Vorbemerkung
Nichts von allem gehört mir. Fast nichts. Auf diesem Trip durch Möglichkeiten und Unmöglichkeiten habe ich mir die geniale Figur des Severus Snape lediglich ausgeliehen. Für diesen komplexen und in meinen Augen facettenreichsten Charakter im Potterverse danke ich JKR bis in die Steinzeit.
Mythische Stätten und Orte, Legenden und historische Fakten gehören ebenfalls nicht mir, sondern den entsprechenden Kulturkreisen. Kenner der einen oder anderen Materie mögen mir vergeben, dass ich mir gewisse Gegebenheiten den Erfordernissen entsprechend zurechtbog. Dichterische Freiheit? Dankeschön! Das erleichtert mich ungemein. Also ist das Ganze mit einem Augenzwinkern zu lesen. ;)
Die Story spielt unmittelbar nach Band 4 und lässt alle folgenden Ereignisse außer Acht.
Besonderer Dank gilt meinen Betas Mariacharly und Ninni, die sich durch nicht gerade kurze Kapitel zu wühlen haben.
Kapitel 1 – Erste Begegnungen
Unruhig wälzte sie sich im Schlaf hin und her. Das Klopfen in ihrer Brust nahm unerträgliche Ausmaße an. Sie wusste nicht, woher dieses Geräusch kam, das sie fast bis an die Schmerzgrenze trieb. Irgendein Mechanismus erlöste sie und ließ sie aufwachen. Sie riss die Augen auf und hatte vorübergehend Mühe, sich zu orientieren. Es war dunkel. Allerdings war es die Sorte von Dunkelheit, die sie automatisch mit Wärme und Geborgenheit assoziierte. Das war ein sehr seltsamer Gedankengang und ließ sich auch nicht schlüssig belegen, wollte man ihn hinterfragen. Es war so.
Dennoch war irgendetwas fremd. Das Geräusch in ihrer Brust ließ nicht nach, im Gegenteil, es nahm an Intensität zu.
Sobald sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, registrierte sie, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Dieses hier war viel größer. Es war wuchtiger als ihr eigenes und trotzdem war es auf merkwürdige Weise ihr eigenes. Die Bettwäsche hätte sie in erfrischende Kühle hüllen sollen und sie fragte sich, weshalb sie dennoch schwitzte. Ihre Hand fuhr an ihren Hals und sie hielt inne. Sie schimpfte sich selbst einen Dussel. Denn was sie in der Hand hielt, war der Auslöser für das Geräusch, das sie aus ihrem Schlaf gerissen hatte.
Ein Herzschlag. Das Donnern, das sich anhörte wie eine Stampede, war ein Herzschlag. SEIN Herzschlag.
Vorsichtig drehte sie den Kopf zur Seite und wusste, es war kein Traum. Der Mond schien nur spärlich, aber dennoch würde sie dieses Profil selbst in einer anderen Galaxis wieder erkennen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen Schmunzeln. Ja, das würde sie, schließlich hatten sie galaktische Eskapaden hingelegt, die wohl neu und ungewöhnlich für schottische Verhältnisse waren. Seine langen Haare und die unergründlichen Augen sah sie jetzt nicht. Lediglich die kühn geschwungene Nase verriet ihr, dass sie wirklich neben dem Mann lag, der ihr sein Herz geschenkt hatte. Der zu ihr gehörte und zu dem sie gehörte. Ihr Schmunzeln wurde zu einem fetten Grinsen, als sie daran dachte, wie unmöglich, unvorhersehbar und unvorstellbar das Ganze noch vor sieben Jahren gewesen war.
Damals, als noch alles fremd und neu war und zwischen ihnen beiden der Notstand herrschte. Damals, als sie sich im Grunde genommen permanent mit einer imaginären Parlamentärsflagge gegenüberstanden, sorgsam hinter dem Rücken versteckt, ohne es vom anderen zu wissen. Aufgeben? Keiner machte den Anfang. Sie waren gleich stark, sie waren gleich stolz.
Als diese Erkenntnis langsam dämmerte, lösten sich diese Flaggen irgendwann auf und machten etwas anderem Platz.
Unglauben.
Aus Unglauben wurde Respekt und aus Respekt wurde so etwas wie Freundschaft.
Etwas, das es normalerweise zwischen Lehrer und Schüler nicht gab. Eine Freundschaft, die tief war, aus der mehr hätte werden können, die lange gehalten hätte. Hätte. Wie sehr sie auf tönernen Füßen stand, merkte sie schnell.
Denn dieser Beziehung fehlte eines: Vertrauen. Genau aus diesem Grund wurde sie durch ihr Geständnis und ihre Offenheit brutal zerstört. Sie verschwand so schnell, als sei sie in Treibsand geraten. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und er war unfähig gewesen, damit umzugehen. Er konnte nicht vertrauen, er konnte sich nicht öffnen. Weit schob er alles von sich. Auch tiefere Gefühle, die an seinem Image kratzen könnten und nach seinem Dafürhalten nicht zu ihm gehörten.
Aber eines Tages geschah etwas, das sie für immer zusammenschweißte. Nie würde sie diesen Tag vergessen. Nie. Offenheit gegen Offenheit. Vertrauen gegen Vertrauen. Und es war so verdammt schwer gewesen. Für ihn.
