Kapitel 1
„Hast du heute Nacht einen Platz in deinem Sarg für mich frei?" fragte Vincent und legte verführerisch einen Arm um Herberts Hüfte.
Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit trat Herbert unwillig einen Schritt zur Seite und schüttelte den Kopf. Er stand an einem der hohen Fenster des Palastes und sah angespannt in die Dunkelheit. „Danach steht mir heute nicht der Sinn."
Vincent allerdings ließ sich so schnell nicht abwimmeln. Er fuhr mit seiner Hand etwas tiefer und streichelte über Herberts Hintern in der engen Lederhose. „Nun komm schon. Ich habe schon so oft nach den Bällen bei dir geschlafen. Willst du heute Nacht etwa alleine bleiben?" Ich werde dich darüber hinwegtrösten, dass Alfred mit dieser Sarah aus dem Schloss geflohen ist."
Das
waren die falschen Worte. Herbert blitzte ihn wütend an und
entzog sich ihm dann vollständig. „Hast du nicht mitbekommen,
dass mein Vater Sarah zum Vampir gemacht hat, bevor sie weggelaufen
sind? Rate mal über wen sie als erstes hergefallen sein
wird!"
Vincent zuckte ungerührt die Schultern. „Selbst
wenn es so wäre? Was kümmert es dich? Natürlich
verstehe ich, dass du enttäuscht bist, aber wie dein Vater immer
sagt: Ist ein Jahr mager ist das nächste Jahr reich . . ."
„Es geht mir nicht darum, dass sie es war, die ihn zum Vampir gemacht hat." Unterbrach Herbert ihn bissig. „Die Sonne wird bald aufgehen und Kukol müsste längst mit ihnen zurück sein. Was wenn er sie nicht findet?"
Vincent zuckte ungerührt die Schultern. „Dann sterben sie einen grausamen Tod im Sonnenlicht. Das geschieht ihnen Recht." Er versuchte Herbert in seine Arme zu ziehen, aber der riss sich von ihm los.
Es war
wirklich nicht mehr viel Zeit zum Sonnenaufgang und selbst wenn Kukol
Alfred und Sarah finden würde, war vielleicht nicht mehr genug
Zeit sie rechtzeitig ins Schloss zu bringen. Keiner der der anderen
Vampire kümmerte sich um ihren Verbleib. Es war klar, dass sie
mittlerweile als Opfer verloren waren und damit hatten sie auch
jeglichen Wert verloren.
Außer für Herbert. Der hatte
plötzlich einen Entschluss gefasst. Er stürzte die Treppen
hinunter in die große Eingangshalle und riss mit einiger
Anstrengung die großen Flügeltüren auf. Er musste
Alfred in Sicherheit bringen. Der Gedanke, dass der Junge, den er
gestern noch für sich beansprucht hatte, als ein Häufchen
Asche im Wald enden würde war ihm unerträglich.
Er ließ die Mauern des Schlosses hinter sich und rannte durch den Schnee in den angrenzenden Wald. Mit großen Unbehagen stellte er fest, dass die Dunkelheit bereits zu weichen begann. Vielleicht war es schon zu spät. Eigentlich hätte er sich zu dieser Zeit gar nicht mehr vom Schloss entfernen dürfen.
"Alfred!" rief er in die Finsternis des verschneiten Waldes. Es war kalt, aber er bemerkte es nicht einmal, als er sich elegant über den unwegsamen Boden bewegte. Vielleicht wäre es besser gewesen, seinen Vater um Hilfe zu bitten fiel ihm ein, aber er wusste nicht einmal wo der Graf sich im Moment befand. Er hatte sich nach dem missglückten Ausgang des Festes zurückgezogen.
Ein Schatten löste sich jetzt aus dem Dunkel des Waldes und kam humpelnd und wippend auf ihn zu. Seine scharfen Augen erkannten Kukol, den treuen Diener seines Vaters. Und er hatte sich eine menschliche Gestalt über die Schulter geworfen. Erleichtert lief er auf ihn zu, musste aber zu seinem Entsetzen erkennen, dass Kukol nicht Alfred, sondern Sarah bei sich hatte.
„Wo
ist Alfred?" fragte er verzweifelt und schüttelte Kukol an den
Schultern.
Der zeigte unverständliches murmelnd in eine
Richtung hinter sich. Herbert folgte rasch dem Weg, den Kukol ihm
gewiesen hatte, wich störenden Zweigen und Steinen aus. Er
wusste, dass seine Situation mit jedem Schritt aussichtsloser wurde.
