„Schon gehört? Malfoy ist jetzt auch Quidditch-Captain!"
Al seufzte leise und hob den Blick, direkt in das aufgeregte Gesicht seiner Cousine sehend.
„Und?" fragte er wenig beeindruckt, woraufhin sie leicht schnaubte.
„Damit ist er sowohl Prefekt als auch Quidditch-Captain, und, wenn ich dich erinnern darf, damit auf dem gleichen Level wie du! Und das, obwohl das seit 1873 niemand mehr auf Hogwarts geschafft hat, nicht mal dein Dad!"
Er zuckte nur mit den Schultern und sah wieder auf sein Blatt. „Super", meinte er sarkastisch, „ich werde sofort einen Club für uns gründen, in dem wir uns dann in unserer Glorie sonnen können."
Sie versetzte ihm einen unsanften Stoß , und er sah stirnrunzelnd wieder auf. „Ich will damit nur sagen, dass jetzt der Hype um dich wohl endlich abnimmt. Das ist es doch, was du willst, oder?"
Er antwortete nicht sondern schob bloß ihre Hand von sich und kuschelte sich tiefer in seinen Sessel. Der „Hype", von dem sie sprach, nahm schon lange ab, nur schien dies niemande außer ihm aufzufallen.
Zu Beginn seiner Schulzeit war es eine Tortur gewesen – jeder hatte in ihm nur das Abbild seines Vaters gesehen, wie ein kleines Abziehbildchen des Retters der magischen Welt, und ähnliche Heldentaten erwartet, wenn auch in nicht ganz so dramatischem Ausmaß wie der Vernichtung eines fast allmächtigen Dunklen Zauberers. Er hatte sich angestrengt, einige Erwartungen erfüllt und sogar übertroffen, in anderen völlig enttäuschend versagt, und es war etwas ruhiger um ihn geworden. Es war völlig klar, dass er im zweiten Jahr als Sucher eingesetzt wurde, genauso wie er im fünften Jahr selbstverständlich Prefekt und ein Jahr später Quidditch-Captain wurde. Er war schließlich Harry Potters Sohn, und kaum jemand war von diesen Dingen noch im Geringsten beeindruckt.
Ganz anders war es bei Scorpius Malfoy gewesen. Auch er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, aber entgegen Albus' Erfahrungen war dies für den Blonden eher ein Nachteil. Es war offensichtlich, dass er nach Slytherin kam, und es wunderte auch niemanden, welche Manieren und Kleidung der Malfoy-Sproß mit sich herumtrug. Umso erstaunlicher aber war sein unverkennbarer Charme, der allmählich die Vorurteile gegen seinen Vater niederkämpfte. Er erreichte alles, was Al auch erreichte, lächelte dabei ein strahlendes Lächeln, eroberte reihenweise Mädchenherzen und wurde als einziger Schüler seines Jahres jemals besser bewertet als Rose Weasley. Aber sogar sie verzieh ihm, als er sie auf der darauffolgenden Abschlussfeier zum Tanzen aufforderte und erst nach 3 Liedern wieder gehen ließ.
Scorpius Malfoy war ein Alleskönner, und das nervte Al. Noch dazu sah er auf diese schwer zu fassende Weise gut aus, die eigentlich Frauen vorbehalten sein sollte, und brachte ihn daher völlig durcheinander. Wieso sonst würde ihm auffallen, dass rot Scorpius deutlich besser stand als grün, dass Scorpius' Augen in der Sonne glitzerten wie Stücke gefrorenen Himmels und dass sein Lachen, wenn Allan Smith ihm etwas erzählte, eigentlich einen Tacken zu laut für seine erlauchte Erziehung war.
Allan Smith. Wenn es jemanden gab, den er noch mehr verabscheute als Scorpius, dann war es Smith. Es fing schon damit an, dass sie beide denselben Spitznamen hatten, und dieser auch noch in fast lächerlicher Häufigkeit von Scorpius gebraucht wurde, wobei Albus jedes Mal ein Schauer über den Rücken lief. Und es hörte wohl damit auf, dass Allan an Scorpius klebte wie Weiß an Reis, und dieser Zustand Albus auf eine sehr verwirrende Art reizte, die er noch nicht richtig entschlüsseln konnte.
