Twilight und alle dazugehörigen Charaktere sind Eigentum von Stephenie Meyer. Das hier ist die Übersetzung der englischen Fanfiction "Seducing Ms Swan" von DQRC.
Einen Link zum Original findet ihr in meinem Profil.
Ich hab vorher noch nie was übersetzt, also hoffe ich einfach mal, dass man es nicht zu sehr merkt... :-)
Über Reviews würde ich mich wirklich freuen. Und jetzt viel Spaß!
Altersempfehlung: ab 13/14
And I have the sense to recognize that
I don't know how to let you go
Every moment marked
With apparitions of your soul
("Do what you have to do" von Sarah McLachan)
Eine Begegnung
An der Bucht ging die Sonne auf und tauchte das weite Meer in flüssiges Gold. Ich lächelte, als ich mich unter den sterbenden Strahlen räkelte, der warme Sandstrand fühlte sich verlockend auf meiner Haut an.
„Gefällt es dir?", flüsterte seine sanfte Stimme in mein Ohr; sein Atem kitzelte mich im Nacken und meine Nerven prickelten vor Wonne.
„Mmmh." Ich lächelte, rollte mich in seine kühle Umarmung und schlang die Arme um seinen harten Oberkörper. Er lachte in sich hinein und strich mir mit seinen feingliedrigen Fingern eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich liebe dich", murmelte er, ehe er ein paar zarte Küsse unter meinem Kinn verteilte. Trotz der Hitze zitterte ich. Ich klammerte mich an seinen breiten Schultern fest. Langsam öffnete ich die Augen …
Bieeep, bieeep.
Bieeep, bieeep.
„Nein", stöhnte ich und zog mir die Bettdecke über den Kopf. „Nur noch fünf Minuten" Gerade fing es an, richtig gut zu werden …
Schimpfend streckte ich die Hand unter der Decke hervor und schlug nach dem Wecker. Ich hörte ein ohrenbetäubendes Krachen und fühlte, wie der Boden wackelte. Ruckartig setzte ich mich auf und die Decke glitt an mir herunter und lieferte mich einem eiskalten Luftzug aus. Übernächtigt und orientierungslos wie ich war, sah ich mich im Zimmer um und suchte verwirrt nach der Geräuschquelle. Mein Blick fiel auf das Nachtkästchen – bei dem Versuch, den Wecker auszuschalten, hatte ich es anscheinend umgekippt und dabei sämtliche Bücher und CDs, die auf einem wackligen Haufen darauf gelegen hatten, zu Boden gefegt. Der Wecker lag nun unschuldig zwischen Jane Eyre und Große Erwartungen.
Bieeep, bieeep.
Bieeep, bieeep.
„Blödes Schrottteil", murrte ich und schlug mit der Hand auf den AUS-Knopf, bevor ich mich widerwillig aus dem Bett hievte. Ich taumelte durch den Raum und den Gang in Richtung Badezimmer und schaffte es, dabei über mindestens drei herumliegende Gegenstände zu stolpern. Erst als ich geduscht hatte, angezogen war und ein Glas Orangensaft getrunken hatte – meine Koffeintoleranz war beschämend niedrig - konnte ich mir über den vor mir liegenden Tag Gedanken machen.
Ich schwang mich auf einen Hocker vor der Küchenanrichte meiner kleinen Wohnung und blickte zum Kalender, der an der Wand hing. 4. Januar. Mehr als sechs Jahre waren vergangen, seit Edward mich im Wald von Forks zurückgelassen hatte, sechs Jahre, in denen ich mich durch jeden einzelnen Tag kämpfen musste, trotz größter Bemühungen unfähig, ihn zu vergessen. Ich hatte die Schule mit guten Noten abgeschlossen, sogar in Mathe; ein gebrochenes Herz und soziale Abschottung wirken anscheinend Wunder auf die Arbeitsmoral. Danach hatte ich an einem College -nicht Dartmouth- mit Englisch im Hauptfach studiert, bevor ich eine Ausbildung als Lehrer begonnen hatte. Ich bekam meine erste Stelle als Lehrerin für Englische Literatur an einer High School in Rochester, New York, und lebte dort jetzt schon fast zwei Jahre.
