Willkommen in der Welt der verrückten Kontroversen, Fremder!

Hiermit betrittst du das verdrehte Gedankengut von Fenella Feuerfee, ehemals gwend-en-orchoth. Widrige Umstände mit diesem hinterhältigen Biest von E-Mail-Adresse zwangen mich dazu, mich erneut anzumelden. Was mir allerdings nicht ungelegen kam, da ich merkte, dass gwend-en-orchoth wohl doch nicht ganz zu mir passte (Elbisch! Was habe ich mir nur dabei gedacht?!). Okay, soweit die Formalitäten. Ach ja, ferner gilt wohl noch zu bemerken, dass Mittelerde so ganz und gar nicht mir, sondern J. R. R. Tolkien gehören will.

Und nun noch eine Warnung: Diese Fanfic ist nun wahrlich überhaupt nichts für Elbenfreunde, die es nicht ertragen können, dass diesen edlen Geschöpfen ein Ork näher als 10 cm kommt und das Ganze überlebt. In diesem Sinne, lest es oder lest es nicht.

    

In jedem Wald gibt es einen Ork, über den man stolpern kann

„Nein, also… nein, wirklich nicht!", dachte Belethberaid. Er lehnte den Rücken gegen den mächtigen Baumstamm und schloss die Augen. „Nein!", dachte er. Die feingliedrigen Hände ballten sich trotzig zu Fäusten. „Nein!", sagt Belethberaid mehr zu sich selbst. Dann blieb er still und lauschte dem sanften Rauschen der Blätter im leichten Frühlingswind. Er genoss die zarten Klänge, die eigentümliche Sinfonie der Natur, wie sie nur ein wahrer Elb genießen konnte. Doch war er tatsächlich ein „wahrer Elb"? Diese Frage stellte er sich schon seit Jahren. Gewiss, verfolgte er seinen Stammbaum zurück bis zu den Anfängen der Welt, so fand er nur reinblütige Elben vor, großartige, herrliche, reinblütige Elben. Auch sein Aussehen ließ nichts zu wünschen übrig. Groß und schlank, pure Ästhetik, ein Körper wie aus reinem Perlmutt. Schmalgesichtig, warme Augen, mal wässrig blau, mal von tiefdunklem Indigo, volles, langes goldblondes Haar, das im richtigen Licht bronzefarbene Elemente aufwies. An diesem Tag war er in eine schlichte bernsteinfarbene Robe gekleidet. An den Ellbogen war sie schon ein wenig abgewetzt, er war für elbische Verhältnisse stets etwas nachlässig gekleidet, doch sie war sehr bequem und gut für ausgedehnte Spaziergänge, wie er sie oft anzutreten pflegte. Allerdings war ihm nun mehr nach Nachdenken zumute und das konnte er im Sitzen immer noch am besten. Der Grund für sein Grübeln war ein Angebot, das im am Vortag gemacht worden war:

 Er hatte nach dem Kelch gegriffen, hatte angestoßen, doch getrunken hatte er nicht. Hingegen hatte Imbéorn, der abenteuerlustige, ungestüme Imbéorn, seinen Kelch in großen Schlucken geleert, sich lachend die Haare aus dem Gesicht gestrichen und gefragt: „Wie steht es mit dir, werter Freund? Nur noch wenige von uns sind übrig, täglich legen die Schiffe von den Grauen Anfurten ab, täglich werden es mehr. Wann hast du vor, die Reise anzutreten?" Nun hatte Belethberaid einen kleinen Schluck des süßen Weines getrunken, um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. „Ich weiß es nicht", hatte er wahrheitsgemäß geantwortet, „wenn die Zeit gekommen ist, werde ich mit dir gehen, mein Freund." „Dann wirst du dich aber noch ein wenig gedulden müssen. Ich habe hier noch etwas zu erledigen." „Was gibt es für uns hier noch zu tun?" Imbéorns verschmitztes Lächeln hatte fast schon etwas Koboldhaftes aufgewiesen. „Es ist weniger eine Pflicht als eine Tugend für einen Elben", hatte er gesagt. „Nun?" Belethberaid hatte sein Gegenüber mit zunehmendem Argwohn betrachtet. „Ich schließe mich einer Gruppe elbischer Krieger an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die letzten Scheusale vom Angesicht dieser Welt zu tilgen. Der Menschenkönig ist, wie soll ich sagen, einfach zu nachlässig. Also liegt es an uns, dieses Problem aus der Welt zu schaffen." Der jüngere Elb hatte stolz das Kinn hochgereckt. „Wir werden erst ruhen, wenn die letzte Bestie von unseren Klingen niedergestreckt worden ist." „Es geht dir also nur darum, Orks zu töten und dich daran zu berauschen." Imbéorn hatte es vermieden ihn anzusehen, seine Stimme war jedoch weiterhin fest geblieben. „Machst du mit?", hatte er gefragt. „Wir können jeden guten Krieger gebrauchen und, mit Verlaub, ich kenne niemanden, der das Schwert geschickter führt als du." Lange hatte Belethberaid aus dem Fenster gesehen und diese  Worte in seinem Kopf widerhallen lassen. Dann hatte er geseufzt: „Ich werde es mir überlegen…" 

