Lifeless- Leblos

1. Atemzug

Kalt. Innere Kälte.

Auch wenn dein Herz schlägt, bedeutet dies nicht, dass das Blut, das durch deinen Körper rauscht, diesen Körper warm hält. Dein Herz kann innerlich kalt sein, kann leblos sein, tot, obwohl es weiterhin schlägt.

Er fühlte die Kälte.

Seit Jahren.

Gab es eine Zeit, zu der es anders gewesen war?

Er konnte sich nicht erinnern.

An einem gewissen Punkt in seinem Leben, noch bevor er jemals seinem Meister, Plagueis, begegnet war, nahm eine seltsame Kälte sein Herz gefangen. Und verwehrte ihm seither jedwede Rettung.

Liebe kreuzte seinen Weg nicht, ebensowenig wie wahre Freundschaft. Als Sith er nicht daran glauben. Er hatte die Liebe viele Male gesehen.

So genannte Freunde, Kollegen ... sie verliebten sich, heirateten und gründeten gar eine Familie. Manche hatten oft versucht, ihn mit als passend erachtete Frauen vorzustellen. Einige dieser Frauen waren sogar nach seinem Geschmack, aber er verbot es sich, für sie zu empfinden.

Er führte sie ein paar Mal nur für das Protokoll aus, so das keine Gerüchte aufkamen. Für die Gesellschaft schien es seltsam zu erscheinen, wenn ein Mann gewollt allein blieb. Und wenn er zudem kein Interesse an jeder Art von sexueller Beziehung zu Frauen oder auch Männer zeigte, wurde die Gesellschaft noch misstrauischer. So gestattete er sich kurzweilige Beziehungen von Zeit zu Zeit. Ein Arrangement, geboren aus der Notwendigkeit.

Jede dieser Arrangemente überlebte nicht mehr als 6 Monate und er organisierte es, dass er jedes Mal derjenige war, der verlassen wurde. Als jemand, dessen Herz wieder und wieder gebrochen worden war, machte ihn das für seine Kollegen noch um so symphatischer. Er erschien harmlos, gefühlsbetont, hingebungsvoll.

All das war er nicht.

Das war seine Maske. Ein Wolf im Schafspelz.

Mit offenen Augen starrte er in der Dunkelheit an die Decke, währemd seine Lunge immer und immer wieder Luft aufnahm und dann wieder ausstieß. Sein Atem war das einzige Geräusch im Schlafzimmer, selbst die Verkehrgeräusche außerhalb des Fensters drangen nicht in durch die schalldichte Fensterscheibe.

Mit jedem Atemzug wurde ihm kälter. Sein Herz erschien mit Eis ummantelt, als würde es jeden Moment gefrieren und seinen Dienst einstellen. Dann würde das Blut in seinem Körper nicht mehr zirkulieren und der Tod eintreten.

Er fuhr hoch, plötzlich, erschrocken. Der Atem entwich seiner Lunge stoßartig. Zittern. Der ganze Körper schien seiner Kontrolle zu entrinnen.

Atme! Verdammt, atme!

Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus.

Ganz ruhig.

Finger gruben sich in die Laken, um das Zittern zu kontrollieren. Es einzustellen, und den Körper zu beruhigen. Es erschien ihm seltsam, dass ein vor Kälte zitternder Körper, schwitzen konnte.

Die Muskeln arbeiteten, verbrauchten Energie, erzeugten Wärme. Aber nicht genug Wärme, um ihn warm zu halten.

Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Zustand seines Körpers erleben durfte. Er wurde regelmäßig an die stete Gegenwärtigkeit dieser Eiseskälte erinnert. Nachts. Im Schlaf, oder wenn er wach lag,...wie in den meisten Nächten.

Steh auf!

Nach dem Zittern, kam die Übelkeit. Das war immer so, keine Ausnahme. Der Klumpen in seinem Magen, ebenso eisig und ebenso schwer, bewegte sich. Das Gefühl würgen zu müssen, ging über in das Bedürfnis zu erbrechen.

Und jetzt lauf!

Hastig floh er aus dem Bett, verhedderte sich in der Decke, stürzte fast auf den Boden, fing sich im letzten Moment und schaffte es noch irgendwie rechtzeitig in das angrenzende Bad. Erbrochener Wein schmeckt wie Essig, wenn er den Ausgang durch den Mund nimmt. Es brennt, wenn er an Schleimhäuten gespült wird, bevor er über geöffnete Lippen gespeiht wird und dann in das Waschbecken läuft.

Eine Welle, eine Zweite. Nach der dritten Woge war sein Magen entleert, sein Körper erneut dem Zittern verfallen und sein körperlicher Zustand dem Verfall näher als noch vor wenigen Augenblicken. Er füllte sich Wasser in einen Becher und spülte sich den Mund aus, um den sauren Geschmack los zu werden. Das Zittern blieb, die Kälte auch.

Er brauchte nicht auf zu sehen. Er wusste, blickte er in den Spiegel, so würde ihn ein derangierter Mann anblicken, der mit jedem Tag mehr und mehr alterte und der von Tag zu Tag mehr die Folgen von Isolation und Selbstverleugnung verfuhr.

Du bist schon tot, du begreifst es nur noch nicht. Wir beginnen mit dem Sterben bereits am Tag unserer Geburt. Es ist ein langwieriger Prozess, bei dem das Fleisch an den Knochen selbst zu verfaulen beginnt und die Organe nach Aufbrauchen der letzten Energie ihre Dienste einstellen. Und dann beginnt der Körper sich selbst zu verdauen, indem er sich von ihnen heraus zu zersetzen beginnt.

Er blickte auf. Das Gesicht im Spiegel starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Palpatine war nicht mehr allzu weit vom Tod entfernt.