Der Horizont verfärbte sich bereits heller und er wusste nicht
einmal, ob er es allein noch bis zum Schloss zurück schaffen
würde.
Da sah er eine menschliche Gestalt zusammengekrümmt vor sich auf dem Waldboden liegen. Mit einem leisen Aufschrei kniete er neben ihr nieder. Ja, es war Alfred. Er war leichenblass und kalt. Sarah hatte ihn gnadenlos ausgesaugt. Herbert zog ihn kurz an sich, hob ihn dann auf seine Arme und machte sich mit ihm auf den Weg zurück zum Schloss. Mit Alfred auf dem Arm war der Weg um einiges beschwerlicher und seine Augen brannten mittlerweile von der tödlichen Helligkeit, so dass er Mühe hatteüberhaupt noch etwas zu sehen. Die Sonne war kurz davor aufzugehen und Herbert merkte, wie das Licht ihm die Kraft raubte. Ihm war heiß, trotz der Winterkälte.
„Nein Alfred" flüsterte er, als er mit ihm aus dem Wald heraus stolperte und dann in den Schnee fiel. Er würde es nicht schaffen . . .
In dem Moment senkte sich ein wohltuender Schatten über ihn. Herbert sah erleichtert auf. Sein Vater stand über ihm, den Mantel ausgebreitet. Er reichte Herbert die Hand und zog ihn hoch um ihn dann an sich zu drücken und ihn mit seinem Umhang zu umhüllen. Schweigend zog er ihn in die wartende Kutsche. „Alfred." Hauchte Herbert.
Auf das Zeichen des Grafen sprang Vincent von der Kutsche, sammelte Alfred aus dem Schnee und schubste ihn unsanft ebenfalls in die Kutsche. Dann sprang er wieder auf den Kutschbock und gab den Pferden die Peitsche.
„Nie wieder!" donnerte von Krolock „Nie wieder verlässt du zu dieser Zeit der Nacht das Schloss, Herbert!"
"Aber Vater. Alfred wäre . . ." versuchte Herbert ihm zu widersprechen.
„Und schon gar nicht, um einen Sterblichen zu retten, der sein Glück nicht einmal erkennen will. Hast du mich verstanden?"
Herbert
wusste, dass man mit seinem Vater am besten nicht diskutierte, wenn
er in dieser Stimmung war. Nun eigentlich, war es am besten niemals
mit ihm zu diskutieren.
„Ja Vater" sagte er demütig. „Ich
danke dir für die Rettung."
Dank der Kutsche erreichten sie gerade noch rechtzeitig die schützende Dunkelheit des Schlosses. Von Krolock verschwand ohne ein weiteres Wort in Richtung der Gruft. Vincent hob Alfred aus der Kutsche und blieb dann Kopf schüttelnd mit ihm vor Herbert stehen. „Was ist nur mit dir los?" fragte er fassungslos. „Warum riskierst du für so einen dahergelaufenen Streuner dein Leben? Wenn ich deinen Vater nicht verständigt hätte . . ."
Herbert schüttelte den Kopf. „Heute nicht Vincent. Ich bin . . . erschöpft. Lass uns ein anderes Mal darüber reden." Er streckte die Arme nach Alfred aus.
„Soll ich ihn nicht lieber . . .?" begann Vincent.
Herbert schüttelte den Kopf. „Gib ihn mir." Vincent überließ ihm den Jungen und Herbert drückte ihn fest an sich, während er die steilen Stufen zur Gruft hinab stieg. Der Sarg seines Vater war bereits verschlossen. Kein weiterer Sarg befand sich in dem dunklen Gemäuer. Offensichtlich hatte sein Vater das Interesse an Sarah bereits verloren. Er legte Alfred vorsichtig auf den harten Steinplatten ab und zog ihm die Stiefel und seine Jacke aus. Das musste für heute genügen. Auch wenn er es niemals für möglich gehalten hätte, war er zu müde um Alfred ganz auszuziehen. Stattdessen ließ er ihn sanft in seinen eigenen gepolsterten Sarg gleiten, entkleidete sich dann und legte sich neben den noch immer besinnungslosen Alfred. „Morgen wird es dir besser gehen mein Schöner", flüsterte er und hauchte Alfred einen Kuss auf die Wange. Dann zog er den Sargdeckel über ihnen beiden zu.
