Erstes Kapitel

„Träume"

Aragorn lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ seinen Blick durch sein Arbeitszimmer schweifen. Seit er vor etwa einem Jahr die Herrschaft Gondors übernommen hatte, hatte sich dieses Zimmer in einer seiner Lieblingsorte verwandelt. Die schweren Möbel waren durch einige kleinere Schränke und Kommoden ersetzt worden, an einer Seite standen Regale, in denen unzählige Bücher ihren Platz gefunden hatten, eine gemütliche Sitzgruppe stand am Fenster und ein großer Tisch bot ihm genügend Arbeitsfläche für Pergamente, Schriftstücke und Briefe, die sich in Stapeln vor ihm häuften; Feder, Tinte und Siegel lagen griffbereit auf einem kupfernen Tablett zu seiner Rechten.
Müde rieb er sich die Augen und sah aus dem Fenster, wo sich im Dämmerlicht des Frühlings die Mauern der Feste rot-golden ins Licht der untergehenden Sonne tauchten, der Duft der Bäume wehte zu ihm herüber und er konnte das Wasser des Brunnens bis hier herauf plätschern hören. Das alljährliche Widerkehren all dieser Schönheit, die sich in dem erwachenden Land zeigte, waren schon alleine seine Rechtfertigung für den Wunsch nach Frieden wehrt, für den er nun schon so lange arbeitete, doch noch mehr wurde dieser Wunsch durch all das Grauen und die Schrecken des Ringkrieges bestärkt, der erst so kurz zurück lag. Noch immer lief ihm ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn er an die Erlebnisse und Gefahren dachte, die er mit der Gemeinschaft des Rings bewältigt hatte, zu viele Tote, zu viele Verluste in den Schlachten und die Erinnerung festigte seinen Entschluss, der ihm soeben beim Lesen des Briefes gekommen war.

Noch einmal überflog er die wenigen Zeilen, die Êomer ihm gesandt hatte, in denen er wieder einmal die Bitte erhielt, in einem Streit zwischen zwei Männern zu entscheiden, die beide die Rechte um ein Stück Land erhoben. Solche Aufforderungen erreichten Aragorn zuhauf und er verschwendete wertvolle Zeit damit, eine Einigung für diese Bitten zu finden.
Missmutig beäugte er den Stapel Briefe, der ihn zusammen mit Êomers Schreiben erreicht hatte – sicher ebenfalls ähnliche Bitten der Stadthalter der umliegenden Siedlungen und Dörfer – und verzog das Gesicht.
Ja, er würde sofort einige Schreiben aufsetzen und seinen Plan in die Tat umsetzen, ein Helkaannon (Zusammentreffen) der Herren aller Völker zu veranstalten, dass im Abstand von drei Jahren abgehalten werden sollte, um dort gemeinsam alle wichtigen Entscheidungen und Gesetze zu besprechen und zu beschließen. Gerade beim Festlegen der Gesetze, mit denen der Friede gesichert werden würde, war es eine gute Vorraussetzung, wenn alle Völker daran beteiligt waren, denn so würden sie auch mehr Wert darauf legen, für das Einhalten dieser Gesetze zu sorgen. Sicher besaß Aragorn genug Macht, um die Gesetze alleine zu bestimmen und niemand würde es wagen, sich seinem Willen zu widersetzen. Er hatte in den Schlachten seine Stärke bewiesen, im letzten Jahr durch weise Entscheidungen den Respekt der Völker erlangt, und doch wählte er bewusst diesen Weg, um auch den geringsten Unmut einiger Stämme zu vermeiden.
Ja, dachte Aragorn. Er besaß Macht, genug, um durch geschickte Schachzüge die Herren der Völker so zu manipulieren, dass sie nach seinem Willen handeln würden, doch dieser Gedanke war ihm zuwider. Er wollte eine ehrliche Herrschaft, die sich auf verlässliche Gesetze stützen konnte, sodass seine Kinder niemals in die Lage gerieten, ein Schwert in die Hand zu nehmen und so wie er gegen eine Bedrohung in den Krieg ziehen zu müssen.