Mein Leben hatte sich weiterentwickelt, auch wenn ich es nicht geschafft hatte.
Ich stöhnte erneut, als ich zum Fenster ging und sah, dass die ganze Stadt von Schnee bedeckt war. Das Wetter in Rochester erinnerte mich an Forks – nicht ganz so verregnet, aber genauso unfreundlich. Ich drehte mich um und betrachtete mich in dem Spiegel, der an der entgegengesetzten Wand hing. An meinem Aussehen hatte sich nur wenig geändert. Ich war immer noch durchschnittlich und obwohl mein Körper im Laufe der Jahre ein paar weitere Kurven bekommen hatte, war ich immer noch eher dünn und unscheinbar. Meine Haare und meine Augen waren braun und meine Lippen voll, doch mein Gesicht hatte die kindliche Rundheit endgültig abgestreift und sich von einem Teenagergesicht in das einer Erwachsenen verwandelt. Was er wohl heute von mir denken würde?
Von dem ungewollten Gedanken überrascht und genervt von mir selbst schüttelte ich den Kopf. Normalerweise vermied ich es, über solche Fragen zu grübeln; sie führten nur zu Erinnerungen, die ich lieber vergessen wollte. Mit den Jahren hatte ich schnell gelernt, dass es einfacher war, sich von allem, was mich mit der Vergangenheit verband, zu distanzieren; so ließ es sich schmerzloser leben. Aus diesem Grund hatte ich mir einen Arbeitsplatz in Rochester gesucht, tausende Kilometer von Forks entfernt. Ich hatte mich zwar gewehrt, als Charly mich in den Monaten nach Edwards Verschwinden nach Phoenix schicken wollte, aber als ich die Schule verließ, begriff ich, dass es mich langsam in den Wahnsinn trieb, ständig von Erinnerungen an ihn umgeben zu sein.
Um die Wahrheit zu sagen: Aus diesem Grund hatte ich auch die Winterferien trotz Charlies und Renées Bitten, sie zu besuchen, alleine verbracht. An Thanksgiving jedoch war ich in Forks gewesen; das Essen in La Push war ein fester Termin in meinem Kalender. Jacob und ich waren immer noch befreundet. Ach Jake, dachte ich wehmütig, als meine Augen zu einem Bilderrahmen auf dem Kaffeetischchen huschten. Es war ein Schnappschuss, der uns beide bei einer Grillparty am First Beach vor fünf Jahren zeigte. Er hatte den Arm um mich gelegt und ich lächelte; es war eines der wenigen meiner Fotos, auf denen ich wirklich glücklich aussah. Irgendwo im Hintergrund spielten Quil, Embry, Paul, Sam und Jared Fußball. Emily hatte das Foto nach dem Essen geknipst. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass sie gesagt hatte, wir gäben ein richtig süßes Paar ab, und an das triumphierende Schimmern in Jakes Augen bei diesem Wort. Richtig geklappt hatte es aber nicht, obwohl Jake es sich so gewünscht hatte. Ein paar Monate lang hatten wir es versucht, in dem Sommer bevor ich aufs College ging; vielleicht, weil ich es müde war, immer wieder die Grenzen neu festzustecken, vielleicht, weil ich schließlich akzeptiert hatte, dass ich ihn auf diese Art mochte. Wir beschlossen, uns eine Chance zu geben, aus welchem Grund auch immer. Es ging nicht lange gut. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich immer noch zu gebrochen war, um mit irgendjemandem eine Beziehung einzugehen, die über Freundschaft hinausging, und schon gar nicht mit jemandem, der mir so wichtig war wie Jacob. Ich fürchtete mich zu sehr davor, ihm zu nahe zu kommen, hatte zu viel Angst, ihn auf dieselbe Weise zu verlieren wie Edward. Als ich im September wegzog, um ans College zu gehen, war es vorbei und keiner von uns versuchte je, die Flammen wieder aufleben zu lassen. Inzwischen hatte er ein Mädchen kennengelernt, Carole, und sie heirateten. Sie war alles, was ich mir für Jake gewünscht hatte – alles, was er brauchte, alles, was ich ihm nicht geben konnte. Sie war glücklich und ganz und sie liebte ihn bedingungslos, was ich nie im Leben gekonnt hätte.