Als Alfred die Augen aufschlug, war es stockdunkel. Deswegen nahm er auch zuerst an, dass er tot war. Aber sein Rücken tat ihm weh, und links und rechts neben sich konnte er etwas fühlen. Rechts neben ihm war es kalt und hart, und links war es warm und weich. Vorsichtig tastete Alfred neben sich nach der Person, die da lag.
„Professor?", fragte er, und seine Stimme zitterte. Er tastete zur anderen Seite, und dann über seinem Kopf und dann nach oben. Entsetzen packte ihn. Er war her eingeschlossen, gefangen womöglich. Mit dem Professor!
Schwungvoll setzte er sich auf und stieß sich den Kopf an der niedrigen Decke. Oh Gott, war das... war das ein Sarg?
Panisch drückte Alfred gegen den Deckel, und er schaffte es, ihn zu bewegen und so zur Seite zu stemmen, dass er herausklettern konnte, was er schleunigst tat.
Draußen war es ebenfalls dunkel, aber vereinzelte Fackeln beleuchteten den Ort. Es war eine Gruft.
Alfred fröstelte und bekam eine Gänsehaut, als er sich umsah und dabei dem Professor die Hand reichte, um ihm hinaus zu helfen. „Kommen Sie, Professor!", sagte er, und dann sah er in den Sarg hinein.
„RAAAAAAAAAAAAAAAAH!", schrie er, stolperte rückwärts, fiel hin, rappelte sich wieder auf und rannte dann ziellos und panisch in der Gruft hin und her, um den Ausgang zu suchen.
„Hilfe!", schrie er. „Professor! Wo sind Sie! Und wo bin ich? Sarah! Hilfe!"
Herbert fuhr erschrocken aus seinem tiefen Schlaf hoch, als er Alfred schreien hörte. Benommen richtete er sich auf und stützte sich an seinem Sarg ab, während er auf die Gestalt blickte, die panisch und ziellos in der Gruft umherlief. "Alfred" rief er gedämpft und schwang sich aus seinem Sarg. So müde wie er sich fühlte musste es draußen noch heller Tag sein.
Alfred wurde noch panischer, als er merkte, dass Herbert erwacht war. Im nächsten Moment rannte er einen Kerzenständer um. Zum Glück konnte sich das Feuer auf dem Steinfußboden nicht ausbreiten. Herbert sah besorgt zum Sarg seines Vaters. Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Graf erwachte und es gab nichts Schlimmeres, als ihn in seinem Schlaf zu stören. Vielleicht würde er Alfred sogar aus dem Schloss werfen...
Herbert
gelang es zum Glück sehr schnell Alfred zu packen und er zog ihn
in seine Arme.
"Du brauchst doch keine Angst zu haben mein
Liebling" flüsterte er. "Mach nicht so einen Lärm,
sonst erwacht mein Vater. Und ich denke nicht, dass du das willst,
oder" Er strich Alfred über die Wange. "Gestern warst
du noch so warm und heute fühlst du dich kalt an wie Schnee. ich
lasse dich von mir trinken, dann wird es dir besser gehen."
Alfred
erstarrte, als Herbert ihn in seine Arme zog. Sein Blick wanderte
hinüber zu dem zweiten Sarg in der Gruft, in dem wohl der Graf
lag. Vor dem hatte Alfred eine Heidenangst.
Dann schoss sein Blick
wieder zu Herbert, und entsetzt wich er vor ihm zurück. "M-mich
trinken lassen? Was" Er griff sich an den Hals und
erschauderte, als er sich erinnerte, wie Sarah ihn gebissen hatte.
Jetzt war er also auch - einer von ihnen...
Seltsamerweise nahm seine Angst dabei nicht ab, sondern nur zu, und er wandte sich von Herbert ab und verschränkte die Arme vor der Brust, als würde er frieren.
"Bin ich jetzt auch - ein V-v. . . Vampir", fragte er. Er trat vor und stellte etwas reumütig den umgerannten Kerzenständer wieder auf. Dann sah er wieder zum Sarg des Grafen, ob der auch ja nicht herauskam.
Herbert beobachtete lächelnd, wie Alfred das von ihm angerichtete Chaos wieder ein bisschen aufräumte. Begeistert schien er nicht gerade darüber zu sein, dass er ein Vampir war. Aber wenigstens hatte er nicht sofort wieder nach Sarah gefragt. Diesen Namen konnte Herbert einfach nicht mehr hören.
Er
trat wieder auf Alfred zu und legte ihm fürsorglich einen Arm um
die Hüften.