Er grummelte leise und ließ seine Feder sinken, allmählich einsehend, dass Rose seine Konzentration durch ihre Information effektiv zerstört hatte. Vielleicht sollte er einfach ein wenig rausgehen und frische Luft schnappen, anstatt nochmal seine gesamte Schullaufbahn im Geiste nachzuvollziehen.
Als der nächste durch das Porträtloch hereinstürzte und aufgeregt von Malfoys neuestem Erfolg berichtete, gab er ein unwilliges Knurren von sich und stand auf. Schlimm genug, dass er außerhalb des Gryffindor-Turms ständig davon hörte, wie toll der Blonde doch war – er brauchte das ganze Trara nun wirklich nicht auch noch in seinem Gemeinschaftsraum.
Leise grollend schob er sich durch die Möbelstücke und zwängte sich nach draußen, die Rufe von Ernie Thomas und Lucas Finnigan ignorierend, die ihn zu sich hinüberwinken wollten. Draußen steuerte er schnurstracks den kürzesten Weg zum Quidditch-Feld an, vermutlich aus einer leicht selbstzerstörerischen Laune heraus, wurde jedoch auf dem Weg durch einen lauten Ruf aufgehalten, den er unmöglich mit Nichtachtung strafen konnte.
„Albus", dröhnte Hagrids Stimme nämlich quer über das halbe Schulgelände, und Al war sich ziemlich sicher, dass selbst Professor Longbottom hinten in seinem Gewächshaus nun wusste, dass Al gerade bei Hagrid war, „willst du etwa zu mir?"
Al wandte den Kopf und erspähte den Halbriesen schließlich auf einem Felsen. Verblüffend, aber dort oben fiel nicht einmal er mehr auf – abgesehen von dem knallroten Sonnenbrand auf Hagrids Nase, der fast noch heller schien als die Sonne selbst.
„Ehrlich gesagt, nein", gab er dann zu, „ich wollte zum Quidditch-Feld."
„Oh", machte Hagrid, die Enttäuschung deutlich in dem kleinen Wörtchen hörbar, „aber du weißt, dass Malfoy da gerade ist?"
Für einen kurzen Moment glaubte er, er habe sich verhört. Erst dann sickerte die Information völlig in sein Bewusstsein. „Was?!"
„Jawoll, er trainiert", bestätigte Hagrid seine vorherige Aussage nochmals nickend, und fügte dann sinnierend an: „Hat viel weniger von seinem Vater als man meinen könnte. Ehrgeiziger. Außerdem so'n bißchen Rebell... Wie dein Opa, James. Großartiger Mann... Der Scorpius, das wird auch mal ein ganz Großer." Er nickte wieder und strahlte Al dabei fröhlich an, der in diesem Moment ernsthaft darüber nachdachte, den Halbriesen und guten Freund der Familie für diese Bemerkung vom Erdball zu hexen.
„Ich muss weiter", murmelte er stattdessen mit knirschenden Zähnen und setzte seinen Weg fort, den irritierten Blicken Hagrids keine weitere Beachtung schenkend. Als das Quidditch-Feld in Sichtweite kam, erkannte er dann schließlich seufzend die Wahrheit in Hagrids Worten – in wilden Zickzack-Bewegungen sauste eine grünberobte Gestalt durch die Luft, auf deren hellblondem Haarschopf sich die Sonne golden spiegelte.
Al verengte seine Augen und trat lautlos näher.
Scorpius Gesicht war vor Konzentration zu einer fast steinern wirkenden Maske geworden, das sonst stets präsente Lächeln verschwunden. Seine hellblauen Augen huschten ruckartig über das Feld, und er verlor leicht die Balance, als er Albus schließlich bemerkte. Dann lächelte er und flog in einem eleganten Bogen auf ihn zu, um kurz vor ihm von seinem Besen zu springen. Er konnte wirklich fliegen, soviel musste Al zu zugeben.
