When you call my name…
Es beginnt zu dämmern.
Wie auch alle endlosen vorherigen Tage starre ich völlig blicklos aus dem Fenster. War der Ligusterweg schon immer so verdammt trostlos? Ich weiß es nicht. Langsam versinkt die Sonne hinterm Horizont.
Dämmerung…
Deine liebste Tageszeit. Wie hast du es immer beschrieben?
„In der Dämmerung ist nichts wirklich. Alles ist im Wandel. Wechsel zwischen Tag und Nacht. Zwischen Hell und Dunkel, Angst und Freiheit, Liebe und Hass…!"
Wie genau ich die Szene jetzt vor Augen habe.
Wir saßen am See, du lagst mit deinem Kopf in meinem Schoß, deine Augen geschlossen und auf deinen sonst so blonden Haaren lag dank der Glut der Sonne ein rötlicher Schimmer. Wie genau ich deine Stimme höre. Als würdest du neben mir stehen.
Erneut brennen heiße Tränen in meinen Augen.
Wie soll ich all das vergessen?
Wie kannst du all das vergessen, Draco?
Es hilft nichts, meine Wangen sind schon wieder nass.
Früher warst es immer du, der geweint hat. Nur vor mir hast du es dir erlaubt, Schwäche zu zeigen. Wie oft hast du schluchzend in meinen Armen gelegen, oben, auf dem einsamen, eiskalten Astronomieturm...? Wie oft hast du mich unter Tränen angefleht, dich nie wieder alleine zu lassen? Wie oft habe ich dich wieder beruhigt, dich im Arm gehalten, zart deine eiskalten, zitternden Lippen geküsst?
Und trotzdem bist du gegangen. Jetzt bin ich wieder allein.
Ärgerlich scheuche ich Krummbein weg, der sich schon wieder einen Spaß daraus macht, meine Haare zu fangen? Warum musste Hermine ihn mir auch in Pflege geben?
Meine Tränen tropfen hinunter auf meine zitternden Hände. Ich fühle mich so leer, so entsetzlich leer. Ich sehe auf meine Finger hinunter. Was ist auch in mir außer Traurigkeit? Was, außer Einsamkeit und einem gebrochenen Herzen?
I sit on my pillow
My cat on my head
I hear your voice, boy
And can`t forget
Your kisses were cold and
Full of loneliness
Hold deep sadness
With my hands
Aber eigentlich ist mein Herz nicht hier. Nein, es ist bei dir, Draco. Und dort wird es immer sein. Wie gerne wäre ich jetzt bei dir. Nein, das würde meine Qual nur noch verstärken. Aber was soll ich hier? Hier bin ich auch nur allein mit meiner Trauer.
Warum passiert so etwas immer mir?
Kann nicht ein Anderer meine Rolle übernehmen? Kann ich nicht in einer anderen Geschichte mitspielen? Eine mit einem glücklichen Ende?
In meiner gibt es so etwas schließlich nicht. Nicht für meine Eltern. Nicht für Cedric. Nicht für Sirius.
Nicht für mich.
So war es doch schon immer. Wenn ich einmal etwas Glück habe, dann nur, um später doppelt zu leiden.
Wenn du nur hier wärst… Dann wäre alles gut. Deine Arme haben mich immer vor allem beschützt. Nur ein einziger liebevoller Blick aus deinen grauen Augen, und all der Schmerz wäre vergessen.
Wieder muss ich schluchzen. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und rolle mich verzweifelt auf meinem Bett zusammen.
Es tut mir so Leid, Draco. So unglaublich Leid.
Es tut mir ja so Leid…
I won`t be here - I won`t be there
I will write another story
And my tears
Will create
Will create a lake of sorrows
Mein verschwommener Blick fällt auf meinen Kalender.
August…
5 Monate, seit wir zusammengekommen sind. Ich glaube fast, die zarten ersten Strahlen der Aprilsonne auf meinem Gesicht zu spüren…
Ist das wirklich alles ganze 5 Monate her?