"Ja, du bist jetzt einer von uns."
sagte er leise und legte eine Hand an Alfreds Wange. "Daran
wirst du dich schon gewöhnen. Glaub mir es ist wirklich ganz und
gar nicht unangenehm. Du bist erschöpft mein Schöner.
Überlass einfach alles mir." Er geleitete Alfred zurück
zum Sarg. "Ich werde aufpassen, damit dir niemand etwas antut.
Ab jetzt bist du mein Gefährte Alfred und ich werde nicht von
deiner Seite weichen."
"Waaaaaas", schrie Alfred entsetzt und legte sich gleich darauf die Hand vor den Mund. Seine Augen schossen sofort wieder ängstlich zum Sarg des Grafen, aber nichts rührte sich dort.
Er
wich wieder von Herbert zurück, der - wie ihm erst jetzt auffiel
- lediglich eine Unterhose trug. Sofort standen ihm die Nackenhaare
zu Berge. "B-bleib weg von mir", sagte er nicht sehr
bestimmt. "Ich... ich hole den Professor"
Er sah sich
Hilfe suchend um, aber es war weit und breit kein Professor zu sehen.
Was sollte er nur tun? Wenn einer ihm helfen konnte, dann nur er, und
nicht dieser wollüstige Vampir hier, der seine Hände nicht
bei sich behalten konnte.
"Wo ist Sarah", fiel ihm ein. "SARAH", schrie er, und presste sich sofort wieder die Hände vor den Mund. "Entschuldigung", flüsterte er.
Herbert seufzte resignierend auf, als Alfred zuerst mit dieser Witzfigur von Professor und dann auch noch mit Sarah anfing. Wenn er nicht so wahnsinnig niedlich gewesen wäre hätte er ernsthaft überlegt ihn aus der Gruft zu werden und sich doch wieder Vincent zuzuwenden. Aber Alfred war eben einfach zu süß mit seinen großen blauen Augen und blonden Löckchen. Nein, er wollte ihn und er würde dafür sorgen, dass er ihn auch bekam.
Er gab Alfred einen Schubs, so dass der ziemlich unsanft kopfüber in den gepolsterten Sarg fiel. bevor er sich wieder aufrappeln konnte folgte er ihm und kniete sich über ihn, so dass Alfred keine Chance mehr hatte zu entkommen.
"Alfred, der Professor ist längst über alle Berge und Sarah hat dich schließlich in diese Lage gebracht. beide haben dich im Stich gelassen, ich bin derjenige der zu dir hält. Siehst du das denn nicht"
Alfred
sah nur schreckerfüllt zu ihm auf und versuchte frei zu kommen.
Herbert biss sich kurzerhand in das Handgelenk, verzog kurz das
Gesicht vor Schmerzen und hielt es dann an Alfreds Lippen. Warmes
Blut quoll daraus hervor.
"Trink" flüsterte er und schloss genießerisch die Augen. "Du bist schwach."
Alfred hörte auf, sich zu winden und zu zappeln, als Herbert sich ins Handgelenk biss und rotes Blut daran herab lief. Als er es ihm auch noch vors Gesicht hielt, fühlte Alfred seine Lippen darauf, bevor er sich aufhalten konnte.
Es war köstlich. Er wusste nicht, ob ihm jemals etwas in seinem Leben als Mensch so gut geschmeckt hatte. Er trank ziemlich gierig, wie ein Rehkitz dem die Mutter weggestorben ist und das halb verhungert im Wald gefunden wird, und endlich ließ er den Kopf zurückfallen und leckte sich über die Lippen. Jetzt war er wenigstens satt, aber Angst hatte er immer noch. Er sah zu Herbert auf, der über ihm saß.
"M-muss ich hier schlafen? Kann ich nicht - irgendwo ein Bett haben? Irgendwo wo es vielleicht nicht. . . ganz so. . . dunkel ist"
Herbert
tauchte widerwillig aus dem Rausch auf, in den es ihn versetzt hatte,
dass Alfred von ihm tank. Er fand es fast genauso schön wenn
jemand anders an ihm saugte, wie wenn er selbst von jemandem trank.
Vincent und er tranken manchmal voneinander. . .
Und Alfred war so
gierig gewesen und so fordernd. So kannte er ihn normalerweise gar
nicht. Wenigstens dieser Teil des Vampirdaseins schien ihn nicht zu
stören. . .
