Vorwort: Ich habe den Titel zu dieser Geschichte dem Film Die fetten Jahre sind vorbei angelehnt. Zwar kenne ich ihn immer noch nicht, doch ich bei dieser Geschichte länger als eigentlich sonst titellos umher geschwirrt, so dass ich ihn eigentlich recht passend fand, als er mir schließlich einfiel. Zu der Geschichte des Films und meiner Fanfiction sollte es allerdings keine Parallelen geben.
Ich habe schon lange keine Fanfiction bzw. überhaupt keine Geschichte rein um Liebe und Freundschaft geschrieben und noch viel länger keine zu Digimon Tamers, deswegen hoffe ich, dass mir der Einstieg gut gelungen ist.
Jetzt wünsche ich euch noch viel Spaß beim Lesen. Über Kommentare freue ich mich natürlich wie immer sehr. :)
Eure Tanya *winke*
Kapitel 1 – Ja, genau der Akiyama
Da saß ich also. Kritzelte gelangweilt in meinen Block und war umringt von schwatzenden und neugierigen Hochschülern, die alle darauf warteten mit Wissen vollgepumpt zu werden, dessen Gewichtigkeit ihnen wahrscheinlich allen so vorkam, als würde es gleichzeitig Antworten auf die Fragen des Leben beinhalten.
Ich hatte mich für einen soliden Mittelreihenplatz entschieden und bereute es jetzt schon, nicht in der Versenkung nach hinten verschwunden zu sein. Die Menschenmengen um mich herum waren erdrückend. Viele kannten sich bereits und unterhielten sich angeregt. Ich hatte unter ihnen einige mir bekannte Gesichter aus meinen früheren Schulen wiedererkannt. Allerdings war niemand dabei, dessen Anwesenheit ich gerne neben mir gehabt hätte. Im Grunde war ich sowieso immer froh, wenn man mir meine Ruhe ließ.
„Hey", sagte plötzlich eine männliche Stimme neben mir und ließ mich aufschrecken. „Sind die Plätze hier noch frei?"
Na super, vorbei war es auch schon mit der Ruhe.
Ich hob den Kopf und blickte in das Gesicht eines großen Mannes mit braunen Locken, dunklen Augen und einer markanten Brille. Er lächelte mich freundlich an und war in Begleitung eines anderen Mannes, der etwas kleiner und schwarzhaarig war.
„Tut euch keinen Zwang an", entgegnete ich und nickte mit einer kleinen Geste zu den Plätzen hinüber, ehe ich wieder das Gesicht in meinen Block vergrub.
Die beiden Männer setzten sich und wechselten ein paar Worte miteinander, die ich allerdings schon gar nicht mehr mitbekam.
„Ich bin Saitou Katsuki", sagte dann auf einmal der Brillenträger wieder zu mir gewandt. Ich hob erneut den Blick und er deutete nun auf seinen Freund. „Und das ist Ishitaka Moto."
Beide lächelten mich erwartungsvoll an.
„Rika Nonaka", entgegnete ich knapp.
Sie wirkten nett und sahen gut aus, aber ich war einfach kein sonderlich gesprächiger Mensch und neue Gesellschaft musste ich erst immer wieder genau unter die Lupe nehmen.
Ishitaka öffnete jetzt den Mund um etwas zu sagen, allerdings wurde er unterbrochen, als im Saal plötzliche Stille eintrat. Ich folgte seinem verwunderten Blick und erkannte, dass ein Mann um die 40 am Lesepult erschienen war. Er räusperte sich kurz und sein Blick glitt prüfend durch die Reihen im Raum, damit auch die letzten verstummten. Endlich ging es los.
„Hallo zusammen", sprach der Mann mit lauter Stimme. „Ich möchte euch herzlich auf der Hochschule willkommen heißen. Ich bin Professor Kazuya Kotomo und zusammen werden gemeinsam die Mathematik erforschen."
