Diese Story spielt in der "normalen" Welt, ohne Dämonen und andere übernatürliche Kräfte. Viel Spaß! :)
Ich besitze keinerlei Rechte an den Charakteren (zumindest Haruka und Michiru ^^) - diese sind Naoko Takeuchi vorbehalten.
Haruka wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Eine dunkle Blutspur blieb auf ihrer Hand haften. Gerade noch rechtzeitig duckte sie sich unter der Faust hinweg, die mit gewaltiger Kraft auf sie zuraste. Mit einer schnellen, präzisen Bewegung rammte sie ihren Ellenbogen in die Magengrube ihres Gegners. Dieser sackte in sich zusammen und blieb gekrümmt vor Schmerzen auf dem nassen Asphalt liegen.
Schwer atmend blieb sie stehen. Der Regen prasselte auf sie nieder und das kurze blonde Haar klebte strähnig in ihrem Gesicht.
Ihr Blick ruhte kalt auf dem Jungen vor ihr am Boden, der sich noch immer vor Schmerzen krümmte.
Zwei weitere Jungen traten aus einigen Metern Entfernung hervor und sahen Haruka feindselig an. „Das wird dir noch Leid tun, Tenoh!" Die Hand des kleineren der beiden glitt langsam in seine Jackentasche, während der größere seine Finger knacken ließ.
Haruka machte sich bereit für einen weiteren Angriff.
„Und wie Leid dir das tun wird...", kicherte der kleinere bedrohlich und zog ein Taschenmesser aus seiner Jacke hervor. Im nächsten Moment stürmte er auch schon auf sie zu, das Messer vor sich gerichtet und zu allem bereit.
Haruka wich einen Schritt zur Seite aus und ihre Handkante sauste auf seinen Arm hinab. Er stöhnte kurz auf, als ihr Schlag ihn traf, drehte sich blitzschnell um und zog ihr mit dem Bein die Füße weg. Mit einem dumpfen Schlag prallte Haruka schmerzhaft auf den Boden. Im selben Moment kam der größere ihrer Widersacher hinzu und holte mit seinem wuchtigen Bein aus. Reflexartig rollte Haruka sich zur Seite, packte seinen vorbei rasenden Fuß und riss ihn ebenfalls von den Beinen. Der kleinere der beiden stieß einen Wutschrei aus und raste erneut mit dem Messer voran auf sie zu.
Sie schaffte es gerade noch aufzustehen, bevor er sie erreichte und kickte ihm mit einer schnellen Drehung das Messer aus der Hand, woraufhin er mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück wich. Seine Hand blutete und in seinen Augen flackerte abgrundtiefer Hass. Sein Mitstreiter rappelte sich auf und wischte sich mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht.
Vor Haruka begann alles zu verschwimmen. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte kurz den Kopf, um wieder zu Sinnen zu kommen.
Blut lief an ihrer Schläfe herunter.
„Sieht heute nicht mehr so rosig für dich aus, was Tenoh?", grinste der größere siegessicher. „Diesmal kommst du nicht so einfach davon!"
Noch bevor er seinen Satz beendet hatte, machte er ein paar große Sätze auf Haruka zu. Diesmal scheiterte ihr Versuch, auszuweichen und seine Faust traf sie hart an der Schläfe.
Das letzte was sie wahrnahm, war das dumpfe Geräusch, als sie erneut auf dem Boden aufschlug. Dann wurde alles schwarz um sie herum.
Als sie die Augen wieder öffnete, fand sie sich in einem Krankenhaus-Zimmer wieder. Sie musste ein paar Mal blinzeln, um sich an das helle Licht zu gewöhnen, das von draußen herein schien. Missmutig bemerkte sie den Schlauch in ihrer Hand, den Verband um ihren Kopf und den schweren Gips an ihrem anderen Arm. Ganz langsam und undeutlich kamen die Erinnerungen an den Kampf mit ihren drei Mitschülern zurück. „Diese Mistkerle...", murmelte sie leise und ballte die Fäuste. Sie hatte verloren. Verloren gegen diese Primaten, die außer Muskelmasse nicht viel vorzuweisen hatten.