Ein Gedankenstrudel riss sie sieben Jahre zurück.
xxxXXXxxx
Die Dämmerung brach so schnell herein, dass das Auge kaum folgen konnte. Der Wind fuhr in die mahagonifarbenen Locken des Mädchens, das am Rande des Sees wartete. Er zerrte regelrecht daran. Schnell zog sie ihren Umhang enger. Wärmer wurde es natürlich nicht, aber irgendwie fühlte sie sich darin geborgen. Er war das letzte Stück Heimat, an das sie sich klammern konnte. Er war so sehr Australien wie sie selbst. Beinahe schmeichelnd glitten ihre Augen über die Farbe, die wie Sand war, vermischt mit einem kaum wahrnehmbaren rötlichen Ton, der so sehr ihr Zuhause widerspiegelte.
Es hatte in ihr einen beträchtlichen Schock hinterlassen, als sie in der Winkelgasse einkaufen gewesen waren und ausschließlich schwarze Umhänge sah. Scheinbar trug man die hier in Europa. Wenn australische Magier eine solche Farbe tragen würden, dann würden sie im Outback wohl einem Schwarm verirrter Krähen gleichen, der wie die Heuschreckenplage durchs Land zog.
Hoffentlich beschränkten sich die Unterschiede zwischen Europa und Australien auf ein Minimum, so dass ihr die Umstellung nicht allzu schwer fallen würde. Zu ihren Augen mochte diese Farbe sehr wohl einen guten Kontrast herstellen, mehr aber nicht.
Diese Augen waren das ungewöhnlichste an diesem Mädchen. Ein einziges Meer aus Bernstein. Am schönsten sahen sie aus, wenn die Sonne unterging und ihre Strahlen über die Iris irrlichterten. In diesem Augenblick verwandelten sie sich selbst in winzige Sonnen. Jetzt aber lag ein Schatten darüber und er wurde immer trüber, je dunkler es wurde. Ihr kritischer Blick wanderte über den See und ihre Stirn legte sich in Falten.
Da stand sie nun, Aniram Hawkwing, frisch importiert aus Australien, und bekam vor lauter Staunen und Ehrfurcht den Mund nicht mehr zu. Was glücklicherweise niemand sah.
DAS also war Hogwarts. Demzufolge war sie doch nicht so begriffsstutzig, wie sie angenommen hatte. Denn als ihr Vater sehr erschöpft von einer Unterredung mit Professor Dumbledore wiederkam, brachte er nur noch die Kraft auf, um von Schlössern und Häusern zu murmeln. Jetzt, wo sie dieses imposante Gemäuer sah, das sich wie ein Adlerhorst in die aufkommende Dunkelheit schmiegte, war es kein Wunder, dass sie ihn nicht verstanden hatte. Sie legte den Kopf leicht schief.
In Australien gab es keine Schlösser. Ihr Vater sprengte die Grenzen ihrer Vorstellungskraft, als er auch noch behauptete, dieses eine Schloss hätte Häuser. Sie hatte sich schon auf den Anblick eines seltsamen und lächerlichen Gebildes eingestellt. Mehrere Häuser in einem Schloss! Also entweder ein Schloss oder ein Haus.
Gut, Hogwarts sah gewaltig aus und Aniram revidierte ihre Vorstellung von einem Haus. An dieser Stelle zumindest erkannte sie, dass ein Haus nicht nur eine architektonische Definition erfuhr. Ihr Vater hatte gesagt, nach dem Umzug nach Europa käme sie in das Haus Ravenclaw. Ihre Gedanken ratterten weiter. Wie wohl die anderen Häuser heißen mochten? Hatte das alles etwas mit Tiernamen zu tun und war sie auf Grund ihres Nachnamens nach Ravenclaw geraten? Aber was geschah dann mit Schülern, die Allerweltsnachnamen trugen?
Sie war neugierig, sehr neugierig. Es war keine Scheu oder Schüchternheit, die sie befiel, als sie daran dachte, dieses unbekannte Terrain zu betreten. Sie sah es als Herausforderung an und nahm sich vor, so selbstbewusst wie möglich aufzutreten. Also so, wie sie selbst auch war. Und sie würde Fragen zu stellen. Schließlich sollte sie eine Zeitlang hier verbringen.
Jetzt wartete sie eigentlich nur auf jemanden, der sie da hinüberkutschierte oder über den See transportierte oder was auch immer. Sie hasste es, von irgendetwas oder irgendwem abhängig zu sein.
Erneut brodelte der Ärger in ihr hoch. Ärger über ihren Vater. Normalerweise wäre sie teleportiert und wegen eben dieses Ansinnens kam es gestern Abend zum größten und besten Streit seit Jahren im Hause Hawkwing. Sie wollte einfach nicht einsehen, warum ihre übliche Fortbewegungsmöglichkeit hier in Europa nicht mehr möglich sein sollte.
Die von ihrem Vater vorgebrachten Argumente zerschnipselte sie mit ihrem messerscharfen sechzehnjährigen Verstand. Sie wollte sie nicht akzeptieren, sie weigerte sich. Denn immerhin sollte sie nicht unter Muggeln, sondern unter Magiern leben, die wohl kaum zusammenzucken würden, wenn sie auf einmal weg war. Sicherlich hätte es niemand bemerkt, wenn sie sich nachts in den Garten geschlichen hätte und verschwunden wäre. Nicht einmal mit einem Plopp! Einfach weg von einer Sekunde auf die andere.