Ein leises Klopfen an der Tür veranlasste Aragorn dazu, den Kopf zu heben und nach seiner Aufforderung steckte Bergil den Kopf zur Türe herein. Nachdem Aragorn den Thron bestiegen hatte, hatte er den Jungen als seinen Knappen in seine Dienste genommen und er leistete gewissenhaft seine Dienste und Aufgaben, die ihm von Aragorn und auch Arwen zugetragen wurden. Er war ihnen Beiden schon nach kurzer Zeit ans Herz gewachsen, denn er war offen, ehrlich und hilfsbereit, was ihn jedoch nicht davon abhielt, auch jede Gelegenheit zu nutzen, um den übrigen Bediensteten einen Streich zuspielen. Jetzt stand aber Entschlossenheit auf seinem Gesicht und noch eher er ein Wort sagen konnte, hob Aragorn beschwichtigend die Hände.
"Ich weiß, ich weiß! Ich habe das Mittagsmahl verpasst und bin schon fast zu spät zum Abendessen, und meine Gemahlin wird mich fesseln und knebeln und zum Essen zwingen, wenn ich nicht umgehend mitkomme." Er lächelte Bergil zu und erhob sich und legte sorgfältig den angefangenen Brief beiseite, während Bergil ihn mit kindlicher Strenge rügte.
"Ihr habt nicht einmal genug Fleisch auf den Knochen, um das Interesse eines verhungernden Warg zu erregen, Herr!"
Aragorn unterdrückte ein herzliches Lachen, dass Bergil ihm gewiss verübelt hätte und begegnete seinem Blick mit bemühter Ernsthaftigkeit.
"Bergil, wenn du und meine Frau endlich damit aufhören würdet, mich zu behandeln, wie ein zerbrechliches Ei! Sehe ich in euren Augen so zart und kränklich aus?"
Bergil zuckte die Schultern. "Frau Arwen wird nicht erfreut darüber sein, wenn ihr auch noch das Abendmahl versäumt."
Aragorn unterdrückte wieder ein Lachen, denn ein Großteil von Bergils Äußerungen drehte sich immer um Arwen und es war nicht schwer, den Grund dafür zu erkennen. Aragorn billigte diese Zuneigung, die Bergil für Arwen empfand – er selbst hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt. Sein Knappe war davon überzeugt, es wäre ein Geheimnis, dass er seine Herrin anbetete und Arwen ging perfekt mit ihm um, mal etwas spielerisch wie mit einem jüngeren Bruder und mal mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und dem Vertrauen, die einem Knappen angemessen war.
"Schon gut.", lenkte Aragorn ein. "Ich wünsche ein Bad, mein Abendessen und meine Gemahlin – in dieser Reihenfolge."
Der Junge grinste ihn an. "Dann kommt meine Herrin erst an dritter Stelle?!"
"Wenn sie keinen schmutzigen, übellaunigen, hungrigen Ehemann wünscht, dann ja!"

Eine halbe Stunde später begab sich Aragorn, sauber und in eine seidenen Robe gekleidet, in seine privaten Gemächer, die er zusammen mit Arwen bewohnte und fand seine Frau an einem gedeckten Tisch vor. Sie lächelte ihm liebevoll zu und reichte ihm einen Kelch Wein, als er sich an ihre Seite setze und den Stapel Papiere auf dem Tisch ablegte, den er nach dem Bad aus seinem Arbeitszimmer geholt hatte.
"Wie ich sehe, findest du selbst zu dieser Stunde wieder einmal kein Ende! Mir was beschäftigst du dich diesmal, dass es nicht einmal Zeit hat, um bis nach dem Abendessen zu warten?"
Während sie ihr Mahl begannen, berichtete Aragorn ihr von seiner Idee des Helkaannon, bei dem jedoch nicht nur über Gesetze und Streitigkeiten beratschlagt werden sollte, sondern auch allen Völkern die Gelegenheit geboten werden sollte, auf einem Markt ihre Waren und verschiedenen Handwerkskünste anzubieten und so den Handel untereinander zu fördern. Außerdem sollten auch verschiedene Wettkämpfe und ein kleines Fest stattfinden, um auch für die Unterhaltung zu sorgen, um so die Freundschaften unter den Völkern zu verstärken. Aragorn berichtete Arwen so voller Eifer, dass diese ihn immer wieder ans Essen erinnern musste, dass mittlerweile schon kalt geworden war, doch seine Begeisterung steckte auch sie an.
"...und damit sich niemand durch die Festung von Minas Tirith eingeschüchtert fühlt, möchte ich das Ganze an den Grenzen zu Isengard veranstalten. Niemand soll ein direktes "Heimrecht" haben und alle werden in Zelten wohnen, während das Helkaannon stattfindet."
Arwen nickte zustimmend und nachdem sie den halbleeren Teller von Aragorn mit hochgezogenen Brauen zur Seite geräumt hatte, machten sie sich zusammen daran, den Brief zu beenden und die Schreiber damit zu beauftragen, ihn für alle Vertreter der Völker anzufertigen.

