Summary: Es braucht nur eine Jagt um alles zu verändern. Eine Jagt um alles zu zerstören.
Eine Jagt um … Aber ist am Ende wirklich alles völlig verloren? Limp/Sam Hurt/Dean WARNUNG: DEATH!FIC Merry X-Mas JeanyAlicia!!
A/N: Hallo ihr Lieben!!
Hier ist mein Weihnachtsgeschenk für mein wundervolles Beta-girl, Freundin und Co-writerin JeanyAlicia.
Ich hoffe du magst es, Sweetie! ;) Hab dich unglaublich dolle lieb!
A/N: Und bitte nicht Schießen! Ich bin lediglich nur der Überbringer! Sie hat sich einen Limp/Sam Death!Fic gewünscht. Ich bin also unschuldig! *rofl*
Warnung: Die Story spielt in Season 3, kurz vor 3x08 (A Very Supernatural Christmas) – ergo ist alles was bis dahin passiert ist, fair game!
A/N: Ein ganz großes Dankeschön an mein Beta-Girl Emerald Water, die sich trotz Zeitmangel die Zeit genommen hat und dies hier gebetat hat. Danke noch mal, Hon!
Alle Fehler die noch hier zu finden sind, sind ganz allein meine!
A/N: Ich hab keinerlei medizinisches Fachwissen. Alles was ich weiß kommt von Wikipdedia, vielen Arztserien, Hurt/Comfort-Fics und ein paar Erste-Hilfe-Kursen. Also entschuldigt bitte jegliche Fehler.
A/N: Leider gehört alles Kripke und nicht mir. Wäre es anders würde ich Jensen …. *grins* Aber leider gehört mir ja nichts. Zu doof! *sfz*
A/N: Ich hoffe, es gefällt euch trotz der Death!Fic-Sache. Über Reviews würde ich mich sehr freuen! *puppy dog eyes* ^^
Und nun viel Spaß beim Lesen!
Merry Christmas!!
Broken Wings
These broken wings can take me no further
I'm lost, and out at
sea
I thought these wings would hold me forever
And on to
eternity
And far away I can hear your voice
I can hear it in
the silence of the morning
But these broken wings have let me
down
They can't even carry me home
In broken dreams that keep me from sleeping
I remember all the
things I said
Well I've broken all the promises
I said I would
be keeping
They've gone, like leaves they fell
For it's so hard
when you're far away
All I needed was a shoulder I could cry
on
Now these broken dreams have woken me
My love, will you
carry me home
Broken Wings by Chris De Burgh
Broken Wings
Prolog
Der Wind war eisig kalt und schnitt unbarmherzig in seine Haut.
Doch Dean merkte nicht viel davon. Mit versteinerter Miene starrte er auf das schlichte Grab vor ihm, das auf einer kleinen Lichtung lag.
Der Schnee, der überall lag schimmerte in einem diffusen Licht in der zunehmenden Dunkelheit. Er stand in einem starken Kontrast zu dem grauen, immer dunkler werdenden Abendhimmel, der langsam in das Schwarz der Nacht überging.
Die Winterlandschaft wirkte trostlos und einsam – sie spiegelte genau das wider, was in seinem Inneren vor sich ging.
Seine Beine wollten ihn nicht länger halten und er sank vor dem Grab auf die Knie. Er spürte kaum die feuchte Kälte, die langsam durch den Stoff seiner Jeans kroch.
„Sammy." Der Name war kaum mehr als ein gebrochenes Flüstern.
Nicht noch mal. Das durfte einfach nicht sein. Er hatte nur ein Leben zu geben und dieses war schon für einen Höllentrip reserviert. Sollte letztendlich alles um sonst gewesen sein? Sollte er so sehr versagt haben?
Er hatte seine Familie im Stich gelassen. Er hatte Sammy im Stich gelassen. Und nichts in der Welt konnte ihn jetzt noch zurückholen.
Er hatte es versucht. Verdammt noch mal, er hatte es versucht, aber das Böse hatte seine eigenen Regeln und diese waren nie gerecht.
„Verdammt, wieso hast du nicht einfach noch etwas länger durchgehalten?!", schrie Dean. Er starrte mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut auf das Grab seines kleinen Bruders. Die Tränen, die er versucht hatte zurückzuhalten, flossen nun frei seine Wangen herunter, hinterließen heiße, salzige Spuren auf seiner blassen Haut.
Die Ärzte hatten ihn länger im Krankenhaus behalten wollen, doch er hatte stur drauf bestanden zu gehen. Nichts hätte ihn länger an diesem Ort gehalten. Was brachte es ihm, wenn sein Bruder nicht mehr …
„Sam, verflucht noch mal! Du kannst nicht so einfach gehen. Du kannst mich hier nicht einfach alleine lassen! Ich kann nicht …", seine Stimme versagte. Eine Jagd. Eine beschissene Jagd die ihm am Ende alles genommen hatte.
Seine rechte Hand kollidierte mit Wucht auf dem gefrorenen Boden. Sein linker Arm war immer noch taub vor Schmerzen, von der Anstrengung das Grab auszuheben. Die Wunde nach wie vor infiziert.
Feine Schneeflocken begannen vom dämmrigen Himmel zu fallen. Sie mischten sich mit den Tränen auf seinem Gesicht.
Es war egal – alles war egal. Ob hier oder dort spielte keine Rolle mehr. Hölle war jetzt überall. Wieso also nicht das ganze etwas beschleunigen?
Er spürte das Gewicht der 9mm an seinem Rücken. Der Druck beinahe neckend.
Dean konnte kaum noch das schlichte Holzkreuz durch den Tränenschleier sehen.
„Sammy…"
Aus einiger Entfernung konnte er eine Stimme rufen hören.
„Ben, warte – bleib hier!", hörte er Lisas Ruf. Kurz darauf spürte er eine kleine, warme Hand auf seiner Schulter.
Ben lehnte sich leicht gegen Dean, spürte ihn Zittern. Es machte dem Jungen Angst ihn so zu sehen. Dean war groß und stark – er sollte nicht Weinen.
Ben überlegte angestrengt wie er Dean helfen konnte. Seine Mom nahm ihn immer in den Arm, wenn er weinte. Er lehnte sich noch etwas dichter gegen Dean, in der Hoffnung, ihn so trösten zu können.
Der Junge hörte das leise Knirschen von Schnee, das mit den Schritten seiner Mom lauter wurde.
Lisa hockte sich neben ihren Sohn, bedacht drauf, nicht die ganze Zeit zu Dean zu starren.