Aber nein, Mister Hawkwing, der große Erfinder, bestand darauf, dass sie den Hogwarts-Express nahm. Sie schüttelte sich noch nachträglich, als sie an die Fahrt in diesem schnaufenden, altersschwachen Ding dachte. Ihr anfänglicher Missmut schlug erst recht in Ärger um, als sie die Abteile abklapperte und zu ihrem Entsetzen erkannte, dass sie der einzige Fahrgast war. Welcher Trottel auch immer dafür verantwortlich zeichnete, er schien diese komische Mühle einzig und allein für sie eingesetzt zu haben. Die Kette der Fragen mit allem Warum, Wie, Wer oder Was schien nie abzureißen. Seufzend stand sie hier und wusste, die Antworten darauf bekam sie nur dort drüben.
Aniram schnitt Grimassen und rekapitulierte den ellenlangen Vortrag darüber, was sie in Zukunft tun durfte und was nicht.
Unauffällig benehmen. Aber klar. Eine Hawkwing benimmt sich nicht auffällig.
Keine kilometerlange Teleportation wie in Australien. Oho, wenn sie gezwungen war, noch einmal dieses Dampflok-Ding zu nehmen, dann würde sie das mit Sicherheit tun. Außerdem ging es schneller. Ihr tat jetzt noch der Hintern weh.
Und so weiter, und so fort. Überall Verbotsschilder. Einfach nur ätzend. Wenn das ihr zukünftiges Leben hier war, dann gute Nacht! Ihr Vater rieb ihr noch mit mütterlicher Unterstützung Regel Nummer Eins unter die Nase:
Kein Wort von zu Hause.
Ha! Eine schweigsame Hawkwing? Er hatte wohl vergessen, dass sie seine Tochter war. Am besten tackerte sie sich den Mund zu, so dass kein Sterbenswörtchen über ihre Lippen kam. Bis zu einem gewissen Grad verstand sie die Vorsichtsmaßnahmen, denn Australier lebten für sich. Aniram wusste auch, warum. Allerdings unterschied sie zwischen Vorsicht und Vorschrift. Was ihr vor die Nase gesetzt wurde, waren alles Vorschriften.
Unruhig begann sie hin und her zu laufen und schnaubte durch die Nase. Ihr Vater war ein großartiger Kerl, aber in gleichem Maße unheimlich stur. Ein fettes Grinsen bemächtigte sich ihres Inneren und sie dachte, dass sie ja irgendwas von ihrem Vater haben musste. Ihre Mutter hörte sich einen Vater-Tochter-Disput in der Regel so lange an, bis es ihr zuviel wurde und zu nerven begann. Dann wurde sie mindestens genauso laut. Aber egal, in Australien konnte man laut werden wie man wollte, die nächste Nachbarschaft war weit entfernt.
Australien! Sie geriet wieder ins Träumen und wünschte sich augenblicklich nach Hause. Ihr Unwohlsein stieg und ihre Schritte beschleunigten sich. Erst dieses eigenartige Beförderungsmittel und jetzt dieses Klima. Ihrer sonnen verwöhnten Haut war es viel zu kalt. Zudem fing es noch an zu nieseln. Wann würde sie diese Warterei endlich hinter sich haben? Aus ihrer Ungeduld wurde langsam ein bisschen Grimmigkeit. Wie konnten die einen so lange warten lassen? Erst der einzige Fahrgast und jetzt? Es war eine bodenlose Frechheit.
Nicht zum ersten Mal stellte sie sich die Frage, wie viele tasmanische Teufel ihre Eltern geritten hatten, um sie zu veranlassen, nach Europa zu gehen. Nun ja, das australische Zaubereiministerium und in oberster Instanz die Internationale Magiervereinigung als tasmanische Teufel zu bezeichnen, war schon reichlich vermessen. Und womit hing das alles zusammen? Sollte sie stolz oder wütend auf ihren Vater sein? Ihm war es gelungen, einen interkontinentalen Portschlüssel zu modifizieren. Dieser Erfindung würde wohl kaum eine solche Bedeutung beigemessen werden, wenn nicht Voldemort wieder aktiv wäre.
Der war – im Gegensatz zu den antiquierten Europäern, die anscheinend nicht teleportieren konnten – in der Lage, immer und überall aufzutauchen. Aniram hatte noch nie davon gehört, dass ein Apparieren von Kontinent zu Kontinent möglich war. Ihres Wissens reichte ein normaler Portschlüssel nur innerhalb eines Landes. Oder eines Kontinents.
Aus den Erklärungen ihres Vaters ging nur so viel hervor, dass die Magier diesen besonderen Portschlüssel hier, an der einstigen Wirkungsstätte des Dunklen Lords, haben wollten. Und nirgendwo anders. Niemand wollte sich auf Portschlüssel oder gar konventionelle Muggelbeförderungsmittel verlassen, die sich Schiffe und Flugzeuge nannten.
