Disclaimer: Die hier verwendeten Figuren des Harry Potter-Universums gehören nicht mir, sondern sind das geistige Eigentum von JKR. Ich habe sie mir lediglich ausgeliehen und verdiene damit kein Geld. Mir gehört einzig die Idee für die Geschichte.
Entstanden im Rahmen eines kleinen Wettbewerbs zum Thema ‚Drachen'
Beruf kommt von Berufung
Im
Garten des Fuchsbaus wimmelte es nur so von Verwandten und Bekannten,
die allesamt zur Hochzeit von Bill Weasley und Fleur Delacour
gekommen waren. Für einen Tag wollte man gemeinsam feiern und
die ständig drohende Gefahr in Form von Voldemort vergessen.
Überall herrschte heitere und entspannte Stimmung. Und wenn doch
mal ein Anflug von Sorge über das ein oder andere Gesicht
huschte, wurde diese gleich darauf mit einem Becher Punsch wieder
vertrieben.
Zufrieden betrachtete Charlie Weasley seinen
glücklichen großen Bruder und dessen Frau, aber auch seine
übrige Familie strahlte förmlich an diesem Tag. Sogar Percy
war gekommen, und, das war wohl das größte Wunder, ohne
dass ein Wort über sein gespanntes Verhältnis zur Familie
verloren wurde, war er an diesem Tag einfach ein Teil selbiger.
Charlie war stolz auf seine Familie.
Später am Abend
schlenderte er durch den Garten zum Teich hinüber, um ein wenig
von dem Trubel abzuschalten. Sicher, er liebte seine Familie und
vermisste sie auch oft genug, aber er war nun schon so lange sein
eigener Herr, dass eine Auszeit, und sei es nur für ein paar
Minuten, mehr als willkommen war. Zu seiner Überraschung war er
nicht der einzige, der sich an den Teich zurückgezogen hatte.
Sein jüngster Bruder Ron saß am Ufer und warf kleine
Kiesel in das Wasser.
„Hey, was machst du hier? Warum feierst
du nicht mit den anderen?", fragte Charlie und ließ sich
neben seinem Bruder auf das Gras sinken.
„Ich warte auf
Hermione und Harry. Wäre zu auffällig gewesen, wenn wir
alle drei gleichzeitig verschwunden wären", gab Ron zur
Antwort.
„Ah ja. Große Pläne für den letzten
Sommer schmieden, ehe ihr das Abschlussjahr in Angriff nehmt?"
„So
ungefähr." Ron hatte seinen Eltern noch nicht gesagt, dass er
und seine beiden besten Freunde nach dem Sommer nicht nach Hogwarts
zurückkehren würden, sondern dass Hermione und er mit Harry
nach den übrigen Horcruxen suchen wollten. Sie wollten noch an
diesem Abend nach Godrics Hollow aufbrechen. Und was dann käme,
wer wusste das schon. Ron hatte eine Nachricht für seine Eltern
in seinem Zimmer hinterlassen, damit sie sich keine Sorgen machten,
aber das würden sie dennoch tun, das wusste er.
Charlie
hatte seinen kleinen Bruder aufmerksam gemustert. Irgendwas
verheimlichte Ron, und er war sich nicht ganz sicher, ob er es
überhaupt wissen wollte. Doch auf einmal fiel es ihm wie
Schuppen von den Augen. Ginnys Andeutungen in ihrem letzten Brief
bezüglich ihrer Trennung von Harry, und das ständige
konspirative Getuschel zwischen Hermione, Harry und Ron, all das gab
plötzlich einen Sinn.
„Ihr kehrt nicht nach Hogwarts
zurück?", fragte er, doch es war mehr eine Feststellung.
Erschrocken sah Ron zu ihm hinüber. Dann nickte er. „Aber
erzähl Mum und Dad noch nichts davon. Wir müssen es einfach
tun. Harry will, vielleicht sogar muss, Dumbledores Arbeit im Kampf
gegen Voldemort fortsetzen, und Hermione und ich werden einen Teufel
tun und ihn das Ganze alleine machen lassen."
Charlie nickte
bedächtig. So etwas in der Art hatte er sich schon fast gedacht.
Dennoch konnte er sich nicht verkneifen zu fragen: „Und was wird
mit der Schule? Ich dachte du wolltest Auror werden."
„Die
Schule kann ich auch noch beenden, wenn Voldemort besiegt ist. Und
was eine Karriere als Auror betrifft, so würde sich ein ‚hat
entscheidend zum Sieg über Voldemort beigetragen' bestimmt
nicht schlecht auf der Bewerbung machen." Hier grinste Ron sogar,
wenngleich ein wenig schief.
„Aber es ist immer noch Auror, was
du mal werden willst?"
Ron nickte. „Wäre irgendwie
cool."
