Erstes Kapitel
„Träume"
Aragorn
lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ seinen Blick
durch sein Arbeitszimmer schweifen. Seit er vor etwa einem Jahr die
Herrschaft Gondors übernommen hatte, hatte sich dieses Zimmer in
einer seiner Lieblingsorte verwandelt. Die schweren Möbel waren
durch einige kleinere Schränke und Kommoden ersetzt worden, an
einer Seite standen Regale, in denen unzählige Bücher ihren
Platz gefunden hatten, eine gemütliche Sitzgruppe stand am
Fenster und ein großer Tisch bot ihm genügend
Arbeitsfläche für Pergamente, Schriftstücke und
Briefe, die sich in Stapeln vor ihm häuften; Feder, Tinte und
Siegel lagen griffbereit auf einem kupfernen Tablett zu seiner
Rechten.
Müde rieb er sich die Augen und sah aus dem Fenster,
wo sich im Dämmerlicht des Frühlings die Mauern der Feste
rot-golden ins Licht der untergehenden Sonne tauchten, der Duft der
Bäume wehte zu ihm herüber und er konnte das Wasser des
Brunnens bis hier herauf plätschern hören. Das alljährliche
Widerkehren all dieser Schönheit, die sich in dem erwachenden
Land zeigte, waren schon alleine seine Rechtfertigung für den
Wunsch nach Frieden wehrt, für den er nun schon so lange
arbeitete, doch noch mehr wurde dieser Wunsch durch all das Grauen
und die Schrecken des Ringkrieges bestärkt, der erst so kurz
zurück lag. Noch immer lief ihm ein kalter Schauer den Rücken
herunter, wenn er an die Erlebnisse und Gefahren dachte, die er mit
der Gemeinschaft des Rings bewältigt hatte, zu viele Tote, zu
viele Verluste in den Schlachten und die Erinnerung festigte seinen
Entschluss, der ihm soeben beim Lesen des Briefes gekommen war.
Noch
einmal überflog er die wenigen Zeilen, die Êomer ihm
gesandt hatte, in denen er wieder einmal die Bitte erhielt, in einem
Streit zwischen zwei Männern zu entscheiden, die beide die
Rechte um ein Stück Land erhoben. Solche Aufforderungen
erreichten Aragorn zuhauf und er verschwendete wertvolle Zeit damit,
eine Einigung für diese Bitten zu finden.
Missmutig beäugte
er den Stapel Briefe, der ihn zusammen mit Êomers Schreiben
erreicht hatte – sicher ebenfalls ähnliche Bitten der
Stadthalter der umliegenden Siedlungen und Dörfer – und verzog
das Gesicht.
Ja, er würde sofort einige Schreiben aufsetzen
und seinen Plan in die Tat umsetzen, ein Helkaannon (Zusammentreffen)
der Herren aller Völker zu veranstalten, dass im Abstand von
drei Jahren abgehalten werden sollte, um dort gemeinsam alle
wichtigen Entscheidungen und Gesetze zu besprechen und zu
beschließen. Gerade beim Festlegen der Gesetze, mit denen der
Friede gesichert werden würde, war es eine gute Vorraussetzung,
wenn alle Völker daran beteiligt waren, denn so würden sie
auch mehr Wert darauf legen, für das Einhalten dieser Gesetze zu
sorgen. Sicher besaß Aragorn genug Macht, um die Gesetze
alleine zu bestimmen und niemand würde es wagen, sich seinem
Willen zu widersetzen. Er hatte in den Schlachten seine Stärke
bewiesen, im letzten Jahr durch weise Entscheidungen den Respekt der
Völker erlangt, und doch wählte er bewusst diesen Weg, um
auch den geringsten Unmut einiger Stämme zu vermeiden.
Ja,
dachte Aragorn. Er besaß Macht, genug, um durch geschickte
Schachzüge die Herren der Völker so zu manipulieren, dass
sie nach seinem Willen handeln würden, doch dieser Gedanke war
ihm zuwider. Er wollte eine ehrliche Herrschaft, die sich auf
verlässliche Gesetze stützen konnte, sodass seine Kinder
niemals in die Lage gerieten, ein Schwert in die Hand zu nehmen und
so wie er gegen eine Bedrohung in den Krieg ziehen zu müssen.
