Kalter Wind wehte mitten im Frühsommer über die Gärten des imposanten Anwesens in Edinburgh.

Alles schlief noch, die Blumen waren noch verschlossen von der langen Nacht, die Vögel schlummerten und mit ihnen alle Lebewesen dieser Gärten. Selbst die Sonne war noch nicht aufgegangen, denn selbst sie ruhte noch zu solch früher Stunde.

Der See lag vollkommen still, alles schien wie ausgestorben. Nur die Blätter der zahlreichen Bäume raschelten im Wind.

Die Dunkelheit lag noch über dem Anwesen, sie ließ die Mauern des Palais grau und kalt wirken.

Der einzige belebte Ort schien der Friedhof zu sein, welcher ebenfalls zu jenem Anwesen gehörte.

Menschen standen dort, Herren in schwarzen Umhängen und Damen in eleganten Kleidern. Die Stimmung schien gedämpft, denn niemand wagte laut zu sprechen, alle unterhielten sich flüsternd.

Eine Dame stand etwas abseits vom Geschehen, neben ihr ein junger Mann, kaum achtzehn Jahre alt. Seine schlanker Körperbau und seine weichen Gesichtszüge ließen ihn noch viel jünger wirken.

Er fuhr sich mit der Hand durch das schwarze Haar. Auch er wusste nichts mit all den anderen Menschen um ihn herum anzufangen.

Die beiden sprachen nicht miteinander, es schien als gäbe es nichts mehr zwischen ihnen, das eine Unterhaltung wert sei.

Mit einem Mal wurde es völlig still und das gedämpfte Flüstern der anderen Menschen setzte für einen Augenblick aus. Einen Moment lang konnte man nur die Blätter hören, wie sie sich ihm Wind bewegten.

Ein Mann mittleren Alters durchschritt den Bogen, der zu jenem Friedhof führte, hinter ihm ging eine Dame, neben ihr ein Mädchen mit blondem Haar, ihre Tochter.

Einige Sekunden lang waren diese drei Menschen, die soeben den Bogen passiert hatten, Blickpunkt der Aufmerksamkeit.

Sie durchquerten den Friedhof, auf einem von Fackeln hell erleuchteten Weg, der sich deutlich von der übrigen Umgebung abhob, bis sie die schwarzgekleidete Dame und den jungen Mann neben ihr erreichten.

Das Mädchen blieb stehen, als ihre Mutter es ihr mit einem Handzeichen verhieß. Ihr bodenlanges Kleid raschelte, bei der abrupten Bewegung.

Niemand von ihnen sprach, vielleicht hatten sie sich einfach nichts zu sagen, oder vielleicht war es auch zu viel, was ausgesprochen werden sollte.

Schließlich durchbrach der Mann die Stille, nach einigen Sekunden des Zögerns, doch als er sprach, klang seine stimme so fest und selbstsicher, als hätte er jene Worte schon oft ausgesprochen, auch wenn dem nicht so war: „Mein herzliches Beileid.", und er nahm ihre Hand in die seine, hielt sie einen Moment lang fest und ließ sie dann los.

„Vielen Dank, Mr Black. Wir wissen es zu schätzen.", ihre Stimme klang emotionslos, so als würde sie nicht meinen, was sie sagte: „Aber sind Sie nicht derjenige, dem mein Beileid zukommen sollte. Schließlich war mein verstorbener Mann, ihr Bruder."

„Ich bin mir dessen bewusst Mrs Black, jedoch glaube ich zu wissen, dass Sie die Zeit hatten ihn besser kennen zu lernen, als ich."

„So, glauben Sie das?"

„Ich nehme an, Regulus, der hier neben Ihnen steht, ist Beweis genug.", erwiderte er nüchtern, dann fuhr er etwas freundlicher fort: „Verzeih mir Regulus, dass ich von dir spreche, als wärst du nicht hier anwesend."