„Ben, Baby, komm wieder mit zurück und lass Dean etwas Zeit für sich." Ihr Blick wanderte abwechseln zwischen Ben und Dean, der nach wie vor auf das Grab vor sich starrte, hin und her.
Die Miene des Achtjährigen wurde störrisch. „Nein.", widersprach er leise. Nein, sie konnten Dean jetzt nicht alleine lassen. Wenn er und seine Mom jetzt gehen würden, wer würde Dean dann trösten?
Lisa sah ihren Sohn streng an. Wieso musste er auch ausgerechnet die Sturheit seines Vaters geerbt haben?!
„Ist schon okay, Ben – geh mit deiner Mom.", erklang Deans raue Stimme. „Es ist kalt hier draußen und du sollst dich nicht erkälten. Und ich komm in einer kleinen Weile nach."
Ben sah Dean an, unsicher was er jetzt machen sollte, doch schließlich nickte er langsam.
Der ältere Winchester zauste Ben kurz die Haare. Er versuchte Lisa ein kleines Lächeln zu schenken, doch es misslang kläglich.
Dann war er wieder alleine in der Dämmerung.
Er konnte den Schmerz des Verlusts beinahe physisch spüren. Er konnte nicht Atmen – das Gefühl der Leere und der Schuld drohten ihn zu verschlingen.
Gott, vor einer guten Woche noch saß er zusammen mit Sam in seinem Auto. Und jetzt …
Kapitel 1
Circa eine Woche früher….
„Und was genau soll in Cicero sein?", fragte Sam skeptisch, seine Augen fragend auf Dean gerichtet. Es gab Momentan nur eine Sache auf die er sich konzentrieren wollte und das war seinen großen Bruder aus diesem scheiß Deal rauszuholen.
„Lisa sagte nur, dass in letzter Zeit immer mehr Leute in den Wäldern um Cicero rum verschwunden sind. Es gab bisher zwei Tote und fünf sind immer noch vermisst." Dean versuchte die Laune seines Bruders zu ignorieren. Seid dem Zwischenfall in Cold Oak und der ganzen Sache mit seinem letzten Jahr auf Erden war ihre Beziehung zueinander alles andere als einfach.
„Richtig.", kam die sarkastische Antwort. „Und du bist dir ganz sicher, dass da nicht wieder ein ‚letzter Wunsch' hinter steckt? Ich meine mich nämlich noch an das letzte Mal erinnern zu können."
„Ja, und da hat es sich auch um einen Fall gehandelt.", verteidigte Dean sich.
„Stimmt. Trotzdem – Alter, wenn du Lisa einfach nur wieder sehen willst, dann sag es einfach." Sam sah wieder aus dem Fenster an dem die graue Winterlandschaft vorbeirauschte. Seine Gedanken drifteten wieder zurück zu dem Deal und wie er eine Lösung dafür finden sollte.
„Sammy, ernsthaft, wenn's nur um Lisa und Ben gehen würde, würde ich nicht mit einem Fall als Ausrede ankommen um sie sehen zu können." Dean sah zu seinem Bruder rüber.
Sam kämpfte darum seine Miene ernst zu halten, doch seine Mundwinkel zuckten leicht.
„Naja, wäre nicht das erste Mal!"
Dean gab seinem kleinen Bruder mit gespielter Verletztheit eine Kopfnuss. „Ach halt die Klappe!"
Sam grinste und lehnte sich weiter im Sitz zurück. „Also, wie weit noch?"
Er war immer noch nicht so recht überzeugt davon, dass dies hier wirklich ein Fall sein könnte.
„Wenn die Straßen weiter so frei bleiben, dann noch ungefähr drei Stunden." Um seine Worte zu unterstreichen trat Dean das Gaspedal noch weiter durch.
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Knappe zweieinhalb Stunden später kam der Impala vor dem Haus der Braedens zum Stehen.
Sam zögerte kurz – sollte er mit reingehen, oder sollte er seinem Bruder etwas Zeit mit Lisa lassen?
So sehr Dean auch meinte es verbergen zu können, doch Sam wusste, dass sein Bruder Lisa mochte.
Deans Stimme ließ den jüngeren Winchester leicht zusammenzucken.
„Kommst du, oder ist dein Hintern am Sitz festgewachsen?"
Lisas Begrüßung war herzlich. Für Sam war es das erste richtige Treffen mit ihr.
„Hey Lisa.", grüßte Dean sie mit seinem Hunderttausendwatt Grinsen. „Das hier ist mein Bruder, Sam.", füge er hinzu.
„Hi.", grüßte sie Sam, welcher ihr freundlich zunickte. „Kommt rein, es ist asig kalt draußen." Sie machte den beiden Winchestern Platz um einzutreten.
Dean war keine fünf Sekunden im Haus, als ihm plötzlich etwas entgegengestürmt kam.
„Dean!" rief Ben aufgeregt und kam schlitternd vor dem älteren Winchester zum Stehen.
„Mom sagte, du würdest kommen!" Die Augen des Achtjährigen strahlten.
„Hey Ben." Dean wuschelte dem Jungen die Haare. „Wie geht's dir?"
„Gut. Dean, ich hab neue CDs die ich dir unbedingt zeigen muss!!" fuhr Ben atemlos fort und griff schon nach der Hand des älteren Hunters.
Sam und Lisa tauschten einen Blick, beide hatten sie ein Schmunzeln auf den Lippen.
Sam fand es erstaunlich, was für eine Wirkung sein Bruder auf Kinder hatte. Er war sich sicher, dass Dean ein guter Vater sein würde.
Dean befreite sich lächelnd aus Bens Griff und hockte sich vor den Jungen, sodass er mit dem Achtjährigen auf Augenhöhe war.
„Magst du sie mir etwas später zeigen? Deine Mom, Sam und ich müssen erst etwas besprechen.", erklärte er sanft und geduldig.
Sams Schmunzeln wurde breiter. Erinnerungen wie Dean diesen Ton in ihrer Kindheit benutzt hatte kamen zu ihm zurück. Und genau wie Sam damals verzog auch Ben enttäuscht das Gesicht.
„Es geht um die Vermissten, oder?", fragte der Junge und sah von einem Erwachsenen zum anderen.
Dean und Lisa wechselten einen kurzen Blick.
„Ich will auch dabei sein. Ich kann auch helfen!", schmollte Ben und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich weiß, dass du helfen kannst, Ben. Aber das hier ist ein bisschen zu gefährlich.", versuchte Dean zu erklären.
Die Enttäuschung war dem Jungen deutlich anzusehen.
