Kapitel 1: Speed auf Kollisionskurs

Tim war erst gegen 1.00 Uhr nachts vom Labor nach Hause gekommen. Er war die letzten Tage mehr im Außendienst unterwegs gewesen und hatte daher den Papierkram und die Laborarbeit am Abend erledigen müssen. Andie hatte bereits tief geschlafen und da Maeve im Moment wieder einmal zahnte, war sie froh, wenn sie wenigstens ein paar Stunden Schlaf bekam.

Dadurch, dass Tim ständig unterwegs war, stand sein - wenn man das so nennen konnte - Gesang, der Maeve immer wieder beruhigte, nicht zur "Verfügung". Sogar Alexx hatte schon singenderweise ihr Glück versucht, war aber ohne Erfolg geblieben.

Als sein Wecker nach nur fünf Stunden Schlaf läutete, drehte sich Tim mit geschlossenen Augen um und seine Hand glitt suchend auf Andies Seite des Betts, wo sie jedoch ins Leere griff. Erschrocken öffnete er die Augen und sah sich im dunklen Zimmer um, während er sich fragte, wo Andie um diese Uhrzeit sein konnte. Noch immer im Halbschlaf sprang er aus dem Bett, wobei er mit einem Bein in der Bettdecke hängen blieb, strauchelte und der Länge nach auf den Boden knallte.

Bei seinem Glück war es natürlich nicht damit getan, dass er am Bauch am Boden lag, was schon grundsätzlich nicht angenehm war, sondern er verspürte zusätzlich einen heftigen stechenden Schmerz im Becken. Vor Schmerzen gekrümmt und ächzend wälzte er sich zur Seite und versuchte die Decke, die noch immer an seinem Bein hing, loszuwerden indem er wütend herumstrampelte. Als er es endlich geschafft hatte, und auf den Boden sah, wusste er, was den Schmerz in seinem Becken verursacht hatte. Er war genau auf Maeves rote Spielzeug-Ducati gefallen, die auf dem Teppich neben seinem Bett lag. Nun hatte die Ducati mehr die Form eines Pfannkuchens als eines Motorrades.

"Super toll…. der Tag fängt ja gut an…", grummelte er mit von Schmerzen tränenden Augen vor sich hin, während er aufstand und die Ducati bzw. das, was von ihr übergeblieben war, aufhob und auf seinen Nachttisch legte. Er humpelte zum Lichtschalter und drehte das Licht auf. Dann hob er den Bund seiner Boxershorts an und schielte vorsichtig hinein, um Schadensbegutachtung zu betreiben. Als er die Ursache des stechenden Schmerzes entdeckt hatte, holte Tim tief Luft und zog mit einem kurzen "Autsch" einen kleinen Motorradlenker, der in seiner Haut steckte, heraus und legte ihn zum Rest der Ducati.

Nachdem ihm wieder eingefallen war, dass er ursprünglich eigentlich Andie suchen hatte wollen, machte er sich humpelnd auf den Weg. Leise öffnete er die Türe und lauschte. Im ganzen Haus war es leise und außer ihm offenbar noch niemand wach.

So gut es humpelnd ging, schlich er leise hinüber zu Maeves Zimmer und öffnete vorsichtig die Türe. Er sah sich um und musste schmunzeln, als er den Aufenthaltsort seiner Frau ausgemacht hatte. Sie saß bzw. hing mehr am Sofa und schlief und auf ihrer Brust lag die ebenfalls schlafende Maeve. Andie trug eine seiner Boxershorts und ein knappes Trägershirt und er stellte wieder einmal fest, dass sie seit Maeves Geburt noch schöner geworden war. Tim ging zu den Beiden hinüber und gab Andie einen Kuss.

Sie schlug die Augen auf und lächelte ihn verschlafen an: "Morgen mein Schatz… Kannst du die Kleine mal nehmen, mir tut alles weh…." Tim nahm ihr die noch immer schlafende Maeve ab und Andie streckte sich.

"Wie lange liegst du hier schon?"

Andie gähnte: "Seit halb drei ungefähr. Sie hat geweint und ich wollte sie beruhigen und da bin ich offensichtlich eingeschlafen."