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, schließlich wurde es für mich zur Gewohnheit.", entgegnete ihm der junge Mann traurig.

„Die Zeremonie beginnt.", bemerkte seine Mutter teilnahmslos, während sie nachdenklich ein vertrocknetes Blatt zwischen den Fingern zerrieb.

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen wandelte sich das Flüstern in Stille, man konnte die Anspannung fast spüren, die sich nun ausbreitete.

Alle Anwesenden nahmen ihre Plätze ein, sie bildeten einen großen Kreis, um den prachtvollen Marmorsockel, auf dem die Urne stand, die Urne mit der Asche des Verstorbenen. Sie war aus Silber gefertigt worden, bereits wenige Stunden nach der Geburt, des kürzlich Verstorbenen, so wie für jeden Black eine solche angefertigt wurde.

In geschwungenen Lettern war das Motto der Familie Black darauf eingeritzt: „Toujours Pur".

Einen kurzen Moment lang zögerte das Mädchen, bevor sie in jenen Kreis eintrat.

Sie betrachtete die Urne, sie wusste, dass eine ebensolche für sie, bereits gefertigt worden war. Wenn es um sie geschähe, kämen dann auch all diese Menschen, um ihr Beileid auszusprechen, um ihrer Beerdigung beizuwohnen?

„Narzissa, weshalb zögerst du?", Regulus hielt seiner Cousine die Hand hin.

„Es tut mir Leid, wenn es so auf dich gewirkt hat, sagte sie mit klarer Stimme und ergriff seine zitternde Hand.

Wahrscheinlich hatte ihn der Tod seines Vaters doch mehr mitgenommen, als er es allen anderen gegenüber zugeben wollte, oder vielleicht ließ es auch nur sein Stolz nicht zu.

Einige Sekunden standen alle um den Sockel und nichts geschah, keiner wagte zu sprechen.

Schließlich trat Regulus vor, unsicher ging er, bis er unmittelbar vor der Urne stand, die im schwachen Dämmerlicht glänzte.

Als die ersten Strahlen darauf fielen, zog er eine silbrig schimmernde Phiole und goss den Inhalt über die sterblichen Überreste seines Vaters.

Ein leiser Aufprall, war zu hören, als die Phiole seiner Hand entglitt, so als hätte er seine Selbstkontrolle verloren.

Doch das hatte er nicht. Regulus schwang seinen Zauberstab und in eben jenem Moment, als die Sonne vollständig aufging, ging die Urne in Flammen auf.

Narzissa blickte ins Feuer, sie sah wie das Silber langsam schmolz, bis die Asche des Verstorbenen hell aufloderte und verbrannte.

Die Flammen wurden immer kleiner, bis die Asche verglühte.

Schließlich erlosch jene kleine Glut ebenfalls und auf dem Sockel blieb nur ein kleines Häufchen Asche, welches sich zu verformen begann.

Es nahm die Gestalt jenes Mannes an, dessen Überreste es gewesen war.

Mr Blacks Antlitz in Marmor gehauen.

Während alle betroffen das Grabmal anblickten, welches nun von der Sonne erleuchtet wurde, sah Narzissa Regulus an.

Als er ihren Blick auf sich ruhen sah, schloss er die Augen, um sie nicht merken zu lassen, was er fühlte, er wusste, sie würde es nicht verstehen, nicht begreifen können, weshalb sie nicht Freunde sein konnten …

Die Menschen um sie herum begannen sich zu zerstreuen, sie betraten die Wege, die zurück in Richtung des Palais führten

Ihnen allen voran Mrs Black, die Frau des Verstorbenen.

„Narzissa, Liebes, komm lass uns die Malfoys begrüßen.", ihre Mutter winkte sie mit einer eleganten, wie vornehmen Geste zu sich heran. Ihre Tochter wandte den Blick von ihrem Cousin ab.