Zwar war es nicht ihre Aufgabe, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum um dieses Ding so ein Wind gemacht wurde. Sie tat es trotzdem. Wahrscheinlich hing es mit der Tatsache zusammen, dass australische Hexen und Zauberer von Natur aus starke Teleporter waren und damit das Wort und die Tätigkeit Apparieren ersetzten. Also irgendeinen Sinn musste es schon haben, dass es jemand als nützlich ansah, eine ganze Familie aus Australien kommen zu lassen.
Mit einem gewissen Stolz dachte Aniram daran, dass sie die ersten gewesen waren, die diesen Portschlüssel ausprobierten. Zuerst ihr Vater, der zur Unterredung mit Professor Dumbledore hierher gereist war, und jetzt die gesamte Familie. Dabei konnte noch nicht einmal gesagt werden, ob drei Personen über so eine gewaltige Distanz transportiert werden konnten. Sie taten es einfach. Ohne Experimente keine Ergebnisse. Das Credo der Australier, mit dem Aniram aufgewachsen war.
Ihr Vater erfand alles Mögliche und Unmögliche, also diesmal einen solchen Portschlüssel. Und? Ihr mittlerweile wirklich grimmiger Blick schoss über den See. Unwillkürlich verglich sie diesen schwarzen Kasten mit dem Ayers Rock. Aber der Rock war wärmer, er war schützender. Selbst in der Nacht verlieh er einem noch Sicherheit. Diese Festung dort drüben wirkte einfach nur abweisend.
Wenn Hogwarts für sie nach den ersten Augenblicken bereits ein hoffnungsloser Fall war, dann führte sie das weiter zu der Überlegung, wie der Unterricht aussehen könnte. Dass er sich in den wesentlichsten Sachen von dem zu Hause unterschied, dessen war sie sicher. Zu ihren Fragen von vorhin fügte sie noch eine hinzu: Gab es hier Teleporter? Die Antwort lag eigentlich auf der Hand und war mit einem klaren Nein zu beantworten. Wenn die Europäer so versessen auf diesen Schlüssel waren, dann definitiv nein. Sie stellte fest, je länger sie warten musste, desto weniger konnte sie das Wort Schlüssel sagen oder denken.
Krampfhaft versuchte sie, an etwas Angenehmeres zu denken. Sie landete prompt wieder in Australien. Im Augenblick gehörte es noch in die Kategorie der Nebensächlichkeiten, woran sie dachte, denn solange sie hier stand und Wurzeln schlug, konnte sie denken, was, so lange und so oft sie wollte.
Lächelnd erinnerte sie sich an ihr erstes Schuljahr. Ob hier wohl auch so viele Touristen herumschlichen wie um den Ayers Rock? Wenn ja, wie bekam man dieses Problem hier in den Griff? Nicht ein einziger Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass es sich bei der Schar Kinder, die sich um den Ayers Rock tummelte, um Schüler aller Jahrgangsstufen handelte. Und erst recht wäre keiner auf die Idee gekommen, das Planetarium im Fels zu suchen. Die Touristen bestaunten den roten Felsen und zischten wieder ab. Natürlich kam es vor, dass sie mit ihrem Geplapper und Geknipse reichlich störend in den Unterricht eingriffen, ohne es zu ahnen. Hier war es wohl kaum vorstellbar, dass Lehrer dafür sorgten, ihre Klassen mittels Teleportation ungefähr fünfzig Kilometer zu versetzen und den Unterricht fortzuführen.
Genau diese Aktionen waren der Grund, weshalb australische Zauberer sandfarbene Umhänge trugen. Es musste manchmal ruckartig vonstatten gehen und diese Farbe war nichts weiter als perfekte Tarnung und Anpassung an die vorherrschende Farbe im Outback. Sie brachte ein innerliches Glucksen zustande. Verursacht wurde es von der Farbe Schwarz. Wenn man die zu Hause tragen würde - nein. Sie stellte sich vor, wenn sich eine Masse von Schülern in schwarzen Umhängen erhoben hätte. Das musste doch für die Muggel wie ein Weltuntergang wirken. Nein, ihre Farbe war perfekt, denn so sah es jedes Mal wie ein leichter Sandsturm aus und sie hinterließen nichts weiter als flirrende Luft. Für ein ungeübtes Auge nicht wahrnehmbar, WAS dort eben verschwand. Die Luft flirrte sehr oft um den Ayers Rock. In der Muggelpresse schrieb man dann von ungewöhnlichen Vorkommnissen.
Überhaupt kam sie aus einem Land der Ungewöhnlichkeiten. Nur war es für sie Normalität. Ihr graute irgendwie vor dem Zusammenstoß mit der Realität, wenn sie feststellen musste, dass es KEINEN Unterricht am Ayers Rock gab, KEINE Erforschung der Traumzeitpfade der Aborigines, KEINE Arbeiten mit Magnetfeldlinien, die um solche magische Stätten wie den Rock am stärksten ausgeprägt waren. Die am besten und strengstens gehüteten Geheimnisse trug sie mit sich herum. Wieder tauchte vor ihrem geistigen Auge dieses Verbotsschild auf:
Nichts von zu Hause erzählen.
