Erebor 3022: Ravenspeakers – Die Raben von Durins Volk
Von summerald – übersetzt aus dem Englischen von jessie152
Disclaimer: ''Der Hobbit'' und ''Der Herr der Ringe'' als auch sämtliche Figuren darin sind Eigentum von Tolkien Estate und Wingnut Films. Diese Geschichten dienen ausschließlich der Unterhaltung und weder der Autor noch der Übersetzer profitieren in irgendeiner Weise davon oder erheben irgendwelche Ansprüche auf ''Der Hobbit'' oder ''Der Herr der Ringe''.
**Anmerkungen: Diese Geschichte ist die Fortsetzung von ''Erebor 3022: Cursebearer – Die letzten Schatten Morguls''. Die Handlung ist in sich geschlossen und man kann der Geschichte folgen, ohne ''Die letzten Schatten Morguls'' gelesen zu haben. Dennoch möchten wir Euch einladen, den Vorläufer zu lesen, sofern Ihr es noch nicht getan habt. ;-) Jegliches Feedback ist willkommen, Ihr wisst, es ist gut für die Motivation und erfreut das Herz von Autor und Übersetzer.
Die Handlung spielt etwa zwei Monate nach der ersten Geschichte, wir haben jetzt also etwa Februar, wenn man davon ausgeht, dass der Durinstag irgendwann im November/Dezember liegt.
Willkommen in Summers Mittelerde AU und viel Spaß bei diesem neuen Abenteuer,
Summer & Jessie
Kapitel 1
Kíli, Prinz von Erebor, Anführer der Königlichen Wache und seit kurzem verlobt mit dem Heiler-Lehrmädchen Nÿr, stand auf der offenen Brustwehr hoch oben auf dem Rabenberg. Er war in einen mit Pelz besetzten Ledermantel gehüllt und die Fülle seines langen, schwarzen Haars wehte hinter ihm im eisigen, böigen Wind.
Neben ihm stand sein ältester Neffe Fjalar, ungeduldig erpicht auf seine erste Gelegenheit, mit den Raben seines Volkes zu sprechen. Der Junge zeigte die ersten Zeichen des Heranwachsens eines Zwergs, und der erste Flaum von Barthaaren begann in seinem Gesicht zu sprießen. Er hatte das gleiche goldblonde Haar wie sein Vater (abzüglich der weißen Strähnen des Alters), und sein warmer Mantel trug das Königliche Wappen. Er war höher gewachsen als die meisten Jungs seines Alters, er reichte seinem Onkel schon bis zur Schulter. Er entwuchs gerade den so typischen Proportionen eines Kindes, und er begann um die Schultern deutlich Muskeln zuzulegen. Er war noch jung, ohne Frage…doch Kíli konnte erkennen, welch vielversprechendes Potenzial in seinem Neffen steckte. Noch ein paar Jahre, viel Übung und ein bisschen mehr Gewicht… dann würde Fílis Sohn selbst Durin, den Urvater seines Volkes, mit Stolz erfüllen.
''Du weißt noch alles, was Dein Vater Dir gesagt hat?'' fragte Kíli, während er beobachtete, wie sein Neffe vortrat, um über den Rand der Zinne zu blicken.
''Ja, klar,'' platzte Fjalar heraus, doch dann hielt der Junge inne, trat zurück und nahm wieder den Platz an der Seite seines Onkels ein. ''Ich meinte… jawohl, mein Herr.''
Kíli unterdrückte ein Grinsen. Er erinnerte sich daran, wie er in Fjalars Alter gewesen war… so begierig zu lernen und neue Dinge zu erleben… aber auch übermütig und so leicht abzulenken. Er war sich ziemlich sicher, dass er und sein Bruder ihren Onkel damit beinahe in den Wahnsinn getrieben hatten — was ein Grund war, dass er selbst heute nur einen der Prinzen unter seiner Obhut hatte, und nicht all drei.
Den Jungen aus den behüteten Königlichen Gemächern zu entlassen und ihm öffentliche Verantwortungen zu übertragen, war jedoch nicht ohne Risiko. Der Krieg mochte vorbei sein, und es gab wieder einen neuen König in Gondor… doch es gab noch genug böse Mächte in den finsteren Winkeln von Mittelerde, die einen jeden Sohn aus Durins Geschlecht zu Tode jagen würden. Und Fíli konnte nicht so einfach von seinem Beschützerinstinkt lassen. Er liebte seine Kinder mit einer Hingabe, die Kíli nur zu gut kannte.
