TITEL: Ort der Stille, Zeitpunkt des Todes
GENRE: Drama/Angst
CHARAKTERE: Nine, Rose
PAIRING: Gen
RATING: PG-13
SPOILER: keine
WÖRTER: 3.600
ZUSAMMENFASSUNG: Eine unbekannte Kraft schleudert den Doctor dahin, wo er nicht sein darf, und er muss mit ansehen, was er nicht noch einmal erleben wollte. (Spielt irgendwann zwischen "Dalek" und "Bad Wolf".)
Augen zu
Als er die Augen öffnet, ist da nicht viel. Dreck, Schmutz, intergalaktischer Staub, was auch immer.
Sein Gesicht hat unsanft Bekanntschaft mit dem Boden gemacht und er spürt die Wunde an seiner Wange, wo der Dreck sich direkt in ihn hineinzufressen scheint. Er scheut jede Bewegung und lässt stattdessen seine Augen wandern, doch es taucht nicht mehr auf, als das, was er schon erkundet hat. Alles in allem ist es nicht viel.
Er schließt die Augen wieder und hofft auf einen schlechten Traum, doch die Schmerzen sind zu stark, die Kälte um ihn herum zu beißend, der Wind zu durchdringend, um das hier noch als pure Illusion durchgehen zu lassen. Wie befürchtet ändert sich deshalb nichts, als er die Augen wieder aufmacht. Alles bleibt, wie es war, auch wenn das weiterhin nicht viel ist.
Er weiß nicht wo er ist, er weiß nicht wann. Ein kurzer mentaler Check sagt ihm, dass er zumindest noch weiß, wer er ist.
Ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, lauscht er der Umgebung, doch nach ein paar Sekunden muss er feststellen, dass er in Wirklichkeit nur der Stille lauscht. Kein Geräusch tritt hervor, kein Rascheln, Knistern, Summen, Rauschen. Es gibt einfach nichts, was ihm dabei hilft, auch ohne Bewegung darauf zu schließen, wo er gerade ist.
Es muss sein. Er muss sich bewegen und die unbekannten Konsequenzen in Kauf nehmen, auch wenn sie vielleicht noch schmerzhafter als der Status Quo sind. Und so sendet er ein unmissverständliches Signal an seinen Arm, der sich unter seinem Körper schwerfällig bewegt. Er schafft es, ihn unter seinem eigenen Gewicht hervorzuholen und lässt ein wenig Staub durch seine aufgeschürften Finger rinnen.
Die Schmerzen bleiben erst erträglich, explodieren dann aber schlagartig. Ein grausames Stechen fährt bei dem Versuch seinen Kopf aus dem Dreck zu heben durch seine linke Schläfe, das jeden Gedanken an etwas anderes brutal zunichte macht. Sein rechtes Augenlid zuckt unkontrolliert und er versucht den höllischen Schmerz abzuschütteln, doch erst nach einer Weile lässt er langsam nach.
Jeder einzelne Muskel seines verkrampften Körpers scheint das Schlimmste zu erwarten, ist zur Flucht bereit schmerzvoll angespannt, doch in Wirklichkeit ist ein Entkommen unmöglich. Und eigentlich ist das Schlimmste an all dem, das Schlimmste noch nicht einmal zu kennen.
Während er weiter mit sich, den Schmerzen und der Unsicherheit kämpft, weht der eisige Wind etwas an ihm vorbei. Er schafft es, seine Augen darauf zu fokussieren und glaubt instinktiv eine Kugel hätte ihn genau da getroffen, wo es am meisten wehtut. Ein Silberhauch überzieht das vertrocknete Blatt eines Baumes.
Sein Atem beschleunigt, gerät außer Kontrolle und seine Lungen ringen nach Luft, die gar nicht existiert. Er fürchtet das, was er sehen kann und sehen wird, doch er muss sich die Bestätigung holen, um zu wissen, welche Optionen es überhaupt noch für ihn gibt. Er dreht sich unter weiteren Schmerzen mit einem Ächzen auf den Rücken und starrt mit weit aufgerissenen Augen nach oben.
Über ihm prangt der orangefarbene Himmel. Er brennt und nichts kann ihn mehr löschen. Wenn er ausgebrannt ist, wird er seine Farbe für immer verloren haben—alles schwarz, tief und so unendlich verloren wie das Universum.
"Nein", murmelt er und will es einfach nicht wahrhaben. Es kann unmöglich das sein, was er glaubt zu sehen. Es darf nicht sein.