Herbert atmete kurz tief durch bevor er antwortete. "In Särgen ist es für uns am sichersten. Vater hat die Sicherheitsvorkehrungen in der Gruft verstärkt, seit wir herausgefunden haben, dass ihr hier unten wart." Irgendwann würde er Alfred fragen, warum sie nicht die Gelegenheit ergriffen hatten sie zu töten, aber jetzt war nicht der Moment dazu. Herbert holte ein sauberes Tuch unter seinem Kopfkissen hervor und band es um sein Handgelenk.
"Glaub mir in einem Bett wirst du dich nicht mehr wirklich wohl fühlen." Er ließ sich neben Alfred sinken und schlang einen Arm um ihn. "Und was meinst du mit dunkel? Jetzt als Vampir kannst du schließlich in der Nacht auch recht gut sehen, oder? Zwar erkennst du keine Farben, aber alle Umrisse erkennst du doch deutlich."
Er zog den Sargdeckel über ihnen wieder zu.
Alfred sah, nichts, aber auch gar nichts, als Herbert den Deckel wieder schloss. "Mmhh", machte er, womit er eigentlich trotzdem Bestätigung ausdrücken wollte, aber es klang eher wie ein kleiner Junge, der gleich anfangen würde zu weinen. Er starrte nach oben, wo sich der Deckel wieder über ihnen geschlossen hatte, und schluckte zweimal.
"Morgen. . . morgen kriege ich doch meinen eigenen - Sarg, oder", fragte er. Er konnte nicht ganz glauben, dass er sich in einem Bett nicht mehr wohl fühlen würde. Im Gegenteil glaubte er eher, dass er sich in einem Sarg NIE wohl fühlen würde, aber das sagte er lieber nicht.
Er rutschte ein wenig hin und her, weil ihm unbehaglich war, und dass es so absolut stockduster war, war ihm nicht geheuer. Und noch dazu musste er ausgerechnet mit Herbert einen Sarg teilen. . . Wenn es Sarah gewesen wäre, hätte es ihm vielleicht nicht einmal soviel ausgemacht.
Herbert seufzte auf, als Alfred damit anfing, dass er einen eigenen Sarg haben wollte. Eigentlich hätte er es als Ehre empfinden müssen hier zu schlafen. Schließlich war diese Gruft seinem Vater und ihm selbst vorbehalten. Der Graf hatte schon lange lange Zeit niemanden mehr mit hier herunter genommen und sogar bei Herbert kam es sehr selten vor. Aber Alfred wusste das natürlich mal wieder überhaupt nicht zu schätzen.
"Natürlich kannst du auch einen Sarg auf dem kalten zugigen Friedhof haben, wenn die das lieber ist." sagte er beleidigt. "Aber ich warne dich: Die anderen Vampire werden dir gegenüber nicht so freundlich gesinnt sein, wie ich. Du weißt ja: 'Nimm was du kriegst, denn sonst wird dir genommen.' danach leben wir normalerweise. Keiner von ihnen wird dir freiwillig sein wertvolles Blut geben. Am allerwenigsten Sarah."
Er hauchte Alfred einen Kuss auf die Wange. "Aber jetzt versuch zu schlafen bis zur nächsten Nacht, mein Süßer. Und dann kannst du es dir ja überlegen, ob du nicht doch lieber in meiner warmen Umarmung schlafen willst."
Alfred rutschte bei diesen letzten Worten entsetzt so weit von Herbert weg, bis er an die kalte Sargwand stieß. Dort lag er dann und sah suspekt mit weit aufgerissenen Augen in Herberts Richtung - nicht, dass er auch nur ein Fitzelchen von ihm hätte erkennen können.
Er wollte schon beleidigt aufbegehren, als Herbert Sarah unterstellte, dass sie ihm nicht sofort helfen würde. Aber wozu sich die Mühe machen? Herbert verstand eben nicht, was echte Liebe war. Morgen würde er Sarah finden und dann mit ihr fliehen. Der Professor konnte ihnen sicher helfen.
Obwohl... es war schon ein weiter Weg bis zum Professor, schätzte er. Und eigentlich... eigentlich wusste er ja, dass er ihnen nicht wirklich helfen konnte. Ihre Seelen retten, das ja. Aber Alfred war im Moment nicht nach einer geretteten Seele, wenn das bedeutete, dass er einen Pflock durchs Herz getrieben bekommen würde.
Allein bei der Vorstellung bekam er eine Gänsehaut, und er fragte sich, wie Herbert hier halbnackt schlafen konnte. Ihm war schon in Klamotten eisig kalt. Aber auf das mit der Umarmung wollte er dennoch nicht zurückkommen.