Ein
leises Klopfen an der Tür veranlasste Aragorn dazu, den Kopf zu
heben und nach seiner Aufforderung steckte Bergil den Kopf zur Türe
herein. Nachdem Aragorn den Thron bestiegen hatte, hatte er den
Jungen als seinen Knappen in seine Dienste genommen und er leistete
gewissenhaft seine Dienste und Aufgaben, die ihm von Aragorn und auch
Arwen zugetragen wurden. Er war ihnen Beiden schon nach kurzer Zeit
ans Herz gewachsen, denn er war offen, ehrlich und hilfsbereit, was
ihn jedoch nicht davon abhielt, auch jede Gelegenheit zu nutzen, um
den übrigen Bediensteten einen Streich zuspielen. Jetzt stand
aber Entschlossenheit auf seinem Gesicht und noch eher er ein Wort
sagen konnte, hob Aragorn beschwichtigend die Hände.
"Ich
weiß, ich weiß! Ich habe das Mittagsmahl verpasst und bin
schon fast zu spät zum Abendessen, und meine Gemahlin wird mich
fesseln und knebeln und zum Essen zwingen, wenn ich nicht umgehend
mitkomme." Er lächelte Bergil zu und erhob sich und legte
sorgfältig den angefangenen Brief beiseite, während Bergil
ihn mit kindlicher Strenge rügte.
"Ihr habt nicht einmal
genug Fleisch auf den Knochen, um das Interesse eines verhungernden
Warg zu erregen, Herr!"
Aragorn unterdrückte ein
herzliches Lachen, dass Bergil ihm gewiss verübelt hätte
und begegnete seinem Blick mit bemühter
Ernsthaftigkeit.
"Bergil, wenn du und meine Frau endlich
damit aufhören würdet, mich zu behandeln, wie ein
zerbrechliches Ei! Sehe ich in euren Augen so zart und kränklich
aus?"
Bergil zuckte die Schultern. "Frau Arwen wird
nicht erfreut darüber sein, wenn ihr auch noch das Abendmahl
versäumt."
Aragorn unterdrückte wieder ein Lachen,
denn ein Großteil von Bergils Äußerungen drehte sich
immer um Arwen und es war nicht schwer, den Grund dafür zu
erkennen. Aragorn billigte diese Zuneigung, die Bergil für Arwen
empfand – er selbst hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt.
Sein Knappe war davon überzeugt, es wäre ein Geheimnis,
dass er seine Herrin anbetete und Arwen ging perfekt mit ihm um, mal
etwas spielerisch wie mit einem jüngeren Bruder und mal mit der
gebotenen Ernsthaftigkeit und dem Vertrauen, die einem Knappen
angemessen war.
"Schon gut.", lenkte Aragorn ein. "Ich
wünsche ein Bad, mein Abendessen und meine Gemahlin – in
dieser Reihenfolge."
Der Junge grinste ihn an. "Dann
kommt meine Herrin erst an dritter Stelle?!"
"Wenn sie
keinen schmutzigen, übellaunigen, hungrigen Ehemann wünscht,
dann ja!"
Eine halbe Stunde später begab sich
Aragorn, sauber und in eine seidenen Robe gekleidet, in seine
privaten Gemächer, die er zusammen mit Arwen bewohnte und fand
seine Frau an einem gedeckten Tisch vor. Sie lächelte ihm
liebevoll zu und reichte ihm einen Kelch Wein, als er sich an ihre
Seite setze und den Stapel Papiere auf dem Tisch ablegte, den er nach
dem Bad aus seinem Arbeitszimmer geholt hatte.
"Wie ich sehe,
findest du selbst zu dieser Stunde wieder einmal kein Ende! Mir was
beschäftigst du dich diesmal, dass es nicht einmal Zeit hat, um
bis nach dem Abendessen zu warten?"