Ich schaute zur Uhr; Zeit zu gehen. Vorsichtig nahm ich meine überquellende Tasche, warf mir meinen Mantel über und fischte die Schlüssel aus dem Schälchen auf der Anrichte. Draußen war es noch kälter als ich gedacht hatte. Ich kuschelte mich in meinen Mantel und zog den Kopf ein, um dem Wind zu entgehen. Ein Auto hatte ich nicht; meinen Transporter musste ich in Forks zurücklassen. Ich besaß zwar immer noch mein Motorrad, aber für den Weg zur Arbeit war es nicht wirklich geeignet, schon gar nicht im Winter. Daher fuhr ich fast immer mit dem Bus.
Die Fahrt war nicht lang und ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich die vorbeihuschenden Straßen und Häuser kaum wahrnahm. Ich musste an den Traum denken, den ich gehabt hatte, bevor ich aufgewacht war. Es war nicht ungewöhnlich, dass ich von Edward träumte, aber normalerweise waren meine Vorstellungen nicht ganz so lebendig wie an diesem Morgen. Das konnte nicht gut sein, als Nächstes würde ich noch anfangen, Stimmen zu hören! Ich grinste über meinen eigenen Scherz, als der Bus an meiner Station anhielt und stieg aus, nicht ohne mir ein schwaches Lächeln für den Fahrer abzuringen.
Die Sycamore Grove High war mit ihren über 2500 Schülern eine große Schule. Ich unterrichtete vor allem die Oberstufler, aber ich kannte noch einige der jüngeren Schüler von den AGs, die ich letztes Jahr geleitet hatte. Es war mir wichtig, beschäftigt zu sein, und beim Organisieren von Veranstaltungen mitzuhelfen, war ein guter Weg, mich mit Arbeit einzudecken. Das Gebäude an sich war typisch High School: groß und kastenförmig mit sandfarbenen Ziegelsteinen und Treppen, die zu den riesigen Eingangstüren führten, durch die die Schüler ein- und ausströmten. Auf dem Weg nach oben musste ich aufpassen, um keine Geschosse der Schneeballschlacht abzukriegen, in die die meisten Jungs der Schule verwickelt zu sein schienen. Ich schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen; manche Dinge ändern sich eben nie.
Als ich bei der Tür ankam, sah ich, dass einer meiner Schüler auf mich zukam. Ich seufzte halb belustigt, halb entnervt. Es war Adam Carter – ein beliebter Junge aus der Mittelstufe, der anscheinend (ich verfolgte den Schulsport nicht besonders) so etwas wie ein Star in seiner Baseballmannschaft war. Er hatte blonde Haare und braue Augen und erinnerte mich in seiner Art, mir überallhin zu folgen, auf unwiderstehliche Weise an Mike Newton. Meine Kollegen zogen mich immer damit auf und behaupteten, er wäre in mich verknallt, aber ich nannte es lieber übertriebene Freundlichkeit – die Aufmerksamkeit eines 17-jährigen brauchte ich definitiv nicht. Nein, du träumst lieber von einem. Ich grub die Fingernägel fest in meine Handballen und versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. Als müsste ich an meine ungesunden nächtlichen Halluzinationen erinnert werden – die nahmen mein Leben auch so schon vollkommen ein.
„Hi, Miss Swan!", sagte Adam laut, woraufhin sich mehrere Leute zu mir umdrehten und starrten, als er in meine Richtung schlenderte. Er streckte die Hand aus, um mir meine Tasche abzunehmen, aber ich machte einen Schritt zurück und versuchte, es mit einem Stolpern zu kaschieren. Leider schien es ihn nicht abzuschrecken.