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Aragorn hatte beschlossen, weit weniger aufwendig zu reisen, als es seinem Stand angemessen war, denn er fühlte sich weitaus wohler, je einfacher alles um ihn herum gehandhabt wurde. Als Waldläufer hatte er ständig unter freiem Himmel geschlafen und sich in den Natur alles besorgt, was er zum Leben benötigte. So erstreckte sich die Schlange aus Dienern, Gepäckwagen und Wachleuten nur eine halbe Länge hinter ihm und Arwen und das Lager ließ sich zur Rast schnall aufschlagen und am Morgen wieder rasch abbrechen. So würden sie weitaus schneller in Isengard eintreffen. Die Reisegruppe hatte sich schon am ersten Tag dreigeteilt: an der Spitze ritten er und Arwen, zusammen mit Faramir und Eowyn und ihren Gefolgsleuten, darunter Bergil, dann folgten die Bediensteten und schließlich die Gepäckkarren mit den Wachmännern um sie zu beschützen. Schutz war hier in Rohan eigentlich nicht von Nöten und die Wachleute spannten nur ihre Bögen, um für das abendliche Lagerfeuer eine Beute zu jagen.
Aragorn genoss das schlichte Vergnügen des langen Rittes bis Isengard, die weite Landschaft breitete sich friedlich vor ihnen aus und niemand behelligte ihn mit schwerwiegenden Entscheidungen oder den gespielten Höflichkeiten. Arwen und Eowyn plauderten fröhlich miteinander und Faramir erwies sich als hervorragender Gesellschafter an seiner Seite, der ebenfalls seine große Vorliebe für das Leben in der freien Natur teilte und sie tauschten ihre Kenntnisse miteinander aus.
Alle Vier wurden aber auch von der Vorfreude beherrscht, endlich ihre Freunde wieder zu sehen. Frodo und Sam würden als Vertreter der Hobbits anwesend sein und natürlich hatten es sich Merry und Pippin nicht nehmen lassen, die beiden zu begleiten. Legolas würde seinen Vater, Celeborn und Elrond begleiten, Gimli kam als Fürsprecher des Zwergenvolkes aus Erebor und Gandalf als der Istari. Eowyn freute sich besonders auf das Wiedersehen mit ihrem Bruder Êomer und richtete sich immer wieder voll Ungeduld im Sattel auf und richtete den Blick in die Ferne, in der Hoffnung, Isengard endlich vor sich auftauchen zu sehen.

Aragorn hatte eine beträchtliche Menge von Völker geladen, fast alle Stämme der Menschen, acht Vertreter der Zwerge und mit ihren Freunden der Elben und Hobbits würden alleine beim Rat dreiundzwanzig Vertreter der freien Völker anwesend sein und über die Gesetze von Mittelerde verhandeln. Mit den Begleitern, Bediensteten und den Händlern würde sich vor Isengard ein beträchtliches Lager aus Zelten und Ständen bilden, dass von einer Vielzahl von Farben bestimmt werden würde, denn viele Städte pflegten ihre Zelte in den Farben der Wappen anzufertigen, hinzu kam auch die Vielfalt der Völker, die nicht weniger bunt ausfallen würde.
Die Stände würden mit den verschiedensten Waren bestückt sein, Stoffe, Glas und Kristall, Backwaren und andere Köstlichkeiten, Wein aus verschiedenen Ländern, Schmuck, Waffen oder auch Spielzeuge.