Während sie ihr Mahl
begannen, berichtete Aragorn ihr von seiner Idee des Helkaannon, bei
dem jedoch nicht nur über Gesetze und Streitigkeiten
beratschlagt werden sollte, sondern auch allen Völkern die
Gelegenheit geboten werden sollte, auf einem Markt ihre Waren und
verschiedenen Handwerkskünste anzubieten und so den Handel
untereinander zu fördern. Außerdem sollten auch
verschiedene Wettkämpfe und ein kleines Fest stattfinden, um
auch für die Unterhaltung zu sorgen, um so die Freundschaften
unter den Völkern zu verstärken. Aragorn berichtete Arwen
so voller Eifer, dass diese ihn immer wieder ans Essen erinnern
musste, dass mittlerweile schon kalt geworden war, doch seine
Begeisterung steckte auch sie an.
"...und damit sich niemand
durch die Festung von Minas Tirith eingeschüchtert fühlt,
möchte ich das Ganze an den Grenzen zu Isengard veranstalten.
Niemand soll ein direktes "Heimrecht" haben und alle werden
in Zelten wohnen, während das Helkaannon stattfindet."
Arwen
nickte zustimmend und nachdem sie den halbleeren Teller von Aragorn
mit hochgezogenen Brauen zur Seite geräumt hatte, machten sie
sich zusammen daran, den Brief zu beenden und die Schreiber damit zu
beauftragen, ihn für alle Vertreter der Völker
anzufertigen.
ooOOoo
Aragorn hatte beschlossen, weit
weniger aufwendig zu reisen, als es seinem Stand angemessen war, denn
er fühlte sich weitaus wohler, je einfacher alles um ihn herum
gehandhabt wurde. Als Waldläufer hatte er ständig unter
freiem Himmel geschlafen und sich in den Natur alles besorgt, was er
zum Leben benötigte. So erstreckte sich die Schlange aus
Dienern, Gepäckwagen und Wachleuten nur eine halbe Länge
hinter ihm und Arwen und das Lager ließ sich zur Rast schnall
aufschlagen und am Morgen wieder rasch abbrechen. So würden sie
weitaus schneller in Isengard eintreffen. Die Reisegruppe hatte sich
schon am ersten Tag dreigeteilt: an der Spitze ritten er und Arwen,
zusammen mit Faramir und Eowyn und ihren Gefolgsleuten, darunter
Bergil, dann folgten die Bediensteten und schließlich die
Gepäckkarren mit den Wachmännern um sie zu beschützen.
Schutz war hier in Rohan eigentlich nicht von Nöten und die
Wachleute spannten nur ihre Bögen, um für das abendliche
Lagerfeuer eine Beute zu jagen.
Aragorn genoss das schlichte
Vergnügen des langen Rittes bis Isengard, die weite Landschaft
breitete sich friedlich vor ihnen aus und niemand behelligte ihn mit
schwerwiegenden Entscheidungen oder den gespielten Höflichkeiten.
Arwen und Eowyn plauderten fröhlich miteinander und Faramir
erwies sich als hervorragender Gesellschafter an seiner Seite, der
ebenfalls seine große Vorliebe für das Leben in der freien
Natur teilte und sie tauschten ihre Kenntnisse miteinander aus.
Alle
Vier wurden aber auch von der Vorfreude beherrscht, endlich ihre
Freunde wieder zu sehen. Frodo und Sam würden als Vertreter der
Hobbits anwesend sein und natürlich hatten es sich Merry und
Pippin nicht nehmen lassen, die beiden zu begleiten. Legolas würde
seinen Vater, Celeborn und Elrond begleiten, Gimli kam als
Fürsprecher des Zwergenvolkes aus Erebor und Gandalf als der
Istari. Eowyn freute sich besonders auf das Wiedersehen mit ihrem
Bruder Êomer und richtete sich immer wieder voll Ungeduld im
Sattel auf und richtete den Blick in die Ferne, in der Hoffnung,
Isengard endlich vor sich auftauchen zu sehen.