"Äh hallo Adam, schöne Weihnachtsferien gehabt?", fragte ich abgelenkt, während ich mich über die Schulter nach einem Fluchtweg umsah.
"Ja, absolut. Ich war mit meinen Kumpels Snowboarden und es war rich-tig toll", plapperte er allen Ernstes drauflos, aber seine Worte verwandelten sich in meinem Hirn in Matsch. Ich bemerkte, dass er Umgangssprache benutzte und dachte mir, dass die heutige Sprache viel unattraktiver war als die formellere Sprechweise gegen Anfang des 20. Jahrhunderts, dann schimpfte ich mit mir selbst. Es war besorgniserregend, welche Wirkung dieser eine kurze Traum auf mich gehabt hatte.
Ich beschloss, die Flucht zu ergreifen, und unterbrach Adam mit einem: "Das ist ja toll, aber ich muss jetzt weiter, ich muss noch mit äh", ich durchforstete mein Hirn nach einer glaubwürdigen Ausrede und entschied mich für einen Lehrer, dessen Büro möglichst weit weg war, „ mit Dr. Takagi reden. Bis später dann." Ich warf ihm etwas zu, das hoffentlich als ein Lächeln durchging und floh, wobei ich fast an der Treppe gestolpert wäre.
"Ja", rief mir Adam hinterher, "erste Stunde in der 12E!" Ich gab keine Antwort, sondern tauchte unter der nächsten Tür durch. Im Gehen schüttelte ich ungläubig den Kopf. Was war das nur mit mir und übermäßig begeisterten Teenagern? Und wieso schienen sie nie zu kapieren, dass ich lange nicht so interessant war, wie sie es sich einbildeten?
Darüber sinnierte ich, bis ich das Lehrerzimmer erreichte; zu meiner großen Erleichterung wurde ich auf dem Weg nicht von noch mehr pubertierenden Bewunderern angequatscht. Als ich jedoch in den großen, beige gestrichenen Raum hineinhing, vollbrachte ich das Kunststück, mir den Knöchel zu vertreten und mir meine Tasche auf die Füße fallen zu lassen, was sehr zur Erheiterung einiger Mathelehrer beitrug. Wütend las ich meine Sachen vom Boden auf und ging in die Küche. Scheiß auf das Koffein, dachte ich, ich brauch jetzt dringend einen Kaffee.
Zu meiner Bestürzung endete die Freistunde irgendwann und ich sah mich gezwungen, die relative Sicherheit des Lehrerzimmers zu verlassen und mich dem Leben auf den Gängen zu stellen. Ich schaute auf meinen Stundenplan und stellte fest, dass Adam recht hatte: meine erste Stunde war tatsächlich in Block 12. Der Weg dorthin dauerte fünf Minuten, sieben, wenn man den Stau und die Schneeballschlachten, denen ich ausweichen musste, miteinrechnete. Ich goss mir einen zweiten Kaffee ein –wer A sagt, muss auch B sagen – und verließ den Aufenthaltsraum hastig, bevor man mich für das Mitnehmen der Tasse zurechtweisen konnte.
Den Weg legte ich zum Glück ohne Zwischenfälle zurück – abgesehen von einer Prügelei, die ich beenden musste, ein paar Schülern, die ich davon abhielt, drinnen mit Schneebällen zu werfen und einer verwirrten Neuntklässlerin, die versuchte, in den Schrank des Hausmeisters zu kommen, weil sie dachte, ihr Biologiekurs fände dort statt, während sich ein paar „hilfsbereite" Zehntklässler hinter ihrem Rücken kaputtlachten.
