Rohan.

Wenn ich an dieses Land denke, sein Name irgendwo geschrieben lese oder gesprochen höre, dann rührt sich etwas in meinem Herzen, damals wie heute.

Damals, nach diesem bestimmten Tag vor acht Jahren, war es ein wildes, freudiges, ja beinahe euphorisches Herz gewesen, das bei dem Gedanken an dieses verbündete Reich – bei dem Gedanken an dich – überschäumen wollte vor Hochgefühlen und Hoffnung. Wochen, Monate, Jahre verstrichen, und der einstige Rausch, der mich früher noch fest in seiner Gewalt gehalten hatte, ermattete zunehmend. Schließlich war die Glut erloschen, und selbst der Kummer und die Depression, die sich danach wie eine erdrückende Klammer um mein Herz geschlossen hatten, erstarben mit der Zeit, und übrig blieb ein wohlig-warmes Gefühl der Erinnerung an Vergangenes, das von meinem Herz Besitz ergriff, wann immer Rohan sich einen Weg in meine Gedanken bahnte.

Bis heute.

Heute wird der Tag sein, an dem wir uns wieder begegnen sollen, du und ich… Und ich weiß nicht, was geschehen wird. Wie wirst du dich geben? Mir gegenüber? Ich schnaube leicht, mich selber rügend. Es ist nicht so unwahrscheinlich, dass du mich als das ansehen und behandeln wirst, was ich für dich bin… Ein Verbündeter im Krieg, nicht mehr und nicht weniger. Denn vielleicht erinnerst du dich schon gar nicht mehr an diesen Tag vor acht Jahren.

Was heißt Tag? frage ich mich selbst und lächele sanft, als Bilderfetzen deiner fassungslosen und naiven und doch so erwartungsvollen Augen, deiner unschuldigen und vor Lust leicht geöffneten Lippen, durch meinen Kopf huschen. Ich wünschte es wäre in der Tat ein voller Tag gewesen, den wir zusammen verbrachten, und nicht nur die leicht überschaubaren Minuten; aber nein, du warst jung, zu jung, und ich war wohl zu stürmisch, und diese flüchtige Begegnung zweier Söhne benachbarter Ländereien endete für dich ebenso heftig und rasch und plötzlich, wie sie angefangen hatte…

Einerseits bin ich froh, dass es nicht zu tieferen, innigeren Intimitäten kam, denn ich fürchte, ich hätte es im Nachhinein bereut. Du warst zwar durchaus kein Kind mehr, wenngleich auch noch nicht wirklich erwachsen, und ich begehrte dich, sehr sogar, aber du… in dir loderte viel mehr die frische und spontane Flamme der erwachenden körperlichen Gelüste und der jugendlichen Neugier, nicht aber etwas, das es gerechtfertigt hätte, dich mir vollends gefügig zu machen und dich für alle Zeiten mit einem Erlebnis zu brandmarken, welches dir im Endeffekt vielleicht mehr Leid als Vergnügen bereitet hätte. Vielleicht hättest du es gewollt – vielleicht aber wäre es selbst dann ein Fehler gewesen.

Ja, vielleicht erinnerst du dich nicht mehr daran, denn es war von kurzer Dauer, wenn auch von hitziger Intensität, und lange ist es her. Doch ich kann nicht vergessen… will nicht vergessen…

Und während ich mein Pferd zu den Toren Edoras' hochtreibe, werden die inzwischen stillen, distanzierten Empfindungen der verblassten Erinnerung an dich, Éomer von Rohan, wieder lebendiger, und von Neuem erhitzt sich die versengende Glut der Hoffnung, die ich für so lange erloschen geglaubt hatte.