Er lächelte in die Runde und mein Blick schweifte ab, als ein Mann die Treppe an der Seite hinunterhastete. Professor Kotomo entdeckte ihn und zwinkerte dem Mann amüsiert kopfschüttelnd zu. Ich konnte ihn nur entgeistert anstarren. Als er entschuldigend grinste, wurde mir eindeutig bewusst, wen ich eigentlich die ganze Zeit anstarrte und wie schnell sieben Jahre doch vergingen. Ein solches Grinsen konnte nur einem gehören: Dort unten stand niemand geringerer als Ryo Akiyama!
Mein Herz begann zu rasen und ich spürte förmlich, wie ich bleich wurde. Vor gut acht Jahren hatte ich eigentlich beschlossen ihn zu mögen oder zumindest netter zu ihm zu sein. Es war nur fair, denn immerhin hatten wir auch einiges miteinander durchgemacht. Und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ich unwillkürlich in meinem Stuhl kleiner wurde.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Saitou mir einen verwunderten Blick zu warf. Ich starrte aber noch immer Ryo an. Der setzte sich jetzt auf einen freien Platz in die erste Reihe und kramte einen Block aus seiner Tasche hervor und begann sich irgendetwas zu notieren.
„... und wenn wir schon gerade bei der Vorstellung sind, dann will ich euch auch noch den jungen Herrn hier vorstellen", fuhr der Professor fort, nachdem er wieder die allgemeine Aufmerksamkeit hat. „Das ist Ryo Akiyama. Er ist im letzten Semester und wird euch als Tutor hilfreich zur Seite stehen. Habt ihr Fragen und Probleme – gleich welcher Art – dann könnt ihr euch jederzeit an ihn werden."
Ryo drehte sich um, damit ihn jeder sah, hob winkend die Hand und grinste. Ich rutschte weiter in meinem Stuhl hinunter und hoffte inständig, dass er mich nicht entdecken würde. Wir waren vielleicht 40 bis 50 Studenten im Raum. Ein gar kein so leichtes Unterfangen also.
Ich fuhr mir einmal durch mein langes braunes Haar, so dass es mein Gesicht besser umrahmte. Einige Strähnen fielen mir dabei in die Stirn. Normalerweise hasste ich das, doch ich hoffte jetzt, mich dahinter verstecken zu können. Doch Ryo sah nicht so aus, als hätte er mich entdeckt. Sein Blick streifte mich nicht einmal und er wandte sich wieder um, um weiter etwas auf seinen Block zu schreiben.
Super. Was zum Teufel machte Ryo ausgerechnet in der Mathematik? Und was machte ich hier eigentlich? Wieso hatte ich in meiner Phase der Selbstfindung nur Mathematik belegt, weil das immer einen guten Eindruck auf dem Abschluss machte?
Vor allem beschäftigte mich aber die Frage, seit wann Ryo in Tokio war und warum ich nichts davon wusste. Sicherlich, ich hatte ihm nie zu spüren gegeben, dass ich ihn sonderlich mochte – was ja auch der Fall war –, aber ich hätte trotzdem erwartet – eben, weil wir so viel gemeinsam durchgemacht hatten – dass er so etwas erwähnen würde. Wenn schon nicht mit gegenüber, dann vielleicht bei Takato oder Henry – von mir aus auch bei Kazu. Oder ob sie es vielleicht wussten?
Ich hätte es auf jeden Fall gerne gewusst. Allein schon deswegen, damit ich vorgewarnt war, dass ich ihm vielleicht mal auf den Straßen über den Weg laufen würde, oder, dass er plötzlich in meiner Mathematik-Vorlesung auftauchten könnte.
Und dann auch noch als Tutor! Pha. Ich schnaubte innerlich. Als ob ich bei Ryo Akiyama Nachhilfe neben würde, wenn ich in Mathe Probleme bekam. Ganz zu Schweigen davon, ihm Probleme anzuvertrauen. Einmal kurz gelacht bitte.