Als ich endlich in der 12E ankam, war die Hälfte meiner Klasse schon da, aber damit beschäftigt, sich umzusetzen und auf den Tischen sitzend zu flirten, den neusten Klatsch auszutauschen und sich gegenseitig mit ihren Handys abzulichten. Bis zum Beginn der Stunde waren es noch fünf Minuten, also ließ ich sie in Ruhe, während ich meine Unterrichtsmaterialien ordnete. Heute wollten wir mit Stolz und Vorurteil anfangen und würden, falls wir rechtzeitig fertig wurden, in wenigen Wochen mit Jane Eyre weitermachen. Vor sechs Jahren noch wäre ich nicht imstande gewesen, meine Lieblingsbücher von Austen und Brönte zu lesen, ohne in Tränen auszubrechen. Mittlerweile jedoch fühlte ich nur noch einen leichten Stich in meiner leeren Brust – unangenehm, aber erträglich.
Ich suchte in meiner Tasche nach den Arbeitsblättern, die ich heute verteilen wollte. Während ich darin herumkramte, stieß ich mit dem Ellenbogen gegen die Tasche.
„Mist!", fluchte ich, als einer meiner Ordner auf den Boden fiel und sein Inhalt sich auf dem Linoleum verteilte. Ich ging um das Pult herum und bückte mich, den Kaffee immer noch in der Hand, um den Papiersalat aufzuklauben.
"Ich helfe Ihnen schon, Miss Swan!", rief eine eifrige Stimme und als ich aufsah, stand Adam da. Ich hatte nicht bemerkt, dass er ins Klassenzimmer gekommen war und war leicht irritiert.
"Nein, Adam, alles gut, dan-", protestierte ich, aber vergeblich. Er beachtete mich gar nicht, sondern beugte sich mit einem Elan über seinen Tisch, den nur ein Jugendlicher an einem Montagmorgen aufbringen kann. Er ist wirklich wie Mike, dachte ich, als ich zuschaute, wie er meine Papiere mit so großem Enthusiasmus stapelte, dass er mir die Kaffeetasse aus der Hand schlug. Oder vielleicht eher so wie ich. Ich zuckte zusammen, als die Tasse auf dem Boden zerschellte …direkt vor den Füßen des Mannes, der gerade im Türrahmen aufgetaucht war.
Die ganze Klasse brach in Lachen und Pfeifen aus, als ihre Augen zwischen meinem gereizten Gesichtsausdruck und dem kleinlauten Adam hin- und herwanderten. Ich seufzte. Das Semester fing ja gut an.
Der Mann räusperte sich und ich schaute auf. Es war Patrick Delaney, ein fast schon übertrieben engagierter Lehrer, der in meinen ersten Monaten als Lehrerin mein Mentor gewesen war. Obwohl er fast zehn Jahre älter war als ich, hatten wir uns irgendwie angefreundet. Dieses Jahr war hatte man ihm die Verantwortung für die ganze Mittelstufe übertragen – was eine echte Meisterleistung war, wenn man bedachte, dass diese momentan über 600 Schüler umfasste.
"Hallo Miss Swan", er räusperte sich belustigt, "alles äh … in Ordnung bei Ihnen?"
"Könnte nicht besser sein", erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen; der Röte, die mir in die Wangen stieg, war ich mir nur allzu bewusst. Ich machte mir keine Sorgen darüber, wie Patrick auf den Kaffee reagieren würde – ich wusste, dass es ihm nichts ausmachte – aber ich war nicht allzu begeistert über die Tatsache, dass ich mich gerade vor einer Klasse mitleidloser Teenager zum Affen gemacht hatte.
Patrick grinste schamlos und seine dunklen Augen funkelten hinter seiner Brille. „Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Sie heute einen neuen Schüler bekommen. Er ist noch im Sekretariat, seinen Stundenplan abholen, aber er sollte gleich da sein."
"Danke, Mr. Delaney", sagte ich, wobei ich wegen unseres Publikums auf seinen Nachnamen zurückgriff.
"Keine Ursache." Er schaute in Adams Richtung, zeigte auf die zerdepperte Tasse und meinte streng:
„An Ihrer Stelle würde ich ganz schnell was zum Aufwischen holen, junger Mann, bevor noch wer auf dieser Sauerei ausrutscht." Er wartete, bis Adam verlegen aus dem Klassenzimmer gestürzt war, dann zwinkerte er mir vergnügt zu.
