Disclaimer: Alle Figuren und Orte in meiner Story gehören Prof. Tolkien. Ich will mit dieser Story kein Geld verdienen, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude.
Der Weg nach Bruchtal
Kapitel: Merk dir diesen Tag, kleiner Bruder!
Boromir hatte ein ziemlich ungutes Gefühl, als er an diesem kühlen Morgen auf sein Pferd stieg. Direkt von Osgiliath aus sollte es los nach Bruchtal gehen. Es war der Wille seines Vaters gewesen – der Wille des Truchsessen von Gondor.
„Schicke mich an seiner statt!", hatte Faramir gesagt, als er merkte, dass Boromir nicht gehen wollte.
Doch Denethor war daraufhin furchtbar zornig geworden: er hatte seine Wut zum ersten Mal nicht nur an Faramir, sondern auch an seinen Lieblingssohn Boromir ausgelassen.
Boromir hatte sich schließlich dem Willen seines Vaters beugen müssen, obwohl er ganz und gar nicht damit einverstanden war. Die Reise nach Bruchtal würde viele Wochen dauern: wertvolle Zeit, die vielleicht unnütz verschwendet wurde, falls dieser geheimnisvolle Ring doch nicht die mächtige Waffe war, von der Denethor träumte. Am meisten bedauerte er es, dass sein jüngerer Bruder nun schutzlos der Verachtung des Vaters ausgeliefert war.
Seufzend nahm er die Zügel seines Hengstes Elphros in die Hand. In dem Moment, als er losreiten wollte, kam Faramir herbeigelaufen.
„Willst du dich nicht von mir verabschieden, Bruder?", fragte der junge Mann erschrocken.
„Du weißt doch, dass ich Abschiede hasse, Faramir", meinte Boromir mit einem wehmütigen Lächeln.
Faramir ergriff seine Hand und drückte sie an seine Wange. Beide Brüder kämpften mit den Tränen. Sie wussten, dass die Reise nach Bruchtal sehr gefährlich war. Wie leicht konnte Boromir unterwegs etwas zustoßen. Schließlich ritt er ganz alleine, ohne jegliche Begleitung.
„Keine Angst, ich reite durch Rohan", meinte Boromir beschwichtigend. „Die Rohirrim sind unsere Freunde. Mir wird schon nichts passieren".
Faramir sah ihn nur mit seinen großen, blauen Augen traurig an.
„Merk dir diesen Tag , kleiner Bruder", sagte Boromir schließlich bedrückt und seufzte noch einmal leise.
Dann gab er seinem Pferd die Sporen und lenkte es von Osgiliath hinaus. Er wusste, dass Faramir ihm nachsah. Schnell wischte er sich die Tränen fort, die ihm über die Wangen liefen.
Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel und Boromir hatte Osgiliath und Minas Tirith weit hinter sich gelassen. Vor ihm erhob sich bereits der Leuchtfeuerberg Amon Dîn. Boromir ritt auf der Großen Weststraße und gelangte bis zum Abend an den Rand des Druadan-Waldes.
Dort lagerte er. Auf jeden Fall würde er in Bruchtal den Traum deuten lassen, den er und Faramir gehabt hatten: den Traum von dem geborstenen Schwert, das am Himmel hing. Dann war die Reise wenigstens nicht ganz umsonst. Boromir seufzte und stocherte in dem kleinen Feuer herum, dass er sich gemacht hatte, um sich ein Stück Dörrfleisch zu braten.
Plötzlich hörte er ein Geräusch im Gebüsch und er griff sofort nach seinem Schwert. Er wusste, dass es im Druadan-Wald wilde Menschen gab, die mitunter recht gefährlich werden konnten.
Erneut raschelte es und Boromir sprang mit gezücktem Schwert auf die Büsche zu. Zu seinem Erstaunen kam jetzt ein etwa siebzehnjähriger Junge aus dem Gebüsch. Er trug Waldläufertracht und einen Umhang mit Kapuze. Die Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen.
„Tut mir nichts, Herr!", flehte er mit einer ungewöhnlich hellen Stimme.