„Potter", begrüßte ihn der Blonde dann, „wolltest du zu mir?" Seine Stimme hatte wie immer diesen schwer zu beschreibenden Tonfall inne, der irgendwo zwischen Charme und Sarkasmus lag und laut Professor Longbottom für Malfoys ganz typisch war, und auch wenn es der gleiche Satz war, mit dem er zuvor von Hagrid begrüßt worden war, so hätte wohl kaum kein größerer Unterschied zwischen den Floskeln liegen können. Al runzelte düster die Stirn.
„Nein", zischte er wahrheitsgemäßg zurück, seufzte dann und fuhr sich durch sein Haar, das ja glücklicherweise keine Form besaß, die er damit durcheinander brachte. Scorpius bedachte ihn mit einem kritischen Blick.
„Sondern?" fragte er schließlich, als der Gryffindor keine Anstalten machte, irgendetwas anderes zu tun als grummelnd da zu stehen und ihn somit effektiv in seinem Training zu stören.
„Grün steht dir nicht", platzte der Dunkelhaarige dann heraus, und Scorpius sah ihn berechtigter Weise an als habe er den Verstand verloren.
„Geht es dir gut, Potter? Oder bist du kürzlich mit dem Kopf gegen eine Mauer gelaufen?" fragte er leicht gereizt, was Al allerdings nicht im Geringsten beeindruckte.
„Rot steht dir viel besser", beharrte er stattdessen und fragte sich dumpf, was bloß in seinem Frühstück gewesen war, dass ihn veranlasste, hier solchen Schwachsinn von sich zu geben. Scorpius rollte entnervt mit den Augen, ehe sich ein durch und durch slytherinhaftes Lächeln auf seine Züge legte. Al wurde unwillkürlich warm.
„Dann könnte ich aber nicht mehr deine Augenfarbe tragen, Al", singsangte der Blonde dann, und Al durchlief ein kleiner Schauer, als der Andere so unerwartet seinen Spitznamen nutzte.
Manchmal hasste er den Slytherin schier für seine Undurchschaubarkeit.
„Das ist doch vollkommen egal", erwiderte er giftig, erfolglos gegen das in seine Wangen schießende Blut ankämpfend.
„Mir nicht", meinte Scorpius in einem unpassend vieldeutigen Ton, „aber wenn es dir so wichtig ist..." Er streifte nonchalant seine Handschuhe ab, dann seine Ellenbogenschoner und öffnete dann mit fast perverser Ruhe seine Quidditch-Robe. Al gab ein kleines, kieksendes, unglaublich demütigendes Geräusch von sich und erkannte, dass er den Kampf gegen sein Blut wohl verloren hatte, während sich seine Augen schockiert auf der sich entblößenden Haut festsaugten.
Zu seinem Glück – und seiner stillen Enttäuschung – tauchte unter dem Slytheringrün jedoch ein rotes, bedrucktes T-Shirt auf, und Scorpius strich sich in einer Geste zwischen Verfühung und Spott über seinen flachen Bauch. „Allerdings hast du wohl recht, rot sieht tatsächlich besser aus." Er grinste leicht. „Obwohl ja jede Farbe gut an mir aussieht."
Al nickte unwillkürlich, zu sehr durch die Gegenwart des Slytherin gefesselt als überhaupt richtig zu registrieren, was er tat. Die Realisierung kam erst ein paar Sekunden später, und er verfluchte sich innerlich selbst, während er noch um eine Schattierung röter wurde. Merlin, was war nur los mit ihm?! Das hatte er bestimmt nicht von seinem Vater.
„Du nervst, Malfoy", erwiderte er schließlich, woraufhin der Blonde seine Brauen zusammenzog, seine Hand von seinem Oberkörper fiel und das Lächeln von seinen Zügen verschwand. Ärger tauchte in dem Blau seiner Augen auf und färbte es dunkler.