„Bis später, Bella."
Mit einem Seufzen drehte ich mich zur Klasse und ignorierte die Nachzügler, die zu ihren Stühlen hasteten. Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
Nach zehn Minuten Unterricht hatte sich meine morgendliche Anspannung größtenteils verflüchtigt. Im Unterrichten war ich gut und es machte mir auch Spaß, vor allem wenn wir Romane behandelten. Als ich mit der Schule fertig war, hatte ich eigentlich mit dem Gedanken gespielt, Bibliothekarin zu werden, aber dann überredete Charlie mich dazu, mir einen Beruf im Bildungsbereich zu suchen. Zuerst hatte ich ihn für verrückt gehalten; ich schaffte es ja kaum, eine Gruppe Menschen anzusehen, ohne rot zu werden. Mit der Zeit aber ging mir auf, dass die Idee vielleicht gar nicht so abwegig war. Ich hatte es schon immer geliebt, über Bücher zu reden – und jetzt wurde ich sogar dafür bezahlt. Außerdem war es ein wirklich schönes Gefühl, meine Liebe zur Literatur zu teilen und zuzusehen, wie die Schüler allmählich Gefallen an der Pflichtlektüre fanden. Bald stellte ich fest, dass mein fehlendes Selbstvertrauen überhaupt kein Problem war; über die Charaktere zu reden, die ich so sehr liebte, schützte mich irgendwie vor sämtlichen Unsicherheiten. Wie es außerhalb des Klassenzimmers bestellt war, stand auf einem anderen Blatt, aber hier drinnen war ich ganz in meinem Element.
Ich hatte der Klasse gerade aufgetragen, sich paarweise zusammenzusetzen, als ich über den darauf folgenden Lärm hinweg hörte, wie die Tür erneut aufging. In dem Glauben, es sei Adam mit den Aufwischtüchern, schaute ich gar nicht erst auf, sondern verteilte geschäftig Arbeitsblätter an die einzelnen Gruppen und beendete ein paar Plänkeleien. Erst als ich wieder vor der Klasse stand, fiel mir auf, dass Adam immer noch nicht im Klassenzimmer war.
"Adam", seufzte ich, "steh bitte nicht in der Tür rum, komm einfach rein und-", die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich sah, wer da im Türrahmen stand. Es war nicht Adam. Ich versteinerte, als ich fassungslos in sein Gesicht starrte.
Nein. Es konnte nicht sein, nicht nach all den Jahren. Nein, Bella. Du träumst noch. Wie betäubt schüttelte ich den Kopf, schaute hin und her. Ich traute meinen Augen nicht. Aufwachen, Bella, wach auf! Aber ich war wach. Ich war wach und starrte in das Gesicht, das ich schon seit Jahren zu vergessen versuchte, das Gesicht des ersten und letzten Jungen, den ich je geliebt hatte.
Edward.
Die ganze Welt verschwand, bis nur noch er da war. Ich konnte nicht glauben, dass er hier war, sechs Jahre NICHTS, und jetzt stand er direkt vor mir. Er sah genauso aus wie immer: groß, blass und natürlich umwerfend schön. Meine Augen wanderten gierig über sein Gesicht; meine Träume waren ihm nicht einmal annähernd gerecht geworden. Es war süße Qual; ich schwelgte in jedem Detail, aber jeder Blick zerriss mein Herz noch mehr.
"Ed-dward", stammelte ich, während ich mit den Händen den Rand des Pults umklammerte, um nicht umzukippen. Entfernt war mir bewusst, dass das Gequassel der Klasse leiser geworden war, und ich fühlte die neugierigen Blicke der ersten Reihe, die meine Erstarrung und meinen schockierten Gesichtsausdruck mit größtem Interesse studierte. Ich wusste, dass ich etwas sagen sollte, irgendwas, aber ich konnte nicht. Erinnerungen, die ich bis jetzt verdrängt hatte, überfluteten mein Hirn, wie Wasser, das einen Damm durchbricht.