Sie dachte an die Aborigines, die Ureinwohner Australiens, die in ihren Augen selbst halbe Magier waren. Sie brauchten nicht einmal eine Ausbildung. Denn wie sonst wenn nicht durch Teleportation bewegten sie sich vorwärts? Aniram war manchen dieser Geheimnisvollen auf ihren Wanderungen begegnet. Sie erinnerte sich noch an ihren aufgeklappten Kiefer, als sie von einer kurzen Ablenkung wieder auf ihren Gesprächspartner schaute oder besser gesagt schauen wollte, aber der war weg. Weit und breit kein Busch, kein Baum oder Stein, hinter dem man sich verstecken konnte. Kahler Boden und heiße Luft. Aber der Aborigine war trotzdem weg. Es war manchmal unheimlich. Und unwahrscheinlich. Sie zweifelte jetzt schon daran, ob ihren Worten jemals Glauben geschenkt werden würde.
Das Unwahrscheinlichste war jedoch die Traumzeit und ihre Erlebnisse darin. Zwar ungern, aber dennoch mit einem gewissen Stolz erinnerte sie sich an die zurückliegenden vier Jahre. Knochenhartes Training, das schon Kampfsport gleichkam, gleichzeitig Meditation, um eine größere Zielsicherheit und die Fokussierung der Körperkräfte auf den mit Magnetlinien verstärkten Umhang zu erreichen. Nur mit diesen Fähigkeiten hatte man überhaupt eine Chance, aus einer anderen Zeit zurückzukommen.
Die Traumzeit-Teleport-Prüfung war die schwerste Prüfung im Leben eines australischen Magiers. Auch wenn es seltsam erscheinen mag und für manche zu früh war, diese Prüfung absolvierte man am Ende der vierten Klasse. Die eigenen Vorbereitungen wurden von den Lehrern mit peinlicher Genauigkeit überwacht. Natürlich wurden auch die Eltern mit eingespannt. Nicht selten war es ihre Mutter, die sie mitten in der Nacht anstupste und sagte: „Unsichtbarkeit." Aus dem Stand, genauso genommen aus dem Schlaf heraus musste dieser Trank samt Zutaten, Zubereitungszeit und Wirkungsweise heruntergeleiert werden. Dieses umfangreiche, solide fundierte Wissen musste sein, denn ansonsten konnte man sich die Zulassung zur Prüfung abschminken. Ganz einfach deshalb, weil man allein war. Kein Lehrer, kein Eingeweihter, mit dem man durch ein dünnes Band noch verbunden war und von dem man sich Rat holen konnte, nichts. Es gab nur noch den Schüler und seine Fähigkeiten, denn selbst ein Zauberstab war in der Traumzeit wirkungslos, regelrecht außer Gefecht gesetzt.
Bei dieser Prüfung zählte wirklich, entweder teleportieren oder für immer von der Bildfläche verschwinden. Die Vermisstenmeldungen hielten sich zwar in Grenzen, aber sie waren unleugbar vorhanden. Aniram mochte sich nicht ausmalen, wie es wohl war, in einer fremden Zeit festzustecken, für immer, ohne Hoffnung auf Rückkehr. Niemand konnte vorher einschätzen, wo und vor allem wann er landete. Manchmal lagen zehn Jahre zwischen Start und Ziel, manchmal tausend.
Sie selbst hatte wohl vor zwei Monaten alle vorhandenen Rekorde gebrochen. Voller Stolz hatte sie ihren neuen Zauberstab entgegen genommen. Ein australischer Magier besaß in seinem Leben zwei Zauberstäbe – den ersten zu Übungszwecken bis zur vierten Klasse, den zweiten nach bestandener Prüfung. In sehr seltenen Fällen – und Aniram wusste, die Anzahl derer war nicht hoch – besaß man als drittes den seines Pendants. Wenn man eines hatte oder war. Durch eine solch intensive mentale Verbindung war man in der Lage, ungeheure Kräfte freizusetzen und mit ihnen zu arbeiten.
Der Kern eines Zauberstabes bestand aus mehreren Komponenten. Er enthielt grundsätzlich einen Splitter des Ayers Rock, umschlossen von einem Mitbringsel aus der Zeit, in der man gelandet war. Professor Adomoo-Dongkada, ihr Schulleiter, machte jedes Mal ein großes Geheimnis daraus, wenn er die Zauberstäbe verteilte. Immerhin war zu einem solchen Anlass alles, was einen sandfarbenen Umhang trug, anwesend. Es trieb ihr jetzt noch die Schamesröte ins Gesicht, weil er auf sie ganz besonders stolz gewesen war. Aber da schloss er sich nur dem Urteil der anderen Lehrer an. Sie war schließlich die erste und einzige, die es jemals geschafft hatte, die…
„Bist du Hawkwing?"
Durch diese Worte wurde sie sehr unsanft aus ihren Träumereien gerissen. Wie aus dem Boden gewachsen stand eine Gestalt vor ihr und bellte sie an wie der Höllenhund persönlich. Mit vor der Brust verschränkten Armen und das Mindestmaß an Höflichkeit aufbietend beließ es Aniram bei einem Ja.
„Na dann komm, hab nich den ganzen Tag Zeit."
Sie fühlte, wie ihre Wut greifbar wurde. Ihre Angst, ihre Neugier und ihre Ungeduld wichen dem letzten Gefühl, das sie beherrschte: Zorn. Da wurde sie stehengelassen und dann so heruntergeputzt? Oh nein. Die Gestalt am Boot drehte sich um, als sie keine Bewegung hinter sich ausmachte.
„Bist du festgefroren?"