Er lauscht wieder, versucht hier und jetzt einen herannahenden Feind auszumachen, der ihn blitzschnell töten könnte. Sollte eine Regeneration nicht mehr möglich sein, hätte er das alles wenigstens hinter sich. Doch er hört nichts, keinen Feind, keinen Freund—nur Stille, quälende, drückende, in seinen Ohren plätschernde Stille.
Er weiß, dass er hier ist, kann riechen, dass es genau jener Zeitpunkt ist, auch wenn es weiterhin so wenige Anhaltspunkte gibt, die ihm Gewissheit verschaffen könnten. Doch das, was er sehen musste, um zu begreifen, hat das Schicksal bereits an ihm vorbeigeweht. Nur dass er an so etwas wie Schicksal nicht glaubt, aber er hat auch keine Zeit, um darüber nachzudenken, was ihn ansonsten hierher gebracht haben könnte, dorthin wo er auf keinen Fall noch einmal sein wollte.
Langsam richtet er sich auf und sieht sich um. Gestein, Staub, hinter ihm eine hohe Bergkette mit kantigen Zacken und messerscharfen Spitzen, überall nur Sachen, die nicht mehr nach Leben aussehen. Selbst das Blatt ist tot und er fragt sich, ob er es nicht vielleicht auch längst ist.
Die Augen zusammenkneifend versucht er zu ergründen, was passiert ist, bevor er hier unter Schmerzen aufwachte, doch es sind nur Bruchteile, die durch seinen Kopf jagen. Die TARDIS, ein Knall, eine Erschütterung, Rose, die einmal an ihm vorbei quer durchs Innere kugelt, dann nur noch tiefschwarze Dunkelheit.
Von einer plötzlichen Realisierung ergriffen springt er auf, merkt, dass ein klein wenig Blut aus der Wunde an seiner Wange rinnt und blickt sich hastig, ja fast schon panisch um. Immer und immer wieder dreht er sich um seine eigene Achse, hinterlässt ungewöhnliche Spuren im Dreck und doch scheint es nichts zu bringen. "Rose!", schreit er so laut er kann und seine Stimme bricht.
Sie war schon so oft in Gefahr, ab und an ganz auf sich allein gestellt und ohne seine schützenden Hände direkt über ihr, aber wenn sie hier irgendwo allein ist, kann er für nichts mehr garantieren. "Rose!", ruft er erneut und muss die Verzweiflung nicht erst bewusst in seine Stimme legen, um sie darin so schmerzlich hörbar zu machen.
Eine Angst keimt in ihm auf, dass sie vielleicht hier sein könnte, doch die Stille womöglich verhindert, dass er ihre Hilferufe hört. Er gibt es auf sich zu drehen, droht einen Moment lang das Gleichgewicht unter den anhaltenden Schmerzen zu verlieren und wiederholt ihren Namen: "Rose." Diesmal ist es ganz leise, trauernd, fast schon resignierend.
Doch das ist nicht er und er braucht nicht lange, um sich das in Erinnerung zu rufen. Er fasst sich kurz an die Wange, reibt sich ungewollt noch mehr Dreck in die offene Wunde, sucht währenddessen schon in seiner Jacke nach dem Überschallschrauber und macht dann etwas, das er vielleicht am besten kann: rennen!
Er rennt und rennt über den staubigen Boden, wirbelt den Dreck auf, sodass eine Wolke der Entschlossenheit ihn einhüllt. Sein Weg kennt nur ein Ziel: die kleine Ebene zwischen den Bergwipfeln, die ein Hügel im Moment noch verdeckt. Dort vermutet er mehr als nur ein lautloses Vakuum und dort hofft er auch auf sie.
"Rose", ruft er nochmals und springt über ein paar Steine, die ebenso wie das Blatt gerade von einem ganz vagen Schimmer überzogen werden und ihn daran erinnern, wie es einmal hier aussah.
Aus dem Nichts kommt endlich ihre Stimme. "Doctor!"
Er läuft auf sie zu, als gäbe es keinen Morgen—weil er noch nicht einmal weiß, ob es nicht vielleicht tatsächlich so ist—und schließt sie in seine Arme mit dem Willen, sie nie wieder loszulassen. Doch das ist nicht von Dauer und so lässt er sie nach ein paar Sekunden gehen, zeigt ihr aber weiterhin mit einem breiten Grinsen, dass er froh ist, sie gefunden zu haben.
Doch sie sind immer noch hier und sie sind in höchster Gefahr.