Jetzt stand sein Entschluss fest. Er musste Imbéorn sofort eine Nachricht zukommen lassen. Es wäre natürlich besser gewesen, ihm seinen Entschluss persönlich mitzuteilen, doch wie Belethberaid seinen abenteuerlustigen Freund kannte, würde er ihn wohl kaum zu Hause antreffen. Mit einer grazilen Handbewegung entfernte er etwas Erde von seiner Robe und stand auf. Einem König gleich schritt er den unbefestigten Weg, einzig von seinen Füßen ausgetreten, entlang. „Aber bevor ich den Brief aufsetze", sprach er, er führte hin und wieder gerne Selbstgespräche, „werde ich meinen Spaziergang in aller Ruhe beenden." Während er lustwandelte, bemühte er sich, seine Umgebung, das Gefühl, welches sie ihm vermittelte, auf sich wirken zu lassen. Über die Jahre hatten diese Eindrücke seine Sinne, die durch sein elbisches Blut schon übernatürlich entwickelt waren, aufs Äußerste geschärft: Er wusste, wie ein Sommertag roch, wie die ersten Frühlingstage klangen, wie Nachtluft schmeckte. Je näher er an den Waldrand und somit in die Nähe seiner Behausung gelangte, desto stärker breitete sich das Gefühl in ihm aus, dass an diesem Tag etwas nicht stimmte.

Belethberaid hielt inne. Er konzentrierte sich auf die störenden Empfindungen. Sein Blick verfinsterte sich. Es roch nach geschändetem Boden, nach Fäulnis und Tod. Und ganz fein nahm er einen unangenehmen Geschmack wie flüssiges Eisen wahr, den Geschmack von Blut. Glockenhelles Lachen durchbrach die Stille. Schemenhafte Gestalten huschten hinter Bäumen hervor und verschwanden sogleich wieder, flüchtig wie Schatten. Dennoch, diese Art der Fortbewegung war verräterisch. Für Belethberaid war es offensichtlich, dass es sich um Freunde Imbéorns handelte. Es waren junge Burschen, fast noch Kinder, die ihre Zeit mit Jagdübungen und ähnlichen Kindereien, wie er fand, vergeudeten. Sie kamen näher, umtanzten ihn förmlich, während sie auftauchten und verschwanden. Der ältere Elb wandte sich um und sprang mit geschmeidigen Bewegungen ins Dickicht. Leichtfüßig lief er über den von Laub bedeckten Waldboden. Eine Weile schlich er lautlos umher und beobachtete nur. „Sehender Schatten" hatten sie ihn im Scherz genannt, damals, als die Orks in den Düsterwald eingefallen waren. Und „Schwarzklinge", denn sein Schwert war stets vom Blut der Bestien gefärbt gewesen. Aber das war lange her, viel zu lange… Belethberaid wechselte in einen gebückten, raubtierartigen Gang. Vorsichtig näherte sich einem der jungen Männer, der mit dem Rücken zu ihm hinter einem Baum stand und angestrengt nach ihm Ausschau hielt. Mit einem ansehnlichen Satz schnellte Belethberaid nach vorne und fasste ihn bei den Schultern: „Sei gegrüßt, Gorothtal!"