Aragorn hatte
eine beträchtliche Menge von Völker geladen, fast alle
Stämme der Menschen, acht Vertreter der Zwerge und mit ihren
Freunden der Elben und Hobbits würden alleine beim Rat
dreiundzwanzig Vertreter der freien Völker anwesend sein und
über die Gesetze von Mittelerde verhandeln. Mit den Begleitern,
Bediensteten und den Händlern würde sich vor Isengard ein
beträchtliches Lager aus Zelten und Ständen bilden, dass
von einer Vielzahl von Farben bestimmt werden würde, denn viele
Städte pflegten ihre Zelte in den Farben der Wappen
anzufertigen, hinzu kam auch die Vielfalt der Völker, die nicht
weniger bunt ausfallen würde.
Die Stände würden mit
den verschiedensten Waren bestückt sein, Stoffe, Glas und
Kristall, Backwaren und andere Köstlichkeiten, Wein aus
verschiedenen Ländern, Schmuck, Waffen oder auch
Spielzeuge.
Als sie am vierten Tag endlich ihr Ziel
erreichten, standen schon viele Zelte auf den freien Feldern vor
Isengard bereit, doch es war deutlich zu erkennen, dass Êomer
dafür gesorgt hatte, dass alles wohlgeordnet und gut durchdacht
aufgebaut worden war, um ein Chaos zu vermeiden. Ein riesiges Zelt
erhob ich in der Mitte des Lagers, um als Verhandlungsort zu dienen
und um diesen Platz herum, ordneten sich mit einigen Abständen
die Wohnzelte. Im Schutz der Felsen schmiegten sich die Marktstände
an und in der Nähe von Isengard war ein großer Platz
abgesteckt worden, auf den sich an einem Mast bereits das Wappen von
Gondor befand, gleich neben den Zelten von Rohan.
Die Bediensteten
errichteten in unglaublicher Geschwindigkeit das riesige Zelt von
Aragorn und Arwen und auch die übrigen, kleineren Zelte, sowie
das Zelt von Faramir und Eowyn wuchs erstaunlich schnell und mit
geübten Händen.
Aragorn überließ alles
vertrauensvoll seinen Leuten und schlenderte zusammen mit Faramir,
Eowyn und Arwen durch das Lager, um Êomer zu suchen. Sie fanden
ihn bei seinem Zelt, wo er immer noch einigen Bediensteten
Anweisungen erteilte, um die Neuankömmlinge an ihre eingeteilten
Plätze zu weisen.
Als Eowyn ihn erblickte, löste sie
sich von Faramirs Seite und stürmte ihm freudig
entgegen.
"Êomer! Êomer!", rief sie schon
von weitem und ihr Bruder konnte sie gerade noch rechtzeitig
auffangen, als sie sich ihm stürmisch in die Arme warf. Die
übrigen Begrüßungen vielen weniger schwungvoll aus,
doch die Freude über das Wiedersehen stand allen im Gesicht und
bald saßen sie in dem kühlen Zelt des Herrn der Rohirim
und waren in Gespräche vertieft.
"Was gedenkst du zu
tun, wenn alle geladenen Vertreter der Völker in Isengard
eingetroffen sind?", richtete sich Êomer an Aragorn, der
mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden saß und genüsslich
an seiner Pfeife zog. Niemand hätte ihn in diesem Augenblick für
den König Gondors gehalten, wie er dort mit halb aufgeschnürter
Tunika zwischen seinen Freunden saß und es einfach genoss, er
selbst sein zu können. Er sah zu Êomer auf und lächelte
ihn verschwörerisch an.
"Nun, auf dem Rat werden wir
wohl auch in gewisser Weise die ein oder andere Schlacht zu schlagen
haben – aber mit Worten! Sicher wird es lange Diskussionen geben,
bis man sich auf einen Entschluss geeinigt hat! Gerade zwischen Elben
und Zwergen wird es schwierig werden, aber ich fürchte, auch die
Stämme der Ostlinge, Haradrim und Variags werden ihre
Differenzen offen austragen und versuchen, sich gegeneinander
auszuspielen. Es wird auf jeden Fall sehr interessant werden!"