"Wo sind wir hier?", will sie verwirrt wissen und sucht seine Augen nach ein bisschen Gewissheit ab, die er ihr nur schwer bieten kann.
Beherzt nimmt er ihre Hand und beginnt wieder zu rennen. "Keine Zeit für Erklärungen, wir müssen die TARDIS finden."
Während sie laufen, sieht er zwischen den Hügeln, die an einer Stelle freie Sicht auf die Ebene erlauben, dass es tatsächlich so ist, wie er befürchtet hatte. Er drückt ihre Hand noch ein wenig fester, doch er kann der Tatsache nicht entkommen, dass der entscheidende Moment kurz bevor steht. Es bleibt keine Zeit mehr.
Zu ihrer Überraschung bleibt er stehen und baut sich vor ihr auf. "Wir haben keine Zeit mehr, Rose", sagt er und umfasst ihre Oberarme, um ihren Blick auf sich zu zwingen. Er sieht Angst, dieselbe Angst, die seine Augen gerade noch erfüllt hatte, als die Ungewissheit so groß war, dass sie ihn zu zerreißen drohte.
"Wovon redest du? Was ist hier los?"
"Wir sind in großer Gefahr", versucht er das zu erklären, was eigentlich gar nicht zu erklären ist und er selbst nicht einmal versteht. "Alles hier kann jede Sekunde explodieren."
Sein Blick wandert nach rechts, wo er sieht, wie eine entfernte Gestalt sich einer ganzen Armee von Metall ausgeliefert sieht. Heroisch steht sie aufrecht in der Mitte, doch der Doctor weiß, dass sie in Wirklichkeit Angst hat.
Unweigerlich folgt Rose seinem Blick und schnappt hörbar kurz nach Luft. "Daleks, da sind jede Menge Daleks."
"Ich weiß", erwidert er nur und merkt, dass es keinen Sinn hat, sie weiter sanft dazu zu zwingen, sich nur auf ihn zu konzentrieren. Er muss sich etwas überlegen, sich selbst und noch viel wichtiger sie hier wegbringen, doch seine Gedanken sind nur noch ein Wirrwarr aus Zeit und Raum, Vergangenheit, Zukunft und furchterregender Gegenwart.
"Wer ist das?" Sie deutet auf die verlorene Gestalt inmitten all der herannahenden Todesurteile, die auf ihrem Weg das letzte Bisschen des Planeten in Schutt und Asche legen.
Er folgt kurz ihrem Blick und einen Moment lang wird ihm körperlich schlecht. Er zögert, bevor er spricht. "Jemand, den du nicht kennen willst."
"Kennst du ihn?"
"Ich kannte ihn."
Ihr Blick kann sich nicht entscheiden, ob er sich auf ihn fokussieren oder das Geschehen in der Ferne beobachten sollte. Immer und immer wieder verfolgt er ihre tanzenden Pupillen auf dem Weg von rechts nach links und wieder zurück.
"Sieh nicht hin", fleht er regelrecht.
Die Verwirrtheit in ihren Augen tut weh. "Warum?"
"Rose, du musst ein was für mich machen. Schließ deine Augen."
"Ich verstehe das alles nicht, Doctor."
"Ich weiß. Schließ deine Augen." Seine Lippen hauchen ein bitte hinterher, doch sie tut nicht gleich, was er sagt und sieht ihn stattdessen nur weiter ängstlich an. Er ist sich nicht sicher, ob sie verstanden hat, was er möchte.
Mit seinen Händen umschließt er ihr Gesicht, lässt sich von ihrer warmen Haut selbst ein wenig beruhigen und wiederholt die Worte dann ganz langsam: "Schließ deine Augen."
Sie tut es. Er wirft einen letzten Blick auf das bevorstehende Massaker und schließt seine Lider dann ebenfalls. Bislang dachte er, er wäre bereits genug damit gestraft, es immer und immer wieder vor seinem inneren Auge sehen zu müssen.
Jetzt bleibt für ihn und sie nur noch das Warten. Warten auf die unausweichliche Explosion oder ein Wunder, an das er fast nicht mehr glaubt. In seinem Kopf läuft das Gespräch von gerade eben unterdessen ganz anders ab.
"Wer ist das?", fragt sie mit großen Augen.
"Ich", antwortet er und sie dreht sich nach einem Blick auf das, was er inmitten der Daleks vor hat zu tun, und einem kurzen Moment des Nachdenkens angewidert weg.
