Es war dunkel im achten Flur des Zahn-Cooperation-Buildings. Nur der schwache Schein des Computers vor Glanz warf ein bisschen Licht in das kleine Büro am Flur. Die schwarze Igelin betrachtete nervös die scheinbar endlose Datenkette, die sie von dem Computer auf einen kleinen Stick kopierte. Glanz arbeitete nicht für die Zahn-Cooperation, ihr Interesse an den Daten war eher privater Natur.
Unruhig spielte sie mit dem blauen Band, das sie in ihr schwarz-rotes Haar geflochten hatte. Ihr Freund Grey wollte den Wächter am Eingang des Gebäudes eigentlich ablenken, und dann zu ihr kommen. Jedoch hatte sie seitdem sie das Gebäude betreten hatte nichts mehr von ihm gehört.
Ob der Wächter Grey erwischt hatte? Grey wäre so etwas doch nicht passiert.
Er war der vorsichtigste Igel, den Glanz kannte. Nach ihrem Bruder zumindest.
Gerade jetzt sah sie wieder sein Gesicht, wie immer halb von seinen schwarzen, filzigen Haaren verdeckt, vor sich.
Er hatte sie gewarnt hier einzubrechen. Er hatte sie auch gewarnt Grey mitzunehmen.
„Ich traue diesem Punk nicht, der verbirgt irgendwas, das kann ich in seinen Augen sehen, in seinen Gedanken lesen. Ich kann es förmlich riechen!"
Das waren exakt die Worte gewesen die ihr Bruder Frake zu ihr gesagt hatte. Sie hatte ihm nicht viel Beachtung geschenkt, Frake war schon fast paranoid, wenn es um ihre Sicherheit ging, und Grey hatte er noch nie gemocht. Wahrscheinlich, weil er in ihm jemanden sah, der ihm seine Schwester wegnehmen könnte.
Doch jetzt in der Dunkelheit fand sie so langsam, dass ihr Bruder vielleicht doch Recht gehabt haben könnte. Glanz tastete nach dem Springmesser, das Frake ihr mitgegeben hatte.
„Nur für alle Fälle."hatte er erklärt, als er es ihr mit einem recht gequältem Grinsen gegeben hatte.
Noch eine Minute zeigte der Bildschirm an. Glanz lehnte sich zurück. Wenn der Download abgeschlossen war, würde sie so schnell es ging das Gebäude verlassen.
Was war das?
Für einen Augenblick hatte Glanz gemeint, Schritte auf dem Flur vernommen zu haben. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Nichts.
Noch 30 Sekunden
Schon wieder!
Diesmal hatte sie eindeutig Schritte gehört, leise huschende Schritte.
Ob das Grey war? Oder ein Wachmann? Nein! Kein Wachmann würde so leise durch den Gang huschen. Und Grey? Der hatte zwar die Eigenschaft, sich so leise zu bewegen, dass man ihn erst bemerkte, wenn er hinter einem stand, aber Grey huschte nicht, sein Gang war schon fast träge.
Fertig
Erleichtert zog Glanz den Stick aus dem Computer und steckte ihn in eine Innentasche ihres schwarzen Minirockes.
Wieder diese Schritte!
Bevor sie den Computer ausschaltete, und alles in tiefe Dunkelheit fallen ließ, zog Glanz das Springmesser. Mit dem Erlöschen des Bildschirms verschwanden auch die letzten Konturen, die Glanz vorher hatte erkennen können. Dafür konnte sie nun schon fast deutlich die huschenden Schritte auf dem Flur vernehmen. Und ein leises, hohes Kichern. Nackte Angst überkam die schwarze Igelin.
Während sie sich unter dem Schreibtisch im Büro versteckte, den Schritten und dem Kichern lauschte, wartete sie, dass sich ihre Augen endlich soweit an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dass sie wenigstens ein bisschen erkennen konnte.
Die Zeit verstrich und die Schritte kamen immer näher. Wer oder was auch immer in der Dunkelheit war, war nun im Raum. Glanz drückte das Messer fester an sich.
Gleißendes Licht. Jemand hatte den Lichtschalter im Büro betätigt. Glanz sprang auf, das Messer nun schützend vor sich haltend. An der Tür, den Finger immer noch auf dem Lichtschalter, stand Grey.
Doch irgendetwas stimmte nicht mit ihm, seine Haltung war ungewohnt gebeugt, und seine blutrot brennenden Pupillen hüpften in den Augen. Der graue Igel machte einen äußerst gehetzten Eindruck.
„Was ist los?" Irgend etwas musste ihren Freund beunruhigen.
„Nichts! Gar Nichts!" Greys Mundwinkel verzogen sich zu einem abnormalen Grinsen. Und die Maske der Beunruhigung auf seinem Gesicht wich dem Wahnsinn.
Langsam griff Grey in seine Jacke und brachte eine silbern glänzende Pistole mit angeschraubtem Schalldämpfer zum Vorschein.
„Woher hast du die?" Glanz fiel auf, dass ihre Stimme nur noch ein hohes Fiepen war.
„Von dem Wachmann. Er braucht sie jetzt nicht mehr." Das Kichern, das Glanz vorher gehört hatte, entsprang seiner Kehle.
Das konnte nicht Grey sein! Das war unmöglich Grey!
Immer noch mit dem dämonischen Grinsen im Gesicht richtete Grey die Pistole auf Glanz' Brust, bevor die Igelin reagieren konnte, drückte er ab.