Sie schritt langsam, darauf bedacht immer auf dem Weg zu bleiben, um die Toten nicht zu entehren, auf sie zu.

Narzissa kam neben ihrer Mutter zu stehen, die ihre schwarz behandschuhte Hand, auf die ihres Mannes legte, als sie bemerkte, dass jemand auf die beiden zukam.

Ganz gleich, wie zerstört ihre Familie im Inneren bereits war, der Anschein des vollkommenen Glücks musste gewahrt werden.

„Guten Morgen Mrs Malfoy.", begrüßte Mr Black die Dame, die mit ihrem Mann auf ihn zukam.

Narzissa drehte den Kopf zur Seite, während sie sich mit der Hand an die Stirn fuhr.

Sie war nicht darauf gefasst gewesen, ihn hier zu treffen, in dieser Situation, nicht jetzt. Sie konnte es sich nicht erlauben, dass ihre Verlobung gelöst würde.

Und sein Vater würde nicht zögern, nicht einen Moment lang, denn sein einziger Sohn und Erbe sollte nur das Beste erhalten …

„Abraxas.", er schüttelte kurz seine Hand, dieser jedoch ignorierte ihn gekonnt und wandte sich seiner zukünftigen Schwiegertochter zu.

„Guten Morgen Narzissa.", sagte er, während er ihre Hand in die seinen nahm.

„Guten Morgen Mr Malfoy.", erwiderte sie gelassen und entzog ihm ihre Hand sanft, innerlich jedoch glaubte sie vor Anspannung zu verbrennen.

„Wie fandest du die Zeremonie?", fragte er sie lächelnd.

„Sehr ergreifend, Sir.", entgegnete sie wahrheitsgetreu.

„Ach tatsächlich?", er lachte, als er das sagte, „Ich fand sie eher langatmig, aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon hunderte solcher Art gesehen habe. Was meinst du Liebling?", fragte er an seine Frau gewandt.

„Das finde ich durchaus nicht. Diese hier, war wirklich besonders. Mrs Black hat das wundervoll arrangiert.", erwiderte Mrs Malfoy, während sie ihren Mann strafend anblickte.

Narzissa seufzte leicht auf, ohne es selbst zu bemerken.

„Ich denke, es wird Zeit, sich den anderen anzuschließen.", warf Abraxas amüsiert ein.

„Dann gehen wir?", erkundigte sich Mr Black, während er seiner Frau, den Arm anbot.

Gemeinsam verließen sie den Friedhof und folgten den anderen nach, in Richtung Palais.

Narzissa blickte ihnen nach, wie sie davon gingen und die vielen Grashalme unter ihrem Gewicht nachgaben.

Schließlich wandte sie sich Lucius zu, der an der Steinmauer lehnte, welche den Familienfriedhof der Blacks begrenzte und in die Ferne sah, zu den Menschen, die das Haus fast erreicht hatten, sehnsüchtig wünschte er sich ebenfalls zu ihnen zu gehören. Mit ihnen den Speisesaal zu betreten, sich zu setzen und sein Frühstück einzunehmen, anstatt hier bei ihr zu stehen.

Sie spürte es, er mochte sie nicht, genauso wenig, wie sie ihn. Aber sie respektierte ihn und vor allem seine Familie, aber er empfand im Gegensatz dazu, ihr gegenüber nichts als Abneigung.

Sie würde für ihn immer die Frau bleiben, die sein Vater ausgesucht hatte. Das junge Ding, das im Vergleich mit den anderen ganz passabel ausgesehen hatte und vielleicht sogar etwas Bildung besaß.

Aber das wichtigste von allem, sie war reinblütig, etwas, das nicht viele von sich sagen konnten und das hatte ihm gereicht, seinem sonst so anspruchsvollen Vater, ein Püppchen, das die Bedingungen erfüllte …

Auch wenn sie nur die zweite Wahl gewesen war, sie war stolz, bald eine Malfoy zu sein.