Tim stand von der Couch auf und trug Maeve vorsichtig zu ihrem Bett und legte sie hinein.

Andie hatte Tim beobachtet: "Warum humpelst du?"

"Ich habe die Ducati gecrasht…", antwortete Tim geistesabwesend, während er Maeve beim Schlafen beobachtete.

Andie war sofort munter und ein erschrockenes "Waaaaas?!" entfuhr ihr. Sie sprang auf und ging rasch zu Tim hinüber: "Ist dir etwas passiert!?" Andie musterte ihn von oben bis unten, um etwaige Verletzungen zu entdecken.

Tim sah sie an und wunderte sich kurz, warum sie so aufgeregt war. Dann fiel ihm siedend heiß ein, dass er seine Aussage vielleicht ein bisschen präzisieren sollte: "Ich bin, als ich vorhin aus dem Bett wollte, gestolpert und auf Maeves Spielzeug-Ducati gefallen."

Andie fiel ein Stein vom Herzen und sie schnaufte leise: "Du bringst mich irgendwann mal um… deinetwegen kriege ich noch einen Herzinfarkt…"

Tim nahm sie in den Arm: "Tut mir leid, Süße. Ich wollte dich nicht erschrecken." Er gab ihr einen Kuss, dann sprach er grinsend weiter: "Legst du dich jetzt noch ein bisschen ins Bett oder frühstückst du mit deinem verletzten Krieger?"

Andie musste ebenfalls grinsen: "Also, müde bin ich nach dem Schock jedenfalls nicht mehr… Kann ich meinen verletzten Krieger irgendwie verarzten?"

Tim schüttelte enttäuscht den Kopf: "Da würden mir sofort einige Behandlungsmethoden einfallen, Frau Doktor. Aber das Problem ist, dass gerade die betreffende Gegend verletzt ist..."

Andie musste lachen: "Na gut, Detective. dann gehen wir eben gleich zum Frühstück über."

Sie nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her in Richtung Küche: "Ich muss dir sowieso von einer Idee erzählen, die ich hatte."

Als sie ein paar Minuten später in der Küche beim Frühstück saßen, begann Andie von ihrer Idee zu erzählen: "Ich habe mir überlegt, was du davon halten würdest, wenn wir alle über Weihnachten zu deinen Eltern nach New York fliegen?"

Tim konnte gerade noch verhindern, dass er vor Schreck seinen Kaffee wieder ausspuckte und verschluckte sich.

Er legte die Zeitung beiseite und nachdem er zu husten aufgehört hatte, meinte er: "Ich glaube nicht, dass meine Eltern über Weihnachten zu Hause sind, außerdem ist das doch schon in zwei Wochen..."

"Doch, doch, ich habe mit deiner Mom telefoniert. Sie würden sich freuen, wenn wir kämen."

Er musste schmunzeln: "Das hätte ich mir denken können, dass das kein Vorschlag sondern eine Feststellung von dir ist. Habe ich eine Chance aus der Sache noch irgendwie heraus zu kommen?" Er sah sie fragend an und als Andie den Kopf schüttelte, sprach er weiter: "Okay… Alles bereits bestens durchgeplant, oder? Und, meine Lieblingsfrau, wie ist der Ablauf geplant?"

Er war es mittlerweile gewöhnt, dass ihn Andie, wenn sie etwas unbedingt wollte und nicht mit seiner uneingeschränkten Freude darüber rechnen konnte, vor vollendete Tatsachen stellte.

Andie grinste breit: "Ich befürchte, du kennst mich einfach zu gut… Okay, wir fliegen am 22. nach New York und kommen am 30. wieder zurück. Zu Alexx´ Silvesterparty sind wir wieder da. Linda und Ben wissen Bescheid, die Flüge sind für alle bereits gebucht…" Sie überlegte kurz: "Habe ich etwas vergessen?"

"Muss ich vielleicht noch mit Horatio wegen des Urlaubs sprechen, oder hast du das auch schon gemacht?"