Fünf Monate, in denen ich dachte, du würdest mich genauso lieben wie ich dich.
Wie genau höre ich deine Stimme, wie du leise meinen Namen flüsterst…
„Harry…"
So sanft, mit so viel Liebe…
Wie kann all das Nur Lüge gewesen sein?
So kann das nicht mehr weitergehen. Ich komme fast um, teils vor Trauer, aber auch vor Sehnsucht nach dir.
But in April it sounds like love
When you call
You call my name
You call my name
But in April it sounds like love
When you call
You call my name
You call my name
You call my name
Ich muss dich sehen. Jetzt. Egal wie weh es tun wird. Ich kann nicht anders. Kaum habe ich diesen Entschluss gefasst, geht es mir ein bisschen besser.
Ich werde dir wieder nahe sein. Bald.
Rasch ziehe ich mich ordentlich an, denn meine alten Kleider trage ich schon seit zwei Tagen. Dann schleiche ich mich leise die Treppe runter, um meine Verwandten nicht aufzuwecken. Kaum stehe ich vor der Haustür, werfe ich mir den Tarnumhang über und konzentriere ich mich auf mein Ziel. Malfoy Manor.
Als ich die Augen wieder öffne, gibt mir die schmerzlich vertraute Umgebung einen Stich. Wie oft war ich mit dir in den Ferien hier? Rasch laufe ich zwischen den Hecken hindurch, bis ich vor dem großen, schmiedeeisernen Tor gezwungenermaßen stehen bleiben muss. Mit dir bin ich immer einfach hindurch gegangen. Vorsichtig strecke ich die Hand aus und zucke erschrocken zurück, als sich aus den kalten Stahlstäben ein Gesicht bildet.
„Was ist Euer Begehr?", fragt es mir hoher, kalter Stimme.
Ich zögere kurz.
Dann flüstere ich ganz leise, in der stillen Nacht jedoch gut verständlich: „Ich…ich will zu Draco…" In meiner Stimme klingt all meine Sehnsucht mit.
Einen Moment warte ich angespannt, dann löst sich das Metall einfach in Rauch auf und der Weg ist frei. Unsicher mache ich einen Schritt vorwärts, aber nichts hält mich auf und so werde ich mit jedem Schritt schneller. Je näher ich dem Haus komme, desto nervöser werde ich. Du schläfst schon, denn alle Fenster sind dunkel. Ein Glück.
Leise öffne ich die Haustür, haste die Gänge entlang. Erst vor deiner Schlafzimmertür halte ich inne. Meine Hände beginnen wieder zu zittern. Soll ich wirklich? Wie in Zeitlupe strecke ich die Hand nach der Klinke aus, öffne die Tür.
Vorsichtig betrete ich dein Zimmer. Der Mond beleuchtet dein Bett, in dem wir so oft aneinandergekuschelt eingeschlafen sind.
Und da liegst du. Das Einzige, was zu hören ist, sind deine ruhigen Atemzüge. Ich bin wie gefesselt von deinem Anblick. Der Mond scheint auf dein blondes Haar und lässt es noch heller schimmern. Du liegst auf der Seite und hast dich ganz tief in dein Kissen gekuschelt.
Eine blonde Strähne hat sich vom Rest deiner Haare gelöst und fällt dir ins Gesicht. Wie im Traum komme ich näher, zögere kurz, dann streiche ich sie weg.
Es tut so gut. So unendlich gut, dich zu sehen, dir nahe zu sein, deine warme Haut an meinen Fingerspitzen zu spüren.
Noch immer liegt meine Hand an meiner Wange. Ich bringe es einfach nicht über mich, die Berührung zu beenden.
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so dastehe, wie in Trance.
Schließlich schaffe ich es doch, mich loszureißen. Die Tür steht noch immer offen, fast wie ein Zeichen.