„ICH nerve?! Du bist hier aufgetaucht und hast irgendeinen Schwachsinn über meinen Kleidungsstil gefaselt! Was willst du eigentlich von mir, Potter?!" Ein Windstoß fuhr durch seine kurzen Haare und zerzauste sie leicht, sodass die gegelten Strähnen noch etwas mehr abstanden. Ärger und Aufregung hatten seine Wangen leicht rot gefärbt und seine Augen blitzen gefährlich, während die Sonnenstrahlen ihm weiterhin einen goldenen Schimmer verliehen. Er sah aus wie eine überaus anziehende Mischung aus wütendem Dämon und einem Rachegott, und Albus musste unwillkürlich schlucken. Was hatte ihn nur geritten, hierher zu kommen?
„Wenn ich das wüsste", antwortete er irgendwann von sich selbst und der Situation frustriert und sah zur Seite, um bloß nicht länger direkt in diese Augen sehen zu müssen. Aus dem Augenwinkel heraus sah er dann plötzlich den Schnatz auf sich zu fliegen, und seine Rechte schoss nach vorn, ehe er überhaupt registrierte, was er tat. Seine Fingerspitzen berührten leicht Scorpius' Wange, der jedoch nicht einmal mit der Wimper zuckte, sondern nur den gefangenen Ball, dessen Flügel zwischen Als Fingern hervorlugten, mit einem schwer zu deutenden Blick bedachte.
„Immer noch besser als ich, was?" fragte er leise, griff dann nach Als Hand und befreite den Schnatz, ehe er ihn sanft mit seinem Zauberstab antippte und der Ball gehorsam seine Flügel einfaltete. Der Gryffindor ballte die Hand, die Scorpius so eben berührt hatte, und fragte sich dumpf, wie lange er wohl das Gefühl seiner Finger auf sich fühlen würde und warum zur Hölle der kurze Hautkontakt so intensiv prickeln konnte.
„Nein", murmelte er dann, „nie." Er hob den Blick, sah direkt in Scorpius' Augen und hatte das Gefühl, direkt in die Sonne zu sehen.
Der Slytherin hielt seinen Blick, legte den Kopf schief, lächelte und trat dann einen Schritt zurück, seine Handschuhe und Ellenbogenschoner wieder einsammelnd. „Du hättest gut nach Slytherin gepasst", sagte er ruhig, „du bist viel unberechenbarer, als man meint." Er richtete sich auf und lächelte leicht. „Und das meine ich als Kompliment."
Damit griff er nach seinem Besen, drehte sich in Richtung der Umkleidekabinen um und ging.
Al starrte ihm perplex hinterher und bemerkte kaum, wie sich ein leises Lächeln auf seine Züge legte. „Vermutlich nur für einen Malfoy."
XXX
'Unberechenbar' wäre vermutlich nicht unbedingt das erste Wort gewesen, das ihm in den Sinn gekommen wäre, um sich selbst zu beschreiben. 'Loyal' vielleicht. Oder 'ehrlich'. 'Mutig'. 'Kämpferisch'. Irgendetwas in der Art.
Er hielt sich im Allgemeinen sogar eher für ziemlich berechenbar. Nur in der Gegenwart eines gewissen Slytherin begann er, völligen Schwachsinn zu brabbeln und sich zu benehmen, als hätte so eben jemand sein Hirn abgesaugt.
Aber solange er damit nur als 'unberechenbar' galt, und Scorpius das auch noch als Kompliment betitelte, würde er sich nicht beschweren.
Mit einem kleinen Lächeln, das ihm nicht einmal bewusst war, machte er sich mit dem Rest der Gryffindors auf zum Quidditch-Feld, um sich das Spiel Slytherin vs Hufflepuff anzusehen. Die Spieler kamen gerade auf den Platz, als er sich schließlich zwischen Rose und Ernie niederließ. Wie von selbst suchten seine Augen sofort den silberblonden Haarschopf, der so typisch war für den neuen Slytherin-Team-Kapitän, und registrierte mit einem säuerlichen Grollen, dass er bei weitem nicht der Einzige war, der das tat. Er wandte den Kopf ab und konzentrierte sich auf alles Andere, nur nicht den Blonden, während Madame Hooch mit einem kurzen Pfiff das Spiel beginnen ließ.