Als sie am vierten Tag endlich ihr Ziel erreichten, standen schon viele Zelte auf den freien Feldern vor Isengard bereit, doch es war deutlich zu erkennen, dass Êomer dafür gesorgt hatte, dass alles wohlgeordnet und gut durchdacht aufgebaut worden war, um ein Chaos zu vermeiden. Ein riesiges Zelt erhob ich in der Mitte des Lagers, um als Verhandlungsort zu dienen und um diesen Platz herum, ordneten sich mit einigen Abständen die Wohnzelte. Im Schutz der Felsen schmiegten sich die Marktstände an und in der Nähe von Isengard war ein großer Platz abgesteckt worden, auf den sich an einem Mast bereits das Wappen von Gondor befand, gleich neben den Zelten von Rohan.
Die Bediensteten errichteten in unglaublicher Geschwindigkeit das riesige Zelt von Aragorn und Arwen und auch die übrigen, kleineren Zelte, sowie das Zelt von Faramir und Eowyn wuchs erstaunlich schnell und mit geübten Händen.
Aragorn überließ alles vertrauensvoll seinen Leuten und schlenderte zusammen mit Faramir, Eowyn und Arwen durch das Lager, um Êomer zu suchen. Sie fanden ihn bei seinem Zelt, wo er immer noch einigen Bediensteten Anweisungen erteilte, um die Neuankömmlinge an ihre eingeteilten Plätze zu weisen.
Als Eowyn ihn erblickte, löste sie sich von Faramirs Seite und stürmte ihm freudig entgegen.
"Êomer! Êomer!", rief sie schon von weitem und ihr Bruder konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen, als sie sich ihm stürmisch in die Arme warf. Die übrigen Begrüßungen vielen weniger schwungvoll aus, doch die Freude über das Wiedersehen stand allen im Gesicht und bald saßen sie in dem kühlen Zelt des Herrn der Rohirim und waren in Gespräche vertieft.

"Was gedenkst du zu tun, wenn alle geladenen Vertreter der Völker in Isengard eingetroffen sind?", richtete sich Êomer an Aragorn, der mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden saß und genüsslich an seiner Pfeife zog. Niemand hätte ihn in diesem Augenblick für den König Gondors gehalten, wie er dort mit halb aufgeschnürter Tunika zwischen seinen Freunden saß und es einfach genoss, er selbst sein zu können. Er sah zu Êomer auf und lächelte ihn verschwörerisch an.
"Nun, auf dem Rat werden wir wohl auch in gewisser Weise die ein oder andere Schlacht zu schlagen haben – aber mit Worten! Sicher wird es lange Diskussionen geben, bis man sich auf einen Entschluss geeinigt hat! Gerade zwischen Elben und Zwergen wird es schwierig werden, aber ich fürchte, auch die Stämme der Ostlinge, Haradrim und Variags werden ihre Differenzen offen austragen und versuchen, sich gegeneinander auszuspielen. Es wird auf jeden Fall sehr interessant werden!"
Êomer schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte sich Aragorn nur auf diese endlosen Diskussionen freuen? Er verstand immer noch nicht, wieso er nicht einfach die Gesetzte selber festlegte und lediglich dafür sorgte, dass diese eingehalten wurden. Aragorn sah die Zweifel im Gesicht seines Freundes und klopfte ihm auf das Knie. "Mach dir nicht zu viele Gedanken! Ich bin sicher, dass sich alle einigen werden und mit dem Ergebnis zufrieden sein werden. Sicher muss jedes Volk auch Kompromisse eingehen, aber es wird der erste Schritt zu einem friedlichen Miteinander sein."
"Du bist sehr zuversichtlich, Aragorn. Aber nicht jeder hat so edle Gedanken und Ansichten wie du und ist bereit, das ein oder andere Opfer zu bringen. Wir sollten dennoch wachsam und aufmerksam sein! Ich habe bei einigen kein gutes Gefühl..."
Êomer hielt Aragorns Blick eindringlich fest, bis dieser ihm freundschaftlich zunickte.
"Ich verspreche dir, dass ich ebenfalls aufpassen werde – auch wenn ich denke, dass alle aus den Zeiten des Ringkrieges gelernt haben."
Êomer seufzte. Mehr konnte er bei Aragorn nicht erreichen, dass wusste er und er konnte seinen Wunsch nach Frieden nur zu gut verstehen. Er wusste, dass Aragorn sich mit der Macht, die ihm gegeben war, nicht sonderlich wohl fühlte und sie auch nie rücksichtslos missbraucht hätte. Einen besseren König konnte sich ein Volk nicht wünschen – doch es gab auch genug Bewohner Mittelerdes, die ihm diese Macht neideten und sie nur zu gerne an sich reißen würden, um sie schamlos zu missbrauchen.