„Auroren sind, gleich nach Profi-Quidditch-Spielern,
sowieso die Coolsten", gab Charlie scherzhaft zur Antwort. Doch
dann wurde er wieder ernst. „Warum Auror? Abgesehen davon, dass es
cool wäre." Ihm war aufgefallen, dass er sich mit seinem
jüngsten Bruder nie so richtig über dessen Berufswunsch
unterhalten hatte.
Gedankenverloren spielte Ron mit einem
Grashalm. Doch als er merkte, dass es Charlie mit seiner Frage ernst
war, und er auch nicht vorhatte ihn damit aufzuziehen, sagte er: „Ich
kann mir irgendwie nichts anderes vorstellen. Denn im Grunde ist es
das, was ich, zusammen mit Harry, seit dem ersten Schuljahr mache.
Halt auf unsere Art, und oft genug, ohne dass wir es drauf angelegt
haben. Weißt du, es ist schon komisch. Vor einem
Quidditch-Spiel bin ich immer total nervös. Dabei bin ich, wenn
ich es schaffe die Nervosität zu überwinden, richtig gut
als Hüter. Hermione meint sogar, ich wäre so gut, dass ich
eventuell sogar ein paar Angebote von Profivereinen bekommen könnte.
Zwar nicht so viele wie Harry, aber immerhin. Wenn es aber darum geht
gegen Voldemort zu kämpfen, den Stein der Weisen zu holen oder
die Kammer des Schreckens zu betreten, oder was auch immer, habe ich
zwar Angst, aber nervös bin ich nie."
„Ich denke, dass
du Angst hast, ist gar nicht verkehrt. Im Gegenteil, es hält
dich davon ab, unvorsichtig zu werden." Anerkennend betrachtete
Charlie Ron. „Wer hätte gedacht, dass es gleich zwei Weasleys
gibt, die sich gegen eine Karriere als Profi-Quidditch-Spieler
entscheiden." Und er grinste breit.
„Ach, hör schon
auf", widersprach Ron kopfschüttelnd. „Es war nie wirklich
die Rede davon, dass ich Profi-Quidditch-Spieler werde. Du hattest
immerhin ein halbes Dutzend Angebote in der Tasche, während bei
mir gerade mal die beste Freundin von meinen Chancen diesbezüglich
überzeugt ist." Ein leichter rosa Schimmer überzog Rons
Wangen, als er Hermione als seine beste Freundin bezeichnete, doch
Charlie war taktvoll genug es zu übersehen.
„Stimmt, ich
hatte ein halbes Dutzend Angebote in der Tasche. Und doch habe ich
mich für die Drachen entschieden."
„Warum eigentlich?
Wäre doch cool gewesen, wenn ich ein Poster der Chudley Cannons
bei mir übers Bett hätte hängen können, von dem
aus mein Bruder mir zuwinkt."
„Und was wäre gewesen,
wenn ich mich für die Tornados entschieden hätte?", zog
Charlie Ron auf.
„Dann hätte ich wahlweise mein Zimmer
umdekorieren müssen, oder dein Poster hätte einfach einen
interessanten Kontrast dargestellt." Auch Ron musste bei der
Vorstellung seines überwiegend mit orangefarbenen Postern
tapezierten Zimmers, in dem einzig ein Charlie-Tornado-Poster von der
Farbgestaltung abwich, grinsen. „Wieso hast du dich damals
eigentlich für die Drachen und gegen Quidditch entschieden?"
„Weil mich ab einem gewissen Punkt der Gedanke von nun an jeden
Tag Quidditch spielen zu müssen, erschreckt hat", gab Charlie
offen zu. Als er Rons ungläubigen Blick auf sich fühlte,
fuhr er fort: „Sicher, ich habe gerne Quidditch gespielt, und tue
es noch heute, aber damals... Mit jedem Tag, der verstrich, ohne dass
ich eines der Angebote annahm, wurden die Werber hartnäckiger.
Versprachen mir das Blaue vom Himmel. Einen garantierten Platz in der
Nationalmannschaft – sie hätten da Beziehungen –, so viele
Freikarten wie ich wollte für meine Freunde und Familie, meine
eigene Besenpflegeserie, was auch immer. Alles natürlich
völliger Blödsinn. Besonders die eigene Besenpflegeserie.
Aber gleichzeitig war es, als würden die Werber mir mit jedem
Tag, mit jedem neuen Angebot, ein Stück weit mehr zeigen, wie
die Welt des Profi-Quidditchs jenseits der Besen und Bälle
aussieht. Und diese Welt hat mir gar nicht gefallen. Neid, Missgunst,
Manipulation, Profitgier...
Und dann hat mir Hagrid eines Tages
die Anzeige vom Rumänischen Drachenreservat gezeigt. Wir hatten
uns so oft über Drachen unterhalten, dass es mir vorkam, als
wüsste ich schon alles über diese Geschöpfe. Ich mein,
du kennst Hagrid. Wenn du ihm einmal mit dem Thema Drachen kommst,
hört er so schnell nicht auf."
Da konnte Ron nur
zustimmend nicken und musste unwillkürlich an Norbert denken,
den Drachen, den Hagrid in Rons erstem Jahr in Hogwarts ausgebrütet
hatte.