Die nächsten zwei Stunden lebte ich in Angst, dass Ryo mich doch noch entdeckte. Gerade gegen Ende der Vorlesung wurde es extrem brenzlig für mich, denn beim Verlassen des Unterrichts war Ryo irgendwo gefährlich nahe hinter mir. Hatte er denn jetzt nicht irgendwelchen wichtigen Tutorats-Pflichten nachzukommen, anstatt gleich als Erster die Düse zu machen? Gerade noch rechtzeitig huschte ich aus dem Raum.
Ich wusste nicht, wieso ich so viel Angst davor hatte, Ryo wieder zu begegnen. Wann hatte ich denn schon einmal vor etwas Angst gehabt? Wahrscheinlich war es einfach deswegen, weil ich ihn nicht mochte und er mir auf die Nerven ging. Punkt. Und jetzt war ich erst mal mit Henry, Jen und Kenta im Aufenthaltsraum verabredet.
Als ich in den Aufenthaltsraum kam, saßen die drei bereits in einer der Sitzecken am Fenster und unterhielten sich angeregt über ihre ersten Vorlesungen. Jen schwärmte begeistert über Fotografien ihrer Professorin, von denen sie glaubte, dass ihr so etwas niemals gelingen würde. Henry und Kenta verstanden relativ wenig Kunst. Sie studierten Physik und Biologie und hatten große Mühe dabei, Jen gut zuzureden.
Takato und Kazu studierten nicht. Nach der Schule hatten beide eine Ausbildung begonnen. Takato in der Bäckerei seiner Eltern und Kazu in einer Werkstatt.
Kaum, dass ich mich auf den freien Platz neben Henry niedergelassen hatte, wurde ich auch sofort miteinbezogen. Anscheinend fühlten sich die beiden bereits ein bisschen überfordert.
„Oder Rika?", sagte Henry. „Jen macht einfach fantastische Fotos."
Henry und Kenta sahen mich erwartungsvoll an und Jen wirkte verunsichert. Sah so aus, als wurde also eine positive Antwort von mir erwartet.
„Natürlich", entgegnete ich und stellte meine Tasche am Boden ab. Ich log dabei nicht einmal. Mir gefielen Jens Bilder.
Erleichtert stieß Jen einen Seufzer aus. Sie lief rot an und lächelte uns verlegen an. „Wirklich?"
Kenta seufzte genervt und rollte mit den Augen. „Ja, Jen! Das hat doch gerade selbst Rika gesagt!"
„Hey, was soll denn jetzt das heißen?", fragte ich Kenta missbilligend.
„Du bist eben sehr direkt und ehrlich." Kenta zuckte arglos mit den Achseln. „Das weißt du doch selbst."
Ich seufzte. „Na, wie auch immer."
„Und wie war dein Tag bis jetzt?", fragte Henry und musterte mich besorgt. „Du siehst nicht besonders glücklich aus."
„Doch, doch, es war in Ordnung", sagte ich und überlegte kurz, um ich die anderen auf Ryo ansprechen sollte. Aber wieso auch nicht? Dann konnte ich ihnen auch gleich schon mal vorwerfen, dass mir niemand etwas gesagt hatte. „Wusste denn einer von euch, dass Ryo wieder in Tokio ist?"
Alle drei starrten mich mit großen Augen und relativ dümmlichen Gesichtern an. Ich verdrehte innerlich die Augen. Es hatte also keiner gewusst.
„Du meinst Ryo Akiyama?", fragte Kenta nach.
„Nein, Kenta", presste ich genervt hervor und verdrehte dabei wirklich die Augen. „Ryo Weihnachtsmann. Natürlich den Akiyama! Wen denn sonst? Er ist Tutor bei Professor Kotomo."
Kenta war der erste, der seine Überraschung überwand und begann zu grinsen. „Echt? Ist denn das nicht cool? Ryo ist wieder in der Stadt!"
Natürlich. Wie hatte ich denn das auch nur vergessen können? Kazu und Kenta gehörten ja zu seinem persönlichen Fanclub.
Aber auch Henry und Jen freuten sich über diese Nachricht.