Êomer
schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte sich Aragorn
nur auf diese endlosen Diskussionen freuen? Er verstand immer noch
nicht, wieso er nicht einfach die Gesetzte selber festlegte und
lediglich dafür sorgte, dass diese eingehalten wurden. Aragorn
sah die Zweifel im Gesicht seines Freundes und klopfte ihm auf das
Knie. "Mach dir nicht zu viele Gedanken! Ich bin sicher, dass
sich alle einigen werden und mit dem Ergebnis zufrieden sein werden.
Sicher muss jedes Volk auch Kompromisse eingehen, aber es wird der
erste Schritt zu einem friedlichen Miteinander sein."
"Du
bist sehr zuversichtlich, Aragorn. Aber nicht jeder hat so edle
Gedanken und Ansichten wie du und ist bereit, das ein oder andere
Opfer zu bringen. Wir sollten dennoch wachsam und aufmerksam sein!
Ich habe bei einigen kein gutes Gefühl..."
Êomer
hielt Aragorns Blick eindringlich fest, bis dieser ihm
freundschaftlich zunickte.
"Ich verspreche dir, dass ich
ebenfalls aufpassen werde – auch wenn ich denke, dass alle aus den
Zeiten des Ringkrieges gelernt haben."
Êomer seufzte.
Mehr konnte er bei Aragorn nicht erreichen, dass wusste er und er
konnte seinen Wunsch nach Frieden nur zu gut verstehen. Er wusste,
dass Aragorn sich mit der Macht, die ihm gegeben war, nicht
sonderlich wohl fühlte und sie auch nie rücksichtslos
missbraucht hätte. Einen besseren König konnte sich ein
Volk nicht wünschen – doch es gab auch genug Bewohner
Mittelerdes, die ihm diese Macht neideten und sie nur zu gerne an
sich reißen würden, um sie schamlos zu
missbrauchen.
ooOOoo
In den folgenden Tagen erreichten
auch die letzten Vertreter der freien Völker das riesige Lager,
dass sich nun eindrucksvoll ausdehnte. Fast hatte es die Größe
einer kleinen Stadt erlangt, denn viele hatten die Gelegenheit
genutzt und hatten ihre Familien mitgenommen und so drängten
sich nicht nur auf dem kleinen Marktplatz die Menschen, Elben und
Zwerge, sondern auch zwischen den Zelten herrschte reges
Treiben.
Frodo und Sam zügelten ihre Tiere und blieben, von
dem Anblick überwältigt, auf der Spitze des kleinen Hügels
stehen. Hinter ihren kämpften sich Merry und Pippin mit ihren
Ponys den Berg herauf, wobei sie leise vor sich hin fluchten, denn es
hatte in der Nacht geregnet und der Pfad hatte sich als äußerst
rutschig erwiesen, sie waren dreckig, durstig, hungrig und bis auf
die Knochen durchgefroren.
"Was ist?", schimpfte Pippin.
"Warum haltet ihr an? Ich will endlich ins Warme und einen
heißen Topf Suppe und einen Humpen Bier, um ..."
Als er
jedoch neben Sam stehen blieb und das Lager erfasste, war auch er
sprachlos. Nach einigen Minuten tauschten die Hobbits erfreute Blick,
als der Duft von vielerlei Speisen zu ihnen heraufdrang und trieben
die Ponys lächelnd den Hügel herunter.
Sie hielten sich
immer auf das Wappen Gondors zu, denn sie vermuteten zu Recht, dass
sich ihre Freunde sicher bei Aragorn versammeln würden und
Aragorn hatte ihnen außerdem mitgeteilt, dass er dafür
gesorgt hatte, ein Zelt für die Halblinge neben dem seinen
errichten zu lassen.