"Herbert", fragte er nach einer Weile trotzdem leise. "Mir. . . mir ist kalt. Und ich will kein Vampir sein."
"Du bist aber nunmal einer." sagte Herbert sanft. "Gewöhn dich besser daran. Um ehrlich zu sein hätte ich dich selbst sehr gern zu einem gemacht und ich werde es Sarah niemals verzeihen, dass sie mir zuvorgekommen ist. Der erste Biss ist immer etwas ganz besonderes. Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen, den ich natürlich von meinem Vater empfangen habe. Irgendwann erzähle ich dir davon wenn du möchtest. Wie ich Sarah kenne war es bei ihr wahrscheinlich völlig unzeremoniell nicht wahr? Richtig gewöhnlich. . ." er seufzte theatralisch. "Ich hätte es zu etwas ganz Besonderem gemacht, wenn du mit mir auf den Ball gegangen wärst. . ."
Dann lächelte er wieder. "Dagegen, dass dir kalt ist kann ich allerdings gerne etwas tun." Er zog Alfred wieder näher an sich. "Ich kann dafür sorgen, dass dir nicht nur warm, sondern heiß wird mein Schöner."
Alfred wurde sofort wieder stocksteif, als Herbert ihn an sich zog. "V-vielen Dank", sagte er. "Das ist sehr freundlich, aber ich. . . Mir ist doch nicht mehr kalt"
Er fragte sich, wo Sarah jetzt war. Herbert hatte gesagt, dass keiner hier unten schlafen durfte, und dass die anderen nur zugige Särge auf dem Friedhof hatten. . . Aber er beschloss, nicht wieder mit Schlafplätzen anzufangen. Sonst würde Herbert vielleicht sauer werden, und wer konnte wissen, was er dann mit ihm machte?
"Sarah ist ein sehr nettes Mädchen", sagte er und starrte entschlossen in Herberts Richtung. Wenn jemand mich zum Vampir machen durfte, dann sie, wollte er sagen, aber er verkniff es sich lieber. Herbert wäre sicher gekränkt. "Sie hat mir ihren Schwamm geschenkt", sagte er statt dessen. Und dann, etwas kleinlauter fügte er hinzu"Naja. . . sie hatte zwei."
Herbert lachte abfällig auf. "Einen Schwamm" fragte er. "Glaub mir Alfred ich würde dir gerne tausend schönere Geschenke machen. Ich verstehe einfach nicht, was du an diesem Mädchen findest. Sie hat dich doch eiskalt verlassen, als mein Vater sie zu sich gerufen hat. Keinen Gedanken hat sie mehr an dich verschwendet sobald sie hier war. Nicht einmal, dass du ihr nachgekommen bist um sie zu retten wusste sie zu schätzen." Herbert drehte sich auf den Rücken und sah zum Sargdeckel hoch. "Ich wüsste dich zu schätzen Alfred. Alles an dir. Schon als ich dich zum allerersten Mal gesehen hatte wusste ich, dass du für mich bestimmt bist. Und auch wenn du es selber noch nicht weißt: eines Tages wirst du es begreifen." Er beugte sich zu Alfred rüber und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Stirn. 'Bald wirst du freiwillig in meinen Armen liegen' dachte er zuversichtlich, bevor er einschlief.
Alfred bekam einen eiskalten Schauer, als Herbert ihn auf die Stirn küsste. Was der da redete, war zwar wohl nett gemeint, aber vollkommener Blödsinn. Alfred hatte es nicht im Sinn, auch nur eine Nacht länger als nötig den Sarg mit diesem Vampir hier zu teilen. Wenn er mit Sarah einen Sarg hätte teilen können, dann hätte er auch den zugigen Friedhof in Kauf genommen. Ja. Ganz bestimmt. Obwohl. . .
Wenn es hier schon so kalt war. . . Und auf dem Friedhof war es sicher auch ein etwas blödes Gefühl, zwischen so vielen anderen Vampiren zu schlafen. . . Obwohl, mit Sarah. . .
Alfred fielen die Augen zu, während er noch über seine Prioritäten nachgrübelte, und im Schlaf fröstelte er und versuchte, sich so klein wie es ging zusammenzurollen.
Soweit das erste Kapitel von „Wenn Liebe in mir ist". Diese Geschichte ist ein Gemeinschaftsprojekt von meinem Freund Sevvie und mir. Wir sind gespannt, wie sie euch gefällt und wären für Reviews dankbar.
