als er versuchte zu fliehen, konnten Lestrades Leute ihn aufhalten und verhaften. Sherlock riss sich das Mikro von der Haut und gab es Lestrade.

"Kommen Sie mit? Ich kann Sie mitnehmen und zu Hause absetzten." Lestrade sah ihn abwartend an. "Ich hab noch eine Menge Papierkram zu erledigen, aber Sie können morgen vorbeikommen und Ihre Aussage machen."

"Ok", antwortete Sherlock, "ich werde morgen kommen, aber jetzt bleibe ich noch etwas hier und trinke mein Bier, wenn Sie nichts dagegen haben. Man sieht sich, Lestrade." Und mit diesen Worten drehte er sich um und ignorierte den Chief Inspector. Lestrade seufzte, "In Ordnung, wir sehen uns morgen. Und Grüßen Sie John von mir." Seine einzige Antwort von Sherlock waren ein "Hmm hmm" und ein Nicken.

Er verließ den Club und Sherlock drehte sich wieder herum, um die Leute zu beobachten. Er mochte das, beobachten und deduzieren, er hätte es noch mehr gemocht, wenn er jemanden gehabt hätte, dem er seine Deduktionen hätte darlegen können, aber John war nicht da. Dumm, dachte er wieder, so dumm, warum hatte er Johns Angebot zu helfen abgelehnt? Sollte er ihm eine SMS schicken?

Sherlock blickte auf etwa fünfundzwanzig Tische, dahinter war eine Tanzfläche. Das Publikum war gemischt, aber die Meisten waren zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig Jahre alt. Während er darüber nachdachte, ob er John eine Nachricht schicken sollte, glitt Sherlocks Blick über die Tanzfläche, dann erstarrte er. Er starrte einen bestimmten Tänzer an, enge schwarze Hose, knappes, ebenfalls schwarzes T-Shirt, blonde kurze Haare … John!

Sein erster Impuls war, zu ihm zu gehen und ihn von der Tanzfläche zu ziehen. Er sollte hier, bei ihm, bei Sherlock, sein, und fasziniert seinen Deduktionen zuhören. Sherlock betrachtete den tanzenden Doktor nun genauer. Er hatte John bisher noch nie in dieser Hose und diesem T-Shirt gesehen, es stand ihm ausgesprochen gut. Unter dem engen, schwarzen Shirt konnte er sehe, wie sich seine Muskeln bewegten, es war … ansprechend. John tanzte wirklich gut. Seine Bewegungen waren geschmeidig und kraftvoll, er bewegte sich perfekt im Takt zur Musik und schien davon ganz umfangen zu sein.

Und Sherlock war mit seinen Beobachtungen nicht allein; er bemerkte eine Frau, die um John herum tanzte. Sie versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, aber John ignorierte sie. Sherlocks Augen wurden schmal. Nicht nur diese Frau fühlte sich von John angezogen, ein gutaussehender Kerl tanzte ebenfalls um ihn herum, und John lächelte ihm mehrfach zu. Er war ungefähr so groß wie Sherlock, dunkelhaarig, mit einem durchtrainierten Körper, und John lächelte ihn an!

Sherlock fühlte einen Stich in der Brust, den er nicht zuordnen konnte, und als John und der andere Mann zwei Lieder später an die Theke gingen, um etwas zu trinken, war Sherlock verschwunden.

Den ganzen nächsten Tag lag Sherlock in seiner Denker-Pose auf dem Sofa. Er sprach nicht, er aß nicht, er bewegte sich nicht. Er hatte John in den frühen Morgenstunden nach Hause kommen gehört, er hatte die Nacht also woanders verbracht. Aber es war nicht die Frau gewesen, er hatte die Frau ignoriert. John hatte bisher immer nur Freundinnen, seit wann fühlte er sich zu Männern hingezogen? Und warum störte das Sherlock so? Das Stechen in seiner Brust hatte nicht aufgehört zu schmerzen, im Gegenteil, es war schlimmer geworden, als John in der Nacht nicht nach Hause gekommen war. Aber warum? Sherlock verstand nicht was passiert war, also musste er darüber nachdenken.

Es war ihm bisher egal gewesen wenn John mit unterschiedlichen Frauen ausging. Seine Beziehungen dauerten sowieso nie sehr lange, und wenn John für einen Fall brauchte, war er immer zu Stelle. Was also war diesmal anders?

Zuerst einmal hatte John seit Monaten keine Freundin mehr gehabt, was unbestreitbar war. Zweitens war er letzte Nacht mit einem Mann zusammen gewesen. Und drittens war John normaler Weise nicht der Typ für einen One-Night-Stand, so war er einfach nicht. Irgendetwas musste sich geändert haben, aber er hatte nichts bemerkt.