„Ben, Baby, warum gehst du nicht nach oben und spielst etwas?", schlug Lisa vor. Ihr Ton sanft, aber bestimmend.
Bens Augen fingen an zu Schimmern mit aufsteigenden Tränen.
„Ben, warum suchst du nicht ein paar CDs zusammen, die wir uns nachher anhören können?", schlug Dean vor, in der Hoffnung den Jungen wieder etwas Aufzumuntern – und das mit Erfolg.
Ben strahlte den älteren Winchester an. „Wirklich?"
Dean nickte grinsend.
„Super!" Und damit war Ben auch schon polternd auf dem Weg die Treppe hoch in sein Zimmer.
Sam schaffte es gerade noch sein Lachen in ein Husten zu verwandeln. Ja, Dean würde mit Sicherheit ein guter Vater sein.
Lisa lächelte entschuldigend. „Ben ist sonst eigentlich nicht so – überschwenglich, aber-", ihr Lächeln wurde breiter. „- nachdem er mitbekommen hatte, dass ihr zwei kommen würdet war er nicht mehr zu halten."
„Mach dir keine Sorgen. Glaub mir, ich hab genügend Übung was kleine, bockige Jungs betrifft." Dean warf Sam einen grinsenden Seitenblick zu.
Sam rollte nur die Augen auf Deans Kommentar.
Lisa sah von einem zum anderen. Lachend schüttelte sie den Kopf. „Wollt ihr Kaffee?"
Beide Brüder nickten und folgten Lisa in die Küche.
„Also Lisa, was ist los?", fragte Dean, eine dampfende Tasse Kaffee vor sich auf dem Tisch.
„Du sagtest was von verschwundenen Wanderern?", schaltete sich jetzt auch Sam ein.
„Ja, das ist richtig." Lisa nickte und nahm ebenfalls mit einer Tasse Kaffee in der Hand platzt.
„Es geht schon seit Monaten, aber sieben Leute ist ein neuer Rekord." Sie nippte an ihrer Tasse.
„Was meinst du damit – es geht schon seit Monaten?", hakte Dean nach.
„Das erste Opfer ist glaub ich im Februar verschwunden. Man hat seine Überreste vier Wochen später gefunden." Lisa schauderte bei der Erinnerung.
„Und jetzt sind-", begann Sam.
„Sechs weitere verschwunden. Alle samt im letzten dreiviertel Jahr.", beendete sie seinen Satz.
„Ist das schon mal vorgekommen? Dies Verschwinden, meine ich." Dean musterte Lisa.
Sie schüttelte den Kopf, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne.
„Was?", fragten Sam und Dean gleichzeitig.
„Da war was. Ich glaub es war vor zwei Jahren im Sommer. Egal, auf jeden Fall gab es da auch eine Reihe von Vermissten. Ich weiß noch, dass ich Ben wochenlang nicht alleine draußen Spielen lassen hab."
„Weißt du irgendwas über die Opfer?", fragte Dean.
„Kanntest du vielleicht irgendjemanden davon?", fügte Sam hinzu.
Lisa schüttelte wieder den Kopf. „Nein. Ein paar der Opfer sind Touristen. Der Rest ansässig, aber niemand aus nächster Umgebung." Sie nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
„Warum denkst du, es könnte unsere Art von Fall sein?" Sam musste einfach fragen. Bis jetzt klang es in seinen Ohren noch nicht wirklich nach einem Fall.
Dean warf seinem Bruder einen bösen Blick zu.
Lisa spielte unbewusst an dem Henkel ihrer Tasse. „Ich weiß nicht.", gestand sie. „Die Polizei konnte seit Februar keine Erklärung finden und … und die Opfer die sie gefunden haben waren nur noch ein Haufen von Einzelteilen." Sie schluckte. „Ich dachte, vielleicht könnt ihr etwas finden, was die Polizei nicht kann."
Dean wollte gerade zu einer neuen Frage ansetzen, als jemand an seinem Ärmel zupfte.
Ben stand mit großen, erwartungsvollen Augen neben dem älteren Winchester.
„Hast du jetzt Zeit?"
Dean sah zu Sam, der darum kämpfte eine neutrale Miene aufzusetzen.
„Geh ruhig. Ich denke wir haben soweit alle Infos die wir brauchen.", erwiderte Sam grinsend.
Lisa verbarg ihr eigenes Grinsen in ihrer Kaffeetasse. Es war faszinierend wie vollkommen Ben Dean schon nach so kurzer Zeit akzeptiert hatte.
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Als sie Lisas Haus schließlich verließen war es schon dunkel, was jedoch Anfang Dezember um 6pm keine Seltenheit war.
Eine kalte Windböe ließ Sam frösteln und er zog seine Jacke enger um sich.
Er musterte Dean, während dieser auf die Fahrertür des Impalas zuging. Eine leichte Schneeschicht umhüllte die nachtschwarze Karosserie.
Da war ein Leuchten in den Augen seines großen Bruders, das Sam seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen hatte. Und doch auch eine tiefe Trauer.
Sam hatte Ben jetzt zum ersten Mal länger als nur fünf Minuten gesehen und er musste zugeben, dass es schon beinahe gruselig war wie sehr der Junge ihn an eine jüngere Ausgabe seines Bruders erinnerte.
Zweifel über Lisas Ehrlichkeit nagten an ihm. Aber warum sollte sie Dean verschweigen, dass Ben sein Sohn war?
„Willst du weiter Löcher in die Luft starren, oder bewegst du endlich deinen Hintern? Ich find's hier draußen nämlich definitiv zu kalt!", schnitt Deans Stimme durch seine Grübeleien.
„Ich komme, ich komme.", murmelte er und kletterte auf den Beifahrersitz.
Die Fahrt zurück in Richtung Motel war schweigsam. Beide Brüder hingen ihren eigenen Gedanken nach.
Kurz bevor sie das ‚Cicero Pines Motel' erreichten brach Sam schließlich die Stille,
„Ben scheint ein großartiger Junge zu sein.", begann er langsam. Er konnte das leichte Schmunzeln um Deans Mund herum sehen.
„Oh ja, das ist er. Lisa hat ihn gut erzogen." Ein leichter Unterton lag in den Worten, doch Sam konnte ihn nicht richtig deuten.
„Was ist wenn ….", begann er zögernd, stoppte dann aber, nicht sicher wie Dean auf die Frage, Lisa könnte trotz allem immer noch was Ben betraf gelogen haben, reagieren würde.
„Was ist wenn –was?" hakte Dean nach und warf seinem jüngeren Bruder einen kurzen Seitenblick zu.
