Der Krieg war vorüber. Die Länder regten sich langsam wieder in stiller Erschütterung und die Schlachtfelder verdörrten leise in der neuen Sonne des vierten Zeitalters. Der Wind streifte seicht entlang der Türmen der weisen Stadt.

Eomer lehnte sich weiter vor, über die Brüstung Minas Tiriths und blickte auf die Pellenor Felder weit unter ihm. Der Schatten des weißen Baums von Gondor legte sich weich auf seine Schultern.

Die Felder waren still und leer. Kaum etwas bewegte sich auf der weiten Graßfläche. Einige Bauern Karren und wenige Reiter kamen von Süden herrauf, hinterließen ihre Abdrücke auf den verstaubten Wegen. Die Spuren der großen Schlacht waren lang beseitig und die Ebene schien sich in einem erschöpften Schlaf zu erholen, von Schreien, Blut und den Wehklagen der Opfer und Gefallenen.

Wenn man nicht gewusst hätte für was diese friedliche wirkend Felder vor einigen Monaten als Bühne gedient hätten meinte man sich nicht vorstellen zu können es wäre jemals anders gewesen als in diesem reinen Augenblick des Friedens.

Ein Schmerz, fast körperlich zu spüren, durchzog Eomers Inneres, als er an den Tag zurückdachte an dem er dort unten schreiend und mit dem Mut der Verzweiflung, unter den Tausenden gekämpft hatte. Ein Schmerz, intensiv und wirklich, ein Reißen und Ziehen in seinen Eingeweiden, dass ihn keuchen ließ.

Er kniff die Augen zusammen und rieb sich leise stöhnend über sein Gesicht, lehnte sich wieder zurück von der Brüstung. Sein Kopf schmerzte und der träger, staubiger Wind ließ seine Lippen trocken werden.

Seit Tagen wollte er schon auf dem Weg zurück nach Rohan sein. Zurück zu dem Ort wo sein Platz ist, auf dem weiten, grünen Steppen seiner Heimat, zwischen seinem Volk. Aber anstatt sein Pferd zum entgültigen Aufbruch zu satteln stand er wie schon so oft in den letzten Wochen auf einem der weiten Plataues der weißen Stadt Gondors und blickte hinunter auf die vertrocknenden Schlachtfelder. Ein Gefühl zwischen nicht können und nicht wollen hielt ihn zurück vom Verlassen Minas Tiriths und der Rückkehr nach Rohan.

Es würde still sein in Edoras und seinen königlichen Hallen, nachdem Theoden im Kampf sein Leben gelassen hatte und auch sein Sohn Theodret in den kalten Gruften der Vorfahren lag anstatt Meduseld mit seinem Leben zu füllen.

Eomer seufzte; still und kalt käme ihm seine Heimatstadt vor. Er fühlte als gäbe es dort für ihn nichts mehr. Ebenso wenig wie hier, in Minas Tirith. Willkommen fühlte er sich, aber trotz alle dem gab es hier nichts für ihn und wie verloren schwebend fühlte er sich zwischen den vielen Terrassen der weißen Perle Gondors, und er wusste nicht was ihn hier hielt.

‚Eomer!'

Eomer fuhr erschreckt herum, er hatte niemanden heran treten hören und sah nun überrascht in das Gesicht Aragons, der ihm jetzt gegenüber stand; die Hände in einander gelegt durchzogen ein dünnes Lächeln das gegerbte Gesicht.

‚Mein König.' Eomer legte die rechte Hand auf die Brust und verbeugte sich leicht zur Begrüßung.

Aragorn lachte kurz und milde auf.

‚Nein, ich bin nicht Dein König. Nenn mich Freund. Aber wie oft habe ich es schon gesagt und Du willst mich immer noch lieber als König denn als Freund sehen.'

‚Vergebt mir. Ich vergaß...mein Freund.'

Die letzten Worte kamen nur zögerlich und mit der gleichen Ehrfurcht wie die Worte ‚Mein König'. Aragorn bedachte dies lediglich mit einem nachsichtigen Lächeln.

‚Nun, ich sehe, blickt ihr noch immer hinunter auf die Felder anstatt euch auf den Weg zurück in eure Heimat zu machen.'

Eomer nickte zögernd, zuckte kaum merklich mit den Schultern.

‚Ich kann einfach nicht aufhören sie anzusehen und an die Schlacht zu denken.'

Aragorn seufzte kaum hörbar und trat neben Eomer an die Brüstung, sah hinunter auf die Weiten vor den Toren Minas Tiriths.

‚Ich höre sie auch noch, die Schreie und schrecke auf in leichtem Schlaf über Schwerter Schlagen und warmen Blut und dunkeln Schatten.' Seine Stimme war abgesunken zu kaum mehr als einem Wispern und Eomer musterte den neuen alten König Gondors der tief geduckt neben ihm über der Brüstung lehnte. So gebeugt und müde sah er plötzlich aus, dass Eomer sich erschrak. Aragorns Gesicht, sonst so edel, wirkte zerfallen und seine Augen hohl und leer, als er auf die Felder hinunter blinzelte.

Eomer streckte die Hand aus, zog sie aber zurück bevor er Aragorns Rücken berührte.

‚Mein K...Aragorn?'

Aragorn drehte sich müde um.

‚Ihr solltet nach Hause zurückkehren, mein Freund. Euer Volk braucht euch mehr als diese toten Schlachtfelder hier.'

‚Meduseld ist leer und kalt. Nichts treibt mich dorthin.'

‚Sie brauchen euch dort. Man wird euch jubelnd empfangen, Eomer.'

Das dünne Lächeln auf Aragorns Gesicht ließ keinen Platz für Einwände und Eomer brauchte nicht zum Einverständnis zu nicken.