Es war ein recht kurzes Vergnügen. Hufflepuff hatte keine Chance. Scorpius fing den Snitch in Rekordzeit, und so war das Spiel nach einer knappen halben Stunde und einem Spielstand von 160 zu 10 vorbei. Die schwarz-gelb-berobten Gestalten verließen mit hängenden Köpfen das Feld, während das Team Slytherin ihren neuen Kapitän feierte wie einen Helden.
Als Augen wurden schmal und seine Hände bohrten sich in den Stoff seiner Robe.
Merlin, er konnte diesen Smith wirklich nicht ausstehen.
Seit Scorpius' Füße den Boden berührt hatten, klebte Allan Smith an ihm wie ein altes Kaugummi an einer Gummisohle. Smith war selbst recht passabel geflogen, das gestand Al ihm in echter Sportlermanier völlig zu. Wie es sich für einen guten Schläger gehörte, hatte er brav alle Bälle von Scorpius ferngehalten und zurück in die Reihen der Hufflepuffs gespielt, sodass der Blonde relativ problemlos – wenn auch mit einem Flugmanöver, das für ein Raunen auf den Tribünen gesorgt hatte – punkten konnte. Natürlich hatte es auch nicht geschadet, dass die Slytherinjäger unter ihrem neuen Kapitän mit ungewohnter Schärfte, wenn auch weniger grob vorgingen – eine Spielweise, die man von dem Hause Slytherin nicht gewohnt war und die dadurch umso erfolgversprechender war. Insgesamt war das Spiel der Grungewandten heute einfach ausnehmend gut gewesen, und Hufflepuff war schon von Beginn an chancenlos gewesen. Scorpius war und blieb der aufgehende Stern Slytherin, und das gelöste Gewinnerlächeln, das er glücklich in die Menge warf, brachte einige Mädchen dazu, sehnsuchtsvoll aufzuseufzen.
Eigentlich hätte es seine Pflicht als Gryffindor-Kapitän sein müssen, sich darüber Gedanken zu machen, wie er sein Team auf diese unerwartet clever spielenden Slytherins vorbereitete. Er hätte – so wie es sein Bruder ihm seit gefühlten Ewigkeiten ins Ohr blökte, der selbst im Team war und dort als Torwart agierte – versuchen sollen, Schwächen zu finden, um ihre eigenen Stärken darauf aufzubauen. Stattdessen aber starrte er seit geschlagenen fünf Minuten wie betäubt auf das Feld und versuchte in der Masse von Grün auszumachen, wo genau Smith seine Hände hatte, während Ärger in ihm brodelte wie Gift.
„Al! Hörst du mir überhaupt zu?" Er riss sich mühsam von dem Anblick der feiernden Menge los und sah eindlich seinen Bruder an.
„Später, James", sagte er dann knapp, boxte sich durch die Menge und schob sich an allen Leuten vorbei, um dann wie von einer Herde Werwölfe gehetzt ins Schloss zu rennen. An dem nächsten Wasserspender machte er Halt und spritzte sich erstmal ein paar Hände voll kaltes Wasser ins Gesicht.
Was war bloß los? Wieso benahm er sich bloß so... irrational?
Stimmen rissen ihn aus seinen Gedanken und er seufzte leise, ehe er hinter einer Säule Deckung suchte. Ihm war wirklich nicht danach, irgendwem zu erklären, wieso er aussah als wäre er gerade durch den See geschwommen um sich dort mit der Krake zu prügeln.
„Wir waren großartig, Scorp! Unbesiegbar!" kam dann die enthusiastische Stimme Allan Smiths, und Al knurrte leise auf, wieder auf unerklärliche Weise wütender als es der Situation angemessen war. Ein tiefes, angenehmes Lachen war Antwort auf Smiths Aussage und wischte einen Großteil von Als Ärger fort. „Warten wir mal auf das Spiel gegen Gryffindor, Al", meinte Scorpius begütigend, „da wird es erst richtig spannend."