Weil er sie selber erfahren hatte, solange er nur denken konnte.
So nahm Kíli seine Pflicht, den Jungen zu unterrichten, sehr ernst. Er überblickte die kalte Landschaft um sie herum. Der Winter hatte Erebor mit einer Folge von Stürmen aus dem Norden überzogen und den Berg unter einer dicken Schneedecke begraben. Die Fußpatrouillen wurden durch schwere Schneetreiben behindert, und die Ausgucke waren in tiefhängende, schwere, graue Wolken gehüllt.
In den kurzen Stunden des Tageslichtes, wenn der Himmel sich aufklärte, waren diejenigen, die mit den Raben sprechen konnten, von großer Bedeutung, denn die großen Vögel konnten über dem Land um den Berg auf Erkundungsflug gehen und wichtige Neuigkeiten bringen.
Und die Kunst, mit den Raben zu sprechen, fand sich nur bei wenigen Zwergen. Tatsächlich gab es nur sechs Zwerge in Erebor, die dazu fähig waren. Sie brauchten mehr.
Nur jene, in deren Adern das Blut Durins floss, hatten diese Gabe. So hatte Kíli schließlich vorgeschlagen, Fjalar in diese Aufgabe einzuweihen, und Fíli hatte schließlich, wenn auch schweren Herzens, zugestimmt.
''Nun, du hast schon eine Menge Anschauungsunterricht darüber erhalten.'' Kíli zwinkerte seinen Neffen zu. ''Es ist Zeit, einen Versuch zu wagen. Bist du bereit?''
Der Junge nickte mit ernster Miene.
''Bleib hier stehen,'' sagte Kíli mit leiser Stimme. Er trat ein paar Schritte weiter vor und sah nach oben, um den klaren, blauen Himmel abzusuchen. Einen Moment später hob er seinen Arm, der von seinem dicken, ledernen Handschuh geschützt wurde, und blieb dann still stehen.
''Wie rufst man sie?'' fragte Fjalar.
''Man ruft sie nicht,'' antwortete Kíli. ''Sie kommen aus eigenem Antrieb, wenn sie einen von uns sehen, einen der sie versteht. Sie wissen, wer wir sind.''
''Wie können sie mich kennen?'' Fjalars Gesichtsausdruck war etwas bekümmert. Es war sein erster Unterrichtstag, und auch wenn er seinen Vater und seinen Onkel unzählige Male dabei beobachtet hatte, wenn sie mit den Raben sprachen, so hatten die Vögel ihn noch nie eines einzigen Wortes gewürdigt.
''Das, '' sagte Kíli, ''wird die erste Übung sein: Sich einander vorzustellen.'' Kíli deutete mit dem Kinn in Richtung Nordwesten. ''Da ist einer — siehst du ihn?'' Ein geschmeidiger schwarzer Körper mit ausgebreiteten Flügeln stieg über ihren Köpfen auf, kreiste einmal, und begann dann, nur mit den Handschwingen manövrierend, zu ihnen herabzukommen.
''Er hat uns gesehen,'' Fjalar keuchte vor Aufregung.
''Lass mich erst einen Moment mit ihm sprechen,'' sagte Kíli ganz ruhig, ''und wenn er bereit ist, bringe ich ihn für eine Unterhaltung zu Dir. Kíli trat noch ein paar Schritte weiter zu Seite, damit der große Rabe Platz zum Landen hatte.
Kíli konnte sehen wie Fjalar, obwohl er sich alle Mühe gab möglichst erwachsen zu wirken, mit vor Staunen halb offenem Mund da stand, als er beobachtete, wie der wendige Vogel im Wind manövrierte.
Dann landete der Rabe auf Kílis Unterarm, seine Füße krallten sich in den Lederhandschuh während er mit den Flügeln schlug und sein Gefieder schüttelte, bis er eine sichere Sitzposition eingenommen hatte.
''Guten Morgen, mein Freund,'' murmelte Kíli, als er den Vogel erkannte. ''Zu Euren Diensten, junger Corax.''
Fjalar rückte unbewusst seinen eigenen Handschuh zurecht, den er gerade vor kurzem von seinem Vater bekommen hatte. Er konnte es offensichtlich kaum erwarten zu erfahren, wie es sich anfühlen würde, wenn ein Vogel wie Corax darauf saß und zu ihm sprach.
Corax nickte mit dem ganzen Körper und schüttelte den Kopf. ''Viel Schnee. Vieeel Schnee,'' krächzte er.
