Disclaimer: Stephenie Meyer, Twilight-Series.
Timeline: Post-BD, zwischen 2250 und 2260 n. Chr.
I am stuck in this world
Lonely and fading
Heart-broke and waiting
For you to come
We are stuck in this world
That's not meant for me
~Wayne Static – Not meant for me ~
(1)
Das Herz meines geliebten Ehemanns verstummte nach einem letzten, zitternden Schlag und die Welt um mich herum stand still.
Ich verweilte noch einige Minuten an seiner Seite, dann bettete ich seine erkaltende Hand auf seine Brust und stand auf.
Meine Familie blickte mir hinterher, doch niemand sprach etwas oder folgte mir.
Ich ging in das Zimmer, das ich in den letzten Jahrzehnten mit meinem Gatten geteilt hatte, und setzte mich vor den Computer.
„Euer Vater ist gestorben.", tippte ich. „Er ist friedlich eingeschlafen."
Ich schickte die Nachricht ab.
Es gab nichts mehr, was ich tun konnte.
Obwohl ich seit Jahrzehnten gewusst hatte, dass der Tag kommen würde, an dem mein Mann sterben würde, war ich verloren wie nie zuvor.
Mein Leben hatte mit dem seinen geendet.
Bald, Jake, bald werde ich wieder bei dir sein.
Freitag
Samstag
Sonntag
Ich wusste, was ich tun würde.
Die Ähnlichkeit zu meinem Vater war schon immer größer als die zu meiner Mutter gewesen. Ich würde handeln wie er.
Ich wusste, dass Alice mich zwar sehen würde, doch ich vertraute darauf, dass sie schweigen und mir helfen würde. Sie kannte meine und Jakes Absichten, einander nicht lange Zeit zu überleben. Sie selbst würde Jasper nicht lange überleben wollen.
Sie würde mich in Gedanken auf meinem letzten Weg begleiten.
„Sieh an, welch' Vöglein in unser Nest flattert." Caius musterte mich herablassend. Er selbst mochte seine lässige Haltung auf dem Thron für dandyhaft halten, für mich war sie nur ein Zeichen schlechter Erziehung und flegelhaften Verhaltens. Esme wäre schockiert.
In der Mitte des Podests erhob sich Aro und schritt mir mit einem falschen Lächeln entgegen. Das blonde Mädchen – Jane – heftete sich an seinen Mantelsaum.
Der dritte Thron war unbesetzt.
„Renesmee Cullen. Was für eine Freude, dich nach all den Jahren wieder zu sehen. Aus dir ist eine richtige junge Dame geworden."
„Lassen wir die verlogenen Komplimente beiseite, Aro. Ich bin aus einem bestimmten Grund hier."
Freiwillig bot ich Aro meine Hand an. Es gab nichts mehr, was er oder irgendjemand sonst mir antun könnte. Würde er mir nicht den Tod gewähren, würde es ein anderer tun.
Er hob beide Hände. Sie schwebten einen Moment lang um meine ausgestreckten Finger, dann berührte er mich. Er zuckte zusammen, als ich in meiner Ungeduld mein eigenes Talent benutzte, um ihm mitzuteilen, dass ich gekommen war um zu sterben, dass ich aber nicht den gleichen Fehler wie mein Vater einst begehen würde, die Volturi zu einer Reaktion zu provozieren, indem ich mich bei Sonnenlicht auf den Straßen von Volterra offenbarte…
Wenn Aro mir meinen Wunsch nicht gewährte, würde ich andere Vampire finden. Vielleicht die Rumänen oder einer der asiatischen Clans. In Asien kannte niemand mich oder meine Geschichte. Alles, was ich tun musste, war einen Angriff vorzutäuschen.
Ich war nur hier, weil die Talente der Wache mir die Möglichkeit eines raschen, schmerzlosen Todes boten. Alec konnte mir die Sinne nehmen und Aro und Caius höchstpersönlich könnten mir den Kopf von den Schulten reißen, sollten sie nach all den Jahren noch immer kleinliche Rachegelüste gegen meine Familie hegen.
Aro ließ seine Hände sinken.
Er musste nicht sprechen, ich sah ihm auch so an, dass er mir nicht helfen würde. Er war ein Sammler, also überraschte mich sein Angebot nicht weiter.
„Meine junge Freundin", sprach er, „ich sehe deinen Wunsch. Doch wie deinem Vater kann ich ihn dir nicht gewähren. Carlisle wäre betrübt, würde ich es tun."
In einem Anflug von Zorn legte ich ihm die Hand auf die Brust. Lügner. Mein Großvater hat nichts mit deiner Entscheidung zu tun, Aro. Mein Talent bietet dir nur geringfügig mehr als das, was dein eigenes vermag. Und freiwillig dienen würde ich dir ohnehin niemals.