Smith schnaubte bloß, und Al drückte sich noch tiefer in seine Nische als er bemerkte, dass die Schritte auf ihn zusteuerten. „Machst du dir etwa Sorgen? Gut, Potter hat dich schon mal besiegt. Aber das lag nur an seinem Team. Wir sind besser geworden! Diesmal gewinnen wir!"
Al unterdrückte mit Mühe ein abfälliges „Ts" und hielt dann unwillkürlich die Luft an, als Scorpius und Allan so nah an ihm vorbeigingen, dass er nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um den Blonden zu berühren. Dieser trug zu seiner Überraschung ein rotes T-Shirt.
„Unterschätz Albus nicht", hörte er Scorpius dann noch sagen, „bei dem weißt du nie, was in seinem Kopf vorgeht."
Al schluckte, während die beiden Slytherins um die nächste Ecke verschwanden. Irrte er sich, oder hatte in der Stimme des Blonden gerade eine gewisse Anerkennung mitgeschwungen?
XXX
Es war nicht das erste Mal, dass er angeflirtet wurde. Er sah schließlich nicht unbedingt schlecht aus, vor allem in Zeiten, in denen sein Vater wie ein Idol verehrt wurde und als Maß aller Dinge galt. Auf seine etwas linkische Art, soviel war ihm bewusst, besaß er durchaus einen gewissen Reiz, auch wenn er natürlich kaum mit der unwirklichen Schönheit eines Malfoy konkurrieren konnte.
Aber bei Mary Brighton musste er das auch gar nicht.
Die kleine Ravenclaw verfolgte ihn mit einer Energie und Beharrlichkeit, die jedes Rhinozeros vor Neid hätte erblassen lassen, und seit sie sich auch noch ihrem Alter und Geschlecht entsprechend entwickelt hatte, legte sie noch dazu eine Aggressivität an den Tag, die Al nur beunruhigen konnte. Er fand Bilder von ihr in seinen Schulbüchern, an seinen Quidditch-Roben und sogar – was sehr an seinen Nerven zerrte – unter seinem Kopfkossen, und die Posen auf diesen Bildern wurden immer eindeutiger, während die Kleidung immer weniger wurde. Al wurde schon jedes Mal blass, wenn er irgendwo die blassrosa gefärbten Umschläge sah, in den Mary ihre Fotos zu verbergen pflegte. Er hatte schon des Öfteren versucht, sie zu verbrennen oder sonst wie zu zerstören, bevor er mit den Brüsten, Schenkeln und Bauchnabel konfrontiert war, aber sie waren mit irgendeinem Zauber versehen, die solch ein Verhalten nicht zuließen.
Mary Brighton würde eine erstklassige Spionin abgeben, aber das tröstete Al nur wenig. Inzwischen hatte sie, da ihre vorherigen Versuche keine Früchte trugen, getreu ihrer ravenclaw'schen Schläue ihre Taktik geändert und verfolgte ihn in Person. Wäre sie männlich gewesen, hätte Al sie längst verprügelt.
Anscheinend war dieser Tag wieder einer der Tage, an denen sich Mary aus der Bibliothek losgerissen hatte um ihm aufzulauern. Er kam gerade vom Quidditch-Training zurück, als er hinter sich plötzlich ihre tipseligen Schritte hörte und ihm ein süßlicher Parfüm-Geruch in die Nase stieg. „Albus?"
Er rannte los, hechtete nach links in den nächstbesten Gang, bog dann nach rechts ab – und befand sich in einer Sackgasse. Nackte Panik überfiel ihn und er überlegte fieberhaft, ob er noch genug Zeit hätte, in einer der Rüstungen zu verschwinden, als links neben ihm plötzlich eine Tür geöffnet wurde und Scorpius Malfoy seinen Kopf herausstreckte. Seine blauen Augen weiteten sich überrascht, und Als Herz setzte einen Schlag lang aus.