„Nicht so wichtig, vergiss es." Sam beschloss diese Unterhaltung ein anderes Mal fortzusetzen.
Dean hob fragend eine Augenbraue und sah wieder zu Sam, welcher nachdenklich durch die Frontscheibe auf die verschneite Nachbarschaft hinaus sah.
„Sam?" Dean ließ nicht locker.
Sam blickte zu Dean hinüber. „Es ist nichts, lass es gut sein." Ein leicht genervter Unterton lag in seiner Stimme.
„Gut.", schoss Dean zurück.
„Gut.", erwiderte Sam und sah demonstrativ weiter starr aus dem Fenster.
Die Mundwinkel des älteren Winchester schossen in die Höhe zu einem Grinsen. In solchen Momenten konnte er die Fünfjährige Nervensäge in seinem kleinen Bruder nur zu deutlich wieder erkennen.
„Über was grinst du?", fragte Sam immer noch etwas gereizt.
Deans Grinsen wurde noch einen Tick breiter. „Bitch."
Sam rollte die Augen, antwortete aber ohne zu Zögern. „Jerk. Und zwar ein riesiger." Aber nun zuckte es auch um seinen Mund.
„Und trotzdem hast du mich gern." Dean lachte.
Sams einzige Antwort war ein leichter Schlag auf Deans Arm.
„Okay, ich verhungere. Lass uns erst was Essbares finden bevor wir zurück zum Motel fahren."
Der jüngere Winchester nickte, immer noch leicht vor sich hin grinsend.
Dean war froh seinen kleinen Bruder wieder etwas fröhlicher zu sehen. Diese ganze Dealgeschichte hatte ihr Verhältnis zueinander mehr als nur ein bisschen negativ beeinflusst. Nach wie vor fand er seinen Bruder tief schlafend vor dem geöffneten Laptop. Die Suchbegriffe immer wieder die gleichen … Deal … Crossroad Demon … Hölle …
Er wusste, dass es ein aussichtsloser Kampf war und selbst wenn Sam wirklich etwas finden sollte würde Dean das Risiko niemals eingehen und testen ob die Worte des Demons wahr waren. Himmel, sterben war das Letzte was er wollte, aber er würde es immer wieder tun. So lange es Sammy gut ging war es allen Ärger wert.
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Eine halbe Stunde später betraten beide Winchesters das Motelzimmer – beladen mit Fastfood-Tüten und einem Sixpack Bier.
„Also was denkst du, könnte da etwas in den Wäldern sein?", fragte Sam während er nach seinem Burger griff.
Dean hatte seinen ersten schon halb inhaliert und griff nach einer Bierflasche. Achselzuckend sah er seinen Bruder an.
Gerade als er zum Sprechen ansetzen wollte hob Sam warnend eine Hand. „Alter, kau erst bevor du redest!"
Dean rollte die Augen und verschlang den Rest seines Burgers zusammen mit einer halben Flasche Bier.
„Weiß nicht, Wanderer die einfach verschwinden, gar nicht mehr auftauchen oder nur Stückchenweise – klingt nach 'nem Werwolf. Oder vielleicht sogar 'nem Wendigo." Er griff nach seinem nächsten Burger.
„Der Mondzyklus würde nicht passen. Aber Wendigo …" Sam startete nachdenklich den Laptop und klickte sich Minuten später durchs Netz.
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Zwei Stunden später waren sie immer noch nicht wesentlich schlauer als vorher.
Dean blätterte zum zigsten Mal durch das Tagebuch ihres Vaters und Sam saß konzentriert über den Laptop gebeugt und starrte auf den leuchtenden Bildschirm vor ihm.
„Irgendetwas Neues?" Dean versuchte den Krampf in seinem Nacken und zwischen seinen Schulterblättern zu lösen.
Sam sah zu ihm hinüber und rieb sich die Stirn. „Nichts was uns wirklich weiterhelfen würde." Er seufzte und fasste die spärlichen Informationen die er gefunden hatte zusammen. Dass er nebenbei auch noch weiter an einer Lösung aus dem Deal arbeitete musste Dean nicht unbedingt wissen.
„Es hört sich nach einem Wendigo an. In den letzten fünfzehn Jahren sind insgesamt dreiundzwanzig Menschen verschwunden. Nicht mal die Hälfte davon hat man je wieder gefunden. Naja, wobei ‚gefunden' relativ ist – viel war nicht mehr da zum Finden. Die Polizei musste Zahnunterlagen prüfen um die Opfer identifizieren zu können."
„Na lecker.", kommentierte Dean trocken und holte zwei neue Biere, von denen er eins seinem Bruder reichte.
„Japp, das kannst du laut sagen." Sam hielt einen Augeblick nachdenklich inne. „Was mich an der Wendigoidee stört ist, dass es keinen Zyklus – ja eigentlich so gar kein Muster gibt. Jedes Jahr verschwindet der ein oder andere. Sollten diese Viecher nicht eigentlich nach 'ner ausgiebigen Mahlzeit ihren ‚Winterschlaf' halten?"
Dean zuckte die Achseln. „Ausnahmen bestätigen die Regeln. Vielleicht ist das Ding ja auf Koffein!?" er grinste.
„Ja, vielleicht." Sam kicherte und sah zurück auf seinen Bildschirm. „Hast du irgendwas in Dads Tagebuch gefunden?"
„Alles und nichts." Dean schmiss das Buch aufs Bett und begann langsam im Zimmer auf und ab zu laufen. „Werwolf schließt sich schon allein durch den nicht vorhandenen Mondzyklus aus." Er dachte kurz nach. „Vielleicht noch ein Chupacabra, aber da würde diese lange Zeitspanne wieder nicht passen – es sei dann das Vieh ist uralt … Hey, gute Frage, wie alt werden diese Dinger eigentlich?"
Sam schüttelte nur lachend den Kopf und hämmerte weiter auf der Tastatur herum.
Dean fuhr grinsend fort. „Wie auch immer – selbst wenn das Ding schon 'nen paar Jährchen auf dem Buckel hätte, wären es immer noch zu wenig Opfer pro Jahr."
Der jüngere Winchester nickte zustimmend, den Blick immer noch auf den Bildschirm gerichtet.
Dean trat langsam ans Fenster und sah hinaus auf die von einer leichten Schneeschicht bedeckte Umgebung. Seufzend sprach er schließlich Sams Gedanken aus.
„Sieht so aus, als ob wir morgen Wandern gehen müssten."
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„Gott, ich hasse Wandern!" grummelte Dean nun schon zum x-ten Mal. „Ich hasse Wandern und ich hasse Schnee!"