Du musst jetzt gehen, Harry. Ein letztes Mal streiche ich dir sanft über die Wange, dann drehe ich mich um und gehe. Im Türrahmen drehe ich mich noch einmal um. Wie gerne würde ich mich einfach zu dir legen und in deinen Armen sicher einschlafen… Doch das geht nicht. Nicht mehr. Rasch schließe ich die Tür und laufe die Gänge entlang, zurück nach draußen. Kaum habe ich die Grundstücksgrenze überquert, werfe ich mir den Tarnumhang wieder über. Mir ist fast so, als würde der Mond jetzt wieder ein wenig heller scheinen. Gerade, als ich appariere, fängt hinter mir die Uhr an zu schlagen…
Ich bin auf einmal schrecklich müde. Seit Tagen habe ich nicht mehr richtig geschlafen. Doch jetzt scheint alle Müdigkeit mit einem Mal über mir hereinzubrechen. Mit letzter Kraft wanke ich in mein Zimmer hinauf. Dort falle ich aufs Bett. Zum ersten Mal seit Tagen schlafe ich augenblicklich ein.
The door is open now
I have to go
The moon shines brighter
Than it did before
The clock strikes twelve
There`s no time
Time to sleep …
Als ich am nächsten Morgen aufwache, höre ich Tante Petunia schon unten in der Küche herumwerkeln. So gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen. Tief und ohne Albträume.
Es geht mir noch lange nicht gut, aber ein wenig besser.
Doch jetzt setzte ich mich auf und gehe zum Schreibtisch. Ich habe einen Plan gefasst. Leicht nervös greife ich mir einen Stift und beginne zu schreiben.
Lieber Draco!
Es tut mir Leid, es tut mir Leid, es tut mir so schrecklich Leid!
Du hattest Recht mit deinem Vorwurf, ich würde dich vernachlässigen. Ich wollte mir das damals nicht eingestehen, aber es war so. Verzeih mir, dass ich es abgestritten habe. Natürlich muss ich mich auch um Voldemort kümmern, aber das ist kein Grund, dir wehzutun.
Ja, ich weiß, dass du gesagt hast, du hättest mich nie wirklich geliebt.
Wenn das so ist, bitte verzeih mir auch, dass ich dir schreibe. Aber ich kann nicht anders. Die Sehnsucht nach dir zerreißt mich. Mein Herz ist die ganze Zeit bei dir.
Ich glaube dir nicht.
Vielleicht willst du selber, dass deine Worte wahr sind, aber das sind sie nicht.
Dir selbst kannst du etwas vormachen, aber mir nicht.
Dazu kenne ich dich zu gut, Draco Malfoy!
Falls du genauso leidest wie ich, flehe ich dich an: Gib mir bitte irgendein Zeichen. Ich bin sofort bei dir.
Und noch ein letztes Mal:
Es tut mir so Leid!
Verzeih mir!
Ich liebe dich!
Harry J. Potter
Als ich wieder an unseren schrecklichen Streit denken muss, kommen mir erneut die Tränen. Ich gebe mir zwar Mühe, aber ein paar tropfen trotzdem auf den Brief. Ich hoffe ja so sehr, dass ich Recht habe. Mit zitternden Händen binde ich den Brief an Hedwig und öffne ihr das Fenster. Ich sehe ihr noch lange nach.
Der Himmel verdunkelt sich immer mehr. Ein Gewitter zieht auf…
I`m not here - I`m not there
Took a ball point pen to write you
And my tears
They create
They create a lake of sorrows
Der Regen trommelt ohrenbetäubend laut gegen die Fenster. So einen dollen Sturm habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Wie auf glühenden Kohlen laufe ich unruhig in meinem Zimmer auf und ab. Schon sieben Uhr abends und noch immer keine Antwort von Draco. Langsam werde ich verrückt.
Plötzlich kommt mir ein schrecklicher Gedanke.
Was ist, wenn Hedwig den Brief bei diesem Sturm verloren hat? Erschrocken bleibe ich stehen, versuche aber nicht in Panik zu geraten.
Nach einer weiteren Stunde halte ich es nicht mehr aus.
Schnell wiege ich die Risiken gegeneinander ab.