Ein leises Klappern an der Tür erregte ihre Aufmerksamkeit. Wenige Sekunden später öffnete sie sich und eine junge Arzthelferin betrat den Raum. Ihr dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und ihre grünen Augen leuchteten, als sie Haruka erblickte. „Sie sind aufgewacht!", bemerkte sie erleichtert und schloss die Tür hinter sich. „Da wird Ihr Vater sich sicher freuen."
„Wie lange war ich k.o.?", fragte Haruka knapp. Sie wollte die Antwort eigentlich nicht hören.
„5 Tage.", antwortete die Arzthelferin lächelnd. „Ich muss den Verband wechseln."
Sie tippte sich selbst leicht an den Kopf, um Haruka's Verletzung anzudeuten. Diese nickte nur knapp und ließ sie ihre Arbeit verrichten.
Die nächsten Tage musste Haruka unzählige Verbandswechsel und Untersuchungen über sich ergehen lassen. Ganz zu schweigen von den immer währenden Vorträgen ihrer Eltern. Wieso sie sich nicht endlich wie eine junge Frau verhielt. Und wieso sie sich immer wieder prügeln musste.
Sie war es leid. Sie wollte es nicht immer und immer wieder erklären.
Und so ließ sie es schweigend an sich vorüber ziehen.
Umso mehr genoss sie es, dass sie nach 3 Tagen wieder aufstehen und ein wenig herum spazieren durfte. Sie hatte diese Unbeweglichkeit verflucht. Sie, die sonst mit dem Wind um die Wette lief, nahezu bewegungsunfähig an ein Bett gefesselt. Eine absurde Vorstellung.
Langsam schlenderte sie einige weitere Tage später den langen Gang entlang zu dem großen Kaffee-Automaten. Dieser war in den letzten Tagen ihr bester Freund geworden. Immerhin war es kostenlos.
Sie hielt Inne, als plötzlich nervöse Stimmen den Gang entlang hallten und sie das Geräusch von Gummirädern hören konnte, die über den Boden surrten. Wenige Sekunden später eilten ein paar Ärzte mit einer Trage um die Ecke. Haruka presste sich an die Wand, um ihnen nicht im Weg zu sein und erhaschte einen Blick auf ein Mädchen etwa in ihrem Alter, das auf der Trage lag. Ihre Augen waren geschlossen und ihre Haut beinahe so weiß wie das Laken, mit dem sie zugedeckt war. Langes welliges, aquamarinblaues Haar umspielte ihr bleiches Gesicht, ihre Augen waren geschlossen und ihre Lippen beinahe farblos. Ein merkwürdiges Gefühl durchzuckte Haruka bei ihrem Anblick. Ein paar Sekunden lang dachte sie, ihr Herz würde jeden Moment aus ihr heraus springen. Sie starrte den Ärzten hinterher, die nun eilig mit der Trage in einem der Zimmer verschwanden.
Unwillkürlich hoffte sie, dass es um dieses Mädchen nicht allzu schlimm stand. Etwas an ihrem Anblick hatte Haruka tief berührt.
Das Piepen des Kaffee-Automaten ertönte hinter ihr. Sie drehte sich um, griff nach ihrer Tasse und ging gedankenverloren in ihr Zimmer zurück.
Den ganzen Nachmittag über bekam sie das Bild von diesem Mädchen nicht mehr aus dem Kopf. Selbst als sie sich schlafen legte, erschien sie in ihren Träumen. Leichenblass auf einem Krankenbett. Als Haruka die Hand nach ihr ausstreckte, zerfloss sie wie eine Wachsfigur, die man ins Feuer geworfen hatte. Sie schreckte hoch. Um sie herum war es dunkel. Nach Atem ringend griff sie nach ihrem Wasserglas und trank es in einem Zug leer.
„Ich glaube ich werde hier drin langsam verrückt.", murmelte sie leise und schlug die Bettdecke beiseite. Sie wusste, dass sie in wenigen Tagen entlassen wird, doch ein Tag im Krankenhaus konnte so unglaublich lang sein. Seufzend setzte sie sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war unglaublich warm geworden in den letzten Tagen.