„Ja, das ist wirklich schön", sagte Jen.
„Was hat er gesagt?", fragte Henry mich.
Ich sah Henry ein wenig irritiert an, ehe ich „Nichts" hervorpresste.
Kapierte denn niemand von ihnen, dass Ryo wahrscheinlich schon ein paar Jahre hier war und sich bei niemandem von uns gemeldet hatte? Seit dem Sommer 2002, also wir vergeblich Nachrichten in die Digiwelt geschickt hatten, um unsere Partner dort zu erreichen hatten wir uns weder gesehen noch gesprochen. Im Grunde waren wir also mal befreundet gewesen. Na ja, ich musste aber zugeben, dass ich in den letzten sieben Jahren auch nicht versucht hatte, Kontakt zu ihm aufzunehmen.
„Wie nichts?", hakte Kenta nach. „Du hast nicht mit ihm geredet?"
„Nein, ich ..." ... bin davon gelaufen, beendete ich in Gedanken. Allerdings würde ich das definitiv nicht gestehen. „hab's eilig gehabt – ich war immerhin mich euch verabredet und es ist ja auch nur Ryo."
„Oh ja richtig, du hast ihn ja noch nie leiden können", murrte Kenta, als hätte ich persönlich Schuld daran, dass er nie wieder mit Ryo sprechen könnte.
„Kenta", mahnte Jen und sah ihn streng dabei an. „Rika hat doch gesagt, dass sie es eilig hatte."
Netter Versuch von Jen, doch verteidigen konnte ich mich immer noch selbst. „Du kannst ja mit ihm reden, wenn du ihn siehst. Was habe ich denn mit deinem Anhimmeln zutun?", sagte ich spöttelnd zu Kenta und zuckte mit den Schulter. „Mich interessiert er wirklich nicht."
Kenta wurde rot und wandte den Blick empört von mir ab. „Ich werde auch mit ihm reden – und das hat nichts mit Anhimmeln zutun, immerhin sind wir Freunde."
Ich seufzte, griff wieder nach meiner Tasche und stand auf. „Wenn du meinst", sagte ich achselzuckend zu Kazu und wandte mich dann auch an die anderen. „Ich muss jetzt los. Meine nächste Vorlesung beginnt gleich. Bis später dann!"
„Ja, meine ich auch!", zischte Kenta mir hinterher.
„Hey, krieg dich doch wieder ein", hörte ich noch, dass ihn Henry zu beschwichtigen versuchte.
Ich ließ mit den großen Schwingtüren meine Freunde zurück und suchte nach dem Weg zum nächsten Vorlesesaal. Nummer 2.03, wie mir mein Zettel verriet. Also zweiter Stock. Noch fehlte mir die Orientierung, doch wie man Raumnummern las, wusste ich zumindest schon mal. Jetzt musste ich nur noch die Treppen finden.
Nach fünf Minuten waren sie auch schon gefunden und ich stieg sie empor. Erleichtert entdeckte ich um die Ecke einen Getränkeautomaten. Bis dahin hatte ich überhaupt nicht bemerkt, wie durstig ich eigentlich war. In all der Hektik heute morgen hatte ich meine Wasserfalsche auf dem Tisch zu Hause stehen gelassen. Schnell kramte ich nach meinem Portmanier und holte ein paar Geldstücke heraus, ehe ich den Automaten mit den Yens fütterte und den richtigen Knopf drückte. Langsam reagierte die Maschine und spuckte eine Coladose aus.
Ich öffnete die Dose und wollte ansetzten, um einen kräftigen Schluck daraus zu nehmen. Schritte erklangen hinter mir und Lachen drang an mein Ohr. Langsam drehte ich mich um und erstarrte. Ryo Akiyama kam direkt auf mich zu. Er redete gerade mit einem Mädchen, doch in der nächsten Sekunde hatte er schon seinen Blick von ihr abgewandt und sah mir direkt ins Gesicht. Überrascht blieb er stehen.
Fortsetzung folgt ...