Charlie grinste. Auch er hatte Norberts Bekanntschaft
gemacht. „Natürlich weiß ich heute, dass ich damals weit
davon entfernt war, alles über Drachen zu wissen. Und obwohl ich
heute schon eine ganze Menge mehr weiß als damals, bin ich mir
bewusst darüber, dass ich noch weit davon entfernt bin, alles
über diese Geschöpfe zu wissen. Aber eines wusste ich
damals schon: Wenn Drachen dich angreifen, dann nicht weil sie dich
vom Schnatz abdrängen oder dir einen Klatscher auf den Hals
jagen wollen, sondern weil du einen Fehler gemacht hast und sie sich
nur ihrer Natur gemäß verhalten. Zugegeben, vielleicht ist
einen abdrängen und mit Klatschern attackieren so etwas wie das
natürliche Verhalten eines Quidditch-Spielers, aber Drachen
erschienen mir irgendwie ehrlicher. Und wenn ich es mir so überlege,
halte ich noch heute die Drachen für ehrlicher als so manchen
Menschen."
„Du hast es also nie bereut, dich gegen das
Quidditch entschieden zu haben?", fragte Ron.
„Nein. Ich kann
mir heute nichts anderes mehr vorstellen, als mit Drachen zu
arbeiten. Da geht es mir ähnlich wie dir mit deinem Wusch Auror
zu werden."
„Nun ja, vielleicht wird Ginny ja noch
Profi-Quidditch-Spielerin. Schließlich hat mit ihr unsere
Familie noch ein weiteres Eisen im Feuer", gab Ron zu bedenken.
„Sie ist richtig gut als Jägerin, und wie sie im letzten Spiel
gegen Ravenclaw den Schnatz gefangen hat, war nicht von schlechten
Eltern."
Charlie gluckste leise vor Lachen.
„Was ist?",
fragte Ron irritiert, denn es sah Charlie gar nicht ähnlich über
die Leistungen ihrer Schwester zu lachen.
„Ach, ich musste nur
gerade daran denken, wie sie damals, als ich nach Rumänien
gegangen bin, fest entschlossen war, ebenfalls Drachentrainerin zu
werden."
Auch Ron konnte sich ein leises Lachen nicht
verkneifen. „Stimmt. Und um uns alle davon zu überzeugen, was
für eine gute Drachentrainerin sie werden würde, hat sie
deine Plüschdrachen überall mit hin geschleift."
„Wirklich?" Mit einem ungläubigen Grinsen sah Charlie
Ron an.
„Ja. Für so ungefähr drei Wochen. Dann wurde
es ihr auf die Dauer doch zu lästig, zumal deine Plüschdrachen
weder fliegen konnten, noch Feuer gespuckt haben", gab dieser
grinsend zur Antwort.
Charlie lachte schallend. „Interessant.
Aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie zwei Jahre zuvor etwas
ähnliches gemacht hat, als Bill nach Ägypten gegangen ist,
und es ihr größter Wunsch war, Fluchbrecherin zu werden."
„Vielleicht, weil wir keine Pyramide im Garten hatten..."
„Das wäre eine Möglichkeit." Für einen Moment
schwiegen beide, dann sagte Charlie: „Ich hoffe, du bist nicht
enttäuscht, wenn Ginny dir nicht nacheifern und Aurorin werden
will. Und sei es nur für drei Wochen."
Ron schüttelte
lächelnd den Kopf. „Aus dem Alter ist sie raus. War sie schon,
als Percy seinen Wunsch für das Ministerium zu arbeiten bekannt
gab. Aber wer weiß, vielleicht wird sie ja doch noch
Drachentrainerin und tritt in deine Fußstapfen."
„Oder
Profi-Quidditch-Spielerin. Doch was auch immer sie machen wird, es
wird ihre eigene Entscheidung sein. Denn letztendlich gibt es für
jeden nur einen richtigen Beruf, für den man sich Tag für
Tag neu entscheiden würde."
„So wie du für die
Drachen."
„Und du für ein Leben als Auror. Doch jetzt",
Charlie stand auf und klopfte Ron noch einmal zustimmend auf die
Schulter, „sollte ich wieder zu den anderen gehen. Außerdem
sieht es so aus, als würde da hinten jemand schon seit fünf
Minuten versuchen, deine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen."
Tatsächlich lugte hinter einer nahen Hecke gerade wieder ein
buschiger Haarschopf hervor.
„Ach, und Ron", wandte sich
Charlie noch einmal um, „solltest du zu dem Schluss kommen, dass
Hermione für dich vielleicht mehr als deine beste Freundin
werden könnte, meinen Segen hast du." Ein feines Grinsen
schlich sich auf sein Gesicht, als er sah, wie Ron bei seinen Worten
rot wurde. Dann ging er mit federnden Schritten über den Rasen
zurück zu der ausgelassenen Hochzeitsfeier.