Aniram schloss die Augen und zwang sich zur Beherrschung. Das sagte sich in dieser Situation einfacher als es ausgeführt werden konnte. Sie fragte sich, wer da vor ihr stand. So eine Art Fährmann vielleicht? Aber warum war er dann nicht früher aufgetaucht? Denn soweit sie ausmachen konnte, stand sie seit Stunden allein hier am Ufer. Definitiv war sie der einzige Fahrgast gewesen und dieser schrullige Typ brauchte gewiss nicht noch auf Nachzügler zu warten. Sie brachte ihre Kiefer kaum noch auseinander, als sie antwortete.
„Ja, könnte man sagen. Mit wem habe ich das zweifelhafte Vergnügen?" Normalerweise stellte man sich einander vor, wenn schon kein Dritter anwesend war, um das zu übernehmen.
„Zweifelhaft?" geiferte die Person. „Du wirst nie an Argus Filch zweifeln, dass versprech ich dir. Genauso ein Lauser wie alle anderen, nichts als Ärger…", der Rest ging in einem Brummeln unter.
Immerhin hatte ihre Wut jetzt einen Namen: Filch. Bevor sie zur nächsten Frage ansetzen konnte, wurden ihre Grübeleien mit einem recht unsanften Knuff in die Seite unterbrochen.
„Was ist, steig endlich ein." Filch stieg ins Boot. „Oder willst du fliegen?"
Lachen konnte über diesen Witz nur einer der beiden Anwesenden. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Wie lange sie schon hier stand. Warum er sie Wurzeln schlagen ließ. Warum er sie beleidigte. Hatte das was mit ihrem Nachnamen zu tun? Egal. Es dürfte wohl kaum von Bedeutung sein, dass sie sich zum Animagus ausbilden lassen wollte. Im Moment war sie einfach nur wütend und vor allem müde.
Hatte sie vorhin etwas von Sturheit gedacht? Nun, jetzt war es soweit, sie kam zum Einsatz. Aniram nahm sich vor, diesem Gerippe vor ihr eine Lektion zu erteilen, die sie nie vergessen würde. Das wäre doch gelacht. Sie fragte sich überhaupt, warum sie so weit weg von ihrem Vater seine Anweisungen befolgte und NICHT teleportierte. Den Erdboden hatte sie noch nicht sondiert und das gestaltete ihr Vorhaben etwas unsicher, brachte sie jedoch keinesfalls davon ab. Dieses Versäumnis war nicht mehr aufzuholen. Sie wusste also nicht, welche Linie sie tragen würde und welche nicht. Aber Australier taten alles. Noch dazu, wenn sie der felsenfesten Überzeugung waren, sich etwas nicht bieten zu lassen. Aniram fasste ihren Umhang fester und zog sich mit der Kraft ihrer Gedanken vor das Schlossportal.
Das darauf folgende DONG erklang mit einem Widerhall, der der größten Glocke dieser Welt alle Ehre machte. Aniram fühlte sich wie auseinander genommen und falsch herum zusammengesetzt. Sie war abgeprallt wie… ja, wie was? Wie ein Tennisball vom Netz. Ihre Verwunderung stieg ins Grenzenlose, als sie feststellte, dass sie sich in der Horizontalen befand. Noch dazu am Boden. Wieso lag sie? Sie befahl der Glocke in ihrem Kopf Einhalt, aber die hatte eine andere Meinung und klang fröhlich weiter.
Sie grübelte. Dann hatte sie eine Erklärung parat. Durch den Abprall lag sie neben dem Eingang im Gebüsch. Sie ging davon aus, dass es in Europa Gebüsch gab. Froh, eine Antwort auf die selbst gestellte Frage zu haben, befahl sie sich ein Hochrappeln und erneutes Klopfen an die Eingangstür. Vor wenigen Sekunden hatte sie zwar einen lebenden Türklopfer in Perfektion demonstriert und der konnte unmöglich überhört worden sein. Aber was, wenn diese Europäer nicht nur dämlich, sondern halb taub waren?
Doch schon beim ersten Versuch sich aufzurappeln, stöhnte sie laut auf. Die Glocke im Kopf war präsenter denn je und jagte eine Schmerzwelle nach der anderen durch den Körper. Grauenvoll, so zerschlagen hatte sie sich noch nie gefühlt. Verdammt, was war passiert? Bevor sie diese Tatsache einer weiteren gründlichen Analyse unterziehen konnte, hörte sie ein wattiertes Gackern.
„Hey, Hawkwing, bist du das da hinten? Weiß nich, was du gemacht hast, aber scheinbar ging's schief. Meine Fresse, so ein Geschepper und Gerassel, das hab ich bis hierher gehört."
Das Gackern ging weiter.
Weniger ihr misslungener Versuch zu teleportieren trieb ihr eine Gänsehaut über den Körper, sondern eben dieses Geräusch. Die Laute einer Ziege klangen weitaus angenehmer und harmonischer. Aber das hier tat einfach nur in den Ohren weh. Die Glocke schien etwas Platz gemacht zu haben, allerdings im ungünstigsten Augenblick. Obwohl ihre Sinne noch nicht beieinander waren, hörte sie die Ziege näher kommen.