Er hatte nichts bemerkt … Vielleicht war das das Problem, ja. Das war logisch und machte Sinn. Also warum hatte er vorher nichts bemerkt? Wie konnte er etwas Derartiges übersehen? Was hatte er sonst noch übersehen? Und warum sollte es wichtig sein, ob John sich mit Frauen oder Männern verabredete? Wahrscheinlich war es sogar besser, wenn er sich mit Männern traf; die Chance, dass er heiraten und ausziehen würde war dabei viel geringer als bei Frauen. Aber was war mit dem "Ich bin nicht schwul", dass John bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von sich gab? Sherlock blinzelte. All das erklärte immer noch nicht, warum er so gereizt war!

John kam erst am späten Vormittag herunter und machte sich Tee und einen Toast. Gähnen fragte er Sherlock, ob er auch Tee wollte, bekam aber keine Antwort. Also setzte er sich mit seiner Tasse und seinem Teller hin, um seine E-Mails zu lesen, dann schrieb er etwas in seinem Blog. Er fand die Situation etwas seltsam, denn offensichtlich wollte Sherlock nicht mit ihm sprechen, beobachtete ihn aber immer wieder, wenn er dachte John bekäme es nicht mit.

"Sherlock", versuchte er es nach dem Duschen, "ist alles in Ordnung?" Keine Antwort. "Was ist mit dem Erpressungs-Fall?" Er runzelte die Stirn; Sherlock hatte ihm bisher noch nichts erzählt. "Sherlock", versucht er es noch einmal, "könntest du bitte mit mir sprechen?" Nichts, Sherlock starrte nur an die Zimmerdecke. Der Doktor gab auf. "Ok, ich braue etwas Luft. Bis später." Damit verließ er die Wohnung und ließ Sherlock starrend zurück.

An diesem Abend ging John spät weg. Er hatte nach seinem Spaziergang noch einmal versucht, mit Sherlock zu reden, aber wieder nichts erreicht. Daher nahm er seinen Laptop und ging nach oben in sein Zimmer um ein bisschen im Internet zu surfen. Es störte ihn nicht, dass Sherlock manchmal tagelang nicht sprach, er war daran gewöhnt, aber das hier war anders. Die ganze Zeit angestarrt und deduziert zu werden war Nervenaufreibend. Vielleicht ein neues Experiment? Wie lange brauche ich, um bei meinem Mitbewohner nur durch anstarren einen Nervenzusammenbruch hervorzurufen? Das sähe ihm ähnlich! Wer konnte schon sagen, was in Sherlock Holmes Kopf vor sich ging?

Es war 23:30 Uhr als Sherlock die Haustür hörte. Er hatte die Stufen nicht gehört, also hatte John darauf geachtet, besonders leise zu sein. Eine halbe Stunde später verließ er selbst die Wohnung und ging in den Club, in dem John letze Nacht gesehen hatte; er trug die Lederjacke, nicht seinen auffälligen Mantel. Er war sicher, dass John wieder da sein würde und er musste wissen, was vor sich ging. Auch wenn er selbst nicht ganz sicher war, was er damit meinte.

Sherlock bestellte sich etwas zu trinken und suchte sich einen Ort, von dem aus er die Tanzfläche beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Und da war er, John, er tanzte allein, aber niemals ohne Begleitung. Die ganze Zeit umschwirrten ihn Frauen, aber auch Männer, die versuchten, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er war wieder ganz in schwarz gekleidet, die Hose und das T-Shirt hauteng, so dass er die Muskeln sehen konnte, die sich unter dem Stoff bewegten. Es war großartig, John war wunderschön, wie er sich im Rhythmus zur Musik bewegte.

Der nächste Song war langsam und Johns Augen waren die meiste Zeit geschlossen, während er eine hübsche Blondine ignorierte, die eine Weile um ihn herumtanzte. Es war atemberaubend, Sherlock vergaß buchstäblich zu atmen. Er konnte John lediglich mit offenem Mund anstarren. Dann folgte ein schnelleres Stück, der Beat war härter. John schien ihn aufzusaugen, wurde wieder eins mit der Musik und dem Rhythmus. So ging es weiter, bis John nach drei oder vier weiteren Songs eine Pause machte und sich an der Bar etwas zu trinken holte. Mittlerweile hatten zwei weitere Frauen und ein Mann versucht mit ihm zu tanzen, aber er hatte sie alle ignoriert.

Sherlock drückte sich tiefer in den Schatten. Er wollte unter keinen Umständen entdeckt werden, hätte nicht gewusst, was er John hätte sagen sollen. Er war völlig verwirrt, verstand nicht, was mit ihm passierte. Er wollte nach Hause, aber John ging wieder auf die Tanzfläche und Sherlock konnte seinen Blick nicht von ihm losreißen. Er fühlte sich völlig verloren.