„Al? Was...", setzte der Blonde an, aber Al legte ihm wortlos eine Hand auf den Mund und schob ihn zurück in die Tür, wo auch immer sie hinführte. Sie fiel schwer hinter ihnen ins Schloß und ließ sie in Dunkelheit zurück.
Scorpius Körper befand sich noch immer vor seinem, und er fühlte dessen Atem sowohl an seiner Hand wie auch an dem sich rasch heben- und senkenden Brustkorb des Anderen. Seine Fingerspitzen berührten eine Haarsträhne des Slytherin, die sich nass an seine Haut schmiegte.
„Ich...", fing Al an und verfluchte sich dann innerlich, weil seine Stimme klang als sei er erst gestern in den Stimmbruch gekommen, „ich brauchte ein Versteck. Mary..."
„Brighton", beendete Scorpius düster und schob Als Hand von seinen Lippen, „mir ist dein kleiner Fan schon aufgefallen, Potter."
Al grollte leise, von dem anklagenden Ton unangenehm berührt. Als ob das seine Schuld wäre. Und als ob Scorpius nicht selbst einen ganzen Club voller williger Mädchen hatte, die nur auf ein Zeichen von ihm warteten.
Der Gedanke hatte nicht die beruhigende Wirkung auf ihn, die er sich erhofft hatte.
„Lumos", sagte er leise, und die Spitze seines Zauberstabs leuchtete hell auf. Mit einem Wink beförderte er den Stab in die Mitte des Raumes, sodass er sich endlich umgucken konnte.
Sie waren in einem edel eingerichteten Badezimmer, und der an den Spiegeln hängende Dust wies daraufhin, dass hier erst kürzlich jemand heiß geduscht hatte. Den tropfenden Haarsträhnen und dem Handtuch in seiner Hand nach zu urteilen, war dieser Jemand Scorpius gewesen.
Der viel zu nach vor ihm stand.
„Wenn ich mir wen hätte aussuchen können, hätte ich bestimmt nicht sie gewählt", sagte er dann nach einer Weile, in der er krampfhaft überlegt hatte, ob es wohl sehr feige aussähe, wenn er jetzt zurückweichen würde.
Scorpius lächelte amüsiert und seine Augen schienen dadurch etwas heller zu leuchten als zuvor. Merlin, er war eindeutig viel zu nah. „Und wen würdest du dir sonst aussuchen?"
Al erbleichte und folgte dem inneren Drang, doch noch einen Schritt zurück zu machen. Dich, hatte sein Hirn sofort boshaft geflüstert, und diese Erkenntnis traf ihn ziemlich unvorbereitet.
Obwohl – vielleicht hätte er die Zeichen besser deuten sollen. Er war schon recht lange sehr fixiert auf den Blonden und dachte viel zuviel über ihn nach. Andererseits machte ihn das schwul, und er konnte doch eigentlich nicht schwul sein? Was würde sein Bruder sagen? Seine Mutter? Und, oh Merlin, sein Vater? Wie sollte er erklären...
„Al?" unterbrach Scorpius seinen Gedankengang, und sein Blick schnellte wieder zu dem Gesicht des Slytherin hoch, der die Zeit genutzt hatte, um wieder näher zu treten. Al hätte am liebsten frustriert aufgestöhnt – aus der Nähe waren seine Augen noch blauer, die kleinen Zeichen der Weichheit, die angeblich so völlig aus der Art der Malfoys schlugen, noch deutlich, seine Lippen noch verführerischer...
„Ich... äh...", stotterte er unartikuliert und stolperte rückwärts gegen die Tür, hektisch nach dem Türknauf suchend. Irgendwo musste das Ding doch sein, verflucht! Er musste hier raus!
„Ja?" hakte Scorpius nach und trat unbarmherzig wieder auf ihn zu, das Lächeln allmählich zu einem diabolischen Grinsen verkommend. Merlin, in diesem Moment hasste er ihn wirklich für seine Coolness.