Mit beinahe brachialer Gewalt aus dem Busch gezerrt und landete mit einem Aufschrei auf der Erde. Sie schaute auf ihre Hände, auf die eine warme Flüssigkeit tropfte. Blut. So vieles stürmte gleichzeitig auf sie ein, dass sie nicht wusste, worauf sie zuerst reagieren sollte. Aber beim Herausziehen hörte sie ein Ratschen und das konnte nur bedeuten, dass sich ihr Umhang verabschiedet hatte.
Sie fuhr Filch an: „Du Dussel, genau damit kann man…", teleportieren sollte das nächste Wort sein, aber der Schmerz nahm ihr die Luft. Keuchend setzte sie sich auf. Sie hatte sich wohl mehr Verletzungen zugezogen als gedacht, denn sie sah fast nichts mehr. Alles war verschwommen. Ihre Umgebung nahm sie nur noch wie durch einen Schleier wahr.
Vordergründig beschäftigte sie die Frage, wogegen sie gedonnert war. Wenn es eine Abschirmung war, dann war das die stärkste, mit der sie es je zu tun bekommen hatte.
Viel schlimmer war die Frage - wie sollte sie einen solchen Umhang wieder bekommen? Noch nie hatte sie von reparierten Umhängen gehört. Dazu waren sie viel zu komplex und bildeten mit dem Träger eine Einheit. Sie waren mehr auf den Träger geeicht, als es jemals ein Zauberstab sein konnte.
Bevor ihr noch mehr Fragen durch den Kopf schossen, erreichte Filch seinen Sättigungsgrad an Säure: „Jetzt steig endlich ein, sonst verpasst du noch das Abendbrot und kriegst nich mal mehr ein Bett." Diesmal widerspruchslos und ihre Schmerzen ignorierend stieg Aniram ein.
Schaudernd sah sie diesen schwarzen Kasten an, der auf sie wie ein Gefängnis wirkte. Was würde sie wohl dort drüben erwarten?
xxxXXXxxx
Diese Frage wurde ihr leider schneller beantwortet als ihr lieb war. Sie befand sich in der Steinzeit. Das war jedenfalls ihre prompte Meinung über den Krankenflügel und die in Weiß gekleidete Schwester – eine Farbe, die sie als durchaus angenehm empfand - die hilflos an ihrem Bett stand. Außerdem waren da noch ein Mann mit einem weißen Bart und eine streng aussehende Frau mit Hut. Also Krankenstation. Scheinbar war dieser Filch doch nicht so ein Esel. Dennoch sprach sie ihm trotzig jedwede Form von Intelligenz ab. Basta.
Trotzdem hatte sie das Gefühl, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Nichts deutete darauf hin, ob sie schon untersucht worden war. Wie stand es um die inneren Organe, Knochenbrüche und den Blutverlust? Herrschaftszeiten, sie musste unbedingt wissen, wie schwer sie verletzt war. Warum war sie nur von Schweigen umgeben? Tot konnte sie nicht sein, ihre Augen und andere diverse Sinne arbeiteten noch. Dieses weiß-violett-grüne Trio starrte sie aber nur an. Das war schlimmer als auf einer Beerdigung.
Nun, wenn die anderen nicht daran dachte, den Mund zu öffnen, sollte sie das wohl tun. Zuerst stellte sie die Frage, die sie am meisten beschäftigte.
„Wie stark ist das Schulhaus abgeschirmt?"
Antwort erhielt sie in Form eines verwirrten Blickwechsels zwischen den beiden bunten Personen. Freundlich oder höflich schienen diese Europäer nicht zu sein. Erschöpft schloss sie die Augen und dachte, dass es auf eine dermaßen simple Frage doch eine Antwort geben müsste. Wenn irgendjemand diese Abschirmung errichtet hatte, sollte er folgerichtig in der Lage sein zu antworten. Selbst wenn die Abschirmung jahrhunderte, jahrtausende alt war, irgendwer musste dieses magische Konstrukt weitergegeben haben.
‚Große Mutter Kunapipi, wenn du mich schon zu Unfähigen geschickt hast, dann sorge wenigstens dafür, dass sie mich nicht ständig anschweigen. Ansonsten grenzt es ja an ein Wunder, dass ich überhaupt hier liege.'
Da sie immer noch keine Reaktion bekam, machte sie einfach den Anfang: „Sind Knochen gebrochen?"
Die Schwester zuckte leicht zusammen. „Ähm, ja, angebrochen, in zwei Stunden dürften sie geheilt sein. Solange müssen Sie noch ruhig liegen."
Wenn Aniram jetzt lachen könnte, würde sie es lauthals tun. „Mir ist nicht gerade nach Samba tanzen zumute. Innere Organe?"
Sie registrierte bei allen drei Personen ein unaufhaltsames Nach-Oben-Wandern der Augenbrauen. Wenn nicht alles so schmerzen würde, würde sich zum Lachenwollen noch ein Augenverdrehen gesellen.
„Es ist nicht die erste Verletzung dieser Art, also sagen Sie mir gefälligst, wie schwer sie ist." Langsam verlor sie die Geduld.
„Nein, soweit ich feststellen konnte, hat es keine Organe erwischt. Die Rippen haben einen Bogen drum gemacht." Diese Antwort von der Schwester kam recht schnell.