Erschrocken fuhr der Angesprochene herum. Der Ältere lachte angesichts der Angst in den blassblauen Augen seines Gegenübers. „Ihr seid es!", keuchte Gorothtal. Rasch bemühte er sich um Haltung. „Herr, wie konntet Ihr…?" „Erfahrung. Etwas, worauf du noch ein paar hundert Jahre warten musst." Die Übrigen waren inzwischen hinzukommen und lachten beifällig. Auch Gorothtal verwandelte seine Anspannung in nervöses Gelächter. Belethberaids Augen wirkten mit einem Mal wieder dunkel und unergründlich wie ein Bergsee. „Was habt ihr getötet?", fragte er. Die Jungen blickten einander überrascht an. Einige legten verlegen die Hand auf die Tücher in ihren Gürteln, mit denen sie ihre Waffen vom Blut der Opfer gereinigt hatten. Gorothtal hielt trotzig dem anklagenden Blick stand. „Es war notwendig", verteidigte er sich und seine Freunde. „Es war eine Bande streunender Orks, die unsere Klingen zu spüren bekamen." „Orks!" Belethberaids Ausruf war ein halbes ungläubiges Lachen. „Was haben Orks in der Nähe unseres Lórien verloren?" Ein Elb zu seiner Linken meldete sich leise zu Wort: „Mein Vater sagt, der Hunger treibt sie immer weiter in den Westen. Sie wissen nicht, wohin und suchen nach einer neuen Bestimmung, jetzt, da Mordor zerstört ist." „Dein Vater ist ein kluger Mann", sagte Belethberaid. „Auch wenn ich bei Orks nicht unbedingt von einer ‚Bestimmung' reden würde", fügte er grimmig lächelnd hinzu. „Wie viele waren es?", wollte er wissen. Wieder war es Gorothtal, der antwortete: „Wenige, fünf, vielleicht auch sechs." „Was habt ihr mit ihren Leichen gemacht?" „Wir verbrannten sie dort, wo die Felder beginnen." Belethberaid fuhr unwillkürlich mit der Hand über seine Brust. „Eine weise Entscheidung", murmelte er. „Dieses Mal muss ich euch wohl oder übel loben", wandte er sich lächelnd an die jungen Krieger. „Schließlich sind Orks hier gänzlich unerwünscht." Gorothtal lachte. „Wie recht Ihr habt, Herr… Herr? Herr!" Doch Belethberaid lief weiter ohne sich umzublicken, immer den Weg entlang, den nur er kannte.

Der Gestank  wurde stärker, sodass er sich die Hand vor Mund und Nase hielt. Wo der Wald plötzlich aufhörte, als hätte ein Gott dort eine Trennlinie zwischen Bäumen und Feldern gezogen, trat er hinaus auf die Ebene und entdeckte auch bald die schwelenden Orkkadaver. Den Leichengeruch ignorierend rannte er darauf zu, seine Schritte federten auf dem harten Boden. Er hatte Mühe bei dem Anblick nicht zu erbrechen: Die geschwärzten Körper der Orks, von Natur aus schon grässlich entstellt, lagen grotesk verkrümmt übereinander. Mit Entsetzen erblickte Belethberaid das von Todeskampf und Feuer gezeichnete Gesicht eines der Scheusale: Der Mund war wie zu einem Schrei zurückgezogen und entblößte faulige Zähne und ebensolches Zahnfleisch. Wo er einst Haare vermutete, bedeckte nur noch rußgeschwärzte fleckige Kopfhaut die Schädeldecke. Das Schlimmste aber war, dass die Nase fast gänzlich verbrannt war, was die Ähnlichkeit mit einem Totenschädel unterstrich. Der Elb straffte die Schultern. „Es ist eure eigene Schuld", sagte er bestimmt und warf entschlossen den Kopf herum. Während er wieder auf den Wald zulief, kam ihm der grauenhafte Gedanke, dass der Geruch ihn wohl bis nach Hause verfolgen und selbst dort nicht loslassen würde. Trotzdem, er wollte nur eins, nur weg von diesem schrecklichen Ort. Sein Schritt wurde energischer, fester. „Kindereien", dacht er. Im nächsten Augenblick knackste es unter seinem Fuß und ein Aufheulen, halb wie das Jaulen eines getretenen Hundes, halb wie das Quieken eines Schweins, ließ die Vögel in den Baumkronen zwitschernd aufflattern. Nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, blickte Belethberaid zu Boden und entdeckte mit größtem Unbehagen die graugrüne, klauenartige Hand, die er soeben gebrochen hatte.