Edward, wie er sich lachend den Schnee aus dem Haar schüttelte; Edward auf unserer Lichtung; beim Video-Spielen mit Emmett; beim Musikhören; wie er mit seinem Wagen die Autobahn entlangraste; Edward, der meinen Hals küsste; seine Hände glitten an meiner Seite hinunter, während er etwas an meinen Lippen flüsterte…
Bei dieser Erinnerung schnappte ich nach Luft, so stark waren die Gefühle, die sie auslöste. Mit klopfendem Herzen sah ich zu Edward.
"Bella", hauchte seine Samtstimme, so leise, dass nur ich es hörte. Er sah überrascht aus, aber viel, viel gefasster als ich; zumindest zitterte er nicht unkontrolliert.
Wir starrten uns eine Ewigkeit an, bis ich -endlich- erlöst wurde.
"Miss Swan?" Es war Patrick. Er war immer noch unverschämt gut gelaunt, angesichts des emotionalen Aufruhrs, in dem ich mich gerade befand. Er suchte den Raum ab, bis sein Blick auf Edward fiel. Nickend strich er einen Namen von seiner Liste.
"Ah, da sind Sie ja, Mr. Cullen. Irgendwelche Probleme mit Ihrem Stundenplan?"
Und da begriff ich … auf einen Schlag verstand ich alles. Edward war der neue Schüler. Edward, mein über hundert Jahre alter Vampir-Ex-Freund, der gerade noch und seit gut sechs Jahren aus meinem Leben verschwunden war, war jetzt einer meiner Schüler. Wenn ich nicht so entsetzt gewesen wäre, hätte ich vielleicht gelacht.
"Nein, Sir", antwortete Edward unerschüttert. Ich stand am Rande eines hysterischen Anfalls, dennoch fühlte mich ich leicht gekränkt. Ließ es ihn wirklich absolut kalt, mich nach sechs Jahren wiederzusehen? Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ja. Natürlich ist es ihm egal, Bella, dachte ich trocken. Hast du vergessen, was er im Wald gesagt hat? Ich konnte mich nur zu lebhaft daran erinnern. Die Erinnerung an meine Ausmusterung schmerzte immer noch so sehr, dass es mich in die Knie zwang.
„Ausgezeichnet. Setzten Sie sich doch", meinte Patrick lächelnd und zeigte auf einen leeren Tisch an der Wand zwei Reihen weiter hinten, bevor er sich zu mir drehte. Einen Sekundenbruchteil lang dachte ich, eine Emotion über Edwards Gesicht flackern zu sehen, aber bevor ich mich vergewissern konnte, hatte er mir schon den Rücken zugedreht und ging anmutig zu seinem Stuhl. Widerwillig schaute ich zurück zu Patrick.
"Tja, den Rest überlasse ich Ihnen, Bella", grinste er und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Mit ihm sollten Sie keine Probleme haben, laut seiner Akte war er in San Francisco ein Musterschüler". Ich nickte stumm, unfähig, zu antworten; aber Patrick, der fröhlich weiterschwafelte, schien es nicht zu bemerken. „Schönen Tag noch, Bella", trillerte er, als er zur Tür hinausrauschte.
Einen schönen Tag. Sicher.
Ich drehte mich zu der jetzt stillen Klasse um, versuchte, mein Zittern zu verbergen, und stellte sicher, dass mein Blick sich nicht zu dem Tisch in der zweiten Reihe an der Wand verirrte.
"Okay, Leute, machen wir mit Kapitel drei weiter", brachte ich mühsam hervor. Die Stelle, an der die zukünftigen Liebenden sich treffen; das passt ja, dachte ich.
Ich wusste, der einzige Weg aus diesem Albtraum war, zu unterrichten bis mich die Pausenklingel erlöste, also ballte ich die Fäuste und wappnete mich für den härtesten Morgen meines Lebens.
So, was haltet ihr von diesem ersten Kapitel?