Als sie sich ihren Weg durch die Menge
bahnten, tauchte endlich das große Zelt vor ihnen auf, in dem
Aragorn und Arwen wohnten. Es stand etwas abseits der übrigen
Zelte, umringt von den Farben Rohans und Ithiliens und gedämpft
erklangen Stimmen aus den schweren Stoffbahnen, die Wind und Regen
abhielten, aber auch die Hitze der Frühlingssonne, die schon
wieder zwischen den verziehenden Wolken hervorbrach.
Frodo trat,
nachdem die Hobbits ihre Ponys ordentlich festgebunden hatten, vor
den Wachmann Gondors, der vor dem Zelteingang Posten bezogen hatte
und sah selbstsicher zu ihm auf.
"Meldet König Elessar
bitte die Ankunft der Halblinge aus dem Auenland.", forderte er
den Krieger höflich auf, der sich augenblicklich in Bewegung
setzte und im Inneren verschwand. Nur einen Moment später wurde
der Stoff beiseite gerissen und Bergil stürmte auf die Hobbits
zu, der vor allem Pippin stürmisch begrüßte. Dieser
musterte seinen Freund kritisch.
"Wie ich sehe stehst du in
Aragorns Diensten! Und wie groß du geworden bist! Kaum zu
glauben!"
Bergil wurde vor Verlegenheit rot, doch dann fand
er seine Haltung wieder und schwellte stolz die Brust.
"Ich
bin der Knappe seiner Majestät und der hohen Frau Arwen! Sie
erwarten euch schon und ich habe den Auftrag, euch sofort nach eurem
Eintreffen zu ihnen zu bringen!", verkündete er mit aller
Ernsthaftigkeit und Würde. Die vier Hobbits verkniffen sie ein
Lachen und ließen sich dann von Bergil führen.
Das
Innere des Zeltes erwies sich als größer als erwartet und
obwohl sie wussten, dass Aragorn auf übermäßigen
Luxus verzichtete, so waren sie über die Gemütlichkeit
erstaunt, die hier herrschte. Einfache Teppiche dämpften ihre
Schritte und das weiche Licht des Tages viel durch Öffnungen in
den Raum, der vor ihnen lag. In der Mitte stand ein runder Tisch,
umringt von Stühlen, im hinteren Teil erkannten die Hobbits ein
großes Lager aus Fellen und Kissen, abgetrennt durch einige
Stoffbahnen, die jetzt etwas zur Seite gezogen waren und ein etwas
größerer Tisch stand dicht bei einer der Öffnungen
und war mit Papieren überhäuft – sicher konnte Aragorn
selbst hier nicht mit der Arbeit aufhören. Auf einem kleinen
Tisch standen Kelche und Karaffen, und was die Hobbits besonders
erfreute, auch eine Schüssel mit dampfender Suppe und eine
Schale mit Gebäck.
Bergil löste sich neben ihnen und
ging mit erhobenem Haupt auf die Gruppe Freunde zu, die um den Tisch
saßen und das Eintreten der Hobbits noch gar nicht bemerkt
hatten, so vertieft waren sie in ihre Unterhaltungen. Frodo sah mit
Freude, dass alle anwesend waren, selbst Gandalf saß bereits
neben Aragorn, dem Bergil jetzt vorsichtig auf die Schulter
klopfte.
"Herr! Die Halblinge sind eingetroffen, soll
ich..."
Weiter kam er jedoch nicht, denn augenblicklich
verstummten die Gespräche am Tisch und Aragorn erhob sich mit
einem Lächeln.
"Frodo, Sam, schön euch endlich bei
uns zu haben! Merry, Pippin – seid ihr etwa schon wieder
gewachsen?!?"
Nachdem sie sich alle ausgiebig begrüßt
hatten, beeilte sich Bergil, die heiße Suppe aufzutragen und
Aragorn entließ ihn fürs Erste, damit er sich mit den
anderen Knappen die Zeit vertreiben konnte. Gimli musste sich mächtig
anstrengen, damit er mit dem großen Appetit der Hobbits
mithalten konnte und Legolas stieß seinem Freund mit dem
Ellenbogen in die Seite, weil er dabei so fürchterlich
schmatzte, dass er alle anderen Geräusche übertönte.
Gandalf
beobachtete amüsiert die vier Hobbits und forderte schließlich:
"Wenn ihr noch Zeit findet, würde ich gerne wissen, wie es
euch auf dem Weg hierher so ergangen ist!"
Abwechselnd
begannen sie zu berichten und bald mischten sich auch verschiedene
Erlebnisse des vergangenen Jahres in die Erzählungen, sodass die
Zeit viel schneller verstrich als erwartet.
Aragorn räusperte
sich schließlich und erhob sich von seinem Stuhl.
"Es
tut mir leid, euch jetzt schon verlassen zu müssen, aber ich
habe noch einiges für die erste Sitzung des Rates morgen
vorzubereiten. Bergil wird euch euer Zelt zuweisen, damit ihr euch
ausruhen könnt und euch mit allem Nötigen
versorgen."
Aragorn drückte Arwen noch einen flüchtigen
Kuss auf die Stirn und verließ dann die heitere Runde, doch es
dauerte nicht lange, da zogen sich auch Legolas und Gimli, sowie
Eowyn und Faramir zurück. Alle hatten noch eine Menge
vorzubereiten und schließlich reckte sich Sam und gähnte
herzhaft.
"Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich
könnte ein wenig Mittagsruhe ganz gut vertragen. Außerdem
müssen auch wir noch unsere Sachen in das Zelt bringen und die
Ponys versorgen!"
So brachen auch die übrigen Freunde
auf und trafen die letzten Vorbereitungen für den ersten Tag des
Helkaannon.
ooOOoo
Erst als es längst dunkele
Nacht war, kehrte Aragorn in sein Zelt zu Arwen zurück, die
gerade das Wort an Bergil gerichtet hatte, der eifrig damit
beschäftigt war, sich in seinen Mantel zu hüllen.
"...
und sieh auch im Versammlungszelt nach. Sicher brütet er dort
noch über die verschiedenen Gesetze nach, über die er
morgen verhandeln möchte. Lass dich nicht mit einer Ausrede wie:
ich komme ja gleich... vertrösten, sondern bestehe darauf, dass
er endlich herkommt und etwas isst. Du weißt ja wie er
ist!"
"Ja!", antwortete Aragorn anstelle von Bergil
vom Eingang her. "Wir wissen alle wie ER ist! Danke Bergil, du
kannst jetzt endlich zur Ruhe gehen. Und Bergil? Lass dir das eine
Leere sein und suche dir nie eine Frau, die nicht davon überzeugt
ist, dass du alt genug bist, um auf dich selber acht zu geben."
Dabei lächelte er Bergil müde zu.
Der Knappe zog den
Mantel fester um seine Schultern und grinste Aragorn an. "Ich
werde versuchen, euren Rat zu beherzigen, wenn es soweit ist, Herr!",
dann verließ er das Zelt.
Aragorn schnaubte gespielt und
wandte sich dann Arwen zu, die ebenfalls ein Lächeln auf ihren
Lippen hatte.
"Wenn du so weiter machst, wird er mich bald
keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, Arwen.", neckte er
seine Frau, doch dann zog er sie zu sich heran und schloss sie
zärtlich in die Arme. "Ich verspreche dir, dass, wenn das
alles hier vorbei ist, wir nach Hause heimkehren können und ich
mich bessern werde! Wenn erst einmal der Friede herrscht, wir in Ruhe
leben können und ich in der Lage bin, mein Schwert für
immer zur Seite zu legen, dann werde ich keine Mahlzeit mehr
versäumen."
Arwen lachte in seinen Armen auf.
"Versprich
keine Dinge, die du doch nicht halten kannst! Für einen König
wird es immer etwas zu tun geben und wenn diese Sache hier hinter uns
liegt, dann werden andere Dinge deine Aufmerksamkeit verlangen!"
Er
schob sie ein Stückchen von sich ab und umfasste ihr Gesicht mit
seinen Händen. "Was habe ich nur für eine kluge, weise
Frau!", murmelte er leise und ließ sich dann von ihr zu
dem gedeckten Tisch herüber ziehen.