"Schon erledigt. Ich soll dir ausrichten, dass er froh ist, wenn du mal hier raus kommst und er wünscht uns schon mal viel Spaß."

Tim prustete los: "Meine letzte Frage war eigentlich scherzhaft gemeint…"

Andie lächelte Tim zuckersüß an: "Meine letzte Antwort war aber mein voller Ernst."

Als Tim ins CSI Hauptgebäude kam, begegnete ihm am Gang Horatio. Er hatte seine Brille in der Hand und musterte Tim, während er auf ihn zuging. "Guten Morgen Speed! Warum hinkst du?"

Tim blieb stehen: "Morgen H! Ich hatte heute Morgen einen Unfall mit der Ducati…" Als er Horatios erschrockenen Blick sah, fügte er schnell hinzu: "Ich bin heute morgen gestolpert und auf Maeves Spielzeug-Ducati gefallen…"

Horatio schmunzelte: "Okay, alles klar. Eigentlich hätte ich mir so etwas denken können, denn wenn der großen Ducati etwas passiert wäre, dann hätte man das schon an deinem Gesichtsausdruck gesehen…" Er begann zu lachen: "Oder an den geröteten Augen und der schwarzen Trauerschleife an deinem Arm…"

Tim sah Horatio fragend an: "Bist du heute besonders gut gelaunt oder täuscht mich das? Gibt's dafür einen bestimmten Grund?"

Horatio sah Tims skeptischen Blick und schüttelte den Kopf: "Ich habe einfach nur gute Laune."

"H, ich weiß, dass die folgende Frage unnötig ist, weil ich die Antwort darauf schon kenne, aber weißt du etwas davon, dass ich über Weihnachten auf Urlaub bin?"

Er nickte: "Andie hat es dir also endlich gesagt… Ja, davon weiß ich."

Tim stutzte: "Was heißt endlich? Wie lange weißt du davon schon?"

"Ach, noch nicht so lange… Erst seit drei Wochen…" Horatio machte eine kurze Pause, dann begann er wieder zu lachen: "Wer der Chef bei euch beiden ist, ist offensichtlich…"

Tim nickte grinsend und wandte sich zum Gehen: "Ich habe schön langsam das dumpfe Gefühl, ich hätte bei der Hochzeit doch das Kleingedruckte lesen sollen, bevor ich unterschrieben habe."

Als nächstes lief ihm Valera über den Weg, die sich auch sofort bei ihm erkundigte, warum er denn hinke. Abermals erzählte er die Geschichte mit der Spielzeug-Ducati und erntete schallendes Gelächter.

Im Labor traf er dann auf Eric und Calleigh.

Er hatte schon erwartet, dass das erste, das aus Erics Mund kommen würde, die Frage nach dem Hinken wäre, aber dieser enttäuschte ihn. Zuerst kam ein "Hey" und dann kam ein - von einem typischen Eric-Grinsen untermaltes - "Alter, warum humpelst du? Sag doch Andie, dass sie dir mal eine Pause gönnen soll…". Calleigh sah von ihrer Arbeit nicht auf und kommentierte Erics Meldung nur seufzend und mit einem Kopfschütteln.

Die Ducati-Geschichte ein drittes Mal zu erzählen war Tim zu viel und er schnaufte: "Warum fällt heute plötzlich jedem auf, dass ich hinke? Ich hinke sonst auch immer leicht und das fällt keinem Menschen auf!!! Warum gerade heute?!"

Calleigh sah Tim mit großen Augen an: "Was? Du hinkst? Das ist mir noch nie aufgefallen…"

Tim schüttelte verzweifelt den Kopf: "Jaaaaa! Als ich 19 war, habe ich mir bei einem Straßenrennen, das ich mit meinem Bike gefahren bin, den Oberschenkel gebrochen und seitdem hinke ich!"

Calleigh bekam einen Lachkrampf: "Und ich dachte, das wäre der typisch coole Tim-Speedle-Gang und du hättest den einstudiert! Das soll hinken sein? Ich bin begeistert!"

Tim schlug die Hände über dem Kopf zusammen und humpelte so schnell er konnte aus dem Labor.