Zur Erklärung, Lanas Mutter ist bei der Geburt ihrer Tochter gestorben. Habt Spaß beim Lesen. =)
„Jono, schneller, sonst kommen wir zu spät!" Lana rannte einen langen Gang entlang, während sie ihren Dämon anfeuerte. Es waren jetzt mehr als 14 Jahre vergangen, seitdem Lana ihre Mutter verloren hatte. Ihr blieb nur noch der Vater und der war gerade in Begriff aufzubrechen zu einer Expedition in die Arktis. Lanas Vater arbeitete und lebte im Royal Arctic Institute in London. Sie wurde von ihm auch dort unterrichtet. Sie hatten eine Wohnung an der Nordseite und ein Dienstmädchen. Lana hatte sich schon öfter darüber gewundert dass Ms. Raid als Mädchen bezeichnet wurde, denn sie war schon über fünfzig. Da sie eine Dienerin war, war ihr Dämon ein Hund, ein Schäferhund, vor dem sich Jono immer noch fürchtete. Sie war endlich am Innenhof angekommen, wo ein riesiges Luftschiff in der Luft schwebte. Davor am Boden stand eine Gruppe von edel gekleideten Männern. Als Lana ihren Vater darin entdeckte, lächelte sie.
„Papa", rief sie und rannte auf ihn zu. Während sie ihn umarmte, rieb sich Jono an der Brust der Adlerdame. Als ihr Vater das sah lachte er: „Merkwürdig sonst ist er bei so etwas immer ein Spatz."
„Papa, ich glaube er hat sich entschieden."
„Er ändert seine Gestalt wirklich nicht mehr?" „Habe ich dir doch gesagt. Ich bin kein Kind mehr!", widersprach sie ihm. „Schade" Mit gespielter Traurigkeit blickte er zu Boden.
„Ich muss mich auf den Weg machen, das Luftschiff wartet nicht", sagt er mit wieder neutralem Gesicht.
„Und ich kann wirklich nicht mitkommen?"
„Nein Lana, du bleibst hier bei Ms. Raid." Auf ihr Gesicht trat ein Ausdruck des Trotzes. „Und wenn ich mich an Bord schleiche?"
„Dann werde ich dich finden und eigenhändig rauswerfen und außerdem traust du dich das doch nicht", sagte er mit väterlichem Lächeln.
„Du hast ja Recht", sagte sie resigniert, „Also dann; auf Wiedersehen, Papa."
„Auf Wiedersehen, mein großes Mädchen." Sie umarmte ihn ein letztes Mal, dann rannte sie davon. Sie wollte nicht sehen, wie ihr Vater davon schwebte.
Ziellos wanderte Lana durch die Flure der Universität. Für gewöhnlich lauschte sie an einem der Hörsäle, wenn ihr langweilig war, doch unglücklicherweise fanden zurzeit keine Vorlesungen statt. Viele der Wissenschaftler waren, wie ihr Vater, auf Forschungsreise oder im Urlaub. Diejenigen, die geblieben waren, genossen entweder ihre Freizeit, oder widmeten sich in London ihrer Forschung, denn auch die Studenten waren während des Sommers nicht in der Universität. Auch Ms. Raid hatte sie fortgeschickt, weil sie die Wohnung putzen musste und dort niemanden gebrauchen konnte. Lana war erst drei Tage mit Ms. Raid allein und schon fehlte ihr der Vater. Bei solchen Gelegenheiten, wie den Sommerferien, hatte er ihr immer vom Norden erzählt und ihr Lichtbilder seiner Reisen gezeigt, die er in seiner Jugend unternommen hatte. Er hatte sich dafür eigens den Projektor der Bibliothek ausgeliehen. Beim Gedanken daran steuerte Lana ihre Schritte automatisch in Richtung Bibliothek. Auf dem Weg dorthin hörte sie eine Stimme aus einer Tür neben ihr.
Es war die erste Stimme, die sie seit zwei Stunden in den leeren Gängen gehört hatte, und so blieb sie neugierig stehen. In dem Zimmer war anscheinend eine Gruppe, denn sie hörte mehrere Stimmen, die der Ersten antworteten. Sie konnte das Gespräch gut verstehen, doch es drehte sich nur um ein wissenschaftliches Projekt, von dem sie nichts verstand. Sie wollte schon weitergehen, als sie die Stimme eines Mannes hörte:
„Habe ich richtig gehört? Das Projekt findet im Norden statt?"
„Ja, das haben Sie, Mr. Cole", antwortete eine weitere Männerstimme. Im Norden. Vielleicht ist es das, was Papa im Norden macht, dachte sie, als sie jäh von einer Frauenstimme aus ihren Gedanken gerissen wurde:
„Dr. Julaw, wie viele Kinder wurden bisher von ihren Dämonen getrennt, ohne gestorben zu sein?" Lana erstarrte. Von ihren Dämonen getrennt? Sie war kaum fähig, sich etwas so Schreckliches vorzustellen. Schon beim Gedanken daran, wurde ihr schlecht und sie verbannte ihn aus ihrem Kopf. Automatisch griff sie nach Jonory, der auch das Gespräch im Raum belauscht hatte und um Lanas Beine strich. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, Jono jemals verlieren zu können. Wahrscheinlich würde sie daran sterben. Doch die Frau hatte gefragt, wie viele Kinder nicht gestorben sind. War das überhaupt möglich?
„Bisher sind 15 Kinder gestorben und fünf haben es überlebt, aber die Sterberate sinkt, seit wir die neue Technik anwenden", sagte Dr. Julaw. Eine Technik zur Trennung von Mensch und Dämon? Lana sank mit weit aufgerissenen Augen an der Wand entlang auf den Boden. Sie war gelähmt vor Entsetzen. Wie konnte das sein? Ein Mensch und sein Dämon waren unzertrennlich. Jemanden von seiner Seele zu trennen war unmenschlich, barbarisch.