Sam rollte genervt die Augen. „Ich weiß – ich hab's schon die ersten hundertfünfzig Mal verstanden."
„Ich friere mir hier gerade Körperteile ab, die ich hundertprozentig noch brauchen werde!" Dean machte eine vielsagende Geste.
„Alter, bitte!" Sam versuchte die aufsteigenden Bilder in seinem Kopf zu verdrängen. „Außerdem warst du doch schließlich derjenige der uns hierher geschleift hat.", sprach er grinsend weiter.
„Ach, halt die Klappe! Außerdem konnte ich ja nicht wissen, dass wir den ganzen Tag durch Wälder und Wiesen stolpern würden." Dean wechselte das Gewicht des Duffel Bags von einer Schulter zur anderen. „Und dann auch noch ohne jede Spur.", fügte er frustriert hinzu. Sam blieb plötzlich stehen, sodass Dean seinen kleinen Bruder beinahe über den Haufen rannte.
„Du
hattest zumindest Recht was die Sache mit dem Fall betrifft. Wir
müssen eben nur noch etwas mehr suchen." Der jüngere Winchester
blickte hinauf zu den Fetzen grauen Himmels die zwischen den Bäumen
zu sehen waren. „Aber für heute sollten wir aufhören. Es wird
bald dunkel und der Impala ist gute zwei Stunden Fußmarsch von hier
entfernt."
Dean nickte zustimmend und scannte die Umgebung um
sie herum.
Sie standen auf einer kleinen Lichtung. Zu allen Seiten waren Bäume und Unterholz. Eine feine Schneeschicht bedeckte hier und da den Waldboden.
„Weißt du was mich an der ganzen Sache stört?", begann Dean und sah seinen Bruder an.
Sam schüttelte fragend den Kopf. „Was?"
„Wir haben soviel abgesucht, aber ich hab nicht eine Höhle, Mienenschacht oder sonst irgendetwas gesehen, wo ein Wendigo seinen Unterschlupf haben könnte. Nur Bäume, noch mehr verfluchte Bäume und freie Ebenen."
Sam musste seinem Bruder zustimmen. So groß und abgeschieden diese Wälder auch sein mochten, sie waren bei weitem kein Vergleich zu den tiefen und unübersichtlichen Wäldern um Blackwater Ridge.
Und der Wald war unglaublich still.
Die Schüsse kamen so plötzlich und überraschend, dass keiner der beiden rechtzeitig reagieren konnte.
Dean meinte ein gutes Stück vor ihnen Bewegung im Unterholz ausmachen zu können.
„Sam!", rief er panisch.
Er sah gerade noch wie sein kleiner Bruder mit einem gepressten Aufschrei zusammenbrach, dann traf auch ihn eine Kugel. Der Aufprall schleuderte ihn zurück und auf den unebenen Waldboden. Sein Hinterkopf kollidierte hart mit einem Baumstumpf.
Das letzte was Dean hörte war das schrille, irre Gelächter mehrerer Personen, das langsam leiser wurde – dann versank alles in Gefühlloser Dunkelheit …
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Bewusstsein kam langsam wieder zu Dean zurück.
Das erste was sein benebelter Verstand registrierte war das feucht-kalte Gefühl an seiner linken Schulter, das bei jedem Windstoß verstärkt wurde.
Moment – Wind? Seit wann war es in einem Motelzimmer windig?!
Mit einem Ruck riss er die Augen auf und starrte hinauf in einen verschwommenen, dunkler werdenden Himmel.
Die Schmerzen in seiner Schulter und in seinem Kopf schrieen um Aufmerksamkeit und Dean kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an, die immer präsenter wurde.
Doch dann drängte sich ein anderes Bild in den Vordergrund – Sammy!!
Panik und Adrenalin schossen unbarmherzig durch seinen Körper. Stöhnend setzte er sich auf. Das Rauschen in seinen Ohren wurde immer lauter und alles begann sich zu drehen.
Dean versuchte so tief und ruhig wie möglich zu atmen. Langsam, ganz langsam ebbte das Drehen ab und er konnte wieder etwas sehen.
Er paar Meter vor sich konnte er die dunkle, reglose Gestalt seines Bruders ausmachen.
„Sammy!" Bedrohlich wankend stolperte er zu Sam und fiel schwer neben seinem Bruder auf die Knie.
Sam lag halb auf der Seite, sodass Dean sein Gesicht nicht sehen konnte.
Er zögerte Sekunden lang und kämpfte um den Mut Sams Puls zu prüfen. Sein Bruder lag so unglaublich still da.
Seine Finger zitterten so sehr, dass Dean zwei Anläufe brauchte, bis er schließlich fand wonach er suchte. Aber die Erleichterung war nur kurzlebig. Den Puls den er unter seinen kalten Fingerspitzen spürte war zu schnell und zu schwach.
„Hey, Sammy.", versuchte Dean seinen kleinen Bruder zu wecken. Behutsam drehte er Sam auf den Rücken.
Das was er im schwindenden Licht des Tages sah, ließ ihn seinen Kampf gegen die Übelkeit verlieren.
Ungewollte Tränen rannen über seine Wangen während er ein schmerzhaftes Wiedersehen mit seinem Frühstück hatte. Erneute Schmerzen explodierten in seinem Kopf und in seiner Schulter und dann war da noch das eiskalte, bis ins Mark gehende Gefühl der Angst.
Das war nicht gut – ganz und gar nicht gut!
Schwankend kniete er sich wieder neben seinen bewusstlosen Bruder.
Sams Jacke war blutdurchtränkt, was in der zunehmenden Dämmerung beinahe Schwarz aussah.
Oh Gott, wenn es durch drei Kleidungsschichten sickern kann … Wie lange war ich bewusstlos?
Dean entfernte mit zitternden und von der Kälte tauben Händen eine Stofflage nach der anderen bis er schließlich das Ausmaß der Verletzungen sehen konnte.
Erneut spürte er wie bittere Galle in seine Kehle stieg und er schluckte schwer.
Ein stark blutendes, gezacktes Loch befand sich in Sams Oberbauch, ein weiteres in seiner rechten Brust ein Stück unterhalb seiner Schulter.
„Sam! Sammy, wach auf!" Dean rüttelte an seinem jüngeren Bruder. Er hörte Sam leise Stöhnen.
Mit einiger Anstrengung schaffte Dean es sich Jacke und Obershirt auszuziehen. Er musste Sam warm halten. Schock war eine sehr sichere Option und diese wollte er so lange wie möglich vermeiden.