Dann tauchte der dunkelhaarige Kerl vom Vorabend wieder auf und Sherlock fühlte, wie sich sein Magen verkrampfte. Der Mann stand am Rand der Tanzfläche und beobachtete John. Schließlich tanzte er, schob sich immer näher an John heran, lächelte ihn an, sprach ihn endlich an. Sherlock fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Plötzlich konnte er das hier nicht länger ertragen, sonst würde er sich übergeben. So ruhig wie möglich verließ er den Club und ging zurück zu 221B.

Er fühlte sich schwindelig und der Drang zu erbrechen wollte nicht verschwinden. Unruhig ging er durch die Wohnung, bis er Johns Schritte auf der Treppe hörte. Sherlock blieb wie angewurzelt stehen, dann stürmte er in sein Schlafzimmer und verriegelte die Tür. Also war John in dieser Nacht zumindest nach Hause gekommen, das war gut, nicht wahr? Sherlock knirschte mit den Zähnen. Was geschah mit ihm? Warum sollte das gut sein? Er lauschte. War John alleine? Hatte er den Dunkelhaarigen womöglich mitgebracht? Nein, das würde er nicht…. könnte er nicht... Sherlock musste würgen und rannte ins Bad, um sich zu übergeben.

Als John nach Hause kam, sah er das Licht im Wohnzimmer und hörte Sherlock herumlaufen. Für einen Augenblick überlegte er, ob er nach ihm sehen sollte, aber es war spät und er war müde. Er hatte die halbe Nacht getanzt und es war schwierig gewesen Victor abzuschütteln. Er war sich nicht sicher, ob er sich ausgerechnet jetzt mit seinem seltsamen Mitbewohner beschäftigen könnte.

Bevor er ins Bett ging wollte er sich noch ein Glas Wasser holen, dann hörte er es. Musste Sherlock erbrechen? War er krank? Oh, um Himmels willen, warum hatte er ihm nichts gesagt? Er klopfte an die Badezimmertür. "Sherlock? Sherlock, bist du ok?" Seine einzige Antwort war ein weiteres Würgen.

Er klopfte nochmal. "Sherlock! Mach die Tür auf!" Wieder ein Würgen. Jetzt langte es ihm, zum Glück hatte Sherlock nicht abgeschlossen. Als er ins Bad kam, sah er Sherlock neben der Toilette zusammengekauert auf dem Boden knien. Er war aschfahl und sah furchtbar aus. "Sherlock", mit einem Satz war John neben ihm. "Sherlock, was ist passiert?" Vorsichtig legte er ihm einen Arm um die Schultern um ihn zu stützen, mit der anderen Hand fühlte er prüfend seine Stirn, eiskalt, und er zitterte am ganzen Körper. "Komm, ich bringe dich ins Bett. Na komm schon." Mit einigem Kraftaufwand gelang es ihm, Sherlock hochzuziehen und in sein Schlafzimmer zu bugsieren. Er setzte ihn auf die Bettkante und half ihm, sich auszuziehen. Nachdem er ihn zugedeckt hatte, stellte er ihm noch einen Eimer ans Bett, legte ihm ein Paket Taschentücher auf den Nachtschrank und stellte ihm auch ein Glas Wasser hin. Sherlock hatte aufgehört zu zittern, er lag mit geschlossenen Augen unter der Decke und sah so … verletzlich aus. So gar nicht wie … Sherlock.

Es erschreckte John ihn so zu sehen. Irgendetwas musste passiert sein. John setzte sich zu ihm ans Bett. "Sherlock, was ist los? Kannst du mir erzählen, was passiert ist?" Aber Sherlock kniff nur die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, er fing wieder an zu zittern. "Ruhig, Sherlock, es ist alles in Ordnung." John streichelte beruhigend über seinen Oberarm. "Ich bleibe hier, bis du eingeschlafen bist, es ist alles gut." Langsam entspannte Sherlock sich und schlief schließlich ein. Er bekam nicht mit, wie John ihm über die Locken streichelte und ihm einen sanften Kuss auf die Stirn drückte, bevor sein Zimmer verließ.

Sherlock erwachte am nächsten Morgen mit einem furchtbaren Geschmack im Mund. Er öffnete seine Augen und sah die Taschentücher, das Glas Wasser und den Eimer, und alles war wieder da. Wie eine Welle schlug die Erkenntnis über ihm zusammen. Die Gefühle die ihn überwältigt hatten, die Übelkeit, alles war wieder da. Sein Körper hatte ihn betrogen. Er begann wieder zu zittern. Gefühle! Er hasste sie! Er zwang sich ruhig zu atmen, bis das Zittern nachließ und schließlich aufhörte, dann trank er einen Schluck Wasser und ließ sich wieder in die Kissen fallen.