Entnervt stellte sie fest, dass ihre Wasserflasche leer war. Sie stand auf und trat auf den Gang hinaus, um sich eine neue zu besorgen.
Während sie noch halb schlaftrunken den Gang entlang taumelte, fiel ihr plötzlich ein dunkler Schemen am anderen Ende des Gangs auf. Sie blieb stehen und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Ja... Dort stand jemand am Fenster.
Langsam setzte Haruka ihren Weg fort, die Gestalt nicht aus den Augen lassend.
Mit jedem Schritt näher erkannte sie sie immer deutlicher. Ein zierlicher Körper, nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet. Bleiche Haut. Langes, welliges Haar, das im fahlen Licht des Mondes bläulich schimmerte.
Haruka stockte für einen Moment der Atem. Sie war es! Es war dieses Mädchen!
Doch wieso war sie hier? Wenige Stunden zuvor sah es noch so aus, als würde jeden Moment der letzte Funken Leben aus ihr entweichen.
Und nun stand sie dort am Fenster und betrachtete wehmütig den Vollmond.
Haruka wagte es nicht, sich weiter zu bewegen. Sie kam sich vor wie ein Stalker. Doch sie war so gebannt von diesem Anblick, dass ihr Körper ihr jede Bewegung versagte.
Dann fiel ihr das beinahe unscheinbare Glitzern in den Augen des Mädchens auf.
Am liebsten wäre sie zu ihr gegangen, hätte ihre Arme um den schmächtigen Körper geschlungen und sie nie wieder losgelassen. Doch sie wusste selbst, wie absurd dieser Gedanke war.
Die Zeit schien still zu stehen. Haruka wusste nicht, wie lange sie so da stand und das Mädchen beobachtete. Sie wollte sich von diesem Anblick losreißen, doch etwas in ihr wehrte sich strikt dagegen.
Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über die bleiche Wange des Mädchens. Dann schloss sie für einen Moment die Augen und atmete hörbar aus. Vielmehr war es ein schwermütiges Seufzen.
Sie wandte sich zum Gehen und zuckte überrascht und mit einem leisen Schreckenslaut zusammen, als sie Haruka erblickte.
Diese hob sofort abwehrend die Hände und versuchte, ihr freundlichstes Lächeln aufzusetzen – was ihr im Angesicht dieser Situation jedoch nicht so ganz gelingen wollte. „Hey, tut mir Leid! Ich wollte dich nicht erschrecken.", versuchte sie das Mädchen zu beruhigen. „Ich wollte dich nur nicht stören bei... was auch immer?"
Das Mädchen sah sie schweigend an. Ihre Augen musterten sie skeptisch von oben bis unten.
„Vielleicht... sollte ich jetzt besser in mein Zimmer zurück gehen.", setzte Haruka erneut an und machte zwei kleine Schritte rückwärts – immer noch mit erhobenen Händen und ihrem zerknitterten Lächeln.
Als das Mädchen wieder nicht reagierte, ließ sie ihre Hände sinken und sah sie fragend an. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie vielleicht stumm war oder ihre Sprache überhaupt nicht verstehen konnte. „Du scheinst nicht gerade gesprächig zu sein.", versuchte sie es erneut und sah sie nun aufmerksam an.
„Ich sehe keine Notwendigkeit darin, jemandem zu antworten, der Nachts durch die Gänge schleicht und Leute anstarrt."
Oh doch. Sie verstand ihre Sprache. Und stumm war sie offenbar auch nicht.
Haruka lachte leise auf und stemmte ihre nicht eingegipste Hand in die Hüfte. „Na hör mal...", sie legte den Kopf schief. „Ich hatte nun mal nicht damit gerechnet, um diese Uhrzeit jemanden hier draußen zu treffen."
„Und wie lange stehst du schon da?", kam es ein wenig schnippisch zurück.
„Uhm...", Haruka schluckte. Sie hatte ja Recht. Es hatte keinen Grund gegeben, sich so leise anzuschleichen. Sie fasste sich mit der Hand an den Kopf und fuhr sich nervös durchs Haar. „Ich... weiß nicht... Eine Weile.", gab sie zu.