Diese Wut war es wohl auch, die ihn etwas von seiner Selbstbeherrschung wieder finden ließ. „Wieso willst du das wissen, Malfoy? Möchtest du denjenigen warnen, auslachen oder selbst verführen, damit ich doof da stehe?"
„Denjenigen?" echote der Blonde fast fröhlich und lupfte eine Augenbraue, „du bist schwul?"
„Nein", antwortete Al automatisch, und das war irgendwie sogar wahr. Außer seinem bösartigen Gegenüber war das männliche Geschlecht wirklich furchtbar uninteressant für ihn, von daher war er wohl eher besessen.
Scorpius runzelte die Stirn und sah ihn leicht kritisch an, wohl schon zu einer Antwort ansetzend, als von draußen das Geräusch von Schritten zu ihnen drang und gleich darauf Marys unverwechselbare Stimme zu hören war. „Al?"
Blitzartig stand Al wieder vor Scorpius und drückte schon zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Minuten seine Hand auf die Lippen des Anderen, diffus registrierend, dass diese sich unerwartet sanft in der Innenfläche seiner Hand anfühlten.
„Al?" erklang es wieder, und der Gerufene zuckte leicht zusammen. Die Lippen unter seiner Hand schwangen sich zu einem Lächeln auf, und Al hatte eine unerwartet lebensechte Vision davon, wie er dieses Lächeln mit seiner Zungenspitze nachfuhr. Hoffentlich konnte Scorpius keine Okklumentik.
„Al!" schallte es erneut von draußen, und der Gryffindor verzog das Gesicht, „bist du hier irgendwo?"
Scorpius' Schultern bebten, und in dem Dämmerlicht seines Lumos konnte Al seine blauen Augen vergnügt funkeln sehen. Er warf ihm einen düsteren Blick zu und verstärkte seinen Druck noch etwas. Scorpius wehrte sich nicht, das Lächeln verkam aber zu einem Grinsen und Al konnte deutlich die ebenmäßigen Zähne seines Gegenübers fühlen.
Sein Herzschlag beschleunigte sich, und er fragte sich leise und mit einem Hauch von Frustration, seit wann er bloß Zähne erotisch fand.
„AL!" rief Mary draußen wieder, und Scorpius entfuhr ein kleines belustigtes Schnauben, das glücklicherweise in dem Geräusch verebbender Schritte unterging. Anscheinend wollte sie ihre Jagd andernorts fortsetzen.
Al wollte schon wieder erleichtert aufatmen, als Scorpius plötzlich sein Handgelenk ergriff und seine Hand langsam von seinem Gesicht schob, woraufhin sich sein Atem irgendwie in seiner Lunge festzuhaken schien. „Da ist aber jemand verdammt hartnäckig", meinte Scorpius leise, immer noch lächelnd, und Al hob aufmüpfig sein Kinn.
„Wundert dich das etwa?" fragte er leicht arrogant zurück, und der Slytherin ließ seine Hand los als hätte er sich verbrannt. Die Wärme, die eben noch in seinen Augen stand, verschwand abrupt.
„Pass auf dein Ego auf, Potter, ansonsten ist es bald nicht mehr tragbar", erwiderte er dann, sein Tonfall immer noch freundlich, wenn auch längst nicht mehr so locker und deutlich kühler. „Aber was deine Frage angeht: Nein, eigentlich nicht. Sie ist damit sicher nicht allein." Er ging ohne ein weiteres Wort zur Tür und trat heraus, das schwere Holz hinter sich ins Schloß fallen lassend, während Al ihm wie betäubt hinterher sah.
Wenn einer dramatische Abgänge inszenieren konnte, dann war es Scorpius Malfoy.
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Sodele, das hier wird wohl ein Two-Shot. Der zweite Teil ist auch nahezu fertig, nur habe ich wieder mal (Überraschung...) ein paar PC-Problemchen, weswegen der Part noch nicht hochladbar ist. Kommt aber! In der Zwischenzeit hoffe ich mal, dass euch das hier gefallen hat!! Review??