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In den folgenden Tagen erreichten auch die letzten Vertreter der freien Völker das riesige Lager, dass sich nun eindrucksvoll ausdehnte. Fast hatte es die Größe einer kleinen Stadt erlangt, denn viele hatten die Gelegenheit genutzt und hatten ihre Familien mitgenommen und so drängten sich nicht nur auf dem kleinen Marktplatz die Menschen, Elben und Zwerge, sondern auch zwischen den Zelten herrschte reges Treiben.
Frodo und Sam zügelten ihre Tiere und blieben, von dem Anblick überwältigt, auf der Spitze des kleinen Hügels stehen. Hinter ihren kämpften sich Merry und Pippin mit ihren Ponys den Berg herauf, wobei sie leise vor sich hin fluchten, denn es hatte in der Nacht geregnet und der Pfad hatte sich als äußerst rutschig erwiesen, sie waren dreckig, durstig, hungrig und bis auf die Knochen durchgefroren.
"Was ist?", schimpfte Pippin. "Warum haltet ihr an? Ich will endlich ins Warme und einen heißen Topf Suppe und einen Humpen Bier, um ..."
Als er jedoch neben Sam stehen blieb und das Lager erfasste, war auch er sprachlos. Nach einigen Minuten tauschten die Hobbits erfreute Blick, als der Duft von vielerlei Speisen zu ihnen heraufdrang und trieben die Ponys lächelnd den Hügel herunter.
Sie hielten sich immer auf das Wappen Gondors zu, denn sie vermuteten zu Recht, dass sich ihre Freunde sicher bei Aragorn versammeln würden und Aragorn hatte ihnen außerdem mitgeteilt, dass er dafür gesorgt hatte, ein Zelt für die Halblinge neben dem seinen errichten zu lassen.
Als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnten, tauchte endlich das große Zelt vor ihnen auf, in dem Aragorn und Arwen wohnten. Es stand etwas abseits der übrigen Zelte, umringt von den Farben Rohans und Ithiliens und gedämpft erklangen Stimmen aus den schweren Stoffbahnen, die Wind und Regen abhielten, aber auch die Hitze der Frühlingssonne, die schon wieder zwischen den verziehenden Wolken hervorbrach.
Frodo trat, nachdem die Hobbits ihre Ponys ordentlich festgebunden hatten, vor den Wachmann Gondors, der vor dem Zelteingang Posten bezogen hatte und sah selbstsicher zu ihm auf.
"Meldet König Elessar bitte die Ankunft der Halblinge aus dem Auenland.", forderte er den Krieger höflich auf, der sich augenblicklich in Bewegung setzte und im Inneren verschwand. Nur einen Moment später wurde der Stoff beiseite gerissen und Bergil stürmte auf die Hobbits zu, der vor allem Pippin stürmisch begrüßte. Dieser musterte seinen Freund kritisch.
"Wie ich sehe stehst du in Aragorns Diensten! Und wie groß du geworden bist! Kaum zu glauben!"
Bergil wurde vor Verlegenheit rot, doch dann fand er seine Haltung wieder und schwellte stolz die Brust.
"Ich bin der Knappe seiner Majestät und der hohen Frau Arwen! Sie erwarten euch schon und ich habe den Auftrag, euch sofort nach eurem Eintreffen zu ihnen zu bringen!", verkündete er mit aller Ernsthaftigkeit und Würde. Die vier Hobbits verkniffen sie ein Lachen und ließen sich dann von Bergil führen.
Das Innere des Zeltes erwies sich als größer als erwartet und obwohl sie wussten, dass Aragorn auf übermäßigen Luxus verzichtete, so waren sie über die Gemütlichkeit erstaunt, die hier herrschte. Einfache Teppiche dämpften ihre Schritte und das weiche Licht des Tages viel durch Öffnungen in den Raum, der vor ihnen lag. In der Mitte stand ein runder Tisch, umringt von Stühlen, im hinteren Teil erkannten die Hobbits ein großes Lager aus Fellen und Kissen, abgetrennt durch einige Stoffbahnen, die jetzt etwas zur Seite gezogen waren und ein etwas größerer Tisch stand dicht bei einer der Öffnungen und war mit Papieren überhäuft – sicher konnte Aragorn selbst hier nicht mit der Arbeit aufhören. Auf einem kleinen Tisch standen Kelche und Karaffen, und was die Hobbits besonders erfreute, auch eine Schüssel mit dampfender Suppe und eine Schale mit Gebäck.

Bergil löste sich neben ihnen und ging mit erhobenem Haupt auf die Gruppe Freunde zu, die um den Tisch saßen und das Eintreten der Hobbits noch gar nicht bemerkt hatten, so vertieft waren sie in ihre Unterhaltungen. Frodo sah mit Freude, dass alle anwesend waren, selbst Gandalf saß bereits neben Aragorn, dem Bergil jetzt vorsichtig auf die Schulter klopfte.
"Herr! Die Halblinge sind eingetroffen, soll ich..."
Weiter kam er jedoch nicht, denn augenblicklich verstummten die Gespräche am Tisch und Aragorn erhob sich mit einem Lächeln.
"Frodo, Sam, schön euch endlich bei uns zu haben! Merry, Pippin – seid ihr etwa schon wieder gewachsen?!?"

