I Prolog

Craig Parker riss wütend die Tür des Studios auf, rannte förmlich den Flur entlang, und fluchte leise vor sich hin. Liv Tyler, die ihm entgegen kam, wich erschrocken aus, als er sie mit einem Blick durchbohrte, der hätte töten können.

"Was...", setzte sie an, doch Craig ging einfach weiter, ohne sie zu beachten.

Seine Miene war so finster wie das Wetter draußen, weswegen er auch von niemandem angesprochen wurde, als er sich kurze Zeit später in der Kantine niederließ. Seit drei Wochen nun, war er schon hier in Neuseeland, und der Regen hatte nicht einmal ausgesetzt. Ebenso wie die endlosen Anweisungen Peter Jacksons, prasselte er auf die Schauspieler und Crew herab.

Und heute war wieder ein besonders anstrengender Tag gewesen. Erst kamen die Hobbitdarsteller wieder einmal zu spät – wie immer – und dann ... ja, dann lief es eigentlich ganz gut. Die Szene in Lothlórien wurde gedreht und schnell im Kasten. Alle waren gut aufgelegt, und man wollte gerade weitermachen, da fiel Viggo Mortensen plötzlich aus heiterem Himmel auf, das Craigs Perücke nicht richtig saß. Und wie es üblich war, war nicht die Maske ins Kreuzfeuer des Unmuts geraten, sondern Craig.

Dieser seufzte genervt auf und schaute missmutig auf sein Essen. Eigentlich hatte er gar keinen Hunger, er wollte nur der geladenen Atmosphäre im Studio entkommen.

Ziellos wanderte sein Blick durch den großen Raum, und blieb an Legolas...besser gesagt, dem Schauspieler hängen. Wie hieß er noch gleich? Achja...Orlando Bloom oder so. Ein neuer. Craig war erstaunt, wie talentiert er war, wenn auch ein wenig unsicher. Er könnte es noch weit bringen.

Als hätte Orlando den Blick gespürt, schaute er auf. Ihre Blicke kreuzten sich kurz, dann wurde Orlando rot, und senkte schnell den Kopf.

Craig grinste, und wandte seinen Blick ebenfalls ab. Der Brite war wirklich süß, aber ... er war ihm zu schüchtern. Da gefiel ihm dessen Rolle schon besser: Legolas war genau nach seinem Geschmack. Mutig, aber nicht angeberisch, ruhig und besonnen, schnell und...ja...und wahnsinnig gut aussehend. Craigs Blick wurde leicht träumerisch, doch sofort rief er sich zur Ordnung. Schwärmen? Kein Problem. Für einen Mann? Alles klar. Aber für eine fiktive Figur?! Auf keinen Fall! Er war zwar manchmal etwas sehr fantasievoll, aber DAS ginge nun doch etwas zu weit.

Der Kiwi seufzte erneut auf und erhob sich. Es machte eh keinen Sinn, er hatte keinen Hunger. Rasch trug er sein kaum berührtes Essen zur Rückgabetheke und begab sich wieder in das Studio für Lothlórien.

Leise schob er die Tür auf, und stellte fest, das es verlassen war. Anscheinend hatte Jackson die anderen ebenfalls in die Mittagspause entlassen. Sehr gut. Craig mochte es hier zu sein, vor allen Dingen alleine. Er mochte die großen Baumstümpfe, auch wenn sie aus Pappmaché waren. Er mochte Galadriels Spiegel, und das leicht mystische. Wenn er sich hinlegte, und die Augen schloss, fühlte er sich fast so, als wäre er in Mittelerde.

Und das tat er nun wieder. Leise ging er zu der kleinen Lichtung in der Mitte ihres künstlichen Waldes, und legte sich auf das Moos. Seine Augenlider wurden schwer und seine Atmung merklich ruhiger. In Gedanken summte er ein altes Lied, was seine Mutter ihm vorgesungen hatte, als er noch klein gewesen war. Nun konnte er beinahe die Vögel zwitschern hören, das Knacken des Unterholzes und das Rascheln der Blätter. Und eher er es sich versah, war Craig Parker eingeschlafen.

Als er wieder erwachte, spürte er, dass etwas falsch war. Sein ganzer Körper schrie Gefahr! Craig riss er mit einem kleinen Schrei die Augen auf, sprang auf – und wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden. Der Wald...er war ein WALD geworden! Ein echter, realer Wald. Die kleine Lichtung war nun verschwunden, er war umringt von Bäumen, und es war düster. Viel zu düster. Und die Bäume...sie waren riesig!

Craig sah sich benommen um, verwirrt und geschockt. Das konnte nicht sein. Bestimmt hatten ihm seine Kollegen einen Streich spielen wollen. Hatten ihn in irgendeinen Wald nahe Wellingtons transportiert, wie auch immer sie das fertig gebracht hatten, ohne ihn zu wecken, und standen jetzt hinter irgendeinem dieser gigantischen Bäume und lachten sich ins Fäustchen.

Doch irgendetwas, tief in Craigs Herzen, sagte ihm, dass dies leider nicht der Fall war. Langsam, mit stolpernden Schritten ging der Kiwi los.

"Hallo?", rief er verzagt und mit leiser Stimme. "Ist da wer?"

Aber niemand antwortete ihm, bis auf ein Eichhörnchen, das anscheinend nach einer Nuss suchte, die es hier irgendwo einmal verbuddelt hatte. Es huschte an Craig vorbei und einen Baum hinauf. Craigs Blick folgte ihm, und was er sah, erschreckte ihn bis in die Knochen: das Eichhörnchen war pechschwarz. Und jetzt, wo er sich genauer umsah, konnte er erkennen, das alle Tiere, egal ob Vögel oder Kleintier, schwarz waren. Ebenso wie das Licht immer dunkler wurde.

Doch bevor der Kiwi diesen Umstand analysieren konnte, geschweige denn entscheiden, was jetzt zu tun sei, unterbrach eine eiskalte Stimme seine Gedanken.

"Und, was gedenkt ein Mensch in solch seltsamer Kleidung in unseren Wäldern zu finden?", fragte selbige unmissverständlich feindselig.

Craig wirbelte herum, und sah sich vier gespannten Bögen gegenüber. Erschrocken hob er die Hände, und stotterte: "Ich..äh...nun, also... ich weiß auch nicht... meine Freunde..."

"Schweig!", fuhr ihn die fünfte Person, welche anscheinend der Anführer war, Craig an.

Stirnrunzelnd musterte Craig den, wie er fand, doch recht unhöflichen Mann. Er trug dunkle, lederne Kleidung, einen schwarzen (was für eine Überraschung) Mantel, und – Craig schluckte – ein sehr echt aussehendes Schwert an seiner Seite.

"Könnten Sie mir bitte erklären wo - ", setzte der Kiwi an, doch er brach den Satz ab, als sein Blick zu den Ohren des Fremden wanderten. Sie waren spitz! Craigs Herz begann schneller zu schlagen, Adrenalin schoss durch seine Venen.

"In Rhovanion, Nachtschattenwald, und Ihr tätet gut daran uns freiwillig zu folgen.", erklärte der Anführer gelangweilt, und wendete sich ab. "Abführen!"

Die vier anderen, die Craig nun eindeutig als Elben identifizieren konnte, traten auf ihn zu. Der Kiwi schaute sie mit aufgerissenen Augen an, und langsam drang es in sein verwirrtes Denken vor: Er war in Mittelerde!

Und dann verlor er das Bewusstsein.