„Sie müssen verstehen, meine Herren, dass dieses Gespräch unter uns bleiben muss, sonst können wir unser Projekt über Bord werfen", sagte die Frau.
„Lana, wir können Sie aufhalten!", flüsterte Jonory mit aufgeregter Stimme.
„Psst", sagte Lana, doch es war zu spät. Die Tür öffnete sich und ein goldener Affe und ein schwarzer, furchterregender Panter traten auf den Flur. Lana und Jonory waren erstarrt, doch fingen sie sich noch, um loszurennen, aber der Panter war schneller. Nach zwei Sätzen hielt er den kreischenden und zappelnden Jonory im Maul. Auch Lana spürte einen scharfen Schmerz im Nacken und keuchte auf. Die Menschen der Dämonen traten ebenfalls auf den Flur. Der des Panters, ein Mann mit grauen Haaren, ging auf Lana zu und hielt sie fest. Der Mensch des Affen war eine Frau Mitte zwanzig.
„Was sollen wir mit ihr machen?", fragte sie. Ohne der Frau zu antworten, zog der Mann Lana in den Raum zu den Anderen. Die Frau folgte ihnen hastig. Der Mann kam Lana vertraut vor, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, wer es war. Er drehte sie um und hielt sie an den Oberarmen.
„Was hast du gehört?", fragte er mit lauter Stimme und schüttelte sie dabei. Sein Panter hatte Jono losgelassen und er lief so schnell er konnte auf Lana zu. Aus seinem Nacken lief ein dünnes Rinnsal von Blut.
„Ich habe nichts gehört. Ich bin nur vorbeigegangen. Ich wollte zur Bibliothek", antwortete Lana mit schmerzgebrochener Stimme.
„Und was hat dann dein Dämon vor der Tür gesagt?", fragte die Frau mit unnatürlich giftiger Stimme.
„ Er hat davon gesprochen, was wir in der Bibliothek machen können!"
„Lüge mich nicht an!", schrie der Mann Lana an. Sie zog angstvoll den Kopf ein. „Ich lüge Sie nicht an..." Sie konnte nicht weitersprechen, denn der Mann schlug ihr so heftig ins Gesicht, dass sie auf den Boden sank.
„Ich habe wirklich die Wahrheit gesagt", sagte sie unter Tränen. „Vielleicht sagt sie wirklich die Wahrheit", sagte ein junger Mann. Lana erkannte die Stimme von Mr. Cole.
„Natürlich lügt sie!", rief der grauhaarige Mann und schlug Lana mit dem Fuß in die Rippen. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus und blieb schwer atmend auf dem Boden liegen.
„Wie wollt Ihr das Mädchen dazu bringen, uns zu sagen, was sie weiß?", fragte die Frau wieder den alten Mann. Mit einem Mal wusste Lana, wer er war. Er war der oberste Präsident des Magisterrums. Als sie das erkannte, war sie erstaunt. Was machte er hier? Anstatt der Frau zu antworten, richtete er seine Worte an Lana:
„Ändert dein Dämon seine Gestalt?" Das verwunderte sie. Der Mann fragte sie nicht nach ihrem Namen, aber er fragte sie, ob ihr Dämon die Gestalt ändert. Sie schüttelte stumm den Kopf.
„Sie ist zu alt", sagte die Frau, „Wir können sie nicht der Interzision unterziehen!" Lana war entsetzt und erleichtert. Jonory konnte bei ihr bleiben. Sie streckte ihre Hand aus und er liebkoste sie und strich mit seinem Kopf an ihrem Arm entlang. Sie musste unwillkürlich lächeln.
„Wir können ihr den Dämon wegnehmen, aber sie stirbt dabei", sagte Mr. Cole. Die Anderen wussten offenbar, was er meinte. Sein Dämon, ein Seeadler, stürzte auf Jono herab und nagelte ihn am Boden fest. Lana war starr vor Angst. Was machten sie mit ihr? Gleich darauf wusste sie es, als der alte Mann vom Magisterrum sie vom Boden aufhob und sie in eine Ecke des Zimmers zerrte. Durch die Entfernung spürte sie die Verbindung zu ihrem Dämon, die sich allmählich spannte und ihre Brust zu zerreißen drohte. Als der Mann sie mit der Hand auf ihrer Brust an die Wand drückte, begann der Adler die viel kleinere Katze in die gegenüberliegende Ecke zu ziehen. Lana spürte die Verbindung immer stärker und der Schmerz in ihrer Brust wurde immer größer.
„Du musst uns einfach sagen, was du weißt, dann kann dein Dämon zu dir zurück", sagte der Mann, der sie festhielt. Der Adler zog Jono immer weiter von Lana weg und der Mann drückte sie immer fester gegen die Wand. Nach ein paar Sekunden wurde der Schmerz so groß, dass Lana, ihm nicht mehr standhalten konnte.
„Ich sage Ihnen, was ich gehört habe, aber lassen Sie Jono los!", sagte Lana, die vor Schmerz und Liebe kaum sprechen konnte.
„Sag es uns!" Der Adler stieß seine Krallen in die Brust von Jono, er jaulte und Lana schrie vor Schmerz.
„Ich weiß von dem Projekt." Sie erzählte ihnen alles. Als sie fertig war ließ der Mann sie los und auch der Adler ließ von Jono ab. Lana sank zu Boden und Jono kam mit langen Sätzen auf sie zu und sprang in ihre Arme. Mit letzter Kraft drückte sie ihn an ihre Brust. Als sie endlich wieder vereint waren, spürte Lana, wie alles um sie herum schwarz wurde.
Teil zwei kommt bald, versprochen. =)