Boromir grinste und packte den Jungen unsanft am Handgelenk.
„Laß dich mal ansehen", meinte er und zerrte ihn zum Lagerfeuer.
Der Junge setzte sich eingeschüchtert ans Lagerfeuer und begann gierig auf Boromirs Abendessen zu stieren, dass gerade über dem Feuer brutzelte.
„Hast du Hunger?", fragte Boromir vorsichtig.
Der Junge nickte. Boromir warf ihm ein Stück Brot zu und teilte das gebratene Fleisch mit ihm.
Der Junge aß hastig, als er ob seit Tagen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatte. Boromir beobachtete ihn aufmerksam: die lederne Waldläuferkleidung war dem Jungen eigentlich viel zu groß. Vielleicht gehörte sie ihm gar nicht. Das Gesicht des Jungen war so verschmutzt, so dass man gar nicht richtig die Züge erkennen konnte.
„Wie heißt du und woher kommst du?", wollte Boromir wissen.
„Ich heiße Movai und komme aus Pelargir", sagte der Junge mit vollen Backen kauend.
„Na, dann hast du aber einen weiten Weg hinter dir", meinte Boromir grinsend.
Irgendwie kam es ihm seltsam vor, dass es in der großen Hafenstadt in Süd-Gondor auch Waldläufer gab. Ebenso wunderte er sich über den Namen des Jungen. So einen seltsamen Namen hatte er noch nie gehört.
„Wo willst du eigentlich hin?", fragte er misstrauisch weiter.
„Ich will nach Rohan", erklärte der Junge mit leuchtenden Augen.
„Was willst du denn dort?", wunderte sich Boromir.
„Ich will unter König Théoden dienen und ein prächtiges Pferd reiten", fuhr der Junge fort.
„Warum nicht in Minas Tirith – das liegt viel näher und schöne Pferde gibt es dort auch", erklärte Boromir stolz.
Movai stand plötzlich auf.
„Ich kann nicht in Gondor bleiben – nein, auf keinen Fall!", beteuerte er.
Boromir runzelte die Stirn, sagte aber nichts mehr. Nach einiger Zeit gab er Movai eine Schlafdecke. Er selbst beschloß, wach zu bleiben. Er traute dem Jungen irgendwie nicht richtig über dem Weg.
Doch irgendwann war er eingenickt. Der anstrengende Ritt forderte seinen Tribut.
Im Morgengrauen schreckte Boromir plötzlich hoch. Er hörte Hufgetrappel und Wiehern. Dann einen Schrei. Boromirs Blick fiel auf die Stelle, wo Movai geschlafen hatte. Der Junge war weg. Und nicht nur er: auch sein Pferd und seine ganzen Sachen fehlten. Fluchend rannte Boromir in die Richtung, aus der der Schrei kam. Sein treuer Hengst Elphros hatte den jungen Dieb abgeworfen.
„Brav, mein Guter!", lobte Boromir das Pferd und beruhigte es wieder.
Movai lag benommen am Boden. Seine Kapuze war etwas zurück gerutscht und schwarze, lange Haare quollen hervor. Boromir packte den Jungen zornig am Umhang und schleifte ihn zu einem nahen Weiher. Movai war zu erschrocken, um Gegenwehr zu leisten.
„Na warte, du kleiner Pferdedieb!", knurrte der Gondorianer wütend und tauchte Movai ein paar Mal kräftig unter.
Movai schnappte verzweifelnd rudernd nach Luft, während Boromir ihn unter Wasser drückte.
Schließlich schleifte er den völlig durchnässten Jungen ans Ufer. Erstaunt musterte er den kleinen Pferdedieb. Das verschmutzte Gesicht war jetzt endlich sauber und die Kapuze bedeckte nun nicht mehr das Haar. Erstaunlich lange Haare, wie Boromir fand. Er begann vorsichtig die durchnässte Ledertracht aufzunesteln. Als er den Ansatz von weiblichen Rundungen sah, schreckte er zurück.
„Ist es möglich?", murmelte er erstaunt.