Draco sehen und ihn vielleicht in die Arme schließen zu können gegen Draco sehen und die Abfuhr vielleicht gleicht persönlich von ihm bekommen.
Trotzdem, in jedem Fall sehe ich ihn. Und die Ungewissheit halte ich einfach nich länger aus. So schnell ich kann, renne ich die Treppe hinunter, ignoriere den Schrei von Onkel Vernon, komme auf die Straße und appariere noch im Laufen.
Auch im Malfoy Manor regnet es. Sogar fast noch stärker als im Ligusterweg. Ich haste auf das große Tor zu, welches sich vor mir sofort in Rauch auflöst. Noch ehe ich die Tür erreiche, bin ich bis auf die Haut durchnässt. Ich renne die Gänge zu deinem Zimmer so schnell entlang, dass ich ab und zu ins Rutschen komme und beinahe falle. Doch das ist im Moment wirklich egal. Kaum habe ich deine Zimmertür erreicht, reiße ich sie auf und stolpere in den Raum.
Du stehst genau in der Mitte, meinen Brief in der Hand. Fassungslos starrst du darauf, hebst dann den Blick, siehst mich und deine Gesichtszüge entgleisen vollkommen.
Jetzt stehen wir hier voreinander, so nah und doch so fern.
Wir sehen einander an, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.
Da merke ich, wie du wieder die Maske des Malfoys aufsetzt. Wie immer, wenn du deine Gefühle verstecken willst. Und du weißt genau, wie sehr ich es hasse.
Aber ich sage nichts.
Je länger wir uns ansehen, desto mehr beginnt deine Maske zu bröckeln.
Nicht lange und du stehst schutzlos vor mir.
In deinen Augen glitzern Tränen.
Auch mein Blick verschwimmt langsam.
Und plötzlich habe ich wieder Angst. Angst, mich in dir getäuscht zu haben. Angst, wieder so verletzt zu werden.
Angst, dich ein zweites Mal zu verlieren.
Eine einzelne Träne löst sich aus meinem Augenwinkel uns läuft meine Wange hinab.
Verzweifelt versuche ich dich weiterhin anzusehen. Hatte ich Recht? Liebst du mich wirklich noch?
Sag doch etwas, Draco! Sag doch was…
Dann passiert das, was alle meine Zweifel mit einem Mal wegfegt.
„Harry…", flüsterst du leise.
Zwar ist deine Stimme brüchig wegen all der Tränen, aber es ist die gleiche Liebe darin. Augenblicklich ist der Bann gebrochen. Wir laufen aufeinander zu, fallen uns in die Arme. Ich drücke dich so eng an mich, wie ich kann. Gemeinsam sinken wir auf den Boden, unsere Tränen vermischen sich. Wir klammern uns aneinander wie zwei Ertrinkende.
Es dauert eine Zeit, bis ich wieder sprechen kann.
„Draco…", murmele ich leise. Wie gut es sich doch anfühlt, deinen Namen auszusprechen.
„Draco, es… es tut mir so unglaublich Leid!" Meine Stimme klingt heiser.
Du drückst mich nur noch fester an dich.
„Harry, oh Harry… mir tut es auch so schrecklich Leid! Ich hätte so etwas nie sagen dürfen!" Zärtlich legst du mir deine Hand unters Kinn, drehst meinen Kopf so, dass ich dir in die Augen sehen muss. Sie sind so schön.
„Ich liebe dich!", flüsterst du leise und so ehrlich, dass ich gar nicht anders kann als dir zu glauben.
Ich vergrabe mein Gesicht in deiner Halsbeuge und schlinge meine Arme so fest ich kann um dich.
„Ich dich auch, Draco. Ich dich auch."
Und wieder nur ein Wort, dass mich all deine Liebe hören und fühlen lässt.
„Harry…"
It sounds like love when you call my name…
Yes, I wrote another story
And my tears, and my tears...
Danke fürs Lesen, ich hoffe, es hat euch gefallen. Wie immer Kekse für alle, die Reviews hinterlassen. :)