Er musste nachdenken. John. John ganz in Schwarz. John tanzend. John mit dem anderen Mann. John! Sein Magen zog sich zusammen, seine Brust schmerzte. Nein! Er wollte das nicht! Gefühle waren nicht sein Resort. Die Arbeit war sein Leben, alles andere war nur Transport. Gefühle waren kein Vorteil, ganz im Gegenteil, Liebe war ein gefährlicher Nachteil. Irene hatte ihm den Beweis geliefert. Wütend warf er sich im Bett herum. Er musste sich zusammenreißen, seine Gedanken und Gefühle wieder unter Kontrolle kriegen.

Als John eine Stunde später herunter kam, saß Sherlock in seinem Sessel und las in die Zeitung, neben sich eine Tasse Kaffee. Er war wie immer perfekt gekleidet und sein Gesicht war völlig neutral als er John einen guten Morgen wünschte. John stutzte kurz, dann ging er in die Küche, um sich einen Kaffee zu holen. Hatte er das gestern Nacht nur geträumt? Er machte sich einen Toast und ging mit dem Teller und dem Kaffeebecher wieder ins Wohnzimmer und setzte sich in seinen Sessel.

Nachdem er den Teller abgestellt hatte, nahm er einen Schluck Kaffee. "Wie geht es dir heute Morgen? Offensichtlich ist die Übelkeit verschwunden."

"Hmm? Oh, ja, ja, es scheint so." Sherlock blickte auf, er wirkte etwas unsicher. "Ich habe wohl irgendwas nicht vertragen. Umm … also … wegen letzter Nacht … danke."

John legte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn genau. "Geht es dir gut? Du hast dich gerade bei mir bedankt."

Sherlocks Gesicht wurde verschlossen. Er nahm die Zeitung wieder hoch und verschanzte sich dahinter. John seufzte, "Tut mir leid, Sherlock." Aber es war zu spät, Sherlock antwortete nicht mehr. Das hatte er nicht beabsichtigt. Für den Rest des Tages hüllte Sherlock sich in Schweigen.

Das änderte sich auch im Laufe der nächsten Woche nicht. Sherlock war ungewöhnlich ruhig, obwohl er keinen neuen Fall hatte. Irgendetwas beschäftigte ihn, aber John hatte keine Ahnung, was es war. Die meiste Zeit lag Sherlock schweigend auf dem Sofa, die Hände unter dem Kinn wie zum Gebet gefaltet, und dachte nach. Jedenfalls vermutete der Doktor, dass er nachdachte.

Endlich war wieder Freitag. John war erschöpft von der Arbeit, aber auch von Sherlocks Nicht-Beachtung. Vor ein paar Tagen noch hatte er noch gedacht, dass es ihn nicht störte, wenn Sherlock manchmal tagelang nicht sprach, das würde ihm heute nicht mehr passieren.

Wenn er nur wüsste, was mit ihm los war, wie er ihm helfen könnte. Er hatte mehrfach versucht mit ihm zu reden, hatte ihn angeschrien, sich entschuldigt, ihn gebeten, wieder geschrien. Nichts. Er wurde einfach ignoriert und das machte ihn … wütend … und traurig … und so wütend! Schließlich war er ihm so weit wie möglich aus dem Weg gegangen, denn wenn er ehrlich zu sich war, und das zumindest war er, tat es ziemlich weh.

John kam später als sonst nach Hause, weil er einige von Sarahs Patienten übernommen hatte, sie musste am Nachmittag zu einem Termin außerhalb. Aber er hatte auch nicht vor, lange zu bleiben. Nach einer schnellen Dusche ging er in sein Zimmer, zog sich um und verließ das Haus wieder. Er wollte irgendwo etwas essen und dann in den Club, Dampf ablassen. Vielleicht könnte er danach wieder klarer denken und sich überlegen, was er mit seinem bescheuerten Mitbewohner anstellen musste, damit der allmählich mal mit der Sprache rausrückte. Noch so eine Woche würde er nicht überstehen. Und vielleicht ergab sich ja sogar was für die Nacht, etwas das ihn ablenkte von seinen Gedanken an …

Als er die Straße überquert hatte drehte er sich um und blieb er einen Moment stehen. Sein Blick fiel auf die Fenster seiner - ihrer - Wohnung. War Sherlock in seinem Zimmer, oder war er im Wohnzimmer, stand vielleicht sogar am Fenster, hatte sich da nicht die Gardine bewegt? Nein, albern darüber nachzudenken, er ließ den Kopf hängen. Dann straffte er sich, er musste endlich darüber hinwegkommen, so ging es nicht weiter. Er biss die Zähne zusammen, also los, erst mal was essen. Entschlossen drehte er sich um und ging davon.