Die Augen des Mädchens verengten sich.
„Komm schon. Ich hab dir nichts getan!", versuchte Haruka sie zu beruhigen.
Das lief nicht gut. Eigentlich hatte sie sich eine Unterhaltung mit dieser atemberaubenden Schönheit anders vorgestellt.
„Tut mir Leid...", wiederholte sie leise und sah das kleinere Mädchen entschuldigend an. Und sie meinte es ernst. Nie im Leben hätte sie im Sinn gehabt, ein so schönes und zugleich so zerbrechliches Wesen zu ängstigen oder gar zu verletzen.
Das silberne Licht des Vollmondes ließ sie beinahe übernatürlich wirken. Zarte aquamarinblaue Wellen umspielten ihr helles Gesicht und fielen bis zu ihren schlanken Hüften hinab. Zudem erweckte das weiße Gewand den Eindruck, als wäre sie das reinste und unschuldigste Wesen, das jemals existiert hatte.
Das einzige, was dieses unschuldige Bild störte, war ihr aggressiver Blick. Ihre dunklen Augen bohrten sich bedrohlich in die Haruka's.
Ein Kloß bildete sich im Hals der Blondine. Sie schluckte ein paar mal schwer und wandte sich zum Gehen. „Also... Ich lass dich wohl besser in Ruhe. Gute Nacht."
Sie bedachte das Mädchen mit einem letzten kurzen Seitenblick und als sie erneut keine Anstalten machte, ihr zu antworten, kehrte Haruka ihr den Rücken zu und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Zimmer.
Michiru starrte ihr hinterher, bis sie in der Dunkelheit verschwunden war. Dann atmete sie tief aus und entspannte sich ein wenig.
Noch immer pochte ihr Herz unnatürlich laut. Auch sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, um diese Uhrzeit jemandem hier draußen zu begegnen. Nun tat es ihr beinahe leid, so unfreundlich gewesen zu sein. Sie trat zurück ans Fenster und warf einen letzten Blick hinaus auf den großen weißen Mond. Dann ließ sie ihn zurück und betrat ihr Zimmer.
Als sie leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ sie ihren Blick langsam durch den dunklen Raum gleiten. Ein schmaler Kleiderschrank, ein kleiner Esstisch mit zwei Stühlen, ein Flachbildfernseher an der Wand und das ungemütliche Bett waren die einzige Einrichtung. Sie betätigte den Lichtschalter für das kleine Bad, trat zum Waschbecken und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie sah furchtbar aus. Ihr Haar war unordentlich, ihr Gesicht war noch bleicher als sonst und um ihre Augen hatten sie dunkle Ränder gebildet.
Sie sah aus, wie die Geister in den Horrorfilmen. Vermutlich war das Mädchen auf dem Gang viel mehr erschrocken, als sie. Zumindest glaubte sie, dass es ein Mädchen gewesen war.
Seufzend drehte sie den Wasserhahn auf und wusch sich das Gesicht. Bilder der vergangenen Tage spielten sich in ihrem Kopf ab. Sie hörte ein Gewirr von Stimmen. Anschuldigungen. Enttäuschung. Wut. Verzweiflung.
Ein leichtes Schwindelgefühl überkam sie und als sie den Kopf wieder hob, verschwamm das Spiegelbild vor ihren Augen für einige lange Sekunden. Sie blinzelte ein paar mal, drehte das Wasser ab und verließ das Bad.
Unterwegs zu ihrem Bett wurde ihr erneut schwindelig. Unsicher tastete sie sich an der Wand entlang, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie bemerkte, wie ihr Herz begann, unnatürlich schnell zu schlagen. Dann wurde ihr schwarz vor Augen und das letzte was sie wahrnahm, war das Rauschen in ihren Ohren und ihr eigener lauter Herzschlag.
Sooo. Ich hoffe, es gefällt euch bis hierher. Der nächste Part ist in Arbeit - bitte seid gedudig mit mir. (*^^*)