Der Versuch seine Lederjacke um Sam zu legen brachte ein neues Stöhnen mit sich.
„Sammy? Hörst du mich? Komm schon, wach auf!" Er schlug leicht gegen Sams Wange, die Haut unter seinen Fingern kühl und feucht.
Scheiße, Schock hat bereits eingesetzt! Ich muss diese verdammte Blutung stoppen und er muss so schnell wie möglich in ein Krankenhaus!
Er presste das zusammengeknüllte Shirt auf die blutende Bauchwunde. Die eisige Dezembernachtluft schnitt in Deans ungeschützte Haut und ein Zittern durchlief ihn. Er biss die Zähne zusammen und versuchte weiter fieberhaft die Blutung zu stoppen.
„Sammy, du wirst sehen, wir kriegen dich schon wieder hin." Er wusste nicht, wen genau er beruhigen wollte.
Zum ersten Mal seid seinem Erwachen wurde ihm bewusst, wie ungeschützt sie hier waren.
Ohne den Druck auf der Wunde zu lösen angelte Dean nach dem Duffel Bag, der unweit von ihm entfernt lag. Seine linke Schulter protestierte dabei heftig. Doch schließlich erwischten seine Finger eine Stoffecke und zog ihn zu sich heran.
Neben den Waffen befanden sich auch noch zwei Taschenlampen und ein kleiner Erste-Hilfe-Kasten im Inneren des Duffels.
Dean griff nach einer der Taschenlampen und knipste sie an. Er bereute es in dem Moment, in dem der Lichtstrahl auf seinem kleinen Bruder landete.
Sams Gesicht war unglaublich blass, ein feiner Schweißfilm klebte vereinzelte Strähnen an seine Stirn.
Schmerzlinien waren deutlich im Gesicht des jüngeren Winchester zu sehen.
Dean ließ den Lichtkegel weiter nach unten wandern.
Die Verletzungen bei Licht zu sehen brachte beinahe wieder Galle in seinen Rachen.
Da er vorhin keine Austrittswunden gesehen hatte, mussten beide Kugeln noch stecken.
Aber das spielte gerade keine Rolle – was zählte war, dass er diese verfluchte Blutung stoppte und Sammys Hintern so schnell wie möglich zum nächsten Krankenhaus brachte.
Bevor Dean anfing Sams Verletzungen zu verbinden ließ er seinen Lichtstrahl über die Lichtung schweifen – aber alles schien ruhig zu sein.
Seid wann schießen Wendigos auf ihre Beute?!
So ein verdammter Scheiß. Wieso? Wieso mussten es von allen möglichen Monstern ausgerechnet Menschen sein? Höchstwahrscheinlich irgendeine Möchtegern-Inzest-Pseudo-Chainsaw-Massacre-Familie, die Spaß daran hatte Menschen zu jagen.
Sie waren schon einmal mit solchen Irren konfrontiert worden.
Ein Schaudern, das nichts mit der Kälte zu tun hatte, durchlief ihn. Das bedeutete, dass sie noch lange nicht außer Gefahr waren…
Plötzlich kam Dean eine Idee. Stumm seine eigenen Blödheit verfluchend griff er mit ungeschickten Bewegungen nach seinem Handy.
Seine Hoffnung sank, als er das ‚Netzsuche'-Symbol sah.
„Scheiße!", fluchte er aus vollem Herzen. Wieso sollte ein Winchester auch nur einmal Glück haben?!
Okay, okay, okay, ein Problem zurzeit. Zuerst die Blutung!
Einhändig durchwühlte er den Erste-Hilfe-Kasten nach den Verbandsrollen.
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Schmerzen, das war das Erste, was Sam spüren konnte.
Unglaublich starke Schmerzen, die von seinem Bauch und seiner Brust ausgingen und durch seinen ganzen Körper strahlten.
Und es war kalt – verflucht kalt.
Wo war er? Was war passiert? Und wieso tat alles so verdammt weh?
Ein Zittern durchlief ihn, dass die Schmerzen noch zu intensivieren schien – falls dies überhaupt noch möglich war.
Ein metallischer Geschmack lag auf seiner Zunge.
Dean! Wo war Dean? Dean würde die Schmerzen besser machen – er würde auf ihn aufpassen.
Sam keuchte gequält. Der Schmerz in seinem Bauch wurde heftiger – da war ein Druck, der unbarmherzig auf seine Verletzung drückte.
Dean! Wo zum Teufel war sein großer Bruder? Wieso ließ er zu, dass ihn jemand quälte?
Panik durchlief ihn.
Was wenn Dean verletzt war? Was wenn er….?
Er wollte sich aufsetzen, doch alles war stockdunkel und die Schmerzen waren kaum noch auszuhalten.
Sam schnappte nach Luft. Wieso war das Atmen so schwer? Sollte es nicht das leichteste der Welt sein?
Dean?! Wo war sein Bruder?
„D'n …" Es war kaum mehr als ein Hauch.
Sam spürte einen leichten Druck an seiner Wange – eine Hand die ihm Haare aus der Stirn strich. Instinktiv lehnte er sich in die Berührung.
Dean war hier. Jetzt würde alles gut werden.
Der beruhigende Klang der Stimme über ihm wurde zu Worten.
„… Augen aufmachen?"
Sam runzelte verwirrt die Stirn. Er hatte sie doch schon längst offen – oder nicht?
Er hätte nie gedacht, dass der simple Versuch die Augen zu öffnen so anstrengend und qualvoll sein könnte, aber schließlich schaffte er es sie einen Spalt breit zu öffnen.
Über sich konnte er verschwommen das Profil seines großen Bruders erkennen. Doch immer noch war es zu dunkel und von irgendwoher kam ein komisches Licht.
Sam blinzelte ein paar Mal müde. Er verstand nicht wo er war und wie er hierher kam und vor allem nicht, warum ihm alles so verdammt wehtat.
Die unbekannte Lichtquelle erhellte Deans Gesicht.
Sein Bruder war bleich und zitterte, seine Gesichtszüge voller Sorge und … Sam blinzelte erneut – Angst?
„De…an...?", flüsterte er angestrengt. Das Atmen tat weh und die Schmerzen die durch seinen ganzen Körper zu fließen zu schienen, nahmen ihm den letzten Rest Atem.
„Sammy?! Hey, Gott sei Dank, du bist wach!" Dean sah auf seinen kleinen Bruder hinunter, erleichtert die Augen auf Halbmast zu sehen.
Er hatte so gut es ging Druckverbände angelegt, die fast das gesamte Verbandmaterial im Verbandskasten aufgebraucht hatten.