Er lächelte und winkte die Leibwächter zurück, die meine Bewegung als Aggression verstanden. „Nun denn, Renesmee. Ich lade dich ein, für einige Tage unsere Gastfreundschaft zu genießen, ehe du dich entscheidest. Du wärst eine äußerst geschätzte Bereicherung für unsere Wache."
„Nein, danke. Ich ziehe es vor, Volterra wieder zu verlassen, so lange es noch Nacht ist."
„Gibt es nichts, womit ich dich zum bleiben überreden könnte?" Aro versuchte sein charmantestes Lächeln, doch es prallte wirkungslos an mir ab.
„Töte mich, dann bin ich für immer hier."
Aro seufzte. „Noch immer ein störrisches Kind, wie ich sehe."
„Störrisch vielleicht, Aro. Doch ich bin genauso wenig ein Kind wie Jane und Alec. Unterschätze mich nicht. Ich werde meinen Willen durchsetzen."
„Du wirst doch nicht die gleiche Dummheit wie dein Vater versuchen, Renesmee?", mischte sich Caius ein, der den stummen Teil meiner Konversation mit Aro nicht mitbekommen hatte. In Sekundenbruchteilen hatte er an Aros Seite aufgeschlossen und starrte drohend und herablassend zugleich auf mich nieder. „Du würdest dir und uns einiges an Mühen ersparen, wenn du dich entweder uns unterwirfst oder dich von uns töten lässt."
Ah. Im Gegensatz zu Aro hegte Caius also noch Rachewünsche gegen die Cullens.
Würde ich Caius jetzt angreifen, ich würde zweifellos sterben. Aber die Genugtuung würde ich ihm nicht bieten, genauso wenig wie einen Grund, nach mir auch meine Familie zu exekutieren. Meine Familie hatte nichts mit meinem Wunsch zu sterben zu tun.
Ich sagte: „Ich werde gehen, wie ich gekommen bin. Friedlich."
„Als du diese Burg betreten hast, hast du deinen freien Willen eingebüßt.", verkündete Caius. „Innerhalb dieser Mauern bist du uns untertan und du wirst dich uns fügen."
„Ich bin niemandes Untertan, Caius. Ich werde jetzt gehen." Ich wandte mich ab.
Ich spürte die Bewegung mehr als dass ich sie sah. Caius erhob seine Hand um mich niederzustrecken.
„Du wirst sie nicht anfassen."
Nicht Caius' Drohung, sondern der Klang dieser seltsamen, ruhigen Stimme brachte mein Herz zum rasen. Caius' Schlag kam nicht.
Ich blickte in die Richtung, aus der die Worte an mein Ohr gedrungen waren und erkannte Marcus zwischen seinem und Aros Thron auf dem Podium.
Er war der Einzige der Volturi-Könige, den ich als Kind nicht persönlich gesehen hatte, auch wenn er bei der Auseinandersetzung mit meiner Familie präsent gewesen war. Ihn kannte ich nur von dem Gemälde in Carlisles Bibliothek. Auf dem Solimena-Bild hatte er immer einen unbeschreiblich gelangweilten, traurigen Eindruck auf mich gemacht, doch sein Gesicht sprach jetzt von einer anderen Gefühlsregung.
Mit einem mitfühlenden, verstehenden Lächeln auf den Lippen trat er auf mich zu. Die Trauer auf seinem Antlitz lag in diesen Sekunden nur noch in seinen Augen, die die Farbe von dunklem, kräftigem Rotwein besaßen.
Mein Herz beruhigte sich, fast als wäre Jasper bei mir.
„Du hast einen schweren Verlust erlitten.", stellte Marcus fest. „Das Band zu einer Person, die du sehr liebst, wurde vor Kurzem zerrissen."
Ich nickte. Marcus besaß eine Fähigkeit, das hatte ich vergessen. Er konnte die Beziehungen zwischen Menschen sehen. Zuneigung und Abneigung, Liebe und Hass.
„Jake. Mein Ehemann.", brachte ich mühsam hervor. Meine Augen begannen zu brennen und ich blinzelte. Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln.
„Mein herzliches Beileid."
Marcus' Worte beschworen eine seltsame Realität, eine greifbare Wahrheit herauf. Nicht einmal, als ich Aro Jakes Tod gezeigt hatte, hatte es sich echt angefühlt.
Zum ersten Mal, seit mein Jake gestorben war, weinte ich.
„Komm mit mir.", bot Marcus leise an. „Du musst erschöpft sein."
Halb blind vor Tränen führte er mich, seinen Arm um meine Schultern gelegt, das Podest hinauf und in den Gang dahinter. Ich ließ es geschehen, dass er meine Schritte lenkte und sogar, dass er mir seinen Mantel um die Schultern hängte, als ich zu zittern begann.