Oh, das war kreuzgemein. Da lag sie hier, konnte nicht lachen und dann begegnete sie solch einem trockenen Humor. Sie verzog das Gesicht und grinste. Also doch ganz brauchbar. Vielleicht ließen die Europäer nur auf diese Art und Weise mit sich reden? Hm. Brauchbarer Gedanke, unbedingt festhalten.
„Helles oder dunkles Blut?"
„Dunkel. Kommt aus Nase, Mund und Ohren und ich an Ihrer Stelle würde jetzt die Klappe halten", wurde sie von der Lady in Grün angezischt. „Das heißt, Sie haben geblutet, dank des Blutstillungstrankes, den wir Ihnen aber nicht oral verabreichen konnten, bleibt uns dieser unerfreuliche Anblick jetzt erspart."
Professor McGonagall konnte sich nicht mehr beherrschen. Dass ausgerechnet ihr, der Stellvertretenden Direktorin von Hogwarts und Hauslehrerin von Gryffindor, das passierte, war ein absolutes Novum.
Dass dieses Mädchen dalag und sich selbst kaltblütig sezierte, raubte ihr den letzten Nerv und konnte einen wirklich die Beherrschung verlieren lassen. Mit solchen schweren Verletzungen konnte jemand unmöglich in der Lage sein, eine Beurteilung über seinen Gesundheitszustand abzugeben - ganz zu schweigen von der Tatsache, exakt beschränkte Fragen zu stellen. Fragen auf das Wesentliche. Normalerweise gefiel ihr ein solcher Charakter, aber nicht mit diesen Verletzungen.
Genau betrachtet, stellte das Mädchen die Fragen, die eigentlich aus ihrem oder Albus' Mund hätten kommen sollen. Nachdem sie sich gefangen hatte, konnte sie ein anerkennendes Aufblitzen ihrer Augen nicht verbergen.
„Ist gut, Minerva, ich schätze ein, dass das nicht das erste Mal ist und dass sich Miss Hawkwing unter anderen Umständen genauso gut zu helfen gewusst hätte."
Der Mann im violetten Umhang sprach leise und gütig, fast einschläfernd. Aber schlafen war das Letzte, das sie jetzt wollte. Aniram fühlte einen leichten Brechreiz in sich aufsteigen und wollte nur noch in ihr Bett, ihr richtiges Bett.
„Stimmt, hätte ich." Sie warf einen kritischen Blick auf die Krankenschwester. „Ich warte noch zwei Stunden, dann gehe ich. Meine Verletzungen sind nur oberflächlich."
Nachdem sie drei fassungslose Gesichter sah, meinte sie: „Na gut, für den Fall der Fälle, geben Sie mir noch was Schmerz stillendes mit. Oder jetzt gleich. Wird ja wieder oral gehen", murmelte sie.
Die Reaktionen waren interessant. Diese Minerva schnappte nach Luft, der Herr in Violett schmunzelte und von der Krankenschwester war von einem Moment auf den anderen nichts mehr zu sehen. Ob sie vielleicht auch teleportiert war? Ach, unmöglich.
„Nun, scheinbar kann man Ihrem Willen und Ihrem Durchsetzungsvermögen keine Grenzen setzen, junge Dame. Sie selbst wissen sicher am besten, was wann möglich ist. Wenn Sie also der Meinung sind, Sie können sich in Ihren Schlafsaal begeben, dann tun Sie das. Ich werde die Hauselfen informieren, so dass Ihr Gepäck schon vor Ihnen da ist."
Verständnislos schaute sie ihn an. „Haus… was?"
„Hauselfen. Sie werden sie kaum zu Gesicht bekommen, aber sie sind da. Ich bin übrigens Professor Dumbledore und das", mit einer eleganten Handbewegung zeigte er auf die grüne Frau, „ist Professor McGonagall, meine Stellvertreterin. Ich überlasse Sie jetzt wieder sich selbst, nachdem ich mich davon überzeugt habe, dass es Ihnen bis auf einige Kleinigkeiten gut geht. Schlafen Sie gut."
Damit zog er Professor McGonagall wenig professionell und gar nicht wie ein Direktor am Umhang und verließ das Krankenzimmer.
Draußen machte sich Professor McGonagall so richtig Luft. „Albus, das ist doch wohl nicht Ihr Ernst? Dieses Mädchen sieht schlimm aus. Sie hat schlimmere Verletzungen als mir je in meinem Leben untergekommen sind, und Sie nennen das alles Kleinigkeiten?"
„Natürlich fällt es mir nicht leicht, sie einfach so", er schnipste mit den Fingern, „zu verlassen."
Nachdenklich blickte er auf die Eingangstür zum Krankenflügel. „Aber ich glaube, Miss Hawkwing kann selbst einschätzen, was ihr fehlt und was nicht. Ansonsten hätte sie trotz ihrer Verletzungen nicht so konkrete Fragen gestellt. Dazu gehört ein sehr disziplinierter Geist, meinen Sie nicht auch?"
Widerwillig musste sich Professor McGonagall eingestehen, dass Professor Dumbledore Recht hatte. Mit blitzenden Augen schaute sie ihn an.
„Ich bin gespannt, was sie in meinem Unterricht liefert."
„Ich bin gespannt auf JEDEN Unterricht, das dürfen Sie mir glauben", schloss er mit einem unergründlichen Lächeln.