Okay, die Vierundsechzigtausend-Dollar-Frage – wie kommen wir jetzt zum Impala?
Ein eisiger Windstoß ließ ihn Zittern.
Sams leises Murmeln brachte Deans volle Aufmerksamkeit zurück zu seinem kleinen Bruder.
„Dean … wa- s is- …. passie– rt?", keuchte Sam leise.
Dean sah im Schein der Taschenlampe einen roten Film auf Sams Zähnen. Ein kleines Rinnsal bildete sich in seinem rechten Mundwinkel. Er konnte das leichte Zittern seines Bruders fühlen.
„Wir jagen keinen Wendigo, sondern völlig durchgeknallte Menschen. Sie haben auf uns geschossen." Dean schluckte. „Und dich erwischt."
Ein Runzeln erschien auf Sams Stirn und Dean konnte sehen, dass er Probleme hatte die Informationen zu verarbeiten.
„Du musst noch ein bisschen durchhalten, Sammy, okay?! Wir kriegen das wieder hin. Ich pass auf dich auf, das weißt du."
Sam nickte kaum merklich. Die Aufgabe die Augen offen zu halten wurde immer schwerer. Alles begann zu verschwimmen.
Ein leichter Schlag gegen seine Wange brachte den jüngeren Winchester wieder zurück.
„Sammy, nicht Schlafen! Du musst wach bleiben! Denkst du, du kannst das für mich machen?" Deans Gesicht war ernst, die Worte sanft, aber eindringlich.
Sam bemerkte zum ersten Mal, dass sein Kopf und Oberkörper auf dem Schoß seines Bruders lagen.
„Hey, wie fühlst du dich?"
Großartige Frage, du Vollidiot! Als ob du's nicht wüsstest.
Aber Dean musste Sam wach halten. Immer noch rätselte er, wie sie zum Impala kommen sollten. Er konnte Sam nicht Tragen. Ein Rettungsgriff würde nur noch mehr Schaden anrichten. Und seinen Bruder hier alleine zurücklassen war so was von außer Frage!
„Tut … weh …" Riss Sams Flüstern ihn aus seinen Gedanken.
Dean musterte den jüngeren Winchester ernst. Sams Augen waren glasig vor Schmerzen und das Zittern war stärker geworden.
Sie mussten sich endlich Bewegen!
„Hey, denkst du, du kannst ein paar Tylenol schlucken?" Der ältere Winchester griff nach der fast leeren Dose mit Schmerztabletten und der halbvollen Wasserflasche die noch im Duffel Bag waren.
Sam nickte wieder leicht.
Dean half ihm die Pillen zu schlucken. Es sah schmerzhaft aus und er wünschte sich nicht zum ersten Mal mit Sam die Plätze tauschen zu können.
Nach dem Wasser und den Schmerztabletten schien Sam etwas mehr zu sich zu kommen.
„Dean?"
„Huh?" Dean stopfte einhändig die um ihn verteilten Sachen zurück in den Duffel.
„Du … blutest." Die Augen des jüngeren Hunters wurden immer größer und er versuchte sich Aufzusetzen, doch stechende Schmerzen verhinderten jede weitere Bewegung.
Dean hielt seinen Bruder an der Schulter fest.
„Woah, ganz ruhig, Tiger. Versuch durch die Schmerzen hindurch zu Atmen. Und es ist nur ein Kratzer. Ehrlich, ich merk's kaum." Es war eine Lüge, aber das musste Sam nicht wissen.
Dean holte tief Luft und sah seinen kleinen Bruder ernst an.
„Sammy, wir müssen zum Auto zurück. Es ist wichtig. Aber ich kann dich nicht Tragen. Denkst du, du kannst ein Stück laufen wenn ich dir helfe?"
Sam war sich ziemlich sicher, dass es nicht gehen würde, aber er konnte das stumme Flehen in den Augen seines großen Bruders sehen. Die Angst und die Sorge. Er musste es wenigstens versuchen. Langsam nickte er.
„Gut, sehr gut." Dean half Sam langsam in eine sitzende Position. Sam stieß vor Schmerzen zischend die Luft aus.
„Hey, ganz ruhig. Wir machen das ganz langsam. Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst, okay." Deans Stimme hatte etwas Beruhigendes.
Bilder aus ihrer Kindheit erschienen vor Sams geistigem Auge. Bilder von ihm und Dean bei ewigen Trainingseinheiten. Sein großer Bruder hatte diese Tonlage oft benutzt um ihn zu Motivieren und zu Ermutigen.
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„Sam? Sam, bist du noch da?"
Ein leichter Druck an seiner Schulter.
Sam blinzelte benommen. Er lehnte immer noch mit dem Rücken gegen Deans Brust.
„Ja.", murmelte er schließlich.
„Gut. Denkst du, du kannst jetzt Stehen, wenn ich dir helfe?"
Sam schluckte schwer, dann nickte er langsam.
Er spürte wie Dean sich hinter ihm bewegte und schließlich mit einem leisen Stöhnen aufstand. Kurz darauf fühlte er die Hände seines Bruders unter seinen Armen.
„Auf drei, okay? 1 … 2 … 3" Dean zog Sam auf die Füße.
Sam schwankte bedrohlich, doch schließlich schaffte der ältere Winchester es sich den gesunden Arm seines Bruders über die Schulter zu legen. So gut er konnte zog er seine Jacke fester um Sams zitternden Körper.
„Sammy, bist du noch da?" Dean keuchte unter dem Gewicht. Sam lehnte schwer auf ihm, was seine Schulter nur noch mehr schmerzen ließ.
Er musterte Sam von der Seite. Das Gesicht seines Bruders eine schmerzverzerrte Maske. Schweißperlen rannen seine Schläfen herunter und sein Atem kam in abgehackten flachen Stößen.
„Sam?" Dean griff mit seiner gesunden Hand eine von Sams Gürtelschlaufen um mehr Halt zu haben.
„ …. noch da…" Die Worte waren leise und angestrengt.
„Okay, und jetzt der nächste Schritt – Laufen."
„Wie … weit?", stöhnte der jüngere Hunter nach den ersten qualvollen Schritten.
„Nicht so weit."
Zwei Stunden Fußmarsch bis zum Impala … und das mit guter Kondition.
Dean bezweifelte, dass sie diese Strecke schaffen würden.
Wir müssen es wenigstens bis zu einer Stelle schaffen, wo ich Empfang habe …
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Der Weg zurück war schmerzhaft langsam.
Sams Schritte waren unkoordiniert und grenzten fast ans Stolpern.