Nachdem sie sich alle ausgiebig begrüßt hatten, beeilte sich Bergil, die heiße Suppe aufzutragen und Aragorn entließ ihn fürs Erste, damit er sich mit den anderen Knappen die Zeit vertreiben konnte. Gimli musste sich mächtig anstrengen, damit er mit dem großen Appetit der Hobbits mithalten konnte und Legolas stieß seinem Freund mit dem Ellenbogen in die Seite, weil er dabei so fürchterlich schmatzte, dass er alle anderen Geräusche übertönte.
Gandalf beobachtete amüsiert die vier Hobbits und forderte schließlich: "Wenn ihr noch Zeit findet, würde ich gerne wissen, wie es euch auf dem Weg hierher so ergangen ist!"
Abwechselnd begannen sie zu berichten und bald mischten sich auch verschiedene Erlebnisse des vergangenen Jahres in die Erzählungen, sodass die Zeit viel schneller verstrich als erwartet.
Aragorn räusperte sich schließlich und erhob sich von seinem Stuhl.
"Es tut mir leid, euch jetzt schon verlassen zu müssen, aber ich habe noch einiges für die erste Sitzung des Rates morgen vorzubereiten. Bergil wird euch euer Zelt zuweisen, damit ihr euch ausruhen könnt und euch mit allem Nötigen versorgen."
Aragorn drückte Arwen noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und verließ dann die heitere Runde, doch es dauerte nicht lange, da zogen sich auch Legolas und Gimli, sowie Eowyn und Faramir zurück. Alle hatten noch eine Menge vorzubereiten und schließlich reckte sich Sam und gähnte herzhaft.
"Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich könnte ein wenig Mittagsruhe ganz gut vertragen. Außerdem müssen auch wir noch unsere Sachen in das Zelt bringen und die Ponys versorgen!"
So brachen auch die übrigen Freunde auf und trafen die letzten Vorbereitungen für den ersten Tag des Helkaannon.

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Erst als es längst dunkele Nacht war, kehrte Aragorn in sein Zelt zu Arwen zurück, die gerade das Wort an Bergil gerichtet hatte, der eifrig damit beschäftigt war, sich in seinen Mantel zu hüllen.
"... und sieh auch im Versammlungszelt nach. Sicher brütet er dort noch über die verschiedenen Gesetze nach, über die er morgen verhandeln möchte. Lass dich nicht mit einer Ausrede wie: ich komme ja gleich... vertrösten, sondern bestehe darauf, dass er endlich herkommt und etwas isst. Du weißt ja wie er ist!"
"Ja!", antwortete Aragorn anstelle von Bergil vom Eingang her. "Wir wissen alle wie ER ist! Danke Bergil, du kannst jetzt endlich zur Ruhe gehen. Und Bergil? Lass dir das eine Leere sein und suche dir nie eine Frau, die nicht davon überzeugt ist, dass du alt genug bist, um auf dich selber acht zu geben." Dabei lächelte er Bergil müde zu.
Der Knappe zog den Mantel fester um seine Schultern und grinste Aragorn an. "Ich werde versuchen, euren Rat zu beherzigen, wenn es soweit ist, Herr!", dann verließ er das Zelt.
Aragorn schnaubte gespielt und wandte sich dann Arwen zu, die ebenfalls ein Lächeln auf ihren Lippen hatte.
"Wenn du so weiter machst, wird er mich bald keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, Arwen.", neckte er seine Frau, doch dann zog er sie zu sich heran und schloss sie zärtlich in die Arme. "Ich verspreche dir, dass, wenn das alles hier vorbei ist, wir nach Hause heimkehren können und ich mich bessern werde! Wenn erst einmal der Friede herrscht, wir in Ruhe leben können und ich in der Lage bin, mein Schwert für immer zur Seite zu legen, dann werde ich keine Mahlzeit mehr versäumen."
Arwen lachte in seinen Armen auf.
"Versprich keine Dinge, die du doch nicht halten kannst! Für einen König wird es immer etwas zu tun geben und wenn diese Sache hier hinter uns liegt, dann werden andere Dinge deine Aufmerksamkeit verlangen!"
Er schob sie ein Stückchen von sich ab und umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen. "Was habe ich nur für eine kluge, weise Frau!", murmelte er leise und ließ sich dann von ihr zu dem gedeckten Tisch herüber ziehen.