Kíli warf seinem Schüler einen seitlichen Blick zu und fragte sich, ob Fjalar verstanden hatte.
Der Junge machte derartig große, runde Augen dass Kíli beinahe lachen musste. Wenn er bloß daran gedacht hätte, eine Zeichner mitzubringen, der den Moment festhalten würde.
''Ja,'' antwortete Kíli dem Vogel. ''Überall Schnee. Hast du die Nüsse gefunden, die wir dir auf der westlichen Terrasse ausgelegt haben?''
Der Rabe nickte. ''Viele gefressen. Wir fliegen. Wir halten Wacht.''
Gut, dachte Kíli, wir zählen auf diese Wachsamkeit. ''Nun, was gibt es Neues? Habt ihr Reisende auf den Straßen gesehen?''
''Keine Zwerge, keine Menschen, keine Goblins, keine Orks, keine Elben.''
''Nicht mal auf der Straße zu den Ered Mithrin?'' Kíli war besorgt wegen der Gruppe von Exilierten, die kürzlich aus Erebor verbannt wurden.
''Keine Zwerge, keine Menschen, keine Goblins, keine Orks, keine Elben,'' wiederholte Corax.
''Gut zu wissen.'' Kíli nickte und hob amüsiert eine Augenbraue wegen der Reihenfolge, die Corax benutzt hatte. Er hatte die Elben sogar noch nach den Orks genannt.
''Wie steht es mit feinen Wolken… feine Wolken, die vom Boden aufsteigen?'' fragte Kíli. ''Lagerfeuer? Kamine?''
Der Rabe sah Kíli an, dann auf den Berg und wieder zurück zu Kíli. ''Nur der Berg, nur die Mine.''
''Gut, gut. Ich danke dir. Sonst noch irgendetwas?'' Kíli hatte gelernt in keinem Fall zu vergessen, am Ende eine möglichst unbestimmte Frage zu stellen. Raben neigten dazu, alles sehr wörtlich zu nehmen.
Corax wippte mit den Schwanzfedern und beäugte Fjalar. ''König und doch nicht König,'' krächzte er.
Kíli sah seinen Neffen an und lächelte. ''Sehr gut. Noch nicht König, jedenfalls.'' Er nickte seinem Neffen zu, sich vorzustellen.
Der Junge richtete sich etwas gerader auf und verbeugte sich dann. ''Fjalar,'' sagte er. ''Zu Euren Diensten.''
Corax nickte wiederum mit dem ganzen Körper und legte den Kopf schief, um den jungen Zwerg mit einem Auge genau zu betrachten.
Kíli deutete Fjalar an, seinen Arm hoch zu halten. Der Junge tat es und stellte sich etwas breitbeiniger hin, um sich zu wappnen.
Kili trug den Vogel behutsam näher und sprach im Gehen mit ihm. ''Ich hätte gerne, dass du mit ihm sprichst, Corax. Würdest du das tun?'' Er beobachtete ihn genau, um sicher zu gehen, dass der Rabe keine Einwände hatte. Aber Corax schien weiter sehr interessiert zu sein und legte den Kopf auf die andere Seite. Dann machte er ein leises, rasselndes Geräusch in seiner Kehle, dass Kíli als den Ruf erkannte, den Raben bei ihren Jungen am Nest ausstießen. Um ein Haar hätte er laut aufgelacht.
Doch er legte einen ernsthaften Tonfall in seine Stimme, schließlich ging es auch um ernste Angelegenheiten. ''Ja, er ist ein Jungvogel und hat noch viel zu lernen. Doch er wird von nun an zu euch herauskommen, um für uns mit euch zu sprechen. Wenn ihr ihn seht, könnt ihr ihm berichten. Alles was ihr wisst. ''
Kíli blieb ein paar Schritte entfernt von Fjalar stehen.
Corax gab einen lauten, kehligen Ruf von sich, und Fjalar schreckte zusammen. Seine Augenbrauen schossen alarmiert empor, doch er rührte sich nicht, er stand ganz still. Einen Moment später hüpfte Corax von Kílis auf Flajars Arm.
Der Arm des Jungen sackte wegen des überraschend hohen Gewichts etwas durch.
Kíli hielt einen Finger vor seine Lippen, um Fjalar daran zu erinnern, still zu bleiben bis sich Corax entschloss, ihn anzusprechen. Raben erwarteten die vollste Aufmerksamkeit.
''König-und-doch-nicht-König,'' sprach er zu dem jungen Zwerg.
Fjalar schielte beinahe, als er den Vogel anblickte. ''Der König ist mein Vater,'' antwortete er. ''Ich bin Fjalar, ich bin sein Thronfolger.''
Der Rabe hob den Kopf und neigte ihn zur Seite, als ob er die Worte des Jungen überdenken würde. ''Niemand spricht heute in Thal mit uns,'' sagte der Vogel plötzlich. ''Ich sage das zu König-und-doch-nicht-König.''
Kíli runzelte die Stirn. Er deutete Fjalar an, er solle versuchen herauszufinden, was damit gemeint war.
''Da ist… niemand in Thal, mit dem Ihr sprechen könnt?'' fragte Flajar.
Der Rabe veränderte seine Position auf dem Arm des Jungen und seine Krallen packten fest zu und bohrten sich in das Leder des Handschuhes. Kíli sah, wie Fjalar die Zähne zusammen biss, doch er gab keinen Ton von sich, er zuckte nicht mal. Raben konnten heftig mit ihren Krallen zupacken, wenn sie aufgeschreckt waren.
''Niemand, mit dem wir sprechen können. Seht, seht! Nein.''
Und damit erhob sich Corax in die Lüfte und flog nach Süden.
In Richtung Thal.
Kíli sah ihm mit bedenklicher Mine nach, als er davon strich.
''Warum ist er fort?'' fragte Flajar.
Kíli lächelte. ''Weil er fertig war.'' Kíli klopfte seinem Neffen wohlwollend auf den Arm. ''Gut gemacht, Junge! Du hast es geschafft!''
''Hab' ich das?''
Kíli strubbelte Fjalars goldblondes Haar. ''Ja, Lehrling, um mit Raben zu sprechen, Oh König-und-doch-nicht-König.''
Fjalar erlaubte es sich zu lachen, obwohl er noch halbwegs sprachlos war.
''Vorwärts, lass uns gehen und deinem Vater Bericht erstatten.'' Kíli machte sich auf den Weg in Richtung Haupttor, und Fjalar beeilte sich, neben ihm aufzuschließen.
Doch so sehr sich Kíli auch für seinen Neffen freute, so sehr beunruhigte ihn auch die Nachricht des Raben.
Niemand spricht heute in Thal mit uns hieß, dass die Raben nach dem gesucht hatten, der in Thal postiert war, um mit ihnen zu sprechen, doch ihn nirgends hatten finden können.
Und das war, wie Kíli nur zu gut wusste, genau die Art von Neuigkeiten, die meistens die Vorboten größerer Schwierigkeiten waren.
.
.
.
** Vielen Dank fürs Lesen, wir hoffen, der Auftakt hat euch gefallen, Summer & Jessie.
Eine Anmerkung zu Fílis Kindern: Wie wir alle wissen, die ist ein Alternatives Universum zu Tolkiens Kanon oder dem Filmgeschehen. In Erebor 3022 gerät Fíli als junger König alsbald unter Druck, einen Erben und Thronfolger zu zeugen, um die Erbfolge zu sichern. Balin griff ihm da etwas unter die Arme und arrangierte eine Ehe mit einem Mädel aus einem guten Hause (An) aus den Eisenbergen. Und nach einem etwas holperigen Start ins Eheleben wurde 20 Jahre nach der Schlacht der Fünf Heere Fjalar geboren. Seine drei Geschwister (Gunnar, Hannar und Iri) kamen im Laufe der darauffolgenden fünfzehn Jahre zur Welt, ein weiteres Kind wurde tot geboren.
Zwerge werden sehr viel langsamer erwachsen als Menschen und werden offiziell mit 82 volljährig. In dieser Geschichte ist Fjalar zwischen 58 und 59, was etwa einem 14 bis 15 jährigem Menschen entspricht. Er ist damit jünger als Kíli, wie er im Film dargestellt wird. Wäre er ein Mensch, würde Fjalar Bards Sohn Bain entsprechen. Gunnar, oder Gunz, wie er kurz genannt wird, entspricht einem Zehnjährigen, Hannar einem Siebenjährigen und die kleine Iri, das einzige Mädchen, entspricht einer Vier- bis Fünfjährigen.
Zu Fjalar: ''Fjalar'' ist ein Name, der in der isländischen Edda aufgelistet ist. Eine Quelle, die bekanntlich auch JRR Tolkien nutzte, als er 'Der Hobbit' und 'Der Herr der Ringe' verfasste. Das ''j'' ist still, also spricht sich der Name wie ''Flar'' oder auch ''F'lar''.