Dean machte sich Sorgen um die Atmung seines Bruders. Es schien für Sam immer schwerer zu werden richtig Luft zu holen. Mit großer Wahrscheinlichkeit, und ihrem Hang dazu keine halben Sachen zu machen, konnte die Kugel eine Lunge erwischt haben.
Der Strahl der Taschenlampe tanzte über dunkle Bäume und dichtes Unterholz.
Dean fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Beide waren sie verletzt und er hatte keine freie Hand um schnell an seine Waffe im Hosenbund zu kommen.
Dean spürte wie immer mehr von Sams Gewicht auf ihm lastete.
„Sammy? Hey, noch da?", keuchte er. Er spürte, wie sein eigener Körper unter der Anstrengung und seinen eigenen Verletzungen langsam, aber sich er aufgab.
Nein! Erst musste er Sammy Hilfe besorgen!
Sams Kopf machte eine ruckartige Bewegung beim Klang der Stimme seines großen Bruders.
„Halt noch ein bisschen durch, Sammy. Noch ein bisschen länger." Dean verstärkte seinen Griff.
„'kay.", kam die gehauchte Antwort.
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Durchhalten. Er musste durchhalten.
Sams Beine wurden mit jedem Schritt schwerer. Er wusste nicht einmal mehr, ob er sie noch richtig Anhob oder nicht.
Die Schmerzen hatten ein völlig neues Level erreicht.
Ihm war kalt und es wurde immer schwerer einen klaren Gedanken zu fassen.
Er rang nach Atem. Es schien, als ob jemand ein schweres Gewicht auf seine Brust drückte.
Auch wenn Dean versuchte ruhig zu wirken, konnte Sam ohne Probleme die Panik hinter der Fassade sehen. Zudem wusste er, dass der ständig vorhandene metallische Geschmack in seinem Mund alles andere als gut sein konnte.
Was hatte Dean gesagt – Menschen?
Er verspürte den Drang zu Lachen. Am Ende starb er doch noch wie viele andere Zivilisten – durch die Hand eines anderen Menschen und nicht etwa durch etwas Übernatürliches.
Sterben. Der Gedanke machte ihm eine Heidenangst, doch auf der anderen Seite war es vielleicht die Lösung was den Deal betraf.
„Sammy, komm schon, noch ein bisschen weiter.", hörte er Dean sagen.
Er wollte es wirklich, aber er spürte wie seine Kraft beinahe aufgebraucht war und seine Beine unter ihm nachgaben.
„Sor…ry.", nuschelte er undeutlich.
„Woah, Sam!" Dean klang überrascht und panisch zugleich. Er versuchte soviel Gewicht wie möglich zu halten und so den Fall seines kleinen Bruders zu bremsen.
Vorsichtig lehnte er Sam gegen einen Baum.
„Sam! Hey, hörst du mich?" Dean versuchte die Angst zu vertreiben die einen eisernen Griff in seiner Brust hatte. „Sammy!" Er rüttelte härter an Sams gesunder Schulter.
„Komm schon! Nicht noch mal! Oh nein, du wirst nicht noch mal das Gleiche abziehen wie in Cold Oak.", flehte der ältere Hunter leise.
Sams Lider begannen zu flattern. Er stieß ein schmerzerfülltes, ersticktes Stöhnen aus.
„So ist's gut, Sam. Komm schon, kleiner Bruder, wach auf.", redete Dean weiter auf seinen Bruder ein, in der Hoffnung ihn so zu wecken.
Sein Magen zog sich noch enger zusammen. Sams Gesicht war fast weiß. Selbst seine Lippen schienen alle Farbe verloren zu haben, wenn man von dem Blut auf ihnen absah. Ein Schweißfilm lag auf seiner Stirn, obwohl die Temperaturen jetzt beinahe unterhalb des Gefrierpunkts lagen. Sein Zittern war stärker geworden. Atmung flach und abgehackt.
„Scheiße, er ist bereits in Schock."
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete Sam endlich die Augen.
„Hey, na, endlich wach?" Dean fakete ein Lächeln.
„…Auto?" Die Stimme des jüngeren Winchester war kaum mehr als ein raues Flüstern.
„Noch nicht ganz. Wir machen eine kleine Pause. Hey, Sammy, ich muss etwas Feuerholz suchen. Aber ich bin nicht weit weg, okay?!" Er versuchte die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Ein Feuer würde ihre Position verraten. Es würde aber auch Wärme spenden und er würde besser erkennen können, ob sie jemand angreifen wollte.
„….kay." Sam nickte und schloss wieder die Augen.
Der Knoten in Deans Magen wurde noch enger. Er musste Sammy endlich von hier weg und in ein Krankenhaus bringen.
Während Dean auf der Suche nach Feuerholz durchs unebene Unterholz stolperte, checkte er alle zehn Sekunden sein Handy, jedoch immer wieder mit demselben Ergebnis – kein Empfang.
„Verfluchte Scheiße!" Wie konnten sie nur in so eine Situation geraten?
Minuten später erkämpfte er sich einen Weg zurück zu Sam.
Kurz bevor er durchs Unterholz brach erfasste ihn eine heftige Welle von Schwindel. Das Holz entglitt seinen Händen und er taumelte Halt suchend gegen einen Baumstamm.
„Sonuva…" Dean rieb sich seine Stirn hinter der es rhythmisch zu seinem Herzschlag und seiner Schulter pochte. Das abkühlende Blut wie Eis auf seiner Haut.
Er zitterte heftig. Jetzt war er überzeugt davon, dass die Temperaturen unter Null liegen mussten. Und ein T-shirt war vielleicht nicht so effektiv gegen die eisige Dezemberluft.
Ein Kratzen machte sich in seinem Hals bemerkbar.
Der ältere Winchester versuchte seinen eigenen Körper zu ignorieren. Egal wie, er musste Sam zurück in die Zivilisation bringen - zurück zu Leuten die ihm helfen konnten.
Langsam und mit unsicheren Bewegungen sammelte er das Fallen gelassene Holz ein und ging zurück zu Sam.
TBC…..
Legende:
Bitch = hier: Miststück
Jerk = Idiot
Hunter = Jäger
Demon = Dämon
Crossroad Demon = Dämon, der an Kreuzungen heraufbeschworen werden kann und mit dir einen Deal macht.
Duffel Bag = Seesack
Michael Bay's Chainsaw Massacre = Horrorfilm
Sonuva… (Son of a Bitch) = Hurensohn
CPR = Herz-Lungen-Wiederbelebung
AMA